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Iran vs Turkey - ein grober Vergleich zweier relativ ähnlicher Kulturen

Toruko-jin

Gesperrt
Turkey
Hallo Allerseits,

in einem anderen Thread hatte mich mein Freund Tigerfisch, um eine nähere Erklärung genau zu diesem Thema gebeten.

Ich habe mich sehr lange mit dem Iran beschäftigt und als Türke bin ich über die sozioökonomischen wie politischen Rahmenbedingungen des Landes Türkei relativ gut im Bilde. Dieser Thread soll in erster Linie dazu dienen, beide Länder etwas besser kennen zu lernen.
 
AUf jeden Fall dürfte hier von dir mehr zu lernen sein als in Russlandthemen^^

Ich bin schon fasziniert von Land und Leuten und sehe beim Iran folgende positive Faktoren:
Ressourcenreichtum
eine junge, gebildete und wissenshungrige Bevölkerung
Das dürfte eine sehr gute Ausgangsbasis für positive wirtschaftliche Entwicklungen geben.

Diese junge Bevölkerung hat spätestens nach den Jahren der Sanktionen sicher auch großen Nachholbedarf bei Konsumgütern.

Die andere Seite ist eine scheinbar sehr stark kontrollierte, repressive Gesellschaft, die wirtschaftliches Entfaltungspotenzial, auch Ideen usw. vielleicht beschränken bis behindern könnte. Klingt vielleicht auch snobistisch, aber ich denke da u.a. auch an das Potenzial junger, gut ausgebildeter Frauen und den Möglichkeiten, die sie haben oder nutzen können.
 
So, fangen wir mit der Wirtschaft an...

die iranische Wirtschaft:

das Land verfügt über sehr wertvolle Ressourcen. Knapp 11% der weltweit bekannten Erdölreserven sowie 16% der weltweit bekannten Erdgasreserven beherbergt das Land innerhalb seiner Grenzen. Diese Einkünfte machen auch 80% der Staatseinnahmen aus. Hinzu kommen noch 45 MRD EURO aus den sogenannten Nichtöleinnahmen. :D

Der Export von Safran, Teppichen sowie Mandeln gehören zu den wichtigen Wirtschaftszweigen des Landes. Weil das Land seit der Belagerung der Botschaft 1979 von den USA und dem Westen sanktioniert wird, hat das Land große Schwierigkeiten, Investoren anzulocken. Jede Firma, die mehr als 40 Millionen Euro in den Iran investiert, kann keine Geschäfte in den USA machen.

Unter Sanktionen ist das Land gezwungen, vieles selbst zu produzieren. In der Automobilbranche wird zum Beispiel der Wagen "Khodro" hergestellt, der qualitativ zwar nicht reif für den Westen ist aber für den Eigenbedarf ausreicht. In Punkto Medizinherstellung ist der Iran der Türkei ebenfalls weit voraus. Die Türkei ist derzeit überhaupt nicht in der Lage Wirkstoffe selber zusammenzutragen und deshalb werden alle Medikamente aus dem Ausland bezogen. Diese Abhängigkeit ist zudem der Grund für das so hohe LBD der Türkei.

Ausgeglichener Haushalt: Wie man sicher weiß, hat die Türkei jedes Jahr mit einem LBD von 10% gemessen am BIP zu kämpfen. Diese Lücke wird mit Investitionen aus dem Ausland gedeckt, was zu großen Abhängigkeiten führt. Der Iran einen relativ ausgeglichenen Haushalt und kann es sich sogar leisten Nahrungsmittelimporteur zu sein. Das Wasser wird im Iran als zu kostbar eingestuft, um es für die Nahrungsmittelherstellung zu "verschwenden".

Humankapital: der Iran ist im HDI-Index weitaus besser platziert als die Türkei. Grund dafür ist der schlechte Zugang zur Bildung im Südosten der Türkei, wohingegen der Iran allen Bürgern eine relativ gute Ausbildung ermöglicht. Den Unterschied macht m.E. der Wert der Bildung im Iran und die Tradition für Forschung und Entwicklung.

Später mache ich weiter keine Lust mehr :D

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Siehst du die Türken kulturell eher persich, arabisch oder griechisch/byzantinisch?

Eine sehr schwierige Frage, die man nicht eindeutig beantworten kann. Der Westen ist eher griechisch/byzantinisch geprägt, wohingegen der Osten eher arabisch/persisch geprägt ist, wobei sich die Kulturen auch gegenseitig massivst beeinflusst haben, damit meine ich auch den Einfluss der Türken in der Region.
 
Eine sehr schwierige Frage, die man nicht eindeutig beantworten kann. Der Westen ist eher griechisch/byzantinisch geprägt, wohingegen der Osten eher arabisch/persisch geprägt ist, wobei sich die Kulturen auch gegenseitig massivst beeinflusst haben, damit meine ich auch den Einfluss der Türken in der Region.

Ich finde wirklich interessant wäre es mal das wirklich anatolische da rausfiltern zu können. Denn die Anatolier gehören zu den
größeren Völkern, die sich bereits zur Zeit des alten Orients zu anderen kulturen haben assimilieren lassen.
Die heutigen Türken sind im Grunde grob betrachtet ethnische Anatolier.

Wäre mal ein interessantes Thema für einen Thread.
 
Braindrain-/gain und Diaspora: die jährlichen Sanktionen und die Ausübung der islamischen Rechtssprechung zwingen jährlich gut ausgebildete Kräfte den Iran zu verlassen. Jeder, der es iwie hinbekommt, verlässt das Land.

Die Türkei hingegen bezieht aus der winzigen türkischen Bildungselite, die es in Europa gibt, sehr viel Humankapital. Der Grund ist oftmals fehlendes Heimatgefühl, Vorurteile und gute Aufstiegschancen in der Türkei.

Das lässt folgenden Schluss bezüglich der Diaspora zu. Jeder vierte Iraner, der in Europa oder in den USA lebt, verfügt über einen Univeritätsabschluss, wohingegen die türkische Diaspora in Europa aus der bildungsfernen Unter - bzw. Mittelschicht kommt.

Die Gründe für diese Zustände müsste man noch näher erörtern aber das ist nicht Sinn des Threads.

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Ich finde wirklich interessant wäre es mal das wirklich anatolische da rausfiltern zu können. Denn die Anatolier gehören zu den
größeren Völkern, die sich bereits zur Zeit des alten Orients zu anderen kulturen haben assimilieren lassen.
Die heutigen Türken sind im Grunde grob betrachtet ethnische Anatolier.

Wäre mal ein interessantes Thema für einen Thread.


Tu' dir keinen Zwang an^^
 
Ausübung der islamischen Rechtssprechung

Den Persern fehlt der Atatürk, der das Land hätte verwestlichen müssen. Ich denke, da hat
der Iran einen Schritt nicht hingekriegt, den die Türkei jedoch geschafft hat.
Oder wie siehst du das?

Muss gerade kopfschüttelnt an Griechenland denken. Bei uns gibt es weder Sanktionen noch
religiöse Regime. Nein, bei uns will man schlicht und einfach keine Fachkräfte haben. :lol:
Trotz EU, Euro und Co. diskutieren wir über die bösen Europäer und die Drachme. :facepalm:

Tu' dir keinen Zwang an^^

Demnächst, da möchte ich aber vollen Einsatz von dir sehen. ^^
 
Korruption und Inflation: Das sind die Knackpunkte der iranischen Wirtschaft. Das Land ist im höchsten Maße korrupt. Der Korruptionswahrnehmungsindex platziert den Iran an 144 Stelle von insgesamt 174 Ländern. Die Türkei rangiert auf Platz 53.

Die Türkei hat es in den letzten 12 Jahren geschafft, die Inflation in den Griff zu kriegen. Inzwischen beträgt die Inflation nur 7-9% p.a, was ganz ordentlich ist.

Im Iran gibt es eine unkontrollierte Inflation, die aufgrund der Güterknappheit zwangsläufig zu Tage tritt.

Das sind aber Probleme, die der Iran sehr leicht ausweichen könnte. Man muss auch bedenken, dass das Land ein Konkurrent aus türkischer Sicht ist.

M.E. ist der Iran das weitaus interessantere Land für Investoren und muss sich beim Vergleich mit der Türkei keinesfalls verstecken.

Nur bei den Punkten Menschenrechte und Korruption müsste das Land noch einen weiten weg gehen.

Eine ordentliche Führung würde a.) sehr viel know how aus Europa in den Iran tragen und b) sehr viel Investitionen aus der Welt ziehen, zum Leidtragen der Türkei.

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Den Persern fehlt der Atatürk, der das Land hätte verwestlichen müssen. Ich denke, da hat
der Iran einen Schritt nicht hingekriegt, den die Türkei jedoch geschafft hat.
Oder wie siehst du das?

Ja, sehe ich genauso, wobei man sagen muss, dass der Schah, der sich 1921 selbst gekrönt hat, im Jahre 1936 40 Tage in der Türkei verweilt ist, um den Wandel in der Türkei mitzuerleben. Er hat sich vieles abgeschaut. ^^

Der Unterschied war aber, dass Atatürk sich viel undemokratisches leisten konnte, weil er sich als Gründer des Landes sehr viel Kredit beim Volk erarbeitet hat. Man ist ihm blind gefolgt. Im Iran gab es auch sehr viele Fremdkörper, die das Land destabilisiert haben, allen voran die Bolscheviken und die Briten.

Sie haben den Schah auch 1942 abgesetzt und die Reichtümer des Landes ausgesaugt. Die Befreiung kam erst 1951 mit Mohammed Mossadegh, der die British Iranian Oil Company verstaatlichte.

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Das war jetzt alles ein wenig ohne Struktur aber zu meiner Verteidigung muss ich sagen, dass ich ein Ingenieur bin und kein großer Schreiber. Vielseitig interessiert bin ich aber dennoch ^^

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Der iranische Gesellschaft - und das ist mein letzter Punkt für heute - ist leider sehr krank. Die Scharia fordert sehr viel von der Jugend und Drogenkonsum ist alltag. Die Regierung sieht m.E. keine andere Möglichkeit die iranische Jugend zu bändigen. 10% der Bevölkerung ist im höchsten Maße drogenabhängig.
 
Den Persern fehlt der Atatürk, der das Land hätte verwestlichen müssen. Ich denke, da hat
der Iran einen Schritt nicht hingekriegt, den die Türkei jedoch geschafft hat.
Oder wie siehst du das?

Muss gerade kopfschüttelnt an Griechenland denken. Bei uns gibt es weder Sanktionen noch
religiöse Regime. Nein, bei uns will man schlicht und einfach keine Fachkräfte haben. :lol:
Trotz EU, Euro und Co. diskutieren wir über die bösen Europäer und die Drachme. :facepalm:



Demnächst, da möchte ich aber vollen Einsatz von dir sehen. ^^

Dazu möchte ich doch noch etwas schreiben.
Zum ersten denke ich, jedes Land und jede Gesellschaft sollte selbst seinen Weg gehen. Die Grundtendenz im Westen ist nach über 300 Jahren absoluter westlicher Dominanz die Annahme, so überlegen, unfehlbar, "alternativlos" zu sein. Es gibt vieles, was man sich abgucken kann und sollte, aber jedes Land außerhalb dieses Kulturkreises muss und soll seinen eigenen Weg finden.

Es hat einen Mossadegh gegeben. Einen demokratisch gewählten Premier, wohl den Amerikanern sogar nahe stehend. Ein Politiker, der sicher dazu hätte beitragen können, eine funktionierende parlamentarische Demokratie zu etablieren, auch unabhängige Justiz usw. Der Sturz von Mossadegh wurde initiiert von den Briten, dann von den Amis, nachdem sie die Federführung übernommen hatte, weil es um die Neuverteilung der Einkünfte aus den Erdöleinnahmen ging, quasi Verstaatlichung. Stichworte AIOK, später BP, die Raffinerie in Abidan. Was v.a. den Briten die Pfründe an der Ausbeutung iranischer Ressourcen zumindest teils hatte nehmen sollen. Der dann wieder installierte Reza Chan hatte dann v.a. sehr als amerikanische Marionette gehandelt v.a. unter Ausschaltung linker oder linksliberaler Bewegungen. Da war per se kein "Pluralismus" zu erwarten.
Ich denke mal, der Sturz Mossadeghs war tatsächlich sowas wie ein britisch-amerikanischer "Sündenfall", ohne den es auch keine islamische Revolution mit all den bekannten Folgen bis heute gegeben hätte.
 
GINI-Koeffizient: das BIP der beiden Länder nach Kaufkraftparität ist in etwa gleich groß. Die Türkei hat die Nase leicht vorne. Die Verteilung des Reichtums ist im Iran aber wesentlich gerechter.

Wenn ich mir ein vorzeitiges Urteil erlauben darf: Ohne Sanktionen hätte die Türkei im direkten Vergleich mit dem Iran sehr schlecht abgeschnitten.

Dem Iran ist aber auch immer schwer gefallen Potentiale auszuschöpfen. Wir haben die Nase vorn. ^^

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Dazu möchte ich doch noch etwas schreiben.
Zum ersten denke ich, jedes Land und jede Gesellschaft sollte selbst seinen Weg gehen. Die Grundtendenz im Westen ist nach über 300 Jahren absoluter westlicher Dominanz die Annahme, so überlegen, unfehlbar, "alternativlos" zu sein. Es gibt vieles, was man sich abgucken kann und sollte, aber jedes Land außerhalb dieses Kulturkreises muss und soll seinen eigenen Weg finden.

Es hat einen Mossadegh gegeben. Einen demokratisch gewählten Premier, wohl den Amerikanern sogar nahe stehend. Ein Politiker, der sicher dazu hätte beitragen können, eine funktionierende parlamentarische Demokratie zu etablieren, auch unabhängige Justiz usw. Der Sturz von Mossadegh wurde initiiert von den Briten, dann von den Amis, nachdem sie die Federführung übernommen hatte, weil es um die Neuverteilung der Einkünfte aus den Erdöleinnahmen ging, quasi Verstaatlichung. Stichworte AIOK, später BP, die Raffinerie in Abidan. Was v.a. den Briten die Pfründe an der Ausbeutung iranischer Ressourcen zumindest teils hatte nehmen sollen. Der dann wieder installierte Reza Chan hatte dann v.a. sehr als amerikanische Marionette gehandelt v.a. unter Ausschaltung linker oder linksliberaler Bewegungen. Da war per se kein "Pluralismus" zu erwarten.
Ich denke mal, der Sturz Mossadeghs war tatsächlich sowas wie ein britisch-amerikanischer "Sündenfall", ohne den es auch keine islamische Revolution mit all den bekannten Folgen bis heute gegeben hätte.

So ist es. ^^

Weil er sich später mit den Tudehis zusammengetan hat, die aus Moskau kontrolliert wurden, hat ihn Großajatollah und Marja-e Taqlid Kachani fallen lassen. Das war sein größter Fehler.
 
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