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Faschisten übernehmen Griechenland

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Im Sommer wurde Giorgos Karatzaferis, der Vorsitzende der extrem rechten Partei Laos, zum beliebtesten Parteiführer Griechenlands gekürt. Seit Mitte November ist seine Partei an der neuen Regierung beteiligt. Teil 1 einer Serie über rechten Populismus und Extremismus in der Euro-Krise.

von Chrissi Wilkens

»Nie wieder Faschismus!« Diese Parole ist immer häufiger auf Plakaten in den Straßen griechischer Städte zu lesen oder bei Demonstrationen zu hören. Seit Mitte November ist die Partei Laos (Laikos Orthodoxos Synagermios, »Orthodoxer Volks­alarm«) mit vier Politikern in der Übergangsregierung des Bankiers Loukas Papademos vertreten. Zum ersten Mal seit knapp 40 Jahren sind also Rechtsextreme in Griechenland wieder an der Macht beteiligt. Schon seit Monaten forderte der Laos eine Regierung der nationalen Einheit. Die Abgeordneten der Laos-Partei hatten im Sommer dem von der EU und dem Internationalen Währungsfond (IWF) diktierten Memorandum zugestimmt. Zur gleichen Zeit hatte die rechtsextreme Partei 30 Vorschläge zur Bewältigung der Krise präsentiert. Unter anderem schlug sie vor, die »Preise einzufrieren«, die Steuern für importierte Produkte aufzuheben und die Ausgabe von Kreditkarten auf eine pro Person zu beschränken. Vor kurzem hat der Laos-Vorsitzende Giorgos Karatzaferis sich mit einem Schreiben an die Bevölkerung gewandt, um zu versichern, er werde die Regierung von Papademos unterstützen, bis sie ihre Arbeit abgeschlossen hat. Schließlich gehe es ihm darum, die Gehälter und Renten zu retten.

Nach dem Rücktritt des Ministerpräsidenten Giorgos Papandreou
von der sozialdemokratischen Partei Pasok wäre die Beteiligung des Laos an der Übergangsregierung nicht notwendig gewesen. Die Verteilung der Mandate hätte eine große Koalition ermöglicht, bestehend aus der Pasok und der konservativen Nea Demokratia. Man kann es beinahe als sarkastisch werten, dass diese Regierung kurz vor dem 38. Jubiläum des Studentenaufstands gegen die Militärjunta am 17. November 1973 gebildet wurde. In den Reihen der Partei befinden sich unter anderem Sympathisanten der Junta und Antisemiten. Besonders umstritten ist die Ernennung des Rechtsanwalts Makis Voridis zum Infrastrukturminister. Voridis’ politische Laufbahn begann in den achtziger Jahren mit dem Posten des Generalsekretärs der Jugendorganisation der Partei Epen, die der ehemalige Diktator Giorgos Papadopoulos vom Gefängnis aus gegründet hatte. In dieser Partei blieb Voridis bis 1990. Auf einem Foto von 1985 ist zu sehen, wie er mit einem Hammer gegen Demonstranten vorgeht, die gegen die Polizeipräsenz im Athener Szenebezirk Exarchia protestierten. Die Studentenvereinigung schloss ihn wegen »faschistischer Tätigkeiten« aus. Mitte der neunziger Jahre gründete er eine Partei, die dem rechtsex­tremen französischen Front National von Jean-Marie Le Pen nahestand. Voridis beschreibt sich selbst als »nationalliberal«.

Karatzaferis, ein Journalist und Medienunternehmer, der aus der konservativen Nea Demokratia ausgetreten ist und im Jahr 2000 die Partei Laos gründete, bezeichnet sich als Nichtjude, Nichthomosexueller und Nichtkommunist, was nur »wenige von sich sagen können«, wie er stolz betont. Seine Partei befindet sich im heftigen Konflikt mit der griechischen kommunistischen Partei KKE. Vor kurzem hat Karatzaferis in einem Interview die Fronten markiert: »Heute existieren zwei Welten: die, die für Europa steht, und die kommunistische. Das Volk hat die Wahl.« Beobachter gehen davon aus, dass die extrem rechte Partei wegen ihrer Regierungsbeteiligung mittlerweile »salonfähiger« erscheint und von der Schwäche der großen Volksparteien profitieren könnte.
Der Präsident der Nationalen Kommission für Menschenrechte, Kostis Papaioannou, befürchtet, dass diese politische Entwicklung symbolisch, aber auch praktisch, zur Legitimierung der griechischen Rechtsextremen führe. In der Tageszeitung Ta Nea fragte er: »Wieviel demokratisches Defizit kann man rechtfertigen im Namen der Reduzierung des Haushaltsdefi­zits?« Papaioannou verweist auch auf die von der Regierung geplante Verabschiedung eines neuen antirassistischen Gesetzes, mit dem rassistische Äußerungen strafrechtlich verfolgt werden können. Die Regierungsmitglieder des Laos könnten wegen der rassistischen Ansichten, die sie immer wieder äußerten, mit strafrechtlichen Konsequenzen rechnen.

Extrem gefährlich ist die fremdenfeindliche Programmatik des Laos für Migranten. Die rassistische Hetze der rechtsextremen Politiker weckt zunehmend einen Hass auf Ausländer, der nicht selten in rassistischen Pogromen endet, wie beispielsweise im Mai in Athen. Zudem setzt sich der Laos für die sofortige Abschiebung der Papier­losen ein. Beobachter warnen, dass mit der weiteren Etablierung des Laos als Teil der Regierung die nationalsozialistische und rassistische Partei Chrissi Avgi (Goldene Morgendämmerung) gestärkt werden könnte. »Laos verliert Wähler an diese Partei«, sagte der Meinungsforscher und Politologe Giannis Mavris vom Institut Public Issue der linken Zeitung Epochi.
Hunderte Menschen – unter ihnen viele Migranten – demonstrierten am vergangenen Samstag in Athen gegen Rassismus und die Beteiligung der extremen Rechten an der Regierung. In vielen Städten formieren sich derzeit antifaschistische Gruppen. Doch die Unsicherheit, die während der Krise das Alltagsleben der Griechen prägt, drückt sich immer häufiger in rechtsnationalen Sichtweisen oder Aktionen aus. In einer der einflussreichsten Militärakademien des Landes haben am 17. November, dem Jahrestag des Studentenaufstands gegen die Militärjunta, mehrere Studenten nach einer Feier die Hymne der Junta gesungen. Infolgedessen musste der Vorsitzende der Militärakademie sich vor Gericht zu dem Vorfall äußern, fünf Studenten wanderten für 20 Tage ins Gefängnis.
Durch seine Beteiligung an der Regierung scheint das Image von Karatzaferis als »volksnaher« Politiker bisher kaum gelitten zu haben. Mit seiner populistischen Rhetorik spricht der Vorsitzende des Laos vor allem christlich-orthodoxe Patrioten an, und bis vor kurzem auch diejenigen, die gegen die großen »Volksparteien« waren. In einer Umfrage im Sommer wurde Karatzaferis sogar zum beliebtesten Parteiführer Griechenlands gewählt, die Werte seiner Partei bei aktuellen Umfragen überschreiten derzeit jedoch nicht neun Prozent. »Die Ehe mit der extremen Rechten ist das Schutzdach für eine Regierung, die sogar von Bankern als Halbmarionette bezeichnet wird. Die politische Mischung, die hergestellt wird – unabhängig von der Dauer der derzeitigen Regierung –, ist ein schreckliches Modell für die absehbare Zukunft,« kommentierte die Wochenzeitung Pontiki.

Quelle: jungle-world.com - Archiv - 49/2011 - Antifa - Serie über Rechtsextreme und die Euro-Krise. Teil 1: Griechenland
 
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