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Globales Kapital fährt schwere Geschütze auf

Y

Yunan

Guest
[h=1]Alle gegen Barbara Baumann[/h]Gaby Weber 30.08.2013
[h=2]Das globale Kapital will freien Welthandel ohne Risiko[/h]Die Regierungen in Washington und Berlin wollen das Freihandelsabkommen besiegeln und die Regeln neu schreiben. Und dafür müssen sie vorher ein Problem aus dem Weg räumen. Es heisst: Barbara Baumann, Mutter eines ermordeten Gewerkschafters von Mercedes-Benz Argentina und Klägerin gegen Daimler vor einem Gericht in Kalifornien. Im April hatte der US Supreme Court entschieden, den Fall Daimler AG v. Baumann anzuhören. Es geht um die geographische Zuständigkeit: Darf das Gericht in San Francisco den Fall der verschwundenen Mercedes-Betriebsräte verhandeln? Die kalifornischen Richter bejahten dies, da der deutsche Autobauer astronomische Gewinne im Sonnenstaat einfahre und laut des "General Distributor Agreement" Mercedes-Benz USA kontrolliere (Daimler eingebrochen).


Für das globale Kapital steht das freie Unternehmertum auf dem Spiel. Es übt auf den Obersten Gerichthof massiven Druck aus. An den Gewerkschaften hingegen geht der Fall vorbei, sie tun so, als gehe er sie nichts an. Auch die Verbraucherschutzverbände haben sich noch nicht geäußert. Dabei geht es längst nicht mehr nur um einen Menschenrechtsfall vor 40 Jahren am anderen Ende der Welt. Es geht darum, ob multinationale Unternehmen auf allen Märkten der Welt frei agieren und risikolos Gewinne erwirtschaften können, weil sie sich nur an dem Ort juristisch zur Verantwortung ziehen lassen wollen, den sie zu ihrem Mutterhaus erklärt haben. Und dieser Ort kann Stuttgart, Palermo oder die Cayman Islands sein. Es müssen nur genügend Scheinfirmen und Strohmänner dazwischen geschaltet werden, um den Weg, wohin am Ende das Geld fließt, zu verwischen.
Zwei Fragen haben die Obersten Richter den Parteien aufgegeben:
Kann die US-Niederlassung eines ausländischen Unternehmens allein dadurch zur Rechenschaft gezogen werden, weil es in einem US-Bundesstaat Geschäfte tätigt - ohne dass ein US-Bundesgericht ausdrücklich diese beiden Firmen als "Alter Ego" bezeichnet hat?

Ist die Haftbarmachung eines ausländischen Konzerns für eine Handlung im Ausland per se verfassungswidrig, wenn die US-Niederlassung des Konzerns in diese Handlung nicht verwickelt war?

Eine wahre Amicus-Schlacht ist im Gang. Amicus-Curie Briefs sind Statements von Nicht-Verfahrensbeteiligten, die dem Gericht ihre Meinung zum Prozess darlegen. Lang ist die Liste der Amici, die sich auf die Seite Daimlers geschlagen haben. Da sind vor allem die Automobile Manufacturers Inc., die Association of Global Automakers, die Atlantic Legal Foundation, die New England Legal Foundation, die Associated Industries of Massachusetts (Zusammenschluss von Firmen, die im Commonwealth das freie Unternehmertum verteidigen), die US-Chamber of Commerce, der National Foreign Trade Council, die Organization for International Investment, die European Banking Federation, der Bundesverband der Deutschen Industrie, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag, der Bundesverbank Deutscher Banken, die Schweizer Bankiervereinigung, der ICC Switzerland (schweizer Handelskammer) und die Economiesuisse. Letztere ist, so erklärt sie in ihrem Brief, Dachverband der eidgenössischen Industrie und steht für zwei Millionen schweizer Arbeitsplätze, sprich: Kontoinhaber.

Die Amici führen nur wenige, rein juristische Argumente ist Feld: "Die Ereignisse sind über 30 Jahre vorbei, passierten am anderen Ende der Welt, in Argentinien, und haben nichts mit Kalifornien oder den USA zu tun. (Unter den Klägern) ist kein US-Staatsbürger und die USA haben keine Verbindung mit den Geschehenen" (Global Automakers). Das Gebot des Due Process, wonach jeder ein Recht auf ein gebührendes Gerichtsverfahren besitzt, werde verletzt, wenn sich Richter das Recht herausnehmen würden, über Dinge zu urteilen, die nicht in ihrer Zuständigkeit liegen. Und: Mercedes-Benz USA habe eine "separate legal identity" und unterhalte mit dem deutschen Mutterhaus nur lockere Verbindungen.
Das US-Handelsministerium habe gewarnt, so heißt es, dass sich die Gerichtskosten in den USA, doppelt so hoch wie in Japan oder Deutschland, negativ auf die Investitionsfreude auswirken, weil sie den Standort wenig kompetitiv machen. Würde das Baumann-Urteil bestätigt, drohe eine "explosion of worldwide forum shopping" (das willkürliche Ausnutzen lokaler Zuständigkeiten). Nicht nur deutsche Unternehmer würden Gefahr laufen, für irgendwelche Umstände vor US-Gerichten zu landen. Auch US-Händler liefen Gefahr, woanders haftbar gemacht zu werden, General Motors oder Ford etwa. Berbau- und Erdölunternehmen werden nicht genannt, sind aber wohl gemeint. So würden US-Firmen daran gehindert, neue Märkte zu erschliessen und die Segnungen des Freihandels in die ganze Welt zu tragen.
Das Weltrechtsprinzip gelte nur beim Strafrecht, meint Heiko Willems vom BDI: "Aus der Tatsache, dass deutsche Unternehmen ihre Tochtergesellschaften in den USA kontrollieren ist keine allgemeine Gerichtszuständigkeit für deutsche Mütterunternehmen in den USA gegeben". In den USA bestehe die Zuständigkeit gegen die US Corporation und in Deutschland gegen das Mutterhaus.


Die Amici drohen offen mit Wirtschaftskrieg
These consequences would inflict significant harm upon the U.S. economy. They would decrease foreign direct investment, which contributes significantly to (the U.S.) economy. In 2009, foreign-controlled domestic corporations accounted for nearly 14% of total corporate income tax collected.

Auf deutsch: Bestätigt Ihr das Baumann-Urteil, werden Eure Steuereinnahmen um 14 Prozent sinken. 5,6 Millionen US-Arbeitsplätze befinden sich in den Niederlassungen ausländischer Firmen. Im Durchschnitt verdiene dort ein Arbeiter 77.409 Dollar, 36 Prozent mehr als in der restlichen Volkswirtschaft, rechnen die Globalen Automakers vor. Die Ausländer machen einen Umsatz von 649,3 Milliarden und investieren jedes Jahr 149 Milliarden. Das Baumann-Urteil "threatens to bring about a damning effect on foreign investment in the US with consequent deleteroius effects upon the American economy".
Noch einen drauf setzt die Viega GmbH aus Attendorn in ihrem Amicus-Brief. Sie hat nach dem kalifornischen Baumann-Urteil nicht nur ihre gesamten US-Investitionen gestoppt, sondern fordert die gesamte europäische Industrie auf, bestehende Investitionen abzuziehen, Fabriken zu schließen:
The implications of Baumans are wide reaching. With Baumann controlling, the only means by which the German Viega Companies can minimize their risk of having to litigate in a forum in which their indirect subsidiaries conduct business is to avoid the forum completely. This means closing the subsidiaries and avoiding any business in the state altogether. The German Viega Companies have for the moment decided to limit any further U.S. investments until the legal situation is clarified, and have chosen in the meantime to invest in other countries that more predictably apply the relevant corporate law with respect to these types of investments. Unless this Court definitively rejects Baumann, not only will the German Viega Companies consider both continuing the moratorium on U.S. investments and divesting themselves of their current U.S. investments, but they will also recommend to other similarly-situated foreign investors to do the same.

Die Viega Gmbh, die mir gegenüber jeglichen Kommentar abgelehnt hat, hat ein eigenes juristisches Problem in den USA. Dabei geht es nicht um Folter und Mord wie bei Daimler, sondern "nur" um defekte Bleirohre. Die Vanguard Industries Inc. und die Vanguard Piping Systems Inc. hatten Eigenheimbesitzern in Aventine-Tramonti im Bundesstaat Nevada minderwertiges Baumaterial und nicht funktionierende Elemente einer Trinkwasserversorgung verkauft. An den beiden in Kansas ansässigen Firmen hielt die deutsche Viega GmbH zum Zeitpunkt des Verkaufs Anteile; später (im Oktober 2005) kaufte Viega das komplette Aktienpaket und benannte sie in Viega Llc. und VG Pipe Llc. um. Eine Llc steht für: Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Das Attendorner Unternehmen gab vor Gericht zu:
Admittedly, the German Viega Companies do have affiliated American companies that engage in business activities in Nevada. Petitioners also have, at times, referred to their German and American businesses by their common name, "Viega".

Der mächtige Verband der Homeowner, der 55 Millionen Mitglieder hat, übernahm die Vertretung der Eigentümergemeinschaft des Kondominiums Aventine-Tramonti und reichte im Januar 2008 Klage ein auf Schadensersatz und Erfüllung der vertraglichen Garantieleistungen. Von "grober Fahrlässigkeit" und "illegaler Bereicherung" war die Rede. Beklagt waren zunächst die Lieferanten, die Viega mit Sitz in Delaware sowie die Niederlassung in Kansas, wo die Baumaterialien hergestellt worden waren. Diese lehnten die Haftung für die Schäden ab, weil sie durch die Aktienübernahme durch die deutsche Viega GmbH im Oktober 2005 aufgehört haben zu existieren. Daraufhin erweiterten die Homeowner den Kreis der Beklagten auf das deutsche Mutterhaus. Und im November 2011 entschied der Oberste Gerichtshof des Bundesstaates Nevada, dass das Attendorner Unternehmen für die Geschäftspraktiken seiner US- Niederlassungen juristisch verantwortlich sei. Die Richter bezogen sich dabei ausdrücklich auf den kurz zuvor veröffentlichten Richterspruch des kalifornischen Berufungsgerichts in der Sache Baumann v. Daimler.
"Die globale Ökonomie braucht Grenzen"
Bisher kurz ist die Liste der Freunde von Barbara Baumann: Terry Collingsworth, der US-Anwalt der Familienangehörigen, und das Deutsche Institut für Menschenrechte, dem sich einige Juristen angeschlossen haben. Die US-Niederlassung Daimlers war keine eigenständige Firma, sagt der Anwalt. Dies beweise nicht nur das vom Gericht herangezogene "General Distributor Agreement". DaimlerChrysler war 2004 – dem Jahr der Klageeinreichung – keine ausländische Firma: "(It) maintains two operational headquarters – one located at the current Chrysler headquarters (in) Auburn Hills, Michigan, and one located at the current Daimler-Benz headquarters in Stuttgart, Germany." Im Mai 1998 hatten die beiden Autobauer fusioniert – die "Hochzeit im Himmel", mit zwei gleichberechtigten Firmensitzen und Dieter Zetsche war Chairman von Mercedes-Benz USA.
Collingworth erinnert in seiner ausführlichen Stellungnahme an das Grundsatzurteil des Supreme Court aus dem Jahr 1945, International Shoe Co. Diese Firma hatte jahrelang im Bundesstaat Washington ihre Schuhe ausschließlich über Vertreter auf Kommissionsbasis vertrieben, ohne eigene Büros oder Angestellten. Sie umging damit das Arbeitsrecht und das Steuerrecht. Der Bundesstaat verklagte sie und erhielt Recht vom US Supreme Court. Das Gebot des Due Process besage, dass dort, wo eine Firma ihre Gewinne erzielt, sie auch Haftung übernehmen müsse.
Die globale Ökonomie braucht Grenzen, und wir wollen jetzt durchsetzen, dass sich die multinationalen Unternehmen vor US-Gerichten verantworten müssen.
Collingworth

Leider sei die US-Regierung inzwischen umgekippt. Im Fall des Menschenrechtsverfahrens Kiobel (wegen Teilnahme des Ölkonzerns Shell an Mordkommandos in Nigeria) hatte sie für die Eröffnung des Prozesses vor einem US-Gericht plädiert. Der Fall war im April dieses Jahres negativ entschieden worden ("Wer sind die heutigen Piraten?"). Danach fuhr Obama nach Berlin, schwärmte an Muttis Seite vor dem Brandenburger Tor über das angestrebte Freihandelsabkommen zwischen den USA und Europa und sein Department of Justice reichte im Juli einen Amicus-Brief für Daimler ein. Das "seriously flawed" Baumann-Urteil verletzte die diplomatischen und die Handelsinteressen der USA. "Expansive assertions of general jurisdiction over foreign corporations may operate to the detriment of the united states’ diplomatic relations and its foreign trade and economic interests."
Obama hätte auch sagen können, dass es im Interesse der Vereinigten Staaten, einmal die "Wiege der Demokratie", sei, die Folter zu bekämpfen und dass alle Firmen, die innerhalb seiner Staatsgrenzen Gewinne erwirtschaften, sich an bestimmte Regeln zu halten haben, an die Regel, nicht anderenorts unbequeme Betriebsräte zu foltern und aus dem Flugzeug werfen lassen.

Alle gegen Barbara Baumann | Telepolis
 
Yunan ich kann dir nur "Die neuen Herrscher der Welt und ihre globalen Widersacher" von Jean Ziegler, einem emeritierten schweizer Soziologieprofessor und Kritiker des Westens, empfehlen. Es wird dir die Augen öffnen. 1-A-Lektüre.

Falls du's nicht besorgen kannst, schreibs hier hin. Ich kann da was machen.
 
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