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Ich bitte Europa, den bedrohten Christen zu helfen“

Monte-B

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Aber auch den Muslimen bitte, den sie stellen die meisten Opfer!
Gespräch mit Papst Tawadros II.[h=2]„Ich bitte Europa, den bedrohten Christen zu helfen“[/h]Die Weihnachtsbotschaft des Oberhaupts der koptisch-orthodoxen Kirche ist ein Appell: Tawadros II. bittet darum, bedrohte Christen im Nahen Osten zu unterstützen. Im Gespräch mit der F.A.Z. ruft er Deutschland zudem auf, wieder mehr auf seine christliche Kultur zu achten.
25.12.2014



© STEFAN FINGER
Unterhaltung mit der Zukunft der koptischen Christenheit: Papst Tawadros II., bei einem Besuch 2013 in Frankfurt
Eure Heiligkeit, als Papst der koptisch-orthodoxen Kirche in Ägypten haben Sie eine äußerst schwierige und gefahrvolle Aufgabe. Haben Sie am 4. November 2012, als Sie von einem Jungen mit verbundenen Augen aus drei Kandidaten gelost wurden, gebetet, der neue Papst zu werden oder es lieber nicht zu werden?
Ich wusste, dass es nicht in meiner Hand liegt. Ich bin der festen Überzeugung, dass dieses Amt von großer Verantwortung für das Christentum nur mit Hilfe der Gnade Gottes ausgeführt werden kann. Am Tag meiner Inthronisierung war ich ganz und gar überwältigt. Und ich spürte sofort, welch ungeheure Verantwortung auf mich zukommen würde. Von einem auf den anderen Tag hat sich mein Leben komplett verändert: Zuvor war ich ein einfacher Bischof in King Mariut, einer kleinen Wüstengegend nahe Alexandria, und nun erster Verantwortungsträger unserer Heiligen Mutter Kirche in Ägypten und weltweit. Glücklicherweise scheine ich mich persönlich seitdem nicht verändert zu haben, wie mir nahestehende Personen immer wieder sagen. Dafür danke ich Gott. Als früherer Mönch versuche ich die wahre Bedeutung des Christentums hochzuhalten und ihr zu folgen, denn christliches Leben bedeutet die Reinheit des Herzens und die Bescheidenheit des Lebens. Diese Haltung hat auch Einfluss darauf, wie Christen mit anderen Menschen, auch Nichtchristen umgehen. Keine leichte Aufgabe heutzutage, aber wir sollten sie uns immer stellen.
In einer Ihrer ersten Reden als Papst haben Sie die absolute Trennung von Religion und Politik betont. Das scheint sehr fern von der Realität in Ägypten.
Stellen Sie sich einmal Religion als rohe Eier und die Politik als Stein vor. Wenn wir diese beiden in eine Kiste stecken, passiert ein Doppeltes: Zum einen würden die Eier zerschlagen, so dass man sie nicht mehr essen kann. Und zum anderen würden die Steine verschmutzt, so dass man nicht mehr mit ihnen arbeiten kann. Im Klartext heißt das: Wenn wir Religion und Politik zusammenwerfen, verlieren wir beide. Daher braucht es eine absolute Trennung zwischen Religion und Politik. Dafür stehe ich ein.
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Aber wie soll das möglich sein? Wir sehen, dass Regierungen ihre politische Linie gegenüber religiös-extremistischen Gruppen finden müssen. Ist das Erstarken des Islamismus nicht auch der Hauptgrund dafür, warum Sie und die Mehrheit der Christen in Ägypten den Präsidenten unterstützen?
Diese Angst vor und der Kampf gegen den Terrorismus ist nicht etwas, das nur die koptisch-orthodoxe Kirche und die ägyptische Regierung teilen. Alle Ägypter, ob Christ oder Muslim, lehnen ein religiöses Regime ab. Das haben wir im letzten Jahr unter Beweis gestellt. Als Muhammad Mursi an die Macht kam, reagierten alle Ägypter erst einmal reserviert und abwartend. Und nach einem Jahr waren sich die Ägypter einig, dass ihr Land von der Muslimbruderschaft gestohlen werden würde, wenn sie nicht gegen sie und die Regierung aufstünden. Daher haben die Ägypter eine Revolution gemacht, die von der Armee geschützt wurde, denn in Ägypten gilt und sieht sich das Militär als Teil des Volkes, genauso wie es auch die Kirche tut. So sind wir alle zusammen im Juni und Juli letzten Jahres gegen das religiöse Regime aufgestanden. Und heute haben wir ein gutes Regime mit einem neuen Präsidenten, einer neuen Verfassung und in einigen Wochen mit einem neuen Parlament. Die Regierung arbeitet hart daran, dass sich die Wirtschaft wieder erholt. Und ich bin mir sicher, dass die Situation aller Ägypter in zwei Jahren glänzend sein wird.
Wird dieser Glanz auch für die Zukunft der Christen in Ägypten gelten?
Derzeit genießt die koptisch-orthodoxe Kirche wieder Achtung in der ägyptischen Gesellschaft. Allen Ägyptern ist bewusst, welche zentrale Rolle die Kirche für den Zusammenhalt unseres Landes gespielt hat und spielt und so auch einen Bürgerkrieg verhindert hat. So gibt es derzeit Diskussionen über neue Kirchenbaugesetze, über die das zukünftige Parlament entscheiden wird. Das sehe ich als ein positives Zeichen.
Solche Zeichen sind für die christlichen Gemeinden extrem wichtig, die noch vor kurzem ganz anderes erfahren haben.
Ich denke besonders an den 14. August des letzten Jahres, den Tag, an dem mehr als hundert Kirchen in unserem Land attackiert, angezündet und zerstört wurden. Wie haben wir reagiert? Wir haben uns gegen Rache und Vergeltung entschieden, um Schlimmeres, beispielsweise einen Bürgerkrieg, zu vermeiden. Für uns gilt das Motto: lieber die Heimat ohne Kirchen als Kirchen ohne Heimat. Konkret zeigt sich unser Zusammenhalt auch in Dialogveranstaltungen und an der gemeinsamen Teilnahme an Nationalfeiertagen. Des Weiteren finden regelmäßige Besuche zwischen dem Großscheich der Al Azhar, der höchsten Lehrinstanz des sunnitischen Islams, Dr. Ahmed Al Tayyeb, und mir statt. Wie in einer Familie versuchen wir unsere Probleme gemeinsam zu lösen.
Haben Sie keine Angst, dass der Konflikt zwischen Regierung und islamistischen Gruppierungen in Ägypten noch härter und blutiger wird und Christen zu den ersten Opfern zählen?
Ich glaube fest an die glänzende Zukunft der Christen in Ägypten. Unsere Regierung ist stark. Und unsere Armee auch. Am Ende werden sie über die Terrorgruppen siegen. Damit Ägypten auf dem richtigen Weg ist, müssen wir drei zentrale Bereiche angehen, für die uns auch die westlichen Staaten eine große Hilfe wären: erstens Druck auf die gewalttätigen Gruppen allerorts ausüben, auch im Westen, damit die Gewalt gegen Ägypter ein Ende hat. Zweitens Unterstützung der wirtschaftlichen Entwicklung, besonders was Großprojekte anbelangt. Und drittens müssen wir das Bildungswesen vor allem rund um die Primär- und Sekundarstufen weiterentwickeln.
Ist die brutale Bekämpfung der Muslimbrüder durch die Regierung gerechtfertigt?
Leider haben sie sich selbst zum Feind Ägyptens gemacht und während ihrer Regentschaft durch ihre Arbeit und Politik Tag für Tag vom ägyptischen Volk entfernt. Und hätte diese Gruppe aufgehört, Gewalt gegen unser Land auszuüben, hätte auch die Regierung schon längst aufgehört, gegen sie vorzugehen. Aber sie bedrohen auch weiterhin unser Land. Das heißt, sie sind die Angreifer, gegen die zurückgekämpft werden muss.
Gewalt produziert immer neue Gewalt, das ist ein Teufelskreis.
Ja, das stimmt. Deshalb bitten wir ja auch die westlichen Regierungen um Mithilfe bei dem Kampf gegen Terrorismus. Es gibt immer noch westliche Staaten, die diese Gruppen unterstützen. Gerade in Europa sind einige der Islamistengruppen unter dem Deckmantel von sozialen Vereinen untergetaucht. Die westlichen Staaten haben all ihre Türen und Grenzen geöffnet. Das ist sehr gefährlich – für die Staaten selbst und für uns.
Was erwarten Sie von der deutschen Regierung im Kampf gegen Terrorismus?
Zuvor zwei entscheidende Erklärungen: Einerseits möchte ich sagen, dass die große Mehrheit der Muslime in Ägypten sehr moderat ist. Das heißt, dass die Mehrheit der Ägypter Gewalt ablehnt. Primär kommt also der Gewalteinfluss von außen. Und andererseits sollte man in Europa begreifen, dass die christlich-europäische Zivilisation sich von der islamischen unterscheidet. Es gibt nur ein paar Gemeinsamkeiten wie Festefeiern oder Gottesverehrung in Moscheen oder Kirchen. Ein entscheidender Unterschied der beiden Zivilisationen ist mir bei meinen zahlreichen Besuchen europäischer Länder aufgefallen: In einigen Staaten stehen viele Türen im Namen der Menschenrechte weit offen. Leider missbrauchen manche Menschen diese Rechte gegen ihre Staaten. Ich denke da zum Beispiel an Polygamie, die, obwohl sie illegal ist, gelebt wird. Oder ich habe auch gehört, dass muslimische Gemeinden leere Kirchengebäude aufkaufen, um aus ihnen eine Moschee zu machen. Deshalb rufe ich Deutschland dazu auf, wieder mehr auf seine christliche Geschichte und Kultur zu achten und sie nicht zu vernachlässigen.
Viele Christen in der Welt feiern jetzt Weihnachten. Sie werden dieses Fest in der koptisch-orthodoxen Kirche am 7.Januar begehen. Was ist Ihre Weihnachtsbotschaft?
Mit einem Blick in andere Nahost-Staaten wie Syrien und den Irak, wo Christen in Lebensgefahr sind, bitte ich Christen in Europa, den bedrohten Christen zu helfen, dass sie in ihren Heimatländern bleiben und nicht ermutigt werden, sie zu verlassen. Wenn wir Christen aus dem Nahen Osten abziehen lassen, verliert die Region an ihrer Vielfalt, was dann wiederum neue Konflikte begünstigt. Diese könnten sogar so weit gehen, dass es zum dritten Weltkrieg kommt. Das muss unbedingt verhindert werden.
Papst Tawadros II.



Papst Tawadros II. Alexandria und Papst Tawadros II. wurde als Wagih Sabhy Baky Soliman am 4. November 1952 in Mansoura, Ägypten, geboren. Er studierte Pharmazie, dann am koptischen Seminar in Kairo. 1986 trat er in das Kloster Deir Anba Bishoi, 1989 wurde er zum Priester geweiht, 1997 zum Weihbischof. An seinem sechzigsten Geburtstag wurde er aus drei gewählten Kandidaten zum Papst gelost. Am 18. November 2012 fand seine Inthronisierung in der Markus-Kathedrale in Kairo statt, dort liegt auch seine Residenz. Die Zahl der Kopten wird in Ägypten auf zwölf bis fünfzehn Prozent der 88 Millionen Einwohner geschätzt. Auch in Deutschland leben vielerorts koptisch- orthodoxe Christen. Heute vor einem Jahr besuchte Papst Tawadros II. ihre Gemeinden.
 
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