Indogermanisch und indoeuropäisch [Bearbeiten]
Durch vergleichende
Sprachforschung entdeckte
William Jones (Indologe) Ende des 18. Jahrhunderts, dass viele
Sprachen in
Europa und dem Vorderen
Orient von einer gemeinsamen Ursprache abstammen müssen (
siehe: indogermanische Sprachen). Der dänisch-französische Forscher Malte-Brun verwendete 1810 hierfür den Namen
„langues indo-germaniques“.
Der Begriff beruht auf der geographischen Ausdehnung der indogermanischen Sprachen, wie sie damals bekannt war: dem (
Indo-Arischen) im Osten und dem
Germanischen im Westen, zwischen denen vermeintlich alle anderen Sprachräume lagen. Das
Keltische war damals noch nicht als indogermanische Sprache erkannt; auch Beweise für indogermanische Sprache im weiter östlich gelegenen Chinesisch-
Turkestan wurden erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckt, nämlich Schriftrollen im
Tarim-Becken mit der bis dahin unbekannten
tocharischen Sprache.
Da
indogermanisch als Klammerbegriff ursprünglich den östlichsten und westlichsten Sprachzweig der Sprachfamilie benannte, müsste dieser nach demselben Prinzip jetzt eigentlich
tocharo-keltisch heißen. Auch der im übrigen Europa gebräuchliche Begriff
indoeuropäisch ist gleichermaßen unpräzise. Denn weitere, nichtindogermanische Sprachfamilien gibt es sowohl in Europa (z. B.
Finno-ugrische Sprachen) als auch auf dem indischen Subkontinent (z. B.
Dravidische Sprachen).
Die Diskussion, welcher Begriff „richtig“ oder „treffender“ ist, ist müßig. Im deutschen Sprachraum wird in der Fachwelt vielfach der Begriff
indogermanisch verwendet, während außerhalb des deutschen Sprachraums
indoeuropäisch (
englisch Indo-European,
französisch indo-européen) gebräuchlich ist. Beide Begriffe sind inhaltlich deckungsgleich und damit
synonym.
Urindogermanen in der Völkerkunde [Bearbeiten]
Siehe auch
Proto-Indoeuropäer Eine Reihe von Prähistorikern und Archäologen setzt die durch vergleichende Sprachwissenschaft rekonstruierte indogermanische Grundsprache (
Ursprache) mit
prähistorischen Kulturgruppen (Urvolk) gleich. Nur durch ein so genanntes indogermanisches "Urvolk" ist nach ihrer Meinung die enge lexikalische und grammatische Verwandtschaft vieler europäischer, indischer und iranischer Sprachen erklärbar. Bloße
Sprachbünde könnten den hohen Grad an sprachgenetischer Verwandtschaft in der gesamten Indogermania nicht nachvollziehbar machen.
Diese Auffassung ist nicht ohne Widerspruch geblieben, denn es gibt zahlreiche Wissenschaftler, die ein ethnisch einheitliches indogermanisches "Urvolk" für gänzlich unerwiesen halten. Sie vermuten hinter dem hypothetischen "Urvolk" entweder nur lockere Stammesschwärme, möglicherweise verschiedene Ethnien oder lehnen die Existenz eines indogermanisches "Urvolks" sogar ab.
Die Forschung hat viele prähistorische Kulturen mit dem indogermanischen "Urvolk" in Verbindung bringen wollen und nach der
Urheimat der Indogermanen gesucht. Dabei kam man zu ganz unterschiedlichen Ursprungsregionen, die von Mitteleuropa, über Osteuropa und Zentralasien bis nach Anatolien bzw. Vorderasien reichen. Heute überwiegt vielfach die Sichtweise, dass in der
Kurgankultur, die sich im 5./4. Jahrtausend v. Chr. in Südrussland entwickelte, der Ursprung der Proto-Indoeuropäer zu suchen sei.
Nach dieser Hypothese erfolgte die Ausbreitung der Indoeuropäer von ihren Sitzen nördlich des Schwarzen und Kaspischen Meers einmal in Richtung Europa, wo die vorindoeuropäische Bevölkerung in mehreren Wellen überschichtet wurde. Der andere Vorstoß richtete sich nach Kleinasien, in den Iran und nach Nordindien, wo um 1500 v. Chr. Scharen indogermanischer Arier (Aryas) einfielen, welche die autochthone Bevölkerung unterwarfen.
Wie die Überschichtung der vorindogermanischen Bevölkerung Europas erfolgte, ist nicht völlig geklärt. Während ein ausgedehnter Brandhorizont in Griechenland um 2000 v. Chr. auf einen gewaltsamen Einbruch der Indoeuropäer vom nördlichen Balkan her hindeutet (Proto-Griechen), erfolgte die Einwanderung in anderen Regionen Europas möglicherweise weitgehend friedlich (Substrat).
Zu den Kulturen, die im Zusammenhang mit dem Einbruch der Indogermanen genannt werden, zählen die schnurkeramische Kultur (
Schnurkeramik), die Streitaxtkultur, die südrussische Kurgan- oder Ockergrabkultur und die osteuropäische Fatjanowo-Kultur. Es muss jedoch betont werden, dass es sich bei dieser Zuschreibung lediglich um unbewiesene Hypothesen handelt, die in der Fachwissenschaft umstritten sind.
Grabfunde in Südrussland zeigen, dass die von einigen Forschern mit den Indoeuropäern gleichgesetzten Urheber der Kurgankultur (auch Ockergabkultur und Katakombenkultur genannt) europid waren. Darauf deuten auch europid anmutende Mumien aus der
Takla Makan hin, die verschiedentlich mit dem am weitesten Richtung China gewanderten indoeuropäischen Volk der
Tocharer in Verbindung gebracht werden. Die Mumien werden im Provinzmuseum der Stadt
Ürümqi (Urumtschi) aufbewahrt und könnten identisch sein mit einigen Völkern in Ost-Turkestan (Xinjiang), die in frühen chinesischen Quellen erwähnt werden und kein mongolisches Aussehen hatten. Daneben sind auch
genetische Untersuchungen aufschlussreich, wie sie in jüngster Zeit an „
skythischen“ Skeletten und Bewohnern der
Mongolei vorgenommen wurden.
Eine europide Bevölkerung besiedelte jedoch auch Alteuropa und Vorderasien
autochton vor Einbruch der Indoeueropäer. So waren z. B. die
finno-ugrischen Finnenn vom körperlichen Aussehen eindeutig mitteleuropäisch. Archäologische Befunde zeigten, dass der genetische Beitrag der Indogermanen in Europa bedeutend geringer war als in Asien. Diese Erkenntnis stützt die Annahme einer im Wesentlichen friedlichen Übertragung indogermanischer Sprache und Kultur nach Europa.
Die Indogermanen gaben ihre Sprache und ihr Kulturgut im Osten bis nach Ost-Turkestan (ausgestorbenes Tocharisch), im Westen bis zum Atlantik, nördlich bis fast zum Polarkreis (Island), südwestlich bis zum Mittelmeer und südöstlich bis zum Indischen Ozean weiter. Überall stießen sie dabei auf Sprecher anderer, nicht indogermanischer Sprachen, z. B. auf das bis heute noch im Grenzgebiet zwischen Frankreich und Spanien an der Atlantikküste gesprochene Baskische oder auf die bis ins frühe Mittelalter noch nachweisbaren Sprachen der Pikten in Schottland, Iberer in Spanien, Etrusker in Italien, Räter in den Alpen, Minoer, Pelasger und Lemnier in Griechenland, sowie Hattier in Kleinasien. Sprachlich am unterschiedlichsten sind dabei die indogermanischen Sprachgruppen in Südosteuropa am Schnittpunkt von keltischen (in der Antike), germanischen, italischen, griechischen, albanischen, slawischen und anatolischen Sprachen. Siehe indogermanische Sprachen.
Indogermanen ? Wikipedia