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Steuerhinterziehern wird jetzt das Leben schwer gemacht, sehr gut
[h1]Mit Judas-Lohn: Griechenland eröffnet die Jagd auf Steuersünder [/h1]
Zweistellige Milliardenbeträge entgehen dem griechischen Staat durch Steuerhinterzieher. Auf sie wird nun Jagd gemacht, mit Belohnungen für Denunzianten und der Drohung, das Eigentum überführter Steuersünder zu konfiszieren. Das Finanzamt ist gelähmt – wegen Ermittlungen gegen bestechliche Beamte.
Griechenlands Rentner werden künftig weniger Geld im Portemonnaie haben - die Versuchung, gegen eine Prämie Steuersünder anzuzeigen, ist groß
Foto: dpa
An einer Athener Bushaltestelle fragt sich eine 60-jährige Hausfrau an diesem Freitagmorgen, wieso sie eigentlich keinen richtig schlimmen Steuerbetrüger persönlich kennt, und seine schmutzigen Geheimnisse. „Zu gerne würde ich dieses Geld bekommen", sagt sie. Sie meint die neueste Idee der Regierung: Wer einen Steuerhinterzieher denunziert, der soll zehn Prozent der geschuldeten oder zumindest der eintreibbaren Summe erhalten. Das Finanzministerium arbeitet derzeit an Verfahrensregeln für die schnelle Auszahlung des Judas-Lohns. Die Maßnahme soll am 1. Juni in Kraft treten.
Die Dame an der Haltestelle, die ihren Namen nicht nennen möchte, hat keine moralischen Bedenken, Steuermogler ans Messer zu liefern. Wer schuldig ist, den erwartet ein eben neu eingeführter Strafenkatalog: Haftstrafen ohne Bewährung und Bußgelder (zusätzlich zur Steuerschuld) ab 500.000 Euro. „Ich würde mich nicht schuldig fühlen", sagt sie. „Diese Leute sind Betrüger, und fühlen sich selbst nicht schuldig."
Andere Griechen wollen sich nicht zu Verrätern machen. Panos, ein Verkäufer in einem Kleidungsgeschäft, hält die neue Regel zwar für fair: „Es ist gut, wenn die Betrüger ein wenig Angst bekommen. Aber ich würde selbst niemanden verraten, ich bin nicht der Typ dafür. Ich fürchte, diese Regel wird Hass und Chaos verbreiten."
Da mag etwas dran sein. Die Regierung scheint zu denken, dass die Steuereintreiber des Mittelalters effizienter arbeiteten als griechische Bürokraten. Damals wurden die Untertanen notfalls geprügelt, ausgepeitscht und in den Kerker geworfen, bis sie zahlten.
An den modernen Pranger will man sie nun stellen, notfalls ihre Existenz zerstören. In einer beispiellosen Kampagne werden derzeit vermögende Steuerhinterzieher öffentlich benannt. Freiberufler wie Ärzte und Rechtsanwälte, die in Griechenland fast schon aus Tradition keine Rechnungen erstellen und möglichst wenig Steuern zahlen, werden massiv durchleuchtet. In vielen Fällen wird ihre tatsächliche oder vermeintliche Steuerschuld publik gemacht.
Die Zahl der aktenkundigen Steuerschuldner beträgt im Augenblick 827.396. Sie alle haben kürzlich einen Brief vom Finanzamt erhalten mit der Aufforderung, bis zum 31. Mai ihre Schulden zu begleichen. Die Frist ist kurz, aber die Konditionen, so schreibt die Zeitung „Ta Nea", sind vorteilhaft.
Wer jetzt zahlt, dem werden 80 Prozent der Säumniszinsen erlassen. Es ist noch viel günstiger, wenn man die Drohung des Staates in Betracht stellt, bei Nichtzahlung umgehend Grund- und Immobilienbesitz der Betroffenen zu konfiszieren und deren Bankkonten einzufrieren.
Es geht um insgesamt 32 Milliarden Euro. Das ist wie gesagt nur das Geld, von dem der Staat weiß. Viel höher dürfte die Summe der gar nicht berechneten Steuern liegen. Man kann nur schätzen: 15 Milliarden jährlich entgehen dem Staat, oft deswegen, weil die guten Bürger (oder Unternehmer) lieber dem häufigen Drängen der Steuerinspektoren nachgeben, sie zu bestechen, statt Steuern zu zahlen.
Im Finanzministerium wird deswegen derzeit mit eisernem Besen gekehrt. 20 führende Steuerbeamte wurden bereits fristlos entlassen, gegen 70 weitere wird wegen Betrugs, Korruption und Machtmissbrauchs ermittelt. Ermittlungen gegen weitere 234 Funktionäre sind in Vorbereitungen, weil diese für manche Jahre keine eigene Steuererklärung eingereicht haben. Und das ist nur der Anfang.
31 Steuerämter und zehn Zollämter werden zuzeit aufgrund von Denunziationen wütender Bürger durchleuchtet. Alle Mitarbeiter aller Ministerien müssen sich darauf gefasst machen, dass die Polizei ihren Besitz mit ihrem Einkommen vergleicht. Manche verdienen bescheidene 50.000 Euro im Jahr, besitzen aber Anwesen im Wert von vielen Hunderttausend oder gar Millionen Euro.
Die Ermittlungen im Verwaltungsapparat sind so umfassend, dass die Steuerbehörde kürzlich klagte, sie könne ihre tägliche Arbeit nicht mehr verrichten, weil so viele ihrer Mitarbeiter unter Verdacht stünden. Offenbar will die Regierung die Krise nutzen, um mit brachialer Gewalt die Kultur des Steuerbetrugs zu brechen. Es bedeutet, die griechische Mentalität zu ändern, und dafür greift man zum Mittel einer Kulturrevolution. Wie viel Geld kann das bringen? Von den 32 Milliarden Euro bekannter Steuerschulden gelten nur etwa acht bis zehn Milliarden als eintreibbar. Man hofft auf 1,5 Milliarden in diesem Jahr. Aber wenn Steuern demnächst tatsächlich zeitgerecht und in realem Umfang gezahlt werden sollten, dann bedeutet das erhebliche Mehreinnahmen für die Regierung.
[h1]Mit Judas-Lohn: Griechenland eröffnet die Jagd auf Steuersünder [/h1]
Zweistellige Milliardenbeträge entgehen dem griechischen Staat durch Steuerhinterzieher. Auf sie wird nun Jagd gemacht, mit Belohnungen für Denunzianten und der Drohung, das Eigentum überführter Steuersünder zu konfiszieren. Das Finanzamt ist gelähmt – wegen Ermittlungen gegen bestechliche Beamte.
Griechenlands Rentner werden künftig weniger Geld im Portemonnaie haben - die Versuchung, gegen eine Prämie Steuersünder anzuzeigen, ist groß
Foto: dpa
An einer Athener Bushaltestelle fragt sich eine 60-jährige Hausfrau an diesem Freitagmorgen, wieso sie eigentlich keinen richtig schlimmen Steuerbetrüger persönlich kennt, und seine schmutzigen Geheimnisse. „Zu gerne würde ich dieses Geld bekommen", sagt sie. Sie meint die neueste Idee der Regierung: Wer einen Steuerhinterzieher denunziert, der soll zehn Prozent der geschuldeten oder zumindest der eintreibbaren Summe erhalten. Das Finanzministerium arbeitet derzeit an Verfahrensregeln für die schnelle Auszahlung des Judas-Lohns. Die Maßnahme soll am 1. Juni in Kraft treten.
Die Dame an der Haltestelle, die ihren Namen nicht nennen möchte, hat keine moralischen Bedenken, Steuermogler ans Messer zu liefern. Wer schuldig ist, den erwartet ein eben neu eingeführter Strafenkatalog: Haftstrafen ohne Bewährung und Bußgelder (zusätzlich zur Steuerschuld) ab 500.000 Euro. „Ich würde mich nicht schuldig fühlen", sagt sie. „Diese Leute sind Betrüger, und fühlen sich selbst nicht schuldig."
Andere Griechen wollen sich nicht zu Verrätern machen. Panos, ein Verkäufer in einem Kleidungsgeschäft, hält die neue Regel zwar für fair: „Es ist gut, wenn die Betrüger ein wenig Angst bekommen. Aber ich würde selbst niemanden verraten, ich bin nicht der Typ dafür. Ich fürchte, diese Regel wird Hass und Chaos verbreiten."
Da mag etwas dran sein. Die Regierung scheint zu denken, dass die Steuereintreiber des Mittelalters effizienter arbeiteten als griechische Bürokraten. Damals wurden die Untertanen notfalls geprügelt, ausgepeitscht und in den Kerker geworfen, bis sie zahlten.
An den modernen Pranger will man sie nun stellen, notfalls ihre Existenz zerstören. In einer beispiellosen Kampagne werden derzeit vermögende Steuerhinterzieher öffentlich benannt. Freiberufler wie Ärzte und Rechtsanwälte, die in Griechenland fast schon aus Tradition keine Rechnungen erstellen und möglichst wenig Steuern zahlen, werden massiv durchleuchtet. In vielen Fällen wird ihre tatsächliche oder vermeintliche Steuerschuld publik gemacht.
Die Zahl der aktenkundigen Steuerschuldner beträgt im Augenblick 827.396. Sie alle haben kürzlich einen Brief vom Finanzamt erhalten mit der Aufforderung, bis zum 31. Mai ihre Schulden zu begleichen. Die Frist ist kurz, aber die Konditionen, so schreibt die Zeitung „Ta Nea", sind vorteilhaft.
Wer jetzt zahlt, dem werden 80 Prozent der Säumniszinsen erlassen. Es ist noch viel günstiger, wenn man die Drohung des Staates in Betracht stellt, bei Nichtzahlung umgehend Grund- und Immobilienbesitz der Betroffenen zu konfiszieren und deren Bankkonten einzufrieren.
Es geht um insgesamt 32 Milliarden Euro. Das ist wie gesagt nur das Geld, von dem der Staat weiß. Viel höher dürfte die Summe der gar nicht berechneten Steuern liegen. Man kann nur schätzen: 15 Milliarden jährlich entgehen dem Staat, oft deswegen, weil die guten Bürger (oder Unternehmer) lieber dem häufigen Drängen der Steuerinspektoren nachgeben, sie zu bestechen, statt Steuern zu zahlen.
Im Finanzministerium wird deswegen derzeit mit eisernem Besen gekehrt. 20 führende Steuerbeamte wurden bereits fristlos entlassen, gegen 70 weitere wird wegen Betrugs, Korruption und Machtmissbrauchs ermittelt. Ermittlungen gegen weitere 234 Funktionäre sind in Vorbereitungen, weil diese für manche Jahre keine eigene Steuererklärung eingereicht haben. Und das ist nur der Anfang.
31 Steuerämter und zehn Zollämter werden zuzeit aufgrund von Denunziationen wütender Bürger durchleuchtet. Alle Mitarbeiter aller Ministerien müssen sich darauf gefasst machen, dass die Polizei ihren Besitz mit ihrem Einkommen vergleicht. Manche verdienen bescheidene 50.000 Euro im Jahr, besitzen aber Anwesen im Wert von vielen Hunderttausend oder gar Millionen Euro.
Die Ermittlungen im Verwaltungsapparat sind so umfassend, dass die Steuerbehörde kürzlich klagte, sie könne ihre tägliche Arbeit nicht mehr verrichten, weil so viele ihrer Mitarbeiter unter Verdacht stünden. Offenbar will die Regierung die Krise nutzen, um mit brachialer Gewalt die Kultur des Steuerbetrugs zu brechen. Es bedeutet, die griechische Mentalität zu ändern, und dafür greift man zum Mittel einer Kulturrevolution. Wie viel Geld kann das bringen? Von den 32 Milliarden Euro bekannter Steuerschulden gelten nur etwa acht bis zehn Milliarden als eintreibbar. Man hofft auf 1,5 Milliarden in diesem Jahr. Aber wenn Steuern demnächst tatsächlich zeitgerecht und in realem Umfang gezahlt werden sollten, dann bedeutet das erhebliche Mehreinnahmen für die Regierung.