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Gewalt gegen Frauen in Mexiko

DerBossHier

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Zehntausende Morde, unzählige Vergewaltigungen, tägliche Brutalität: Gewalt gegen Frauen ist eines der größten Probleme in Mexiko. Die Täter werden fast nie bestraft. Die Juristin Imelda Marrufo warnt: Menschenhandel der Mafia-Kartelle verschlimmert die Lage noch mehr.



Esperanza Chaparro Sáenz verschwindet auf dem Heimweg. Wie jeden Sonntag jobbt die 19-jährige auch am 26. Januar als Aushilfe in einem Kurzwarengeschäft, um ihr Studium zu finanzieren. Am Busbahnhof der nordmexikanischen Stadt Chihuahua verliert sich kurz nach Einbruch der Dunkelheit ihre Spur.


Genau fünf Wochen später findet ein Passant Chaparros Leiche auf einem Feld, verborgen unter Gestrüpp. Die junge Frau trägt die gleiche Kleidung wie am Tag ihres Verschwindens. Ihre Hände sind gefesselt. Der Leichnam befindet sich im Zustand der fortgeschrittenen Verwesung, weshalb die Todesursache nur schwer zu klären ist. Die Sonderstaatsanwaltschaft für geschlechtsspezifische Verbrechen nimmt die Ermittlungen auf.

Ungefähr zu der Zeit, in der Esperanzas Leiche gefunden wird, sitzt Imelda Marrufo 1500 Kilometer südlich von Chihuahua in einem Café in Mexiko-Stadt und lässt ihren Milchkaffee kalt werden. Fälle wie dieser machen sie wütend, weil sie immer wieder in Mexiko geschehen, besonders in Chihuahua, diesem riesigen Bundesstaat im Norden des Landes.


"Der Grad der Gewalt nimmt deutlich zu"



In der Millionenstadt Ciudad Juárez wurden seit Mitte der neunziger Jahre Hunderte junge Mädchen und Frauen ermordet. Oft wurden nur ihre verstümmelten Leichen gefunden, weggeworfen wie Abfall. In Mexiko haben sie für diese Art der Frauenmorde schon vor vielen Jahren einen eigenen Begriff gefunden: "Feminicidios". Dieses Verbrechen ist in 16 der 32 Bundesstaaten als Straftatbestand verankert. Imelda Marrufo, die gelernte Rechtsanwältin, wertet das als Erfolg.

Wenn man sie zum Thema Frauenmorde fragt, redet Marrufo ohne Punkt und Komma. "Mehr als zwanzig Jahre schon leiden wir unter Gewalt gegen Frauen wie kein anderes Land in der Welt", zürnt sie. Einiges habe sich zum Besseren gewendet. Aber vieles zum Schlechteren. "Es verschwinden mehr Frauen als früher, es werden mehr ermordet und dabei nimmt der Grad der Gewalt deutlich zu", sagt Marrufo.
Die 38-Jährige leitet in Juárez die Organisation "Red Mesa de Mujeres". Der jahrelanger Einsatz dieses "Frauentisches" scheint bitter nötig: Trotz Sonderstaatsanwaltschaften, Beschwerdestellen und besseren Gesetzen hätten sich die Aggressionen gegen Frauen vervielfacht, sagt Marrufo. Für ihren Einsatz wurde sie in Berlin von der Heinrich-Böll-Stiftung geehrt.


In ihrer Heimat ist längst ist nicht mehr nur Chihuahua betroffen. Der Bundesstaat Mexiko, der die Hauptstadt umschließt, und die verarmten Staaten Oaxaca und Chiapas im Süden des Landes sind die neuen Brennpunkte. Frauen werden zunehmend Opfer im eigenen Heim: gedemütigt, vergewaltigt und verstoßen von Ehemännern oder Vätern. Am deutlichsten steigen Verschleppung und Verkauf von Frauen an, seit die Organisierte Kriminalität den Menschenhandel in großem Stil betreibt. Junge Frauen werden entführt, um sie an Bordelle und Nachtclubs zu verkaufen. Manchmal kehren die Opfer physisch und psychisch verletzt zurück. Oft aber tauchen diese Frauen nie wieder auf.



"Jede dritte Frau in Mexiko erleidet irgendeine Art von Gewalt"




In einer umfassenden Studie haben die Vereinten Nationen vor zwei Jahren das Thema Feminizide untersucht. So werden Fälle bezeichnet, in denen Frauen wegen ihres Geschlechtes getötet werden. Demnach wurden zwischen 1985 und 2010 in Mexiko 36.606 Morde an Frauen registriert. 2010 waren es sechs Fälle pro Tag.
Die Zahl der Gewalttaten gegen Frauen sei seither weiter gestiegen, wie Marrufo betont. Konkrete Zahlen sind jedoch schwer zu bekommen: Viele Bundesstaaten wollen die Daten nicht preisgeben oder erheben sie gar nicht erst. So müssen sich die Frauenrechtsgruppen oft auf Anzeigen von Opfern verlassen oder Medien auswerten. Die Dunkelziffer liegt ohnehin höher, weil viele Taten aus Angst oder Scham nicht angezeigt werden.




Die Uno-Frauenorganisation "UN Women" erkannte für Mexiko zuletzt zwar Fortschritte an, aber der Schutz der Frauen bleibe eine "dramatische Herausforderung", sagte Vizedirektor John Hendra. "Die Statistiken sagen uns, dass jede dritte Frau in Mexiko irgendeine Art von Gewalt erleidet." Das größte Problem bleibe die Straflosigkeit, kritisieren die Vereinten Nationen und Frauenrechtsgruppen. Gesetze und Sonderstaatsanwaltschaften nutzten nichts, solange es am Willen zur Strafverfolgung fehle. 98 von 100 Verbrechen bleiben in Mexiko ungesühnt. Das liegt auch daran, dass in vielen Fällen Polizisten und hochrangige Politiker in die Gewalttaten verwickelt sind.
Rosi Orozco, ehemalige Abgeordnete und Vorkämpferin für ein Gesetz gegen Frauenhandel, hat resigniert festgestellt: "Ein Kilo Drogen kann man nur ein Mal verkaufen, einen Menschen aber mehrmals."



Gewalt gegen Frauen in Mexiko: Der Kampf von Imelda Marrufo - SPIEGEL ONLINE

Dazu kann ich den Film "Sin Nombre" empfehlen oder die Doku "La vida loca" ( geht mehr um Gangs MS13 und MS18)

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Übrigens interessanter Kommentar unter dem Artikel

Dieter62 heute, 09:51 Uhr


. Die grosse Mehrheit der auf den Friedhöfen rund um Ciudad Juarez in Nordmexiko beerdigten Leute sind junge Männer. Durchsiebt, oft zerstückelt und weggeworfen wie Abfall. Aufklärungsrate 0%. Der Regierung,und zwar auf allen Stufen, ist es solange egal, wie s der Bevölkerung egal ist. Und der Bevölkerung ist es egal - bis man betroffen ist, und dann steht man alleine da. In Mexiko schaut man halt gerne für sich, ein Einmischen in die Angelegenheiten anderer, selbst Nachbarn, ist extrem verpönt. Die Existenz einer funktionierenden Gesellschaft auf nationaler Ebene gibt es kaum, anders mag es auf lokaler Ebene aussehen, wo vor allem die Ureinwohner für funktionierende Strukturen untereinander sorgen und auch die öffentliche Sicherheit selbst in die Hand nehmen. Dort gibt es dann auch weniger Gewalt in den Familien. Ansonsten ist nirgendwo auf der Welt das neoliberale Gesellschaftsmodell derart dominant wie in Mexiko. Man kennt es dort seit Ende der Siebziger Jahre. Angefangen hat man damit - in Ciudad Juarez, als die ersten Montagebetriebe aufgingen, welche mit Billiglöhnen arbeitsintensive Prozesse aus den USA anzogen. Das verheerende Resultat kann man dort besichtigen in Form einer aufgelösten Gesellschaftsstruktur und dysfunktionaler Verwaltung. Auch die Landschaft drumherum lässt einen an einen Mad Max Film denken. Ich war 21 Jahre dort, 1990-2011 und weiss wovon ich schreibe.
 
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