[h=1]Frau Gott lässt sich nicht alles gefallen![/h] "Pippi Langstrumpf", "Struwwelpeter", "Schneewittchen": alles Literaturklassiker, allesamt diskriminierend? Ginge es nach Familienministerin Schröder, müssten diese Bücher umgeschrieben werden. Von Henryk M. Broder
Foto: dapd Besorgte Familienministerin: Kristina Schröder zensiert beim Lesen den "Negerkönig"
Im April 2004 schrieb eine Referentin aus dem Büro der damaligen Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Marieluise Beck, einen Brief an den Chef des Hamburger Verlages Hoffmann und Campe, Rainer Moritz.
In dessen Haus war unter dem Titel "Aufklärung für Kinder" eine Doppel-CD mit Arbeiten des Philosophen Walter Benjamin erschienen, darunter auch ein 70 Jahre alter Text über "Die Sinti und Roma", den man, so die Referentin, als "problematisch" einstufen müsse.
Der Text sei geeignet, "Stereotype und Vorurteile ... eher zu betonen als zu hinterfragen", deswegen müsse vonseiten der Ausländerbeauftragten "empfohlen" werden, von einer weiteren Veröffentlichung der Benjamin-CD abzusehen. "Bitte informieren Sie die Beauftragte über Ihre Entscheidung."
Als die Geschichte bekannt wurde, zog Marieluise Beck die Notbremse, entschuldigte sich und pfiff die übereifrige Referentin, eine promovierte Ethnologin, zurück. Der Versuch, Walter Benjamin, der auf der Flucht vor den Nazis im Jahre 1940 Selbstmord begangen hatte, in das Korsett der Political Correctness zu zwängen, endete im Gelächter.
[h=2]Der ganz gemeine "Negerkönig"[/h] Acht Jahre später gibt die amtierende Familienministerin Kristina Schröder, Mutter einer anderthalb Jahre alten Tochter, der Wochenzeitung "Die Zeit" ein Interview, in dem sie unter anderem sagt, sie würde beim Vorlesen von Kinderbüchern wie "Pippi Langstrumpf" diskriminierende Begriffe wie "Negerkönig" weglassen und eine Umschreibung wählen, um "mein Kind davor zu bewahren, solche Ausdrücke zu übernehmen"; später würde sie dem Kind "dann erklären, was das Wort ,Neger' für eine Geschichte hat und dass es verletzend ist, das Wort zu verwenden".
Und keiner lacht. Denn inzwischen hat die Political Correctness Fortschritte gemacht. Das große I hat sich in der Politik flächendeckend durchgesetzt ("WählerInnen", besser ausgesprochen: "Wählerinnen und Wähler"), an den Universitäten wird ein Fach namens Gender Studies gelehrt, das auf der Annahme beruht, dass der Unterschied zwischen Männern und Frauen nicht biologisch bedingt, sondern ein "gesellschaftliches Konstrukt" ist; progressive Erziehungswissenschaftler möchten Puppen und Rennautos durch "geschlechtsneutrales Spielzeug" ersetzt sehen; in der Literatur, die bisher von solchen Tendenzen weitgehend verschont geblieben ist, bahnt sich Ähnliches an.
Wenn die Familienministerin es schafft, "Pippi Langstrumpf" rückwirkend umzuschreiben, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Klassiker an die Reihe kommen. "Der Idiot" von Dostojewski wird auf den bestimmten Artikel verzichten müssen und als "IdiotIn" politisch korrekt reinkarnieren.
[h=2]Auch Gott ist nicht vor Schröder sicher[/h] "Der Graf von Monte Cristo" wird eine Gräfin zugeteilt bekommen. Christopher Marlowes Dama "Der Jude von Malta" wird in "Der jüdische Mitbürger von Malta" umbenannt, damit keine Mutter in die Verlegenheit kommt, ihren Kindern erklären zu müssen, "was das Wort ,Jude' für eine Geschichte hat und dass es verletzend ist, das Wort zu verwenden".
Aber das ist erst der Anfang. Man wird alle Kinderbücher umschreiben, den "Struwwelpeter", "Max und Moritz", "Zwerg Nase", "Hans im Glück", "Schneewittchen", denn sie propagieren entweder geschlechtsspezifische Rollenbilder oder sie diskriminieren Minderheiten, wie zum Beispiel Zwerge mit langen Nasen.
Familienministerin Schröder hat bereits angedeutet, dass es nicht bei literarischen Nachbesserungen bleiben wird. Nach "Pippi Langstrumpf" ist der Allmächtige dran. "Der liebe Gott" hat ausgedient, an seine Stelle tritt "das liebe Gott".
Wenn das mal gutgeht. Frau Gott hat ja viel Humor, aber alles lässt sie sich nicht gefallen
Überkorrektheit : Frau Gott lässt sich nicht alles gefallen! - Nachrichten Debatte - Henryk M. Broder - DIE WELT
Die Achse des Guten: Zwerge und Zwerginnen mit langen Nasen
Foto: dapd Besorgte Familienministerin: Kristina Schröder zensiert beim Lesen den "Negerkönig"
Im April 2004 schrieb eine Referentin aus dem Büro der damaligen Ausländerbeauftragten der Bundesregierung, Marieluise Beck, einen Brief an den Chef des Hamburger Verlages Hoffmann und Campe, Rainer Moritz.
In dessen Haus war unter dem Titel "Aufklärung für Kinder" eine Doppel-CD mit Arbeiten des Philosophen Walter Benjamin erschienen, darunter auch ein 70 Jahre alter Text über "Die Sinti und Roma", den man, so die Referentin, als "problematisch" einstufen müsse.
Der Text sei geeignet, "Stereotype und Vorurteile ... eher zu betonen als zu hinterfragen", deswegen müsse vonseiten der Ausländerbeauftragten "empfohlen" werden, von einer weiteren Veröffentlichung der Benjamin-CD abzusehen. "Bitte informieren Sie die Beauftragte über Ihre Entscheidung."
Als die Geschichte bekannt wurde, zog Marieluise Beck die Notbremse, entschuldigte sich und pfiff die übereifrige Referentin, eine promovierte Ethnologin, zurück. Der Versuch, Walter Benjamin, der auf der Flucht vor den Nazis im Jahre 1940 Selbstmord begangen hatte, in das Korsett der Political Correctness zu zwängen, endete im Gelächter.
[h=2]Der ganz gemeine "Negerkönig"[/h] Acht Jahre später gibt die amtierende Familienministerin Kristina Schröder, Mutter einer anderthalb Jahre alten Tochter, der Wochenzeitung "Die Zeit" ein Interview, in dem sie unter anderem sagt, sie würde beim Vorlesen von Kinderbüchern wie "Pippi Langstrumpf" diskriminierende Begriffe wie "Negerkönig" weglassen und eine Umschreibung wählen, um "mein Kind davor zu bewahren, solche Ausdrücke zu übernehmen"; später würde sie dem Kind "dann erklären, was das Wort ,Neger' für eine Geschichte hat und dass es verletzend ist, das Wort zu verwenden".
Und keiner lacht. Denn inzwischen hat die Political Correctness Fortschritte gemacht. Das große I hat sich in der Politik flächendeckend durchgesetzt ("WählerInnen", besser ausgesprochen: "Wählerinnen und Wähler"), an den Universitäten wird ein Fach namens Gender Studies gelehrt, das auf der Annahme beruht, dass der Unterschied zwischen Männern und Frauen nicht biologisch bedingt, sondern ein "gesellschaftliches Konstrukt" ist; progressive Erziehungswissenschaftler möchten Puppen und Rennautos durch "geschlechtsneutrales Spielzeug" ersetzt sehen; in der Literatur, die bisher von solchen Tendenzen weitgehend verschont geblieben ist, bahnt sich Ähnliches an.
Wenn die Familienministerin es schafft, "Pippi Langstrumpf" rückwirkend umzuschreiben, dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis auch andere Klassiker an die Reihe kommen. "Der Idiot" von Dostojewski wird auf den bestimmten Artikel verzichten müssen und als "IdiotIn" politisch korrekt reinkarnieren.
[h=2]Auch Gott ist nicht vor Schröder sicher[/h] "Der Graf von Monte Cristo" wird eine Gräfin zugeteilt bekommen. Christopher Marlowes Dama "Der Jude von Malta" wird in "Der jüdische Mitbürger von Malta" umbenannt, damit keine Mutter in die Verlegenheit kommt, ihren Kindern erklären zu müssen, "was das Wort ,Jude' für eine Geschichte hat und dass es verletzend ist, das Wort zu verwenden".
Aber das ist erst der Anfang. Man wird alle Kinderbücher umschreiben, den "Struwwelpeter", "Max und Moritz", "Zwerg Nase", "Hans im Glück", "Schneewittchen", denn sie propagieren entweder geschlechtsspezifische Rollenbilder oder sie diskriminieren Minderheiten, wie zum Beispiel Zwerge mit langen Nasen.
Familienministerin Schröder hat bereits angedeutet, dass es nicht bei literarischen Nachbesserungen bleiben wird. Nach "Pippi Langstrumpf" ist der Allmächtige dran. "Der liebe Gott" hat ausgedient, an seine Stelle tritt "das liebe Gott".
Wenn das mal gutgeht. Frau Gott hat ja viel Humor, aber alles lässt sie sich nicht gefallen
Überkorrektheit : Frau Gott lässt sich nicht alles gefallen! - Nachrichten Debatte - Henryk M. Broder - DIE WELT
Die Achse des Guten: Zwerge und Zwerginnen mit langen Nasen