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Bosnien
Ähnliche Bedenken hatten auch die nationalen Parlamentarier der Donaumonarchie, als der Berliner Kongress 1878 die türkischen Provinzen Bosnien, Herzegowina und den Sandschak unter österreichisch-ungarische Verwaltung stellte. Wie es dazu kam, ist eine ziemlich komplizierte Geschichte zu der nur soviel gesagt werden soll, dass es nicht nur die Parlamentarier des Nationalen Lagers im Österreichischen Reichsrat waren, welche diese Okkupation ablehnten.
Vor allem waren es die Betroffenen selbst, die für die neuen Verwalter ebenso wenig Sympathie aufbringen konnten, wie für den Sultan, gegen den sie rebelliert hatten. Doch allen Besserwissern zum Trotz und nachdem die Bosnier nach Niederwerfung des Widerstandes überzeugt werden konnten, dass die neue Administration weniger korrupt und autoritär war, wie die des Sultans, folgte ein Entwicklungsprogramm, das man als Musterbeispiel den heutigen Entwicklungsprojekten in der Region nur empfehlen könnte.
Das Erfolgsrezept war denkbar einfach: Weil man sich nicht entscheiden konnte, welcher Reichshälfte die Neuerwerbungen zugeschlagen werden sollte, wurde die Verwaltung dem k.u.k. Finanzministerium übertragen und damit zur Chefsache.
Man zählte dabei auf die Unterstützung der traditionellen muslimischen Eliten, die nicht abgeneigt waren, der es umso leichter fiel, nachdem der Islam als gleichberechtigte Religion anerkannt wurde. Österreich-Ungarn war damit zu Beginn des 20. Jahrhunderts der einzige christlich-katholisch dominierte Staat der gesetzlich geregelte Beziehungen zu einer muslimischen Glaubensgemeinschaft unterhielt und unter anderem auch muslimischen Religionsunterricht an den Schulen erteilen ließ.
An der Kontinuität dieser Entwicklung konnte auch die formelle Annexion durch Österreich-Ungarn 1908 nichts ändern, obwohl das Säbelgerassel der Russen, Engländer und Franzosen, die sich bereits zur Entente formiert hatten, einen Vorgeschmack auf den Ersten Weltkrieg erahnen ließ.
Die wirtschaftliche und industrielle Entwicklung des Landes konnte dank der für Österreich untypischen Spendierfreudigkeit ihren Fortgang nehmen, bis das Verhängnis des Ersten Weltkrieg ausgerechnet in der Hauptstadt dieser hoffnungsvollen Provinz seinen Ausgangspunkt fand.
Foto: www.kaiserjäger.comKaiser Karl I.
inspiziert Bosnisnisch-Hercegowinische Infanterie, Südtirol 1917
1882 wurde in jedem der vier Ergänzungsbezirke (Sarajevo, Banjaluka, Dolnja Tuzla und Mostar) je eine Bosnisch-Herzegowinische Infanteriekompanie aufgestellt, die man in den darauffolgenden Jahren um jeweils eine Kompanie erweiterte, sodass 1885 vier und 1889 bereits acht selbstständige Bataillone formiert werden konnten. 1892 konnten drei weitere Bataillone aufgestellt werden.
1894 entschied die Militärverwaltung, für die Bosnisch-Herzegowinische Infanterie den Regimentsverband analog zum übrigen Heer einzuführen
Die Festnahme des Attentäters Gavrilo Princip >>>
Die darauf folgende Untersuchung ergab, dass er und seine Gruppe im Auftrag der serbischen Geheimgesellschaft Ujedinjenje ili Smrt (Vereinigung oder Tod), besser bekannt als Schwarze Hand gehandelt hatten. Von dieser ausgebildet und mit Waffen ausgestattet,konnte Princip und seine Gruppe mit Hilfe Serbischer Zöllner nach samt ihren Waffen nach Bosnien einreisen.
Da Princip zum Zeitpunkt der Tat noch nicht volljährig war, konnte er nach österreichischem Recht nicht zum Tode verurteilt werden. Dass der Staatsanwalt trotzdem die Todesstrafe für Princip forderte, ging auf einen Schreibfehler in Princips Geburtsurkunde zurück. Hier war irrtümlich der Monat Juni eingetragen, während in den kirchlichen Büchern das richtige Datum Juli vermerkt war. Das Gericht aber folgte den Angaben in den kirchlichen Unterlagen und wies den Antrag des Staatsanwalts ab.
Eine bemerkenswertes Zeugnis für die Rechtssprechung der Monarchie, der das rechtsstaatliche Prinzip mehr galt, als die Verhängung eines Urteils, das den Vorstellungen der Öffentlichkeit genehm gewesen wäre. Was hätte es schon der Politik ausgemacht, wenn dieser Discrepanz nicht so gewissenhaft entsprochen wäre, denn entsprechend der Geburtsurkunde wäre Princip zum Tatzeitpunkt genau 20 Jahre und 15 Tage alt gewesen.Princip wurde zu 20 Jahren Kerker in der Festung Theresienstadt verurteilt.
Die Haftbedingungen aber waren zum Vergleich der Prozessführung mittelalterlich: Die Zellen waren kalt und feucht, die Gefangenen durften weder lesen noch schreiben und mit niemandem reden. Princip erkrankte an Knochentuberkulose und starb am 28. April 1918 im Gefängnislazarett.
Foto: Ö.N.B
foto: Sarajewo 1914
Der serbische Attentäter, der die tödlichen Schüsse auf das Thronfolgerpaar abgegeben hatte, zählte zu jener Volksgruppe, die sich bis heute von den Muslimen übervorteilt wähnt und dies auch in Zukunft glauben machen will. In den dazwischen liegenden Jahrzehnten, seit der Gründung des SHS-Staates über die Zerschlagung der Königreiches Jugoslawien im Zweiten Weltkrieg, bis zur blutigen Auflösung von Titos Bundesrepublik, waren Unterdrückung und Verfolgung einem ständigen Rollentausch unterworfen.
Erst waren es die Serben, die ihre Privilegien als Gewinner aus dem Ersten Weltkrieg ableiteten. Nach der Zerschlagung des Königreiches durch Hitlerdeutschland glaubten Kroaten und bosnische Muslime sich auf Kosten der Serben austoben zu können. Nicht einmal Titos Partisanenbewegung war imstande, die nationalen Kräfte im Kampf gegen die Deutschen Besatzer zu bündeln. Er ließ die königstreuen und vorwiegend serbischen Tschetniks an seinem Befreiungskampf weder teilhaben, sondern zwang sie regelrecht mit den Deutschen zu kollaborieren.
Ihren Führer Mihailovic ließ er, nachdem der Krieg vorbei war, nach einem Schauprozess erschießen. Der Ort der Hinrichtung und die Begräbnisstätte, von den Behörden jahrzehnte lang geheim gehalten, wurden bald zu einem der zahlreichen Wallfahrtsorte des serbischen Nationalismus.
Nach Titos Tod war es dann dem Serben Milosevic und dem Kroaten Franjo Tudman vorbehalten, ihre spezielle Version des Nationalismus von Amselfeldelegie oder Ustascha- Faschismus unter das gläubige Volk zu bringen.
Auch diese Periode ist nicht frei von österreichischer Beteiligung, wenn sie auch unter verschiedenen Vorzeichen erfolgt ist.
Seit feststeht, dass Österreichs Opferrolle widerlegt und zahlreiche Österreicher als Komplizen der Nazis an deren Verbrechen maßgeblich beteiligt waren, muss festgestellt werden, dass dies auch auf dem Balkan bzw. in Jugoslawien der Fall war. Auch da spielen die traditionellen Beziehungen eine Rolle, und es dürfte kein Zufall gewesen sein, dass Hitler die beiden Österreicher Alexander Löhr und Edmund Glaise-Horstenau mit entsprechenden Missionen betraut hatte. Beides Offiziere alt-österreichischer Schule, waren sie unter dem Einfluss ihrer Deutsch-Nationaler Ideen zu willkommenen Mitläufern der Nazis geworden.
Der vom Generalmajor zum General und Befehlshaber der 4. deutschen Luftwaffe Alexander Löhr befehligte im April 1941 den Luftangriff auf Belgrad, der etwa 1500 Menschen das Leben kostete. Als Oberbefehlshaber der auf dem Balkan stationierten 12. Armee und in der Folge der gesamten Heeresgruppe E hatte er ein gehöriges Bündel an Mitverantwortung an den Kriegsverbrechen auf dem Balkan übernommen. Seiner menschlichen Größe und Offiziersehre entspricht es allerdings, dass er sich aus freien Stücken der Verantwortung stellte und dafür entsprechend Titos bewährter kommunistischer Praxis, nach einem Schauprozess hingerichtet wurde.
Foto: austro-hungarian landforces
Löhr als Oberst des Österreichischen Bundesheeres
Alexander LöhrAlexander Löhr (Geb 20. Mai 1885 in Turnu-Severin, Rumänien; hingerichtet am 16. Februar 1947 in Belgrad) Diente als Leutnant in der Herzegowina.1913 Generalstabslaufbahn, 1914/1915 Bataillonskommandeur. 1916 erfolgte Löhrs Versetzung in die Luftwaffenabteilung des k.u.k. Generalstabs. Nach 1918 mit dem Aufbau einer österreichischen Luftverteidigung betraut, war er auch Organisator des Zivilluftschutzes.
Seine Erfolge brachten ihm schließlich den Rang eines Generalmajors und den Posten des Leiters im Luftverteidigungsministerium ein. Nach dem Anschluss Österreichs an das Deutsche Reich wurde Löhr in die Wehrmacht übernommen Im März 1939 erfolgte seine Beförderung zum General der Flieger und Oberbefehlshaber der neu aufgestellten Luftflotte 4. 1941 zum Generaloberst befördert, wurde er zum Befehlshaber Südost und Oberbefehlshaber der auf dem Balkan stationierten 12. Armee bestellt. Ab Januar 1943 Oberbefehlshaber Südost und der Heeresgruppe E.
Die Behauptung Löhr wäre von den Briten an Jugislawien ausgeliefert worden, ist nich gesichert. Löhr, der neben Russisch sämtliche Balkansprachen bis auf Griechische sprach, galt als besonders gebildeter, "ritterlicher" Offizier der alten österreichischen Schule. Tito soll sich Jahre später von dem Belgrader Urteil distanziert haben.
Edmund Glaise-Hostenau
Geb. am 27. 2. 1882 in Braunau (Oberösterreich), gest. 20. 7. 1946 im Lager Langwasser bei Nürnberg (Deutschland)
1903 als K.u.k. Offizier an der Theresianischen Militärakademie in Wiener Neustadt ausgemustert, 1910 im Generalstab, leitete 1915-18 das Pressereferat des Armee-Oberkommandos (Verfasser der Kriegsberichte)Ab 1919 im Kriegsarchiv, dessen Direktor er 1925 bis 38 war. 1934 Mitglied des Staatsrats, 1936-38 Minister ohne Portefeuille im Kabinett Schuschnigg. März 1938 Vizekanzler im Kabinett Seyß-Inquart, 1941-44 Generalbevollmächtigter des Groß deutschen Reiches in Kroatien. Im September 1944 auf Intervention des kroatischen Diktators Ante Pavelic abberufen, weil er die Gräuel der Ustascha anprangerte.
Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reichs von den Alliierten verhaftet, sollte er in den Nürnberger Prozessen als Zeuge aussagen. Da er befürchteten musste, an Jugoslawien ausgeliefert zu werden, beging er am 20. Juli 1946 Selbstmord.
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Glaise-Horstenau ließ er erst gar nicht so weit kommen. Seiner bevorstehenden Auslieferung an die zweifelhafte Gerichtsbarkeit der Jugoslawien zuvorkommend, verübte er im Internierungslager Langwasser bei Nürnberg Selbstmord. Was ihm vorzuwerfen war, - von seiner deutsch-nationalen Gesinnung, die gar nicht seinem Charakterbild entsprach abgesehen, - war sein Wissen um die Kriegsverbrechen des Ustascharegimes von Ante Pavelic.
Auch er besaß die nötige Zivilcourage, sich von Pavelic und den Verbrechen seiner Ustaschapartei zu distanzieren, was ihm aber wenig unter Titos Gewalt genützt haben dürfte.
Neben diesen prominenten Protagonisten waren es noch tausende weitere Österreicher, die in die Geschicke der Balkanregion verstrickt waren, wie etwa der kleine Oberleutnant der Wehrmacht Kurt Waldheim, der mittels einer großangelegten Intrige zum Kriegsverbrecher gestempelt werden sollte.
Heute wissen wir, dass die jahrzehntelang als Unschuldslamm dargestellte Deutsche Wehrmacht keineswegs mit sauberen Händen aus dem Partisanenkrieg am Balkan hervorgegangen ist, genau so wenig, wie Briten, Franzosen und Amerikaner, die jeder für sich einen derart schmutzige Krieg zu führen hatten.
Wir wissen auch, dass von den Tausenden Österreichern, die überwiegende Mehrzahl im Glauben war, ihrer Pflichterfüllung nachgekommen zu sein. Nicht zu vergessen auch jene Österreicher, die wegen ihrer familiären Wurzeln in der Region in Gewissenskonflikt gerieten. Einer solchen Familie entstammend, habe ich als Kind die Stimmung miterlebt, als unser Ort von Partisanen umzingelt, durch Einheiten der Deutschen Wehrmacht wieder freigekämpft wurde. Ich musste auch aus nächster Nähe miterleben, wie gefangene Partisanen abgeführt und hinter der Friedhofsmauer erschossen wurden.
Ich glaube daher, einem Stammtischgenossen das Richtige gesagt zu haben, als er mit seinen Kriegserlebnissen in Jugoslawien renommierte: "Deine Heldentaten in Ehren, aber vergiss nicht, dass der Verein, zu dem Du kommandiert warst, in dieser Gegend nichts verloren hatte."
Ähnliches gilt auch für die österreichische und deutsche Außenpolitik der beginnenden 90er-Jahre, die den Zerfall Jugoslawiens durch ihre vorschnelle Anerkennung nicht nur beschleunigt, sondern auch die ethnischen Säuberungen begünstigt hat. Das mag ein Fehler gewesen sein, schäbig aber war es sich an der Friedensmission von UNPROFOR wegen historischer Rücksichten nicht zu beteiligen.
Spätestens nach dem Beitritt zur Europäischen Union 1995 war Österreich gezwungen, diesen Fehler zu revidieren und seine historische Verantwortung für Bosnien-Herzegowina und die gesamte Balkanregion wieder wahrzunehmen.
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