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Flucht in den Tod

Styria

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FLUCHT IN DEN TOD


Rudi PERESIN's Flug nach Österreich von Georg MADER für [SIZE=-1]www.airpower.at[/SIZE]. 25. Oktober 1991

09:35 Uhr: Die Operators des Luftraumüberwachungssystem Goldhaube des österreichischen Bundesheeres - in grosser Höhe kann man damit bis Sarajewo erfassen - beobachten im Luftraum über Mittelkroatien mehrere Flugzeuge unbekannter - jedoch vermutlich jugoslawischer - Identität. Eines davon bewegt sich kurz darauf mit hoher Geschwindigkeit nach Norden in Richtung Slowenien und weiter der österreichischen Staatsgrenze, verschwindet - verdeckt von den Karawanken - dann jedoch vom Radar.
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Die MiG 21 R in Klagenfurt, ein paar Tage später Zur selben Zeit sind zwei Saab-105 des FlgR 3 aus Linz - Hörsching im Raume Aigen i. Ennstal unterwegs. Kurz danach hat die nicht identifizierte Maschine durch extremen Tiefflug weitere Radarerfassung im Bereich der Karawanken vermieden und fliegt ins Klagenfurt Becken ein. Als sich der Pilot dort orientiert und den Flughafen Klagenfurt im Überflug visuell prüft, meldet der Tower in LOWK per Telefon der MCC in die Wiener Schnirchgasse "Eine MiG über Klagenfurt.!!." und fragt nach weiterem Vorgehen. Der Tages-Einsatzoffizier/Abfang hatte das Verschwinden des betreffenden Kontakt noch nicht vergessen, beruhigt KLU und dirigiert darauf die beiden 105 mit high-priority schnellstmöglich nach Annabichl, während dort die unbekannte MiG bereits mit ausgefahrenem Fahrwerk dem Tower die Absicht zu landen signalisiert. Sie wird jedoch von den beiden unterschallschnellen Saab 105 in der Luft nicht mehr gefunden, bzw. nicht rechtzeitg erreicht.
Um 09:58 setzt die MiG in Österreich auf. Noch während sie am Taxiway rollt, sind die beiden Saab-105 vor Ort, überfliegen den Eindringling tief und melden der MCC die Landung, die Identität als MiG-21 der jugoslawischen Volksluftwaffe (Ratno Vazduhoplovstvo i Protiv Vazdušna odbrana - oder kurz RViPVO), und die taktische Nummer '112' auf der rechten Flügeloberseite.
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Ing. Rudolf Peresin's Fliegerdress und..
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...seine Handfeuerwaffen liegen heute im Heeresgeschichtlichen Museum in Wien Die Maschine wird schnell als naturmetall-silberne MiG-21R - also eine Aufklärungsversion ohne Bordkanone - identifiziert. Sie trägt jedoch keinen Kamerabehälter, zwei Zusatztanks und ist sonst nicht bewaffnet. Die taktische Nummer ist auf beiden Bugseiten mit grauer Farbe übermalt, vermutlich eine Vorsichtsmassnahme um kroatische Aufklärung zu erschweren. Auf beiden Seiten des Leitwerks ist jedoch in kleinen Ziffern die Nummer '26112' angebracht.
Dem Flugzeug entsteigt der Pilot und stellt sich als Kapetan Ing. Rudolf Peresin vor. Er ist mit mit einer 7,65mm Pistole M70 und einer 7,65mm Klein MP M61 bewaffnet und gibt in gebrochenem Englisch bei der Befragung durch das österreichischen HNA Folgendes zu Protokoll: Er wolle nicht mehr länger im Sold der JRV gegen seine kroatischen Landsleute kämpfen, suche aber nicht um politisches Asyl an sondern wolle in die befreiten Teile Kroatiens zurück. Er gab an, am 25. März 1953 in Jarsimac nahe Gornje geboren worden zu sein. Er habe das Militärgymnasium in Mostar und später dann die JRV-Luftwaffenakademie in Zadar - Zemunik besucht. Nach Abschluß der Ausbildung zum Einsatz-Jetpiloten wäre er 1982 im nordbosnischen Bihac stationiert worden. Dort flog er in der 352. Aufklärungsflieger-Staffel (Izvidajcka Avijacijska Eskadrila - IAE), des 117. Jagdfliegerregiments im Rahmen des 5. Korps der RViPVO.




Die MiG-21R

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Der 285 kg schwere ‚D-Pod' mit sieben Mittelformatkameras. Die gegenständliche Aufklärungsversion der MiG-21 war die erste Variante der dritten Generation des taktischen Jägers welche in Serienproduktion ging, und zwar genau von 1965 bis 1971 im Werk (Zavod) 21 in Gorkij, sowohl für die sowjetische Luftaffe (VVS) als auch für den Export. Sie unterschied sich von der zweiten Generation MiG-21 (etwa PFM-SPS) in mancher Hinsicht. Der Rumpfrückenwulst war bis zum Seitenleitwerk grösser und länger und enthielt einen zusätzlichen 340 Liter Kerosintank, was die maximale interne Treibstoffmenge auf 2.800 Liter ansteigen liess. Ausserhalb der existierenden zwei Flügelpylone wurde je ein zusätzlicher Pylon für 490 Liter-Zusatztanks eingerüstet. Dazu wurden die Flügeholme des Deltatragwerks verstärkt.
Von aussen gibt es einige gut sichtbare "Spezilität" der R-Version im Vergleich zu älteren Varianten. So gab es etwa zusätzliche Nick- und Gierwinkelgeber-Flösschen auf dem nach rechts versetzten, vor dem Cockpit nach vor ragenden Datenträger-Boom.
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21er-Aufklärercockpit. Bedienungskonsole für die Kamerabehälter oben über dem Reflexvisier. Jene waren - zusammen mit dem Anstellwinkelgebern (AOA) auf jeder Seite der Rumpfnase - mit dem für tiefe und schnelle Aufklärereinsätze notwendigen genaueren Autopiloten AP-155 verbunden. Ausserdem wurde eine Blattantenne am Rumpfrücken weggelassen und eine kleine Kühllufthutze am Rücken hinter dem Cockpit hinzugefügt. Prominentestes Erkennungsmerkmal der R waren jedoch sicher die beiden RHAWS (Radar Homing and Warning System)-Behälter an den Flügelspitzen, welche - im Gegensatz zu den normalen SO-69 Sirena Radarwarnempfängern - vorne und hinten je eine sog. Sprial-Helix Antenne zur 360° Abdeckung enthielten. Die bisherige "nasse" Unterrumpfstation wurde für die Aufnahme der eigentlichen Aufklärungsausrüstung umgerüstet. Die beiden Kamerabehälter für Fotoaufklärung wurden D-Behälter und R-Behälter genannt. Ersterer wurde für Tages-Fotoaufklärung verwendet und enthielt sieben Mittelformatkameras (sechs A-39 und eine ‚Asht-Schafa' SM Reihenbildkamera) mit verschiedenen Brennweiten für normale und überlagernde Aufnahmen bzw. Bildreihen. Radaraufklärungseinrichtungen im Behälter waren die Systeme ASO-21 und ein ECM-System. Der ‚D-Pod' wog 285 kg. Der andere Aussenbehälter (R-Pod) enthielt ebenfalls eine A-39 Kamera und (zum D-Pod) zusätzliche elektronische Aufzeichungs-Ausrüstung mit den Systemen LYRA und MS-81sowie einen Satz Chaff und Flares. Er wog etwa 305 kg. Ausserdem gab es noch den N-Behälter für Nacht-Fotoeinsätze, welcher primär im rückwärtigen Teil mit Blitzlichtkartuschen gefüllt war. Wie die meisten MiG-21 Varianten, wurde die Aufklärungsversion kontinuierlich aufgewertet. Während frühe R's (wie jene gegenständliche) keinen Rückblickspiegel auf der Cockpithaube trugen, erhielt die nachfolgende MiG-21RF einen Ts-27AMSh Rückspiegel am Cockpithaubenrahmen. Die NATO-Bezeichnung der R-Version lautete "Fishbed-H".

Jugoslawien zerfällt

MiG-21 Versionen im Dienst der jugoslawischen RViPVO:

Nach Stalins Tod verbesserten sich die Beziehungen zwischen Tito-Jugoslawien und der Sowjetunion unter Chrustschow wieder und in weiterer Folge trafen im September 1962 die ersten MiG-21F-13 auf dem Flugplatz Batajnica nahe Belgrad ein. Insgesamt erhielt Jugoslawien über die Jahre mehr als 260 (!) MiG-21 verschiedener Versionen, die jeweils eine eigene Bezeichnung, L- = Lovac (Jäger) für Einsitzer, NL- für Doppelsitzer erhielten. Im einzelnen wurden geliefert: MiG-21F-13, MiG-21PFM, MiG-21R, MiG-21M, MiG-21MF, MiG-21bis, MiG-21U, MiG-21US, MiG-21UM.
Die Reihenfolge verlief wie folgt: 1962: 45 MiG-21F-13 (L-12), 1965: 9 bzw. 18 MiG-21U (NL-12), 1967 (oder 1968): 36 MiG-21PFM (L-14), 1969: 9 MiG-21US (NL-14), 1970: 12 MiG-21R (L-14i) und 25 MiG-21M (L-15) 1975: 6 MiG-21MF (L-16) und schließlich ab 1977: 100 MiG-21bis (L-17). Das genaue Lieferdatum der 24 (35) MiG-21UM (NL-16) ist nicht bekannt, die letzten Maschinen sollen jedoch erst Anfang der 80er Jahre eingetroffen sein.
Während die F-13 wiederum bereits ab 1980 außer Dienst gestellt wurden, gingen die verbliebenen Varianten fast vollständig in den Bestand der Luftstreitkräfte der heutigen Föderativen Republik Jugoslawien über. Während der NATO- und US- Operation "Allied Force" 1999 (Kosovokrieg) wurden die MiG-21 kaum eingesetzt, zu gering standen deren Chancen. In die Schlagzeilen kamen sie jedoch als sie - nach wochenlangem sündteurem Bombardement - nach dem Friedenschluss einfach aus speziellen Stollen in Pristina-Slatina geholt und nach Serbien überflogen wurden, bzw. durch die Beteiligung einer MiG-21 am Abschuss eines F-117. Die verbliebenen R-Aufklärer dienen nach wie vor in einem Detachment bei der 353. IAE in Batajnica nahe Belgrad. Als im Sommer 1991 der Bürgerkrieg mit Slowenien und später Kroatien begann, wurde der - überproportional - grossen Anzahl kroatischer Piloten in der JRV in den Einheiten immer mehr Misstrauen entgegengebracht und Peresin brachte sicherheitshalber Frau und Tochter nach Kroatien in Sicherheit. Da er immer wieder Einsätze gegen kroatisches Territorium fliegen musste und dabei allein am 24. Oktober 1991 zwei MiG-21 bei Sisak und Letovanic verloren gingen, fasste er den Entschluss, bei nächster Gelegenheit zu fliehen. Als er bereits am nächsten Morgen zu einer visuellen Beobachtungsmission - die Kamerabehälter und Auswerteanlagen für die Aufklärungsmaschinen waren schon länger defekt - von Truppenbewegungen eingeteilt wurde und die Wetterbedingungen in mittlerer Höhe dabei immer schlechter wurden, forderte der - inzwischen zusätzlich - als Flugwetterexperte ausgebildete Peresin seinen Verband auf, die Operation abzubrechen. Während die MiGs nach Bihac zurückdrehten, nutzt Peresin die Gelegenheit, sich in den Wolken nach Norden abzusetzen und in den Tiefflug überzugehen. Da die wenigen Flugplätze in Kroatien damals nicht instrumentiert benutzbar waren und das Wetter Ende Oktober keine VFR-Landungen zuliess, entschloss sich Peresin weiter nach Österreich zu fliegen, was er auch schon öfter überlegt und durchkalkuliert habe. Seine grösste Sorge habe in diesem Zusammenhang dem erfolgreichen Unterfliegen der eigenen (Jugoslawischen) Radaranlagen gegolten - und nicht jenem der Österreicher. "Österreichische" Lösungen

Auf Grund einer neutralitätspolitisch zumindest fragwürdigen Entscheidung der damaligen Regierung - dem Vernehmen nach auf Betreiben des damaligen Aussenministers Alois Mock - verliess Ing. Peresin schon vier Tage später Österreich - sehr zum Unterschied zu seinem Flugzeug. Jenes verblieb nach seiner Ausreise vorerst in Klagenfurt - und um darum entspann sich in den folgenden Wochen eine erbitterte diplomatische Auseinandersetzung: Belgrad verlangte in scharfen Demarchen die Herausgabe des Flugzeuges, Kroatien ersuchte Österreich ebenso eindringlich, dies nicht zu tun. Wohl in Unkenntnis der genauen Version der MiG-21 rief Andreas Khol - damals noch außenpolitischer Sprecher der ÖVP - dazu auf, zu verhindern, dass die Maschine wieder Bomben auf Frauen und Kinder in Kroatien abwerfe. Notfalls müsse ihr Start in Richtung Serbien mit einer Menschenkette verhindert werden, sagte Khol, er selbst würde sich in die erste Reihe stellen.
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...Kommt Zeit, kommt Rat... Das war aber nicht notwendig, denn die österreichische Bundesregierung entschloss sich ohnehin, die Sache in die Länge zu ziehen. Mittlerweile hatte auch Kroatien Ansprüche auf die Maschine angemeldet, was willkommene Gelegenheit zu ausgedehnten völkerrechtlichen Untersuchungen, Gutachten und Erörterungen zwischen vier Ministerien bot. Bundeskanzler Franz Vranitzky sagte damals dazu in einem Radio-Interview den prophetischen Satz: "Wir sind Österreicher und daher für 'österreichische Lösungen' zuständig." Außenminister Alois Mock meinte, die Prüfung der Angelegenheit werde viele, viele Wochen in Anspruch nehmen, was noch eine glatte Untertreibung war. Die MiG 21R wurde jedenfalls nie rückgestellt - weder an Serbien noch an Kroatien. Im Dezember 1991 wollte die jugoslawische Armee einen Trupp Techniker nach Österreich schicken, um die Maschine zu warten, doch dazu kam es nicht mehr. Die MiG wurde im Hangar des Hubschrauber-Stützpunkts des Heeres am Klagenfurter Flughafen eingemottet. Als sie dort im Weg war, wurde sie im Herbst 1994 zerlegt und nach ins Heeresmunitions-Depot nach Großmittel in Niederösterreich transportiert und dort eingelagert. Auf Teile davon sollen angeblich am nahegelegenen Schiessplatz Felixdorf Beschusstest durchgeführt worden sein.

Aufbau der kroatischen Flugwaffe

Zurück zu Kpt. Peresin. Dieser suchte 1991 sofort nach seiner Rückkehr nach Kroatien Kontakt zum Korps der kroatischen Nationalgarde - dem Vorläufer der heutigen Armee - um sein Fachwissen dem Gen. Imra Agotic für den Aufbau einer eigenständigen kroatischen Flugwaffe bereitzustellen.
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MiG-21bis- Alarmrotte in Pula-Valtura, der Hangar im Hintergrund ist noch K.u.K.-Herkunft ! Später sollen es ihm Piloten wie Danijel Borovic - der ins befreite Split fliegt - und drei andere gleichtun und mit Peresin ab 4. Februar 1992 die erste kroatische Luftverteidigung (HZS) zu bilden. 1993 übernahm Ing. Peresin das Kommando der 1. Jagdstaffel. Immer wieder wurde er mit gefährlichen Missionen betraut. In Slawonien flog er ebenso Einsätze wie bei den Gefechten um Dubrovnik. Parallel zu seiner militärische Tätigkeit absolvierte Peresin an der Hochschule in Zagreb ein weiteres Studium, das ihm später eine zweite Karriere als Zivilpilot ermöglichen sollte. Ebenso schien ein Weiterverbleib im Dienste der Luftwaffe möglich, sollten seine Erfahrungen beim Umstieg auf eine neue Kampfflugzeuggeneration notwendig sein.
Gefährliche Missionen

Während der kroatischen Operation "Blitz" (Operacija Bljesak) zur Rückeroberung (kroatische Diktion 'Befreiung') Westslawoniens vom 18. Korps der Krajina-Serben von 1.-3. Mai 1995, wurde Capt. Peresin wieder mit heiklen Operationen betraut, so auch am 2. Mai. Es galt, die serbischen Verteidiger der Save-Brücke bei Bosanska Gradiska, die ihre eigenen Landsleute als Puffer bzw. UN-Faustpfand verwenden wollten und nicht über die Brücke zurück liessen, zu neutralisieren. Mit ungelenkten Luft-Boden Raketen (UV-16/57) griffen kroatische MiG-21 Jets von Zagreb-Pleso aus immer wieder in die Kampfhandlungen ein. Bei einem dieser Angriffe geriet Peresins Maschine in serbisches Flugabwehrfeuer. Die MiG-21 wurde getroffen und verlor eine Tragfläche. Er konnte den KM-1 Schleudersitz betätigen und aussteigen, was auch ein serbisches TV-Team des Banja Luka-Fernsehens filmte. Peresin kam bei Bosanska Gradiska, nahe Bok Jankovac zu Boden, Territorium welches (bis heute) zur Republika Sprska der Bosnischen Serben gehört. Ab hier gibt es nur mehr unbestätigte Berichte über sein weiteres Schicksal, es gab Meldungen nach denen seine beiden Kniescheiben beim Aussteigen gebrochen waren bzw. die Mladic-Truppen ihm diese Verletzungen zugefügt hätten, als sie ihn gefangennahmen. Genaueres blieb mehr als zwei Jahre lang ungewiss.




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Gespräch mit Brigadier Vladimir MIKAC, Kommandant der Zrakoplovna Baza PULA, 200 Std. MiG-21

APA: Können Sie einen kurzen Rückblick über die ersten fliegerischen Aktivitäten der kroatischen Streitkräfte in den Jahren 1991/92 geben ?
MIKAC: Ganz am Anfang stand eine lose Formation von Piloten, die sich von der JRV (Jugoslawische Volksarmee) abgesetzt hatten, teilweise mit ihren Maschinen. Diese, meist vom Typ Antonow-An 2, SOKO-Kraguj, UTVA-75 und Piper 188 sowie Cessna, waren der Grundstein. Auch einige wenige Hubschrauber Mi-8 konnten nach Beschädigungen erbeutet und wieder in Stand gesetzt werden. Trotzdem konnte man all dies kaum als Luftwaffe bezeichnen. Viele dieser Maschinen wurden provisorisch als Waffenträger umgebaut, und besonders die An-2 - Piloten machten sich in der Schlacht um Vukovar verdient, indem sie die serbischen Positionen nachts bombardierten, teilweise mit Bomben aus umgebauten Gas- und Wasserboilern. Auch in der Fliegerei haben sich die Kämpfe mitunter also auf 2. Weltkrieg-Niveau bewegt. Nach der Eroberung, bzw. Besetzung Ostslawoniens durch die Serben begannen Verhandlungen mit der serbischen Regierung und der Volksarmee, um deren Abzug aus den verbliebenen Teilen Kroatiens zu erreichen. Unsererseits wurden diese vom ersten Oberbefehlshaber unserer Luftwaffe, General Agotic geleitet, der durch äußerst geschicktes Verhalten gegenüber dem Armeegeneral Raseta erreichte, daß die Volksarmee sich - zwar unter Mitnahme oder Zerstörung fast allen schweren Inventars - aus dem heutigen kroatischen Territorium zurückzog, besonders aus den von uns belagerten Garnisonen in und um Zagreb, wodurch noch größeres Blutvergießen um die Hauptstadt vermieden wurde. Nach der Anerkennung unseres Landes durch die Europäische Union am 15. Jänner 1992 - wobei wir übrigens ihrem Aussenminister (Anm.: Alois Mock) sehr verpflichet sind -, standen die fliegenden Verbände unserer Streitkräfte erst vor einer Organisation irgendwelcher Art. Es gab keine Jets, und auch keine brauchbaren Basen für sie. Gemäß dem ausverhandelten Abkommen war sämtliche Infrastruktur, wie Radar- u. Kommunikationsausrüstung, Bodengeräte, Spezialfahrzeuge oder Hangars demontiert bzw. mitgenommen worden. Vieles wurde aber auch einfach gesprengt, so wie übrigens vorher auch in Slowenien und nachher auf der modernsten RV-Basis in Bihac in Bosnien. Die kroatischen Kräfte waren damals zu schwach und anderwertig beschäftigt, um dies zu verhindern. Dies war wahrlich quasi die Stunde Null.
APA: Wie sahen dann die ersten Schritte aus und was geschah weiter bis heute?
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MIKAC: Wir mußten erst notdürftig Flugplätze einrichten, bevor wir die Piloten kroatischer Nationalität, die sich innerhalb der Volksarmee bereithielten, verständigen konnten um mit ihren Flugzeugen überzuwechseln. Sie waren in ihren Regimentern - nun außerhalb Kroatiens - jedoch bereits isoliert und scharf beobachtet und hatten nicht mehr viel Zeit. Deshalb flog Rudolf Peresin auch von Bihac nach Österreich. Er hatte einfach Angst um sein Leben und konnte keinen Tag mehr warten. Drei weitere Piloten folgten ihm, die ihre MiG-21bis in Split und Zagreb landen konnten. Diese waren also der Nucleus unserer Luftwaffe. Leider ist von diesen Veteranen der ersten Stunde heute nur mehr eine Maschine übrig. Mittlerweile ist einige Konsolidierung eingetreten. Durch verbliebene Ersatzteile in der Werft ZMAJ in Velika Gorica nahe Zagreb, konnten wir unsere Stückzahlen an MiG-21bis Jagdbombern etwas vermehren. 1993 wurden Transporthubschrauber Mi-17 und 1994 Kampftransporter Mi-24D beschafft. Jene sollen vor allem zum Transport unserer Verwundeten direkt in Kampfgebieten bentutzt werden, da die normalen Hubschrauber oft angegriffen und manchmal auch abgeschossen wurden. Naja und die MiG's haben sich ja jetzt erst bei Bljesak (Anm.: Operation Blitz zur Wiedereinnahme Westslawoniens) und Storm (Anm.: Rückeroberung der Krajina um Knin) sehr bewährt, leider haben wir in dem Zusammenhang ja Rudi Peresin verloren, wir kannten und schätzten ihn alle sehr. Sie in Österreich habe ihn ja auch kennenglernt (lacht).
APA: Herr Brigadier, bei allem Respekt. Internationale Fachmedien, wie Jane's Balkan-Newsletter von Paul Beaver oder auch Air- Forces Monthly, bezweifelten in der Vergangenheit immer wieder die Möglichkeit aus Ersatzteilen, soviele Maschinen aufzubauen, wie sie hier und schon bei Ihrer Übung "Posejdon '94" letzten Herbst zu sehen waren. Jeder Flugzeugtechniker wäre angesichts dieser Angaben eher skeptisch. Es müssen also Neuanschaffungen hinzugekommen sein, ebenso verhält es sich bei den Mi-24, die ja in der jugoslawischen Volksarmee gar nicht eingeführt waren. Das alles im Lichte des UNO-Waffenembargos. Wollen Sie dazu etwas sagen ?
MIKAC: Nun, ein Land, von dessen Territorium ca. ein Drittel besetzt war, noch dazu ein-zementiert von den UNO-Beschlüssen, hat einfach das Recht sich die Verteidigungsmittel zu beschaffen die es benötigt um diesen unfairen Zustand zu beenden, bzw. der Weltgemeinschaft zu signalisieren, mehr zu tun um mögliche friedliche Lösungen voranzutreiben. Dazu kann es auch helfen, Stärke zu zeigen. Natürlich wollten wir nicht, daß der Gegner, genauer der Agressor, wertvollle Infromationen bekommt. Immerhin waren wir teilweise ein Land im Kriegszustand, wenn auch unter UNO-Mandat. Verstehen Sie also bitte, daß wir - auch mit Rücksicht auf zahlreiche Länder oder Organisationen die uns unterstützten - hier noch keine näheren Angaben machen können.
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APA: Ich verstehe ihre Position, sich verteidigen zu müssen. Nur will die Fachwelt immer wieder gerne wissen: Woher kommen die Maschinen, welche Varianten sind es, wie alt sind sie, wieviele waren es, usw. ? Ich verstehe natürlich ihre Geheimhaltung und akzeptiere das, die Frage sollte nur in den Raum gestellt werden, als fachlich-logischer Kontrapunkt zu Ihrer irrelevanten Behauptung mit MiGs aus Ersatzteilen...
MIKAC: Auch wir anerkennen Ihr Fachwissen als Profi und Ihren Informationsstand, manche Ihrer Vermutungen haben etwas für sich, aber mehr wollen wir momentan nicht sagen. Der Tag wird kommen, wo wir sicher aufmachen können und die ganze aufregende Geschichte einer Fachzeitschrift erzählen können. Also Geduld! (Anm.: Bis heute ist die Herkunft der 28 MiG-21bis nicht offiziell geklärt - ex-NVA wurde weniger, Ukraine bzw. GUS-Raum mehr wahrscheinlicher).
APA: Eine ganze andere Frage. Wie ist die Situation bei den Piloten. Gibt es genug Flieger, laufen momentan Trainingsprogramme, worauf wird trainiert, wie sieht überhaupt die heutige Ausbildung aus?
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MIKAC: Wie sie sicher wissen, gibt es keine Luftwaffe der Welt, die immer genug Piloten hat. Sie sind ja mit uns im Einsatz gewesen und haben vielleicht gesehen, dass wir auf diesem Gebiet vielleicht etwas begünstigt sind. Vor diesem blutigen und verrückten Krieg waren in der 400jährigen Universitätsstadt Zagreb die beiden besten Ausbildungsstätten für die Fliegerei im ganzen ehemaligen Jugoslawien, beide mit Hochschulniveau. Eine zivile technische Studienrichtung und eine solche auf der Militärakademie mit Pilotenausbildung. Diese sind uns natürlich nun geblieben. Wir wollen die Militärpilotenausbildung weiter nur aufs Offiziersniveau beschränken, also keine Unteroffiziere zu Piloten machen, auch nicht bei den Hubschraubern. Ganz einfach weil es genug Anwärter gibt, die 1991/92 schon in der Ausbildung standen, oder seither begonnen haben. Die fliegerische Grundausbildung, etwa im zweiten Hochschuljahr beginnend, findet am Flugplatz Zemunik bei Zadar statt, wo wir die Akademie aufgebaut - und nach Rudi benannt haben. Natürlich gibt es zu Anfang eine Grund-Selektion in der festgestellt wird, ob der Betreffende überhaupt fliegerisch geeignet ist. Trotzdem mußten wir auch dort von Null beginnen. Dies ist auch der Grund warum, es auf den MiG-21bis noch ganz wenige vollausgebildeten Piloten gibt, die schon zur Gänze im neuen Kroatien ausgebildet wurden. Wir verwenden momentan am Anfang etliche Piper- und Cessna-Flugzeuge, dann erfolgt der überwiegende Teil der Ausbildung auf UTVA-75 und teilweise auf An-2. Dann wird auf MiG-21UM oder Hubschrauber - hier zu Anfang auf Polizei-Hughes 500 und Jet-Ranger - umgeschult. Dies ist bei der Fläche ein etwas großer Sprung, natürlich. Wir sind dabei, diese Lücke durch einen Turboprop-Trainer, in der PC-7 oder-9, bzw. Tucano-Klasse zu schließen. (Anm.: Mittlerweile fliegen 20 PC-9 in Zemunik !) Es gibt jedenfalls genug Ausbildner, sowohl fliegerisch als auch technisch, teilweise aus der Volksarmee und zum Teil aus den zivilen Aero-Klubs. Hier hilft auch ein sehr dichtes Netz dieser Aero-Klubs, die in Kroatien schon eine lange Tradition haben.
APA: Die meisten Piloten und Ausbildner sind also geborene Kroaten. Haben sich sonst noch welche anderer Nationaltität gefunden, die in der HZS dienen?
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MIKAC: Selbstverständlich gibt es auch andere. Meist sind es Serben. Ich meine nicht kroatische Serben, sondern richtige aus dem heutigen sog. Rest-Jugosalwien. Viele von diesen hatten eben vor dem Krieg hier irgendwo in Kroatien den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen gesetzt, gebaut, geheiratet etc. Die konnten und wollten meist auch gar nicht weg. Z.B. haben wir einen Ausbildungsleiter auf Mi-8, der früher den Feuerlöschverband, mit den CL-215 (Anm.: Inzwischen CL-415) an der Küste, geführt hat. Es sind sogar Serben schon auf unserer Seite gefallen, wie etwa ein An-2 Pilot in der Schlacht um Vukovar. Er wurde von serbischer Flak abgeschossen und unser Präsident hat ihm posthum die kroatische Heldenmedaille verliehen. Die Auszeichnung erhielt dann seine serbische Mutter, verrückt irgendwie, nicht ? Aber auch von anderswo sind einzelne Piloten und Techniker bei uns. APA: Wie erlernen Ihre Techniker die Wartung von Fluggerät, das sie noch nicht kennen, bzw. das nicht im ehemaligen Jugoslawien eingeführt war ?
MIKAC: Nun, so schwer ist das nicht. Nehmen wir als gutes Beispiel den Hubschrauber Mil-24. In großen Teilen gleicht er den puren Transportmodellen aus dem selben Hause. Triebwerke, Hauptgetriebe und anderes sind diesselben. Elektronik ist Elektronik, überall mehr oder weniger und Waffensysteme können von Spezialisten, die jahrelang nichts anderes gelernt haben, relativ leicht verstanden werden. Wir würden uns in der jetztigen Situation sicherlich nichts antun, daß für alle Beteiligten komplettes Neuland wäre. Deshalb macht die MiG-21bis momentan auch für uns am meisten Sinn, was nicht heißt, daß wir uns nicht mit den Zeiten nach einem Embargo beschäftigt haben. Eine Modernisierung oder ein Umstieg auf etwas Neues, vorzugsweise Westliches ist jedenfalls mittelfristig unverzichtbar. Das Gespräch führte Georg MADER 1998, die Anmerkungen erfolgten im Wissenstand von 2002 !
HZS - HRVATSKE ZRACNE SNAGE = erster Name der Kroatischen Luftwaffe, heute HRZ I PZO !




Missing in Action

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Der Autor in Pula vor und nach einem Flug über Dalmatien mit dem Peresin-Jahrgangskameraden Col. Ivan BOSAC.
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Ing. Peresin's MiG-21R vor dem HGM im Winter 2001/2002
Nach einem Treffen mit Peresins Gattin Ljerka im Juni 1997 nahm sich die UN-Menschenrechtsbeauftragte für Kroatien, Elisabeth Rehn dem ungeklärten Schicksal des Piloten an und intervenierte im selben Monat persönlich während eines Meeting über Masengräber und Vermisste mit dem Presidenten der Republika Srpska, Bosnien und Herzegovina in dieser Causa. In der Folge konnte ein Austausch-Agreement zwischen Obstlt. Ivan Gruic, dem kroatischen Leiter der Kommission für Vermisste und Kriegsgefangene und seinem Gegenüber auf Seite der nunumehrigen Föderalen Republik Jugoslawien erreicht werden.
Am Abend des Montag, 4. August 1997 übergab Serbien schließlich kroatische Gefangene sowie sterbliche Überreste von Kroaten, Kroatien übergab serbische Gefangene und Tote. Letzte Hoffnungen, dass Peresin doch noch am Leben war, mussten nun begraben werden. Eine Vor-Untersuchung ergab durch beiligende Gegenstände rasch, dass es sich bei einem der übergebenen Überreste um die seinen handelte, was kurz danach auch vom Institut f. Gerichtsmedizin in Zagreb bestätigt wurde. Ironischerweise fand der Austausch auf der selben Save-Brücke zwischen Stara- und Bosanska Gradiska statt, über der Peresin 1995 abgeschossen wurde.
Posthum

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Bis heute will aber das offizielle Kroatien nicht bekanntgeben, worin genau die Todesursache gelegen hatte, man will wohl eine taugliche Heldengeschichte in ihrer Botschaft nicht beeinträchtigen. Peresin wurde am 10. September 1997 offiziell für tot erklärt und am 15. September auf dem Mirogaj-Friedhof in Zagreb mit höchsten Staatsehren bestattet. Der erfolgreiche Abschluss der Causa fand am 31. Oktober als 10. Tagesordnungspunkt auch Eingang in die 54. Sitzung des UN-Economic and Social Council in New York. Posthum erhielt Kptn. Rudolf Peresin von Staatspräsident Tudjman höchste kroatische Auszeichnungen sowie den Titel Stabsbrigadier verliehen. Die HRZ-Luftwaffenakademie im dalmatinischen Zadar / Zemunik trägt seit einigen Jahren den Namen "Rudolf Peresin". Am 25. Oktober 1991 wurde - zum 8. Jahrestag der Gründung - zu seinem Gedenken ein kleines Monument auf dem Gelände der Akademie geweiht. Ausserdem erinnert eine Gedenktafel am Kirchenplatz von St. Jurje in Gornja Stubica an ihn, welche von Kadetten der Akademie am 3. Mai 1999 enthüllt wurde.
Was aus kroatischer Sicht fraglos ein Heldenepos bleiben wird, war - nüchterner betrachtet - zweifellos eine letztlich tragische Flucht in den Tod. Umso bemerkenswerter ist daher, dass seine doch erstaunlich gut erhaltene Maschine noch existiert und somit - ausser jenen kleinen Gedenkstätten - an einen bemerkenswerten Mann erinnert. Da es bis heute zwischen Belgrad und Zagreb noch immer keinen Vertrag über die Rechtsnachfolge des alten jugoslawischen Staates gibt, ist und bleibt seine MiG 21R rechtlich gesehen herrenlos. Am 6. Dezember 2001 wurde sie vor dem Heeresgeschichtlichen Museum im Wiener Arsenal aufgestellt. Sie dient dort als "Gate-Guard" für die Sonderausstellung "Österreich und der Zerfall Jugoslawiens" welche noch bis 1. April 2002 läuft. Was danach damit geschieht ist noch ungewiss - aber gut möglich dass sie Hrn. Dir. Rauchensteiner als "Dauerleihgabe" verbleibt.
Was Peresin - und zuvor einer seiner Kollegen im Sommer 1991 in einem offensiven Aufklärungseinsatz über Graz - zugunsten Österreichs indirekt bewirkt hat, war zweifellos die beschleunigte Ausstattung unserer Draken mit simplen infrarotgelenkten AIM-9 Sidewinder-Lenkwaffen.
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Wohlgemerkt das war 1992 - über 30 Jahre nach Markteinführung dieser Ausrüstung !
Und auch heute liefert eine zunehmend sinnentleerte Spass-und Eventgesellschaft wieder (oder noch immer) das bekannte, unsägliche "Za wos brauch ma des alles übahaupt"-Argument...! Kptn. Ing. Rudolf Peresin hätte es uns erklären können !
Der Autor dankt der kroatischen Botschaft, Gen. Culetic in Zagreb, BMLV-Personal / LRÜ von 1991, sowie seinen Kollegen Dr. Heinz Berger und Erich Strobl.


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Ein kleiner Beitrag aus Österreich zu diesem Thema
lg Styria
 
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