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Heimkehr der Generation Europa

Yutaka

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[h3]Heimkehr der Generation Europa[/h3]
Aus Lublin berichtet Olaf Sundermeyer


Die größte Ausreisewelle der polnischen Geschichte schwappt zurück: Immer mehr Polen kommen aus Großbritannien zurück nach Hause. Auf die Stimmen dieser Heimkehrer und der jungen Auslands-Polen setzt die liberale Opposition bei der Wahl.




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Lublin - Der konkrete Plan von Joanna Blizniuk sieht so aus: "In zwei Jahren kommt mein Freund Daniel aus England zurück, wir bauen ein Haus, und er startet sein eigenes Business, vielleicht Fensterbau, so etwas macht er jetzt auch in England." Bis dahin fährt Joanna jedes Jahr in den Sommerferien für drei Monate rüber ins englische Gloucester, um in einer riesigen Molkerei Milchkartons zu verpacken.​


Schichtarbeit für 5,65 Pfund die Stunde, die sie für ihre Zukunft in Polen spart. Wenn Joanna über diese Zahl spricht, ist eigentlich alles über "Anglia" gesagt. Ein reiches Land. Aber bleiben wollte sie dort nicht. "Es ist schließlich nicht meine Heimat." Die liegt in Stary Uscimów, einem Dorf, das seinen verträumten Platz zwischen vier kleinen Seen im ostpolnischen Podlasien hat.

Die Region zählt zu den ärmsten Europas; die Jugend wandert ab. Etwa 300 Menschen leben noch in Stary Uscimów - und aus jeder Familie verdient jemand sein Geld auf der "Insel", wie sie hier sagen. Polen gehört zu den Ländern, wo die Jungen noch die Alten unterstützen. Und wenn Joanna ihre Geschichten aus der Arbeitsemigration erzählt, hören sechs jüngere Geschwister zu, die Eltern und ein paar Onkel und Tanten.


Mit dem polnischen EU-Beitritt hat Großbritannien seinen Arbeitsmarkt geöffnet. Seither sind zwischen 500.000 und eine Million - meist junge - Polen dorthin ausgewandert. Keiner kennt die genaue Zahl. Es gibt viele Pendler, die in den Billigfliegern hin und her reisen, auch gibt es immer noch reichlich Schwarzarbeiter. Es ist die größte Auswanderungswelle in der Geschichte Polens. Und nun - so scheint es - schwappt sie allmählich zurück. Allein in diesem Jahr sollen es bis zu 50.000 Polen sein, die wieder in die Heimat übersiedeln.

Polnischer Wahlkampf in London

Und während des polnischen Wahlkampfes - nächsten Sonntag wird ein neues Parlament gewählt (mehr...) - sind auch deren Stimmen umkämpft. Vor allem die pro-europäische, liberale Bürgerplattform (PO) ist es, die sich Hoffnungen auf die Stimmen der Generation Europa macht.

Im Schnitt sind die Polen in Großbritannien 30 Jahre alt. Donald Tusk, der liberale Kandidat für das Amt des Premierministers, tritt im Wahlkampf sogar in London auf. "In der Sache hat er wohl recht, weil man viel über Weltoffenheit und Toleranz im Ausland lernt", sagt Malgorzata Mrozinska, die nach drei Jahren in London nun nach Warschau zurückgekehrt ist, "aber dort in England kämpfen die Polen um ihre Alltagsprobleme, die polnische Politik ist weit weg".


Malgorzata ist nach ihrer Rückkehr schnell zum Teil der wachsenden urbanen Elite geworden. Als Werbetexterin verdient die 29-jährige Politologin 1000 Euro im Monat; davon kann ein Single hier gut leben. Zwar kommen viele Polen auch in Großbritannien schnell voran, und verdienen 2000 bis 3000 Euro im Monat - soviel wie ein Manager in Warschau. Aber viele machen dort auch die Erfahrung der beruflichen Stagnation. Inzwischen ist der britische Arbeitsmarkt überfüllt mit Polen, Slowaken und anderen Osteuropäern, außerdem ist für sie selten Platz auf den gehobenen Positionen. So war es auch bei Malgorzata: "Ich habe in London sofort einen Job in einer Kneipe am Trafalgar Square gefunden", später hat sie das englische Fernsehprogramm ins Polnische übersetzt. "Aber mehr war nicht drin."

Das Gefühl des Gastarbeiters wurde sie nie los

In Polen dagegen geht die Karriere schneller voran als in Westeuropa. Die Arbeitslosigkeit ist zuletzt deutlich gesunken; während sie beim polnischen EU-Beitritt bei 20 Prozent lag, ist sie nun bei 13,7 Prozent. Der Bedarf nach gut ausgebildeten Fachkräften ist hoch. Deshalb melden sich in der Agentur von Malgorzata regelmäßig die Headhunter der Konkurrenz, mit finanziell besseren Angeboten.

Dagegen ist sie in England das Gefühl des Gastarbeiters nie losgeworden. "Nach drei Jahren war das Abenteuer einfach zu Ende." Nun hofft sie, dass Polen immer mehr zu einem Teil Europas wird, und dass endlich der Euro kommt. Auf der Agenda von Premierminister Jaroslaw Kaczynski, der als Euro-Skeptiker bekannt ist, steht das gemeinsame Zahlungsmittel nicht. Seiner Generation fehlt die internationale Erfahrung.


"Ich fühle mich längst mehr als Europäerin denn als Polin", sagt Malgorzata. Solche Töne sind in Stary Uscimów zwar nicht zu hören. Podlasien ist eine Hochburg der rechtskonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS) des Premiers, und die Kirchen sind voll; aber auch Joanna Blizniuk hat gelernt, mit anderen Augen auf ihr Land zu sehen: "In England ist alles so schön in Ordnung, zum Beispiel die Regale in den Supermärkten, und bei der Arbeit wirst du besser behandelt als hier - die Leute gehen einfach respektvoller miteinander um."

Wertvolle Erfahrungen im Gepäck

Sie sagt, dass sie mit viel mehr Selbstbewusstsein zurückgekehrt sei. In einer Gegend, wo die Frauen für Herd und Waschmaschine zuständig sind, macht das einen Unterschied. Anna Koslowska ist mit 34 Jahren noch Single, so wie Malgorzata Mrozinska. Das war früher in Polen ein Makel. Dafür hat sie drei Jahre Erfahrung in Schottland gesammelt, eine Wohnung gekauft und eine Karriere bei einer spanischen Hotelkette in der Messestadt Posen (Poznan) gemacht, die noch nicht zu Ende ist. Auf einen Ernährer ist sie nicht angewiesen. "Und hier in Polen bewegt sich noch etwas für mich."

Inzwischen lernt sie Spanisch, ihr Englisch ist exzellent. Das Unternehmen, für das sie arbeitet, kauft ständig neue Hotels hinzu - und ist auf Fachkräfte mit internationaler Erfahrung angewiesen. Bei der privaten Arbeitsvermittlung "Jobland" heißt es dazu: "Immer mehr Polen im Ausland fragen nach einer guten Arbeit in Polen. Die, die zurückkommen, finden eine; die meisten verdienen deutlich mehr, als vor ihrer Zeit im Ausland."

Und so will laut einer Umfrage die Hälfte aller Polen nach weniger als fünf Jahren im Ausland zurück in die Heimat. Die meisten von ihnen bringen wertvolle Erfahrungen mit, Geld und eine europäische Sicht der Dinge, die Polen gut tut.
 
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