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Spitzen-Poster
Der Springer-Verlag will die deutschen Briefkästen fluten: Im Juni sollen alle Haushalte eine Ausgabe der Bild-Zeitung erhalten. Ungefragt. Zeit für eine Gegenflut, findet Helmut Schümann. Er weiß auch schon, wie.
Wer denkt eigentlich an die, die gar nichts haben, kein Zuhause, kein Dach über dem Kopf, keine Wohnung, keinen Haushalt? Die kriegen wieder nichts. Dabei hätten die doch am meisten Verwendung für das, was am 23. Juni, einem Samstag, die deutschen Briefkästen verstopft. Alle deutschen Briefkästen. Sie, also die, die gar nichts haben, könnten damit ein prima Feuerchen entfachen, falls es an diesem Tag ein wenig kühl werden sollte. Oder sie könnten ihr bisschen Nahrung darin einwickeln. Das ist zwar auch nicht hygienisch, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen und packt dann sein Butterbrot auch schon mal in die „Bild“-Zeitung.
41 Millionen „Bild“- Zeitungen sollen am 23. Juni an alle deutschen Haushalte verteilt werden, eine Werbeaktion, die auch nicht Halt machen soll vor den Briefkästen, auf denen die dringlichen Aufkleber pappen mit der Bitte, keine, aber auch gar keine Werbung einzuwerfen.
Der Bitte wird an diesem Tag nicht nachgekommen. Nur die, die gar nichts haben, die sind fein raus. Andererseits können sie das Papier, obwohl es sinnvoll wäre, auch nicht auf dem Klo verwenden.
So eine umfassende, nahezu lückenlose und unerwünschte Penetration des deutschen Volkes ist eine logistische Meisterleistung, die schaffen heutzutage nur noch Länder mit ihren Völkern wie zum Beispiel Nordkorea. Kai Jong Dick Man wagt es trotzdem. Gott, gegen was kann man sich alles nicht wehren. Gegen das Wetter zum Beispiel. Hätten wir beim Wetter die freie Wahl, es wäre gewiss oft anders. Keine freie Wahl zu haben ist nicht schön. Man kann natürlich einen Zettel an den Briefkasten kleben: Hier bitte nicht! Aber ist das verbindlich für den Zusteller? Mal umgekehrt gedacht: Was, wenn das jeder täte, jetzt nicht die Sache mit dem Zettel, sondern eine umfassende, nahezu lückenlose und unerwünschte Penetration? Was, wenn 41 Millionen deutsche Haushalte an Kai Jong Dick Man schrieben, sie wünschten an diesem Tag keine „Bild“-Zeitung in ihrem Briefkasten?
Eine wahre Flut von Verweigerungsbriefen wäre das, die „Bild“-Zeitung käme gar nicht mehr nach mit dem Lesen, geschweige denn mit der Produktion und der Auslieferung dieser Sonderausgabe. Davon hätten die, die gar nichts haben, zwar auch nichts, aber alle anderen. Hier mal ein Link, unter dem man sich anschauen kann, wie so ein Anschreiben aussehen könnte und doch eigentlich auch sollte:Muster-Schreiben an die Bild.
Große Werbeaktion : Ich will die "Bild" nicht in meinem Briefkasten - Meinung - Tagesspiegel
BILD? … noch nicht einmal geschenkt!
18. Januar 2012 66 Kommentare
Der Axel Springer Verlag plant, am 23.06.2012 eine Gratis-Ausgabe der BILD-“Zeitung“ an alle Haushalte in Deutschland zu verteilen. Betroffen davon seien „ca. 41 Millionen Haushalte inkl. Werbeverweigerer“.
Tatsächlich reicht ein „Keine Werbung“-Aufkleber auf dem Briefkasten in diesem Fall nicht aus, denn dieser gilt nach einer Entscheidung des OLG Hamm vom 14.07.2011 (I-4 U 42/11) nicht für kostenlose Anzeigenblätter mit lose eingelegten Werbeprospekten, worauf sich der Springer-Verlag sicher berufen wird. Darauf deutet die Ansage „inkl. Werbeverweigerer“ bereits hin.
Das LG Lüneburg hat allerdings am 30.09.2011 entschieden: „Das Zusenden von Postwurfsendungen gegen den ausdrücklichen Willen des Empfängers stellt einen rechtswidrigen Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung dar.“
Ich lasse mir dieses Blatt nicht aufdrängen. Wer die BILD-“Zeitung“, wie ich, auch nicht geschenkt bekommen möchte und sich durch das Ansinnen des Springer-Verlages belästigt sieht, sollte dies dem Verlag ausdrücklich mitteilen und die unerwünschte Zustellung der Zeitung untersagen. Im Falle der Nichtbeachtung folgt eine Abmahnung, da die untersagte Zustellung des Blattes eine Rechtsverletzung begründen dürfte.
Das Anschreiben darf gerne als Muster verwendet werden. Denn: „Ich glaub, es hackt!“
Update, 25.01.2012: Ich wurde darauf hingewiesen, dass die ursprüngliche Ankündigung des Axel-Springer-Verlags nicht mehr im Internet steht. Die Seite wurde gelöscht, der Link funktioniert nicht mehr.
Das ändert an der Rechts- und Sachlage allerdings zunächst nichts: Die Gratis-Verteilung der Bild-Zeitung wurde angekündigt. Wer die Bild-Zeitung nicht gratis bekommen möchte, kann dem widersprechen. Sollte die Aktion von Verlagsseite hingegen abgesagt werden, würde sich ein Schreiben natürlich erübrigen.
BILD? … noch nicht einmal geschenkt! « Rheinrecht
Judith Holofernes und ihre Absage an die BILDZEITUNG (WDR-"KölnerTreff" am 25.02.2011) - YouTube"Wir Sind Helden" sind echte Helden
DIE ANTWORT
Liebe Werbeagentur Jung von Matt,
bzgl. Eurer Anfrage, ob wir bei der aktuellen Bild -Kampagne mitmachen wollen:
Ich glaub, es hackt.
Die laufende Plakat -Aktion der Bild-Zeitung mit sogenannten Testimonials, also irgendwelchem kommentierendem Geseiere (Auch kritischem! Hört, hört!) von sogenannten Prominenten (auch Kritischen! Oho!) ist das Perfideste, was mir seit langer Zeit untergekommen ist. Will heißen: nach Euren Maßstäben sicher eine gelungene Aktion.
Selten hat eine Werbekampagne so geschickt mit der Dummheit auf allen Seiten gespielt. Da sind auf der einen Seite die Promis, die sich denken: Hmm, die Bildzeitung, mal ehrlich, das lesen schon wahnsinnig viele Leute, das wär schon schick… Aber irgendwie geht das eigentlich nicht, ne, weil ist ja irgendwie unter meinem Niveau/ evil/ zu sichtbar berechnend… Und dann kommt ihr, liebe Agentur, und baut diesen armen gespaltenen Prominenten eine Brücke, eine wackelige, glitschige, aber hey, was soll’s, auf der anderen Seite liegt, sagen wir mal, eine Tüte Gummibärchen. Ihr sagt jenen Promis: wisst ihr was, ihr kriegt einfach kein Geld! Wir spenden einfach ein bisschen Kohle in eurem Namen, dann passt das schon, weil, wer spendet, der kann kein Ego haben, verstehste? Und außerdem, pass auf, jetzt kommt’s: ihr könnt sagen, WAS IHR WOLLT!
Und dann denken sich diese Promis, im Rahmen ihrer Möglichkeiten, irgendeine pseudo -distanziertes Gewäsch aus, irgendwas “total Spitzfindiges”, oder Clever- Unverbindliches, oder Überhebliches, oder… Und glauben, so kämen sie aus der Nummer raus, ohne ihr Gesicht zu verlieren. Und haben trotzdem unheimlich viele saudumme Menschen erreicht! Hurra.
Auf der anderen Seite, das erklärt sich von selbst, der Rezipient, der saudumme, der sich denkt: Mensch, diese Bild-Zeitung, die traut sich was.
Und, die dritte Seite: Ihr, liebe jungdynamische Menschen, die ihr, zumindest in einem sehr spezialisierten Teil eures Gehirns, genau wisst, was ihr tut. Außer vielleicht, wenn ihr auf die Idee kommt, “Wir sind Helden” für die Kampagne anzufragen, weil, mal ehrlich, das wäre doch total lustig, wenn ausgerechnet die…
Das Problem dabei: ich hab wahrscheinlich mit der Hälfte von euch studiert, und ich weiß, dass ihr im ersten Semester lernt, dass das Medium die Botschaft ist. Oder, noch mal anders gesagt, dass es kein “Gutes im Schlechten” gibt. Das heißt: ich weiß, dass ihr wisst, und ich weiß, dass ihr drauf scheißt.
Die BILD-Zeitung ist kein augenzwinkernd zu betrachtendes Trash-Kulturgut und kein harmloses “Guilty Pleasure” für wohlfrisierte Aufstreber, keine witzige soziale Referenz und kein Lifestyle-Zitat. Und schon gar nicht ist die Bild-Zeitung das, als was ihr sie verkaufen wollt: Hassgeliebtes, aber weitestgehend harmloses Inventar eines eigentlich viel schlaueren Deutschlands.
Die Bildzeitung ist ein gefährliches politisches Instrument – nicht nur ein stark vergrößerndes Fernrohr in den Abgrund, sondern ein bösartiges Wesen, das Deutschland nicht beschreibt, sondern macht. Mit einer Agenda.
In der Gefahr, dass ich mich wiederhole: ich glaub es hackt.
Mit höflichen Grüßen,
Judith Holofernes