Albanesi
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Interreligiöser Dialog auf dem Balkan
- Eine Konferenz in der albanischen Hauptstadt Tirana
Bonn, 15.12.2004, DW-RADIO / Albanisch, Adelheid Feilcke Tiemann
In Südosteuropa leben seit Jahrhunderten Katholiken, orthodoxe Christen und Muslime neben- und miteinander. Allerdings nicht immer friedlich, wie zuletzt Anfang der 90er Jahre die Balkan-Kriege im Zusammenhang mit dem Auseinanderbrechen des Vielvölkerstaates Jugoslawien gezeigt haben. Das unmittelbar benachbarte Albanien versteht sich als Modell für ein friedliches Zusammenleben der Religionen. Staatspräsident Alfred Moisiu hat deshalb die Initiative zu einem Religionsdialog ergriffen. Auf seine Einladung trafen in der vergangenen Woche Staatspräsidenten und hochrangige Religionsvertreter aus den Ländern des westlichen Balkans in Tirana zusammen, um über einen Dialog der Religionen den politischen Friedens- und Stabilisierungsprozess in der Region zu unterstützen. Einzelheiten von Adelheid Feilcke-Tiemann:
"Wir sind mit dem Wunsch zusammengekommen, uns für eine friedliche Zukunft einzusetzen, auf der Basis der gemeinsamen Werte. Mit diesem Ziel engagieren wir uns alle dafür, uns von den Zwistigkeiten der Vergangenheit zu befreien und diese zu überwinden, indem wir eine Kultur des Dialogs praktizieren - sowohl jeweils innerhalb der einzelnen Staaten, wie auch zwischen den Staaten. Der Frieden ist untrennbar mit diesem Dialog verbunden."
So der albanische Präsident Alfred Moisiu zum Abschluss einer zweitätigen Konferenz, zu der in Tirana Staatspräsidenten und hochrangige Religionsvertreter aus den Ländern des westlichen Balkans zusammengekommen waren. Moisiu betonte, die Botschaft des Friedens und der Liebe verbinde die großen Religionen - trotz aller Verschiedenheit in der jeweiligen Ausprägung. Terror im Namen der Religion - das könne nur auf Vorurteilen beruhen. Deshalb müsse der Dialog zwischen den Religionen verstärkt und institutionalisiert werden, so die Botschaft der Konferenz von Tirana.
Das allerdings ist nicht immer einfach. Besonders dort nicht, wo religiöse Überzeugungen mit Krieg und Ausgrenzung verbunden sind, wie etwa im faktisch immer noch weitgehend nach Bevölkerungsgruppen aufgeteilten Bosnien-Herzegowina. Katholische Kroaten, christlich-orthodoxe Serben und muslimisch geprägte Bosniaken hatten dort nach dem Zerfall Jugoslawiens jahrelang Krieg gegeneinander geführt. Heute betont der bosnische Mufti Mustafa Ceric:
"Für uns, die Völker Südosteuropas und des Balkans, ist der Dialog sehr wichtig. Der Balkan ist ein kleiner Raum, auf dem viele verschiedene Völker, Glaubensrichtungen und Kulturen zu finden sind. Im Dialog und friedlichen Zusammenleben besteht die erste Schwierigkeit darin, dass die Geschichte des Balkans oft mythologisiert wird. Die zweite Schwierigkeit besteht darin, dass die Geschichte für einige Leute eine Obsession ist. Sie versuchen, die Geschichte umzukehren, um den Mythos Realität werden zu lassen."
Mit anderen Worten: Kulturelle und religiöse Unterschiede werden missbraucht, um Konfliktlinien zu verschärfen oder überhaupt erst zu schaffen. Die Antwort auf diese Tendenzen müsse Freiheit und Toleranz sein, so Ceric, der rund zwei Millionen Muslime in Bosnien vertritt. Auf dem Balkan leben neben katholischen und orthodoxen Christen heute insgesamt rund 10 Millionen Muslime. Die größte islamisch geprägte Bevölkerungsgruppe findet sich unter den Albanern. Im Staat Albanien bilden sie die größte Gruppe, im Kosovo rund 80 Prozent der Bevölkerung. Im Gegensatz zu vielen anderen Völkern der Region wurde aber bei den Albanern niemals ein ausdrücklich identitätsstiftender Zusammenhang zwischen ethnischer Zugehörigkeit und Religion gezogen. Pater Artur Liolini, Vertreter der albanischen Christen in Boston, spricht von einer Tradition der gegenseitigen Toleranz, die auch in der Diaspora fortwirke:
"Wir haben eine Tradition der Zusammenarbeit zwischen den albanischen religiösen Gruppen auch in Amerika. Als etwa die orthodoxe albanische Gemeinde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet wurde, haben die Muslime uns dabei geholfen. Und als dann die Moschee in Detroit und der Bektashi-Orden gegründet wurden, da halfen umgekehrt die orthodoxen Christen. Später - in den 60 Jahren - kamen dann auch noch die katholischen Albaner aus dem Norden Albaniens hierher. Sie bekamen von beiden Seiten Unterstützung."
Artur Liolin sagt, gerade bestehende Unterschiede machten den interreligiösen Dialog wertvoll. Wo scheinbar widersprüchliche Auffassungen bestünden, könne man voneinander lernen - jedenfalls mehr als dort, wo sowieso schon alle gleichen Glaubens und gleicher Überzeugung seien. Insofern, so der orthodoxe Geistliche, könne Westeuropa in der jetzigen erhitzten Debatte über die Integration von muslimischen Einwanderern durchaus auch vom Balkan lernen.
Als gelebtes Beispiel für die friedliche und versöhnende Kraft der Religion wird in der gesamten Region Mutter Theresa verehrt. Der in Skopje geborenen christlichen Weltbürgerin mit albanischen Wurzeln wurde zeitgleich zur Konferenz auf dem zentralen Platz vor der Universität von Tirana ein Denkmal gesetzt: Steingewordenes Symbol der Nächstenliebe und Toleranz und Mahnung in einer Zeit, da im friedlichen Zusammenleben der Religionen vieles im Argen liegt. (fp)
- Eine Konferenz in der albanischen Hauptstadt Tirana
Bonn, 15.12.2004, DW-RADIO / Albanisch, Adelheid Feilcke Tiemann
In Südosteuropa leben seit Jahrhunderten Katholiken, orthodoxe Christen und Muslime neben- und miteinander. Allerdings nicht immer friedlich, wie zuletzt Anfang der 90er Jahre die Balkan-Kriege im Zusammenhang mit dem Auseinanderbrechen des Vielvölkerstaates Jugoslawien gezeigt haben. Das unmittelbar benachbarte Albanien versteht sich als Modell für ein friedliches Zusammenleben der Religionen. Staatspräsident Alfred Moisiu hat deshalb die Initiative zu einem Religionsdialog ergriffen. Auf seine Einladung trafen in der vergangenen Woche Staatspräsidenten und hochrangige Religionsvertreter aus den Ländern des westlichen Balkans in Tirana zusammen, um über einen Dialog der Religionen den politischen Friedens- und Stabilisierungsprozess in der Region zu unterstützen. Einzelheiten von Adelheid Feilcke-Tiemann:
"Wir sind mit dem Wunsch zusammengekommen, uns für eine friedliche Zukunft einzusetzen, auf der Basis der gemeinsamen Werte. Mit diesem Ziel engagieren wir uns alle dafür, uns von den Zwistigkeiten der Vergangenheit zu befreien und diese zu überwinden, indem wir eine Kultur des Dialogs praktizieren - sowohl jeweils innerhalb der einzelnen Staaten, wie auch zwischen den Staaten. Der Frieden ist untrennbar mit diesem Dialog verbunden."
So der albanische Präsident Alfred Moisiu zum Abschluss einer zweitätigen Konferenz, zu der in Tirana Staatspräsidenten und hochrangige Religionsvertreter aus den Ländern des westlichen Balkans zusammengekommen waren. Moisiu betonte, die Botschaft des Friedens und der Liebe verbinde die großen Religionen - trotz aller Verschiedenheit in der jeweiligen Ausprägung. Terror im Namen der Religion - das könne nur auf Vorurteilen beruhen. Deshalb müsse der Dialog zwischen den Religionen verstärkt und institutionalisiert werden, so die Botschaft der Konferenz von Tirana.
Das allerdings ist nicht immer einfach. Besonders dort nicht, wo religiöse Überzeugungen mit Krieg und Ausgrenzung verbunden sind, wie etwa im faktisch immer noch weitgehend nach Bevölkerungsgruppen aufgeteilten Bosnien-Herzegowina. Katholische Kroaten, christlich-orthodoxe Serben und muslimisch geprägte Bosniaken hatten dort nach dem Zerfall Jugoslawiens jahrelang Krieg gegeneinander geführt. Heute betont der bosnische Mufti Mustafa Ceric:
"Für uns, die Völker Südosteuropas und des Balkans, ist der Dialog sehr wichtig. Der Balkan ist ein kleiner Raum, auf dem viele verschiedene Völker, Glaubensrichtungen und Kulturen zu finden sind. Im Dialog und friedlichen Zusammenleben besteht die erste Schwierigkeit darin, dass die Geschichte des Balkans oft mythologisiert wird. Die zweite Schwierigkeit besteht darin, dass die Geschichte für einige Leute eine Obsession ist. Sie versuchen, die Geschichte umzukehren, um den Mythos Realität werden zu lassen."
Mit anderen Worten: Kulturelle und religiöse Unterschiede werden missbraucht, um Konfliktlinien zu verschärfen oder überhaupt erst zu schaffen. Die Antwort auf diese Tendenzen müsse Freiheit und Toleranz sein, so Ceric, der rund zwei Millionen Muslime in Bosnien vertritt. Auf dem Balkan leben neben katholischen und orthodoxen Christen heute insgesamt rund 10 Millionen Muslime. Die größte islamisch geprägte Bevölkerungsgruppe findet sich unter den Albanern. Im Staat Albanien bilden sie die größte Gruppe, im Kosovo rund 80 Prozent der Bevölkerung. Im Gegensatz zu vielen anderen Völkern der Region wurde aber bei den Albanern niemals ein ausdrücklich identitätsstiftender Zusammenhang zwischen ethnischer Zugehörigkeit und Religion gezogen. Pater Artur Liolini, Vertreter der albanischen Christen in Boston, spricht von einer Tradition der gegenseitigen Toleranz, die auch in der Diaspora fortwirke:
"Wir haben eine Tradition der Zusammenarbeit zwischen den albanischen religiösen Gruppen auch in Amerika. Als etwa die orthodoxe albanische Gemeinde zu Beginn des 20. Jahrhunderts gegründet wurde, haben die Muslime uns dabei geholfen. Und als dann die Moschee in Detroit und der Bektashi-Orden gegründet wurden, da halfen umgekehrt die orthodoxen Christen. Später - in den 60 Jahren - kamen dann auch noch die katholischen Albaner aus dem Norden Albaniens hierher. Sie bekamen von beiden Seiten Unterstützung."
Artur Liolin sagt, gerade bestehende Unterschiede machten den interreligiösen Dialog wertvoll. Wo scheinbar widersprüchliche Auffassungen bestünden, könne man voneinander lernen - jedenfalls mehr als dort, wo sowieso schon alle gleichen Glaubens und gleicher Überzeugung seien. Insofern, so der orthodoxe Geistliche, könne Westeuropa in der jetzigen erhitzten Debatte über die Integration von muslimischen Einwanderern durchaus auch vom Balkan lernen.
Als gelebtes Beispiel für die friedliche und versöhnende Kraft der Religion wird in der gesamten Region Mutter Theresa verehrt. Der in Skopje geborenen christlichen Weltbürgerin mit albanischen Wurzeln wurde zeitgleich zur Konferenz auf dem zentralen Platz vor der Universität von Tirana ein Denkmal gesetzt: Steingewordenes Symbol der Nächstenliebe und Toleranz und Mahnung in einer Zeit, da im friedlichen Zusammenleben der Religionen vieles im Argen liegt. (fp)