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Harter Winter in Griechenland

Y

Yunan

Guest
23.12.2012

[h=2]Griechenland in der KriseWinter der Unzufriedenheit[/h]Von Marcus Walker und Marianna Kakaounaki, Wall Street Journal Deutschland
DPA​
Proteste in Athen: Den Griechen steht ein harter Jahreswechsel bevor


Abgeschaltete Heizungen, Neonazis in den Straßen - und Mütter, die ihre Kinder ins Heim bringen, weil sie dort wenigstens Taschengeld und neue Kleider bekommen: Griechenland erlebt einen Jahresausklang voller Verzweiflung.


Athen - Maria Katri hatte ihren Sohn in ein Kinderheim für arme Jungen gesteckt, nachdem die griechische Wirtschaft zusammengebrochen war. Seine ältere Schwester lebt noch bei ihr zuhause. Doch weil Griechenland immer tiefer in die Rezession rutscht, geht es der verwitweten Katri mittlerweile finanziell so schlecht, dass die Schwester im Teenager-Alter "ihren Bruder beneidet, dem es in dem Heim besser geht als ihr", sagt Katri.
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Die Griechen wappnen sich für den härtesten Winter, seitdem die Schuldenkrise vor drei Jahren ihren verheerenden Lauf nahm. Die wirtschaftliche Not ist inzwischen so groß und so weit verbreitet, dass das Sozialgefüge im Land aufbricht und der politische Zusammenhalt sich aufzulösen droht. Der enge Zusammenhalt im griechischen Familienverbund hatte bisher den Betroffenen dabei geholfen, dem Kollaps des Arbeitsmarkts die Stirn zu bieten. Doch selbst diese Institution gerät unter Druck, während sich die Haushaltseinkommen drastisch verringern.

Viele Familien rutschen die Leiter ungebremst nach unten, mit deren Hilfe ihre Eltern und Großeltern wirtschaftlich nach oben geklettert waren. Sie sind oft darauf angewiesen, auf die schrumpfenden Renten ihrer älteren Verwandten zurückzugreifen, die eigentlich die Ernte eines langen Arbeitslebens einfahren wollten. Ohnehin schon arme Familien stürzen vollkommen ab. Ihnen bleibt nur noch der Weg in die Obhut überlasteter Wohltätigkeitsorganisationen.​
Griechenland hat insgesamt elf Millionen Einwohner. Doch nur 3,7 Millionen von ihnen haben einen Arbeitsplatz. Vor vier Jahren hatten noch 4,6 Millionen Griechen eine Stelle. In dieser Zeit haben sich die wirtschaftlichen Aktivitäten um mehr als zwanzig Prozent verringert.
Der Druck, der auf der Gesellschaft lastet, stellt die politische Stabilität des Landes auf den Prüfstand. Etablierte Parteien zerbröckeln und doch klammern sich die Politiker an ihre Ämter. Die populistische radikale Linke liegt auf der Lauer. Sie verspricht eine Rückkehr zur früheren Großzügigkeit des Staates. Gewalttätige Neonazis schärfen ihr politisches Profil, indem sie Ängste vor Einwanderern, Verbrechen und gesellschaftlicher Zerrüttung schüren. Viele Griechen befürchten, die amtierende Regierungskoalition könnte im kommenden Jahr auseinanderbrechen. Die dann zu erwartenden politischen Unruhen könnten das Gespenst des Staatsbankrotts und eines Austritts aus dem Euro wieder heraufbeschwören.
Die von allen Seiten belagerte Regierung hofft darauf, dass die für diesen Monat vorgesehene Tranche aus dem Rettungsfonds über 34,4 Milliarden Euro von EU und Internationalem Währungsfonds die deprimierte Stimmung im Land aufhellen wird. Doch die Griechen blicken stattdessen mit Sorge auf das jüngste Sparpaket, das ihnen von den Gläubigern des Landes auferlegt wurde und dessen Wucht sie im Januar treffen wird. Noch einmal sollen Steuern erhöht und Löhne und Renten gekürzt werden, insgesamt in einer Höhe von rund fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Diese Maßnahmen werden nach Berechnungen der Regierung das BIP im kommenden Jahr um weitere 4,5 Prozent schmälern. Einige Volkswirte gehen allerdings von einem weit umfangreicheren Rückgang aus.
Die große Frage ist, ob die griechische Gesellschaft in der Lage ist, in diesem Winter einen weiteren harten wirtschaftlichen Schlag zu verkraften. Dies könnte darüber entscheiden, ob die Regierungskoalition sich erfolgreich für die Umsetzung des rigiden Rettungsprogramms einsetzt, oder ob sie daran scheitert. Und entscheiden wird sich auch, ob Europa die Krise in den Griff bekommen kann.
Im Herzen Athens ist mit Händen zu greifen, dass die griechische Gesellschaft von ihren Reserven zehrt. Den Familien, Unternehmen und den gemeinnützigen Organisationen gehen nicht nur die Ersparnisse aus. Sie haben auch kaum noch die Kraft, weiter durchzuhalten.
Die Witwe Katri hatte noch nie viel auf die Seite legen können. Im Jahr 2005 starb ihr Mann an Krebs. Er hatte als Koch gearbeitet. Katri selbst arbeitete immer mal wieder für die Stadtverwaltung, pflegte die Nationalgärten im Zentrum der Stadt. Später kehrte sie die Straßen. Viel verdiente sie dabei nicht. Und als die griechische Regierung 2010 den Sparkurs verordnete, den sie als Preis für die Rettung zu entrichten hatte, wurden die Abstände zwischen den Gelegenheitsjobs von Katri immer größer.
"Mir wurde bewusst, wie instabil das alles ist", sagt die 39-Jährige. "Mir wurde klar, dass ich nicht für beide Kinder sorgen kann." Ihr Sohn Vaggelis war damals 14 und ihre Tochter Aggeliki zwölf Jahre alt. Katri wendete sich an die Hatzikonsta-Stiftung. Das ehemalige Waisenhaus aus dem 19. Jahrhundert fungiert mittlerweile als Kinderheim für die Söhne armer Familien. "Ich habe versucht, die Situation ganz von außen zu betrachten. Und da habe ich erkannt, dass ich den Bedürfnissen von Vaggelis Vorrang geben muss. Und mein eigenes Bedürfnis, ihm nahe zu sein, hintenan stellen muss", erzählt sie.
Wenn sie an das ehemalige Waisenhaus dachte, kamen ihr Bilder wie aus den Romanen von Charles Dickens in den Sinn. "Einen Ort, an dem Kinder bestraft werden", habe sie sich vorgestellt. Doch wie sich herausstellte, war ihr Sohn bei der Stiftung in guten Händen. Kapitän der Handelsmarine wolle er später einmal werden, berichtet seine Mutter. Doch ihre Tochter, die immer unausgeglichener werde, beklage sich darüber, dass Vaggelis "in dem Heim Taschengeld erhält und neue Kleider", seufzt Katri.
Anfang des Jahres musste Katri eine weitreichende Entscheidung treffen. Der Sparkurs der griechischen Regierung zwang sie zu der Wahl, entweder ihre Zeitarbeitsstelle als Putzfrau in einem Krankenhaus zu behalten. Oder sich ganz auf ihre Witwenrente von 600 Euro im Monat zu verlassen. Sie wählte die Witwenrente, weil sie ihr sicherer erschien und über die Rente auch ihre Tochter krankenversichert ist. Im Herbst verringerte die Regierung ihre Rente auf 435 Euro im Monat. Sie hat Angst, das Geld ganz zu verlieren, wenn es zu weiteren Kürzungen kommt. Arbeit ist nirgendwo in Sicht. "Die haben uns Angst eingejagt, uns unsere Zukunft vorzustellen", sagt Katri.
Vor der Schuldenkrise hatten sich griechische Kinderheime wie die Hatzikonsta-Stiftung bei ihrer Arbeit vorwiegend mit sozialen Problemen wie Missbrauch, Vernachlässigung oder Alkoholismus herumgeschlagen. Doch nachdem die wirtschaftliche Talfahrt eingesetzt hatte und der Wohlfahrtsstaat immer stärker zurückgebaut wurde, schlug eine Welle von Anträgen über den Einrichtungen zusammen, Kinder wegen der schieren Armut in den Familien aufzunehmen. Eingereicht werden die Anfragen von arbeitslosen Eltern, deren Unterstützung ausgelaufen ist, von in Not geratenen alleinerziehenden Müttern und von Großfamilien, die von der Rente des Großvaters oder der Großmutter leben. "Der Bedarf ist grenzenlos", sagt Hatzikonsta-Leiter Leonidas Dragoumanos.


Immer mehr Familien wenden sich an Wohlfahrtsorganisationen


Seit 2011 sind mehr als 700 Familien beim griechischen Ableger der internationalen Wohlfahrtsorganisation SOS-Kinderdörfer vorstellig geworden, um ihr Kind dort aus wirtschaftlichen Gründen unterzubringen. Meistens können die Eltern keine Arbeit finden, sie erhalten keine Sozialhilfe und so versuchen sie panisch, auf diesem Weg für ihr Kind zu sorgen. "Das ist eine völlig neue Kategorie", meint George Protopapas, Leiter der SOS-Kinderdörfer in Griechenland.
Sowohl Hatzikonsta als auch SOS haben die meisten der Anträge abgelehnt. Ihre Mittel sind knapp bemessen und sie scheuen davor zurück, die Familien auseinander zu reißen. Stattdessen haben sie Programme ins Leben gerufen oder ausgeweitet, mit denen die Familien bezuschusst werden, damit die Kinder weiter zuhause leben können. Doch die gemeinnützigen Gesellschaften sind selbst finanziellem Druck ausgesetzt. Die Spenden und ihre Mieteinnahmen gehen zusehends zurück. Die Hälfte der Ersparnisse aus den Zeiten vor der Krise hat Hatzikonsta bereits aufgebraucht. Im Jahr 2014 wird nichts mehr davon übrig sein, berichtet Dragoumanos.
Im wenig begüterten Athener Stadtviertel Kipseli wenden sich viele Familien an SOS, um finanzielle Unterstützung und Rat zu erhalten. Auch die Familie Kotsolaras gehört dazu. Stamatis Kotsolaras arbeitete früher als Goldschmied in einem Schmuckatelier, bis es geschlossen wurde. Jetzt fährt er Taxi. Zwölf Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Abends bringt er im Schnitt 40 Euro mit nach Hause.
"Vorher haben wir ein würdevolles Leben geführt", sagt seine Frau Giota, eine arbeitslose Verkäuferin. "Wir hatten zwar kein Sparkonto in der Schweiz, aber wenigstens konnten wir uns neue Kleider kaufen." Mittlerweile unterstützt das Ehepaar die radikale Linkspartei Syriza. Aber ganz sicher seien sie sich nicht, ob Syriza "für ein Licht am Ende des Tunnels" sorgen könne, gibt Giota Kotsolaras zu.
Während eines Generalstreiks im vergangenen Monat nahm sie an einem Marsch auf das Parlament teil, um gegen die jüngsten Spargesetze zu protestieren. "Ich hatte das Bedürfnis, laut zu schreien", sagt sie. Ihrem Mann bot der Streik, der den Verkehr lahmlegte, eine seltene Gelegenheit, Zeit mit seinem vierjährigen Sohn Constantinos zu verbringen. Sie spielten zusammen Basketball und der Junge sei vor Freude außer Rand und Band gewesen.
Die meisten in Not geratenen Griechen haben keinen Anspruch auf Unterstützungsleistungen. Die Familie ist ihre letzte Zuflucht. Der pensionierte Beamte Sotirios Tzovaras war immer stolz, wenn sich seine Frau, seine Söhne und Töchter, deren Ehepartner und seine Enkelkinder sonntags zum Mittagessen zusammensetzten. Jetzt leben alle elf Familienmitglieder ganz oder teilweise von seiner Pension. Den Sparmaßnahmen fiel ein Drittel seiner Bezüge zum Opfer, Tzovaras bekommt jetzt noch 1000 Euro im Monat. In einer teuren westeuropäischen Stadt kann man damit keine großen Sprünge machen. Er freut sich zwar immer noch, wenn seine große Familie zu ihm kommt. "Aber sie essen so viel", fügt er hinzu. Seine Kinder und ihre Partner haben entweder ihren Job verloren oder sie arbeiten nur unregelmäßig und für wenig Geld.
Eigentlich wollten Tzovaras und seine Frau ihren Lebensabend in ihrem Heimatdorf in den Bergen Nordgriechenlands verbringen. Aber daraus wird nun nichts. Einer ihrer Söhne wohnt immer noch bei ihnen. Die nächsten beiden Generationen "nicht zu unterstützen, das können wir nicht", sagt der 70-Jährige. "So sind wir eben gestrickt."
Ihre längst abbezahlte Wohnung gehört den beiden Senioren schon seit Jahrzehnten. Dass die griechische Tradition, Wohneigentum zu besitzen, so verwurzelt ist, hat sich in der Krise als wichtiger Stoßdämpfer erwiesen. Die Eigennutzung von Immobilien ist in Griechenland so hoch wie fast nirgendwo sonst in Europa. Sich mit hohen Hypotheken zu belasten, ist dort weniger üblich als in Spanien oder Irland. Doch die Regierung erhebt in ihrem verzweifelten Kampf um Einnahmen beträchtliche Steuern auf den Grundbesitz, auch wenn die Haushaltseinkommen rückläufig sind.


Viele Griechen können sich kein Heizöl mehr leisten


In dem Wohnblock, in dem die Tzovaras wohnen, wurde in den vergangenen Wochen heftig debattiert. Es ging, wie in den meisten anderen Wohngebäuden Athens auch, um die Frage, ob in diesem Winter Heizöl für die Zentralheizung angeschafft werden soll. Auch in Athen können die Temperaturen im Winter schließlich auf den Gefrierpunkt fallen. Wegen neuer Steuern ist Heizöl mittlerweile fast so teuer wie Benzin. Die Hälfte der Nachbarn der Tzovaras können sich das nicht leisten und haben dafür gestimmt, die Heizung abgeschaltet zu lassen. "Diesen Winter werden wir mehr Decken benutzen", sagt der Pensionär.
Er wurde 1942 geboren. Es herrschte Krieg und Hungersnot. Die Deutschen hatten das Land besetzt. "Damals hatten wir Hunger, heute eher eine Depression", sagt er. Wenn er mit dem Bus oder der U-Bahn fahre, "redet oder lacht niemand mehr. Das ist wie auf dem Friedhof. Jeder ist mit seinem eigenen Kummer beschäftigt. Manchmal führen die Leute Selbstgespräche auf der Straße".
Sein Vater war königlicher Gardist, den die Briten ausgebildet hatten. Tzovaras selbst beschreibt sich als konservativ. An den zahlreichen politischen Protesten in Athen hatte er sich früher nie beteiligt. Das hat sich geändert. Wann immer er kann, zieht er jetzt mit den anderen Demonstranten zum Parlament am Syntagma-Platz. Mehrere Mal kam er dabei unter Tränengasbeschuss, während die Bereitschaftspolizei sich auf dem Platz Kämpfe mit Jugendlichen lieferte.
In den ärmeren Wohnvierteln Athens wird sichtbar, welche politischen Auswirkungen das Elend zeitigt. Vor ein paar Tagen verteilten auf dem Attiki-Platz die Aufsteiger der faschistischen Partei der Goldenen Morgenröte morgens kostenlose Nahrungsmittel. Alle Anwohner bekamen etwas ab - vorausgesetzt, sie konnten nachweisen, dass sie Griechen und keine Einwanderer sind. Über tausend Rentner und Arbeitslose standen rund um den Platz um Essen an. Gleichzeitig türmten muskulöse Aktivisten der Goldenen Morgenröte, ganz in schwarz gekleidet und mit dem hakenkreuzähnlichen Parteiemblem gekennzeichnet, Nudeln, Obst, Gemüse, Olivenöl und Fisch auf.


Rechtsextreme Partei spielt sich als Retter auf


Bis zu den zwei griechischen Wahlen in diesem Jahr fristete die Goldene Morgenröte ein Dasein als Randgruppierung. Berüchtigt waren ihre Mitglieder vor allem für ihre rassistischen Schimpftiraden, Gewalttaten gegen Immigranten, die Leugnung des Holocaust und ihr Salutieren mit steifem Arm im Stil der Nazis. Jetzt versucht die Partei, ihren Neonazi-Hintergrund herunterzuspielen und sich in der Rolle des Robin Hood zu stilisieren.
Am Makkaroni-Stand verteilt Themis Skordeli Nudelpakete. Sie soll in eine Messerattacke auf einen afghanischen Flüchtling verwickelt sein und wartet auf ihre Gerichtsverhandlung. Sie behauptet, niemanden verletzt zu haben. Neben ihr steht Ilias Kasidiaris mit kurz geschorenem Haar und Lederjacke. Er hatte jüngst auf einer Parteiversammlung verkündet: "Unser Ziel ist es, diejenigen niederzuschlagen, die für die Juden arbeiten und die aus unserem Land ein lumpiges Protektorat ausländischer Mächte gemacht haben." Jüdische Organisationen und Menschenrechtsgruppen haben die griechischen Behörden und die etablierten Parteien aufgefordert, stärker gegen die extremistischen Äußerungen der Goldenen Morgenröte Stellung zu beziehen.
Denen, die in der Warteschlange stehen und auf ihre kostenlose Ration warten, ist das meistenteils egal. "Das ist die einzige Partei, die nah an den Leuten dran ist", sagt Yannis Mamadakis, der ein paar Sardinen ergattern will. "Kein anderer verteilt Nahrungsmittel", sagt der ehemalige Ladeninhaber, der Konkurs anmelden musste. Dass Parteimitglieder und Anhänger Einwanderer angriffen, sei doch "ein Märchen". "Die Goldene Morgenröte reagiert einfach schneller auf Verbrechen als die Polizei", meint er. "Schaut hin, was sich hier abspielt", ruft Ilias Panagiotaros, einer der 18 Abgeordneten der Partei, die im Juni ins Parlament gewählt wurden. Er deutet auf die Leute, die in immer größerer Zahl auf den Platz strömen. "In ein paar Jahren stehen wir ganz oben", prophezeit er mit Blick auf das Parlament.
Das seien "Hirngespinste" wiegelt dagegen Ilias Nikolakopoulos ab. Aber der Politologe an der Athener Universität verweist darauf, dass die Goldene Morgenröte in Umfragen derzeit auf etwa zwölf Prozent der Stimmen kommt. Bei den Wahlen im Juni waren es noch sieben Prozent. Sie könnte zwanzig Prozent erreichen, falls die Wirtschaftslage sich weiter verschlechtere, meint Nikolakopoulos. "Alles hängt von der wirtschaftlichen Lage ab", führt er aus. "Wenn sich die Wirtschaft stabilisiert, dann wird der Expansion dieser Partei ein Ende gesetzt. Wenn nicht … dann wissen wir nicht, was passiert."


Straßenschlachten vor dem Luxushotel


Nach Jahren der Unruhen sehnt sich Tim Ananiadis nach stabilen Verhältnissen. Er leitet das Luxushotel Grande Bretagne, dessen neoklassizistische Fassade seit 2010 immer dann in den weltweiten Fernsehübertragungen elegant im Hintergrund auftaucht, wenn Demonstrationen gegen die Sparmaßnahmen auf dem Syntagma-Platz in gewalttätige Krawalle umschlagen. Wenn die Straßenkämpfe einsetzen, zerschmettern mit Kapuzenpullovern vermummte Jugendliche meist als Erstes die weißen Marmorstufen des Hotels, um die Steinbrocken dann auf die Polizisten werfen zu können. Jedes Mal koste es tausende von Euro, die Stufen wieder zu reparieren. Doch ein weitaus größerer Schaden werde bei den Ausschreitungen dem internationalen Ansehen Athens zugefügt, sagt Ananiadis.
Wie andere Luxushotels war auch das Grande Bretagne sehr stark von Geschäftsreisenden und Konferenzteilnehmern abhängig. Doch die meiden jetzt die Stadt, wenn es denn irgend geht. Gut betuchte Freizeittouristen kämen allerdings immer noch, sie hielten die Demonstrationen draußen auf dem Platz gar für spannend, berichtet der Hotelmanager. Doch die Einnahmen seien im Vergleich zu vor vier Jahren fast um 50 Prozent eingebrochen. Wenn die Talfahrt unvermindert anhält, sagt Ananiadis, "dann muss entweder der Eigentümer die Verluste finanzieren - oder wir machen zu."
An einem regnerischen Novemberabend verbarrikadieren die Angestellten des Grande Bretagne wieder einmal die Fenster und Türen des Hotels. Auf dem Platz haben sich nach Schätzungen der Polizei 80.000 Menschen eingefunden, um ihren Ärger dem Parlament entgegen zu schmettern. Im Parlamentsgebäude debattieren die Abgeordneten über das jüngste Sparpaket.

Werde noch einmal gekürzt, käme sie nicht mehr über die Runden, sagt Vasiliki Tasiouli. Sie arbeitet bei der Müllabfuhr und sorgt für zwei arbeitslose Töchter. Nur eine Regierung der radikalen Linken könnte dem immer härteren Sparkurs vielleicht ein Ende setzen, meint sie. "Jetzt sind sie dran. Alle anderen haben wir schon ausprobiert."Es regnet immer stärker. Vor dem Grande Bretagne kommt es zu Kämpfen. Etwa 500 Jugendliche werfen Molotow-Cocktails und schleudern Steinbrocken auf die Polizisten, die sie aus den Hotelstufen herausgebrochen haben. Die friedliche Mehrheit buht und weicht den Tränengaswolken aus. Die Aufrührer erobern den Platz und zünden Abfallhaufen an. Doch der heftige Regen löscht das Feuer und auch die Glut der Randalierer.
Bereitschaftspolizist Dimosthenis Pakos sagt später, er habe "so einen Regen in Athen noch nie erlebt". Während seine völlig durchnässte Truppe die Krawallmacher bekämpfte, kürzten die Parlamentarier gerade das Gehalt der Polizisten, die sie schützten, um weitere 15 Prozent. Pakos hat genug von der Krise und der Gewalt. Er träumt davon, wieder in sein Dorf in Nordgriechenland zurückzukehren und dort als ganz normaler Polizist zu arbeiten. "Das Leben dort ist einfacher", sagt er.
Originalartikel auf Wall Street Journal Deutschland

Anmerkung: Schon interessant, wie das ganze unter "Unzufriedenheit" zusammengefasst und der Situation damit auf dem Papier jede Schärfe genommen wird.
 
Und die komplette europäische Union, samt seinen Bürgern macht sich über dieses Land und deren Bürger lustig, während sie nicht einmal mehr ihre Kinder vernünftig versorgen können. Das sind bürgerkriegsähnliche Zustände.
 
Die Griechen sind eben Diebe und ein faules Volk. Die simulieren nur um an Geld zu kommen.
 
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