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"Ihr könnt uns nicht belügen!"

skenderbegi

Ultra-Poster
[h5]31. August 2007[/h5]

[h4]FALL POLITKOWSKAJA[/h4]
[h3]"Ihr könnt uns nicht belügen!"[/h3]
Von Simone Schlindwein, Moskau
Kasparow ist gekommen, Ryschkow und ein Häuflein Oppositioneller: Auf einer Gedenkveranstaltung für Anna Politkowskaja protestierten in Moskau Vertreter der Opposition gegen die Machthaber im Kreml. Die Zeitung der Journalistin veröffentlichte nun ihre eigenen Ermittlungen über die Mörder.

Moskau - "Wir wissen genau, wer sie umgebracht hat, ihr könnt uns nicht belügen!" schimpft die Rentnerin Margarita Pilawskaja wütend und hält die Wochenzeitung "Nowaja Gaseta" wie zur Drohung in die Luft. "Alle können es lesen, hier steht es Schwarz auf Weiß!" ruft sie. Viele Menschen auf der Gedenkveranstaltung anlässlich des 49. Geburtstages von Anna Politkowskaja tragen die aktuelle Ausgabe der Zeitung, für die sie geschrieben hat, unter dem Arm. Auf der ersten Seite ist die Enthüllungsjournalistin zu sehen, wie sie den Eingang zu ihrem Haus betritt. Es ist das etztes Bild von ihr. Die Überwachungskamera hat es aufgezeichnet, kurz bevor sie im Oktober vergangenen Jahres erschossen wurde.


AP​
Gedenken für Politkowskaja: "Die wissen, wie man derartige Probleme löst"


Wenige hundert Menschen haben sich auf dem Moskauer Puschkin-Platz versammelt, um eine Gedenkminute abzuhalten. Anna Politkowskaja ist eine Symbolfigur der Opposition. Und so sind neben Blumen und großen Politkowskaja-Fotos auch Fahnen mit der Aufschrift "Stoppt den Krieg in Tschetschenien" zu sehen.
Die Vertreter der Opposition sind anwesend, um diese Gedenkminuten für ihren Wahlkampf zu nutzen: "Fast ein Jahr ist vorüber, seit sie umgebracht wurde", sagt Wladimir Ryschkow, Vorsitzender der Republikanischen Partei. "An diesem Tag starb jedoch nicht nur Anna, sondern die Machtträger haben auch unsere Verfassung getötet", erklärt er. Der Rechtsstaat und das Recht auf freie Meinungsäußerung seien ebenso mit ihr begraben worden.
Garri Kasparow, Schachweltmeister und Anführer des Oppositionsbündnisses Vereinigte Bürgerfront, erklärt Politkowskaja zum Symbol für alle Journalisten, die in den vergangenen Jahren in Russland ermordet wurden sowie für die Pressefreiheit im Allgemeinen. "Diejenigen, über die Anna geschrieben hat, sind auch jene, die unsere Massenmedien kontrollieren und die die letzten Kritiker ausschalten." Der Tod Politkowskajas erinnere an Sowjetzeiten, als die Mächtigen Angst vor Schriftstellern wie Alexander Solschenizyn hatten, sagt er.
"So ist es nicht gewesen!"
Zusätzlich motiviert sind die Demonstranten durch Veröffentlichungen in der "Nowaja Gaseta". Die Redaktion hat eigene Untersuchungsergebnisse zum Mord an ihrer Enthüllungsjournalistin veröffentlicht: "So ist es nicht gewesen!" protestiert das Blatt und widerspricht damit den Aussagen des Generalstaatsanwaltes Jurij Tschaika (mehr...). Als letzte Bastion der unabhängigen Berichterstattung lehnt sie sich auch gegen die überwiegend staatlich kontrollierte Presse auf und stellt Fragen, anstatt voreilig von einer "Lösung des Mordfalls" zu sprechen, wie die anderen Zeitungen am Dienstag getitelt hatten.
Zwar gehören die Festgenommenen auch nach Informationen der "Nowaja Gaseta" zum mutmaßlichen Täterkreis, doch anders als die Generalstaatsanwaltschaft vermutet sie die Drahtzieher nicht im Ausland. Es handle sich nicht um eine Verschwörung, sondern schlichtweg um "Korruption und die totale Verstrickung zwischen denjenigen Organen, die das Recht verteidigen sollten, und der Kriminalität", sprich, der grauen Unterwelt, über die Politkowskaja so oft geschrieben hat. Sie sei das Opfer eines gezielten Auftragmordes - durchgeführt von Professionellen mit langjährigen Erfahrungen, die wissen, "wie man derartige Probleme löst".
Resignation über die Frage nach den Drahtziehern
Der Geheimdienstmitarbeiter, der sich unter den Festgenommenen befindet, sei laut "Nowaja Gaseta" kein "ehemaliger - soviel steht fest". Doch wer hat den FSB-Mitarbeiter, der Politkowskaja beschattet hatte, im August 2006 zu ihrer Wohnung bestellt? Wer gehört zu den Drahtziehern der Offiziere der Hauptverwaltung der Kriminalitätsbekämpfung? "Auf diese Fragen werden wir wohl nie eine Antwort bekommen", schreibt der Chef-Redakteur Sergej Sokolow.
Mittlerweile hat die Staatsanwaltschaft zwei der zehn Festgenommen freigelassen und vier der Verdächtigen angeklagt, Politkowskaja ermordet zu haben. Drei der Angeklagten sind Brüder aus Tschetschenien. Allerdings erklärt Murad Musajew, der Anwalt der Brüder, in einem Interview mit dem unabhängigen Radiosender Echo Moskwi, sein Klient Dschabrail Mukhmadow sei am 7. Oktober 2006, als die Journalistin in ihrem Hauseingang erschossen wurde, nicht in Moskau gewesen. Er habe seine Eltern in Tschetschenien besucht. Der älteste Bruder sei in jenen Tagen im Krankenhaus gewesen, könne sich aber nicht erinnern, zu welchem Zeitpunkt er entlassen worden sei.
Die russische Presse hatte am Tag nach den Festnahmen der mutmaßlichen Mörder der Enthüllungsjournalistin auf das Ausland gezeigt. Dort würden sich die Hintermänner des Mordes aufhalten. Dem Putin-Gegner Boris Beresowski sei aus seinem Londoner Exil ein genialer Medien-Coup gelungen. Sein Motiv: die russische Führung zu stürzen.





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alle die russland als demokratischen staat betrachten sollten etwas genauer hinsehen.....:rolleyes:
 
[h5]28. August 2007[/h5]



Schrift:

[h4]FALL POLITKOWSKAJA[/h4]
[h3]"Kugel aus dem Ausland"[/h3]
Von Simone Schlindwein, Moskau
Ist der Fall Politkowskaja aufgeklärt? Die Mehrheit der russischen Kommentatoren pflichtet dem Staatsanwalt bei - die Mörder der regierungskritischen Journalistin seien gefasst. Nicht alle folgen jedoch seiner Version, die Drahtzieher seien im Ausland zu suchen.

Moskau - Die Lesnaja Straße liegt da wie leergefegt - auch nach den Festnahmen der mutmaßlichen Mörder von Anna Politkowskaja. Keine Kerzen brennen vor dem Hauseingang, hinter dem sie wohnte, kein Demonstrant fordert weitere Aufklärung. Einzig ein ausländisches Kamerateam dreht vor der Fassade des sechsstöckigen Altbaus. Hier wurde die Kreml-kritische Journalistin vergangenen Herbst von zwei Kugeln in den Kopf getroffen. Sie starb noch im Hauseingang.




DPA​
Trauer um Politkowskaja vergangenen Oktober: "Groß angelegte Verschwörung"?


Die russischen Zeitungen folgen heute in ihrer Einschätzung der Ermittlungen größtenteils den Angaben von Generalstaatsanwalt Jurij Tschaika (mehr...). Dieser gab gestern auf einer Pressekonferenz die Linie vor - die russischen Medien ziehen mit: Drahtzieher im Ausland wollten durch die Bluttat Russlands Führung stürzen.
Das Regierungsblatt "Rossijskaja Gaseta" titelt: "Kugeln auf dem Ausland". Die zur Gasprom-Holding gehörende, regierungsfreundliche Tageszeitung "Iswestija" beschuldigt in ihrem Aufmacher den Milliardär Boris Beresowski als Drahtzieher, der in London politisches Asyl gesucht hat. Die Wirkung, die Beresowski erzielen habe wollen, sei ihm gelungen. Nach dem Mord an der im Ausland bekannten kremlkritischen Journalistin hatten die westlichen Massenmedien eine breite antirussische Kampagne gestartet.
"Iswestija" vermutet dahinter eine groß angelegte Verschwörung und vergleicht den angeblichen Auftragsmord aus den Kreisen Beresowskis sogar mit der Affäre Litwinenko. Es liege darüber hinaus nahe, so nimmt das Blatt Andeutungen von Generalstaatsanwalt Tschaika auf, dass die mutmaßlichen Täter im Fall Politkowskaja auch die Morde am Chefredakteur des russischen Forbes, Paul Chlebnikow, und an Andrej Koslow, stellvertretender Vorsitzender der Russischen Zentralbank, in Auftrag gegeben haben könnten. Auch das fehlgeschlagene Bombenattentat auf die ehemalige "Kommersant"-Journalistin Elena Tregubowa sei Beresowski zuzuschreiben, behauptet das Blatt. Übrigens vermuten laut einer Online-Umfrage 57 Prozent der "Iswestija"-Leser, diese politischen Morde seien begangen worden, um Russland von außen zu destabilisieren.
Kritik aus Politkowskajas Zeitung
Anna Politkowskajas Kollegen bei der "Nowaja Gaseta", die die Untersuchungen der staatlichen Behörden unterstützt haben, halten es zwar für sehr wahrscheinlich, dass die Täter gefasst worden sind, wenden sich jedoch entschieden gegen den Regierungskurs, die Täter seien im Ausland zu suchen. Chefredakteur Dimtrij Muratow klagte gegenüber der "New York Times": Dass der Generalstaatsanwalt die Drahtzieher im Ausland vermute, sei "ein Alptraum".
Den Recherchen seiner Zeitung zufolge arbeite der festgenommene FSB-Mitarbeiter Pawel Rijagusow in einer Einheit des russischen Geheimdiensts, deren Aufgabe es war, Verbrechen zu untersuchen, die Geheimdienstoffiziere mutmaßlich begangen haben. Die Vermutung, die Drahtzieher säßen im Ausland, würde die Westen derjenigen weißwaschen, die vermutlich tatsächlich hinter dem Attentat stünden, sagte Muratow.
In einem Interview mit dem Radiosender "Echo Moskwi" sagte Muratow, seine Wochenzeitung habe eigentlich geplant, die Ergebnisse ihrer unabhängigen Recherchen am vergangenen Donnerstag zu veröffentlichen. Der Generalstaatsanwalt habe Muratow persönlich darum gebeten, diese Veröffentlichungen zu verschieben. "Der Generalstaatsanwalt verhält sich nicht wie ein Generalstaatsanwalt, sondern wie ein Politiker, der auf Befehl des Präsidenten agiert", kommentiert er.
Die regierungskritische Online-Zeitung "Gaseta.Ru" spricht in ihrem Kommentar von einer regelrechten "Informations-Verstopfung". Die meisten Leute würden den offiziellen Informationen in Russland nicht trauen. Sie bezieht sich dabei auf eine kürzlich unternommene, landesweite Umfrage des Lewada-Zentrums. 80 Prozent der Befragten schenken der Informationspolitik der Putin-Administration keinen Glauben.
"Das Echo Putins"
Ob beim Geiseldrama im Nord-Ost-Theater, der Tragödie von Beslan oder nach dem Attentat auf den Zug nach Sankt Petersburg vor wenigen Wochen: Die Machthaber machten die Schuldigen jeweils unter jenen aus, die der Führung nicht genehm seien. Der Kommentar der Online-Zeitung bezeichnet die Auslassungen von Generalstaatsanwalt Tschaikas über die Festgenommenen als "das Echo Putins". Denn schon die ersten Kommentare Putins Tage nach dem Mord an Politkowskaja hatten eine Täterspur ins Ausland angedeutet.
Der ehemals zum Beresowski-Medienimperium gehörende "Kommersant" zitiert in seiner heutigen Online-Ausgabe den kritischen und liberalen Duma-Abgeordneten Wladimir Rischkow in einem Interview nach dem Attentat vom Oktober 2006. Politkowskaja habe die Themen recherchiert, die der Führung aus FSB und Armee unangenehm seien. "Jede dieser Strukturen konnte hier als Auftraggeber des Verbrechens auftreten", sagte Rischkow damals.

Der Sohn der Ermordeten, Ilja Politkowskajas, 28, schreibt in einer Email an die "Moskau Times", es sei keine Überraschung, dass die Behörden gerade jetzt die Festnahmen bekannt gegeben haben: Der Geburtstag seiner Mutter steht am 30. September bevor und der Mord an der besonders im Westen geachteten Tschetschenien-Korrespondentin jährt sich am 7. Oktober dieses Jahres zum ersten Mal.
 
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