Spionage: Drakonische Strafe für estnischen Maulwurf
25.02.2009 | 18:24 | Von unserem Korrespondenten HANNES GAMILLSCHEG (Die Presse)
Hoher Sicherheitsbeamter versorgte Russen mit Nato-Geheimnissen. Der „Fall Simm“ gilt in Nato-Kreisen als schwerster Spionage-Fall seit dem Ende des Kalten Krieges.
KOPENHAGEN/TALLINN. Herman Simm war der höchste Sicherheitsbeamte in Estlands Verteidigungsministerium, mit direktem Zugriff auf streng geheime Nato-Dokumente. Im September letzten Jahres wurde der 61-Jährige als russischer Spion verhaftet. Am Mittwoch hat ein Gericht in Tallinn den teilweise geständigen Maulwurf in einem Prozess unter Ausschluss der Öffentlichkeit wegen Landesverrats zu zwölfeinhalb Jahren Gefängnis und einer Geldstrafe von umgerechnet 1,3Millionen Euro verurteilt.
Der „Fall Simm“ gilt in Nato-Kreisen als schwerster Spionagefall seit dem Ende des Kalten Krieges. Im Verteidigungsministerium, in dem er seit 1995 arbeitete, war er mit dem Aufbau jener Abteilung beschäftigt, die für den Schutz von Staatsgeheimnissen zuständig ist. Bis zu seiner Pensionierung im November 2006 war er der Leiter der Sicherheitsabteilung, anschließend war er als freier Berater weiterhin für den Staatsschutz tätig.
Zu den Geheimnissen, die der Spion seinen Auftraggebern zuspielen konnte, zählten Informationen, wie man den elektronischen Datenverkehr der Nato entschlüsseln kann. Nato-Krisenpläne für den Kosovo, Analysen des Krieges in Georgien, der Nato-Schiffsverkehr in der Ostsee, Infos über Waffen- und Truppenverlegungen nach Afghanistan, Details über die umstrittene US-Raketenabwehr – stets war Simm ein verlässlicher Lieferant.
Er soll schon in den 80er-Jahren vom sowjetischen Geheimdienst angeworben und dann aktiviert worden sein. Dass Simm mit seinem russischen Führungsoffizier über ein altes, umgebautes Radio Kontakt hielt, gab dem Fall einen Anstrich von Spionageroman. Und wie in der Agenten-Trivialliteratur flog die Affäre auch auf:
Simms Geldverbrauch machte die Behörden auf ihn aufmerksam. Er hatte unter anderem sieben Häuser erworben, was mit einem Beamtengehalt nicht in Einklang stand.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.02.2009)
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