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KALTE FUSION

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Kalte Fusion bezeichnet Verfahren, die eine kontrollierte Kernfusion herbeiführen, ohne die hohen Temperaturen von plasmabasierten Fusionsreaktoren einzusetzen.
Einige der ersten Überlegungen dazu stellten Ende der vierziger Jahre F. C. Frank und Andrej D. Sacharow an, die aufgrund theoretischer Überlegungen postulierten, dass Myonen Kernfusionen auslösen könnten. Luis W. Alvarez, der 1968 mit dem Nobelpreis für Physik ausgezeichnet worden ist, entdeckte zehn Jahre später auf Filmen von einer Nebelkammer ungewöhnliche Spuren. Zusammen mit Edward Teller kam Alvarez zum Schluss, dass Myonen eine Kernfusion ausgelöst hätten. Spätere Rechnungen bestätigten dies, zeigten aber auch, dass die frei werdende Energie beim Zerfall nicht ausreichte, um weitere Kernfusionen zu ermöglichen.
Während die meisten Wissenschaftler aufgrund theoretischer Überlegungen heute davon ausgehen, dass eine Kalte Fusion mit Energiegewinnung nicht möglich ist und sich mit der heißen Kernfusion beschäftigen, gab es 1989 große Medienaufmerksamkeit, als die Forscher Martin Fleischmann und Stanley Pons behaupteten, eine solche auf elektrochemischem Weg praktisch durchgeführt zu haben
 

Momentan noch einzige Fusionsreaktion mit Energiegewinn: Wasserstoffbombe (Bild von guano)
Kalte Fusion ist in der physikalischen Welt ein heikles Thema, theoretische Beschreibungen und experimentelle Befunde sagen ihre Existenz zwar voraus, dummerweise aber immer mit negativer Energiebilanz: Man benötigt stets mehr Energie, als man durch die Reaktion gewinnt.
Aber nur, weil man momentan keinen Weg weiß, wie man eine Kernfusion bei Raumtemperatur hinkriegen kann, heißt das ja noch nicht, dass man es nicht doch versuchen kann. Denn die Kalte Fusion hat enorme Vorteile gegenüber der “normalen” heißen Fusion. Die benutzt nämlich zum Überwinden der starken Abstoßung zwischen Atomkernen - die nun aber zusammengeführt werden müssen, damit sie Fusionieren können - extrem hohe Temperaturen und Drücke. Ohne diese Rahmenbedingungen können die in Frage kommenden Fusionspartner nicht nah genug aneinander gebracht werden und es müssen Alternativen gesucht werden.

Hier setzt die Kalte Fusion an, ein halbwegs funktionierendes Konzept dafür wäre eine Myonen-katalysierte Fusion. Dabei nimmt das Myon, welches ein Schwesterteilchen des Elektrons ist und dementsprechend ähnliche Eigenschaften besitzt, den Platz eines Elektrons vom Atom ein. Häufig nutzt man dafür Deuterium oder Tritium1. Durch die höhere Myonenmasse sitzt es näher am Kern und somit können auch die Fusionspartner näher aneinanderrücken. Nun reicht Raumtemperatur aus, um die Fusion anzuregen, bei der das Myon fast immer wieder frei kommt.
Dummerweise ist das fast auch das Problem. Ginge man alleine von der Lebensdauer des Myons aus, könnte es rund 2000 Fusionsvorgänge anregen, da es aber zu 0,6% am produzierten Heliumkern kleben bleibt, kommt man auf etwa 167 Fusionen. Die reichen aber nicht aus, um die Energiemenge zurückzugewinnen, die man für die Produktion des Myons aufwenden musste.


Prinzip der elektro- chemischen Fusion [Wikipedia]
OK, die Fusion mit Myonen können wir also abhaken, aber es muss ja nicht dieser Ansatz sein. Einen anderen verfolgten Fleischmann und Pons mit der Elektrochemischen Fusion in Palladium und einem dazugehörigen Experiment 1989. Bei diesem wurde nach der Elektrolyse2 mit Palladium-Elektroden von schwerem Wasser sowohl Helium als auch eine nicht zu erklärende Wärmequelle gefunden, deren nahe liegende Erklärung die Kalte Fusion wäre. Aber auch hier hat man sich leider zu früh gefreut, sowohl die beiden Wissenschaftler wie auch alle anderen Gruppen, die versuchten, das Experiment mit größtem Aufwand zu wiederholen und präzisere Messmethoden anzuwenden, scheiterten.
Weil aber zunächst ein riesen Buhei von allerlei Medien um die grandiose Entdeckung gemacht wurde, hinterher aber zugegeben werden musste, dass es sich doch nicht um den erhofften Durchbruch in der Energietechnik handelte, ist man allgemein sehr vorsichtig geworden, wenn es heißt, jemand habe ein funktionierendes Konzept für eine Kalte Fusion gefunden. Außerdem haben sich viele Wissenschaftler aus diesem Forschungsgebiet zurückgezogen, weil es von vielen als schlicht nicht erfolgsversprechend angesehen wird.
Aber Meldungen aus dem Mai diesen Jahres geben Anlass zum erneuten, naja, zumindest Ohrenspitzen. Demnzufolge hat ein japanischer, emeritierter Professor an der Osaka Universität mit seinem Forscherteam eine Apperatur aufgebaut, in der angeblich Kernfusion stattfinden soll. Dazu hielt Professor Yoshiaki Arata zunächst eine Vorlesung, in der er den Aufbau und Vorgang erklärte um dann anschließend mit seiner Kollegin Yue-Chang Zhang eine Demonstration vor anderen Wissenschaftlern und Journalisten vorzuführen.

Bei dem Experiment wurde in einen Stahlbehälter, der eine kleine Probe (7-18 g) von gelöstem Palladium in Zirkondioxid (ZrO2–Pd) enthält, Gas gegeben. Eine Vorrichtung am Behälter sorgt dafür, Wasserstoff oder Deuterium in das Gefäß einzuführen. Zusätzlich sind im Stahlbehälter, an der Außenwand sowie im Raum Temperatursensoren angebracht.
Befüllt man nun das Gefäß zunächst mit Wasserstoff, fängt die Temperatur anfangs aufgrund einer chemischen Reaktion an zu steigen, fällt aber recht bald wieder ab. Der Temperaturunterschied zwischen Außenwand und innerhalb des Behälters gleicht sich nach dieser Reaktion sehr schnell an und sie sinken gen Raumtemperatur (siehe 1. Grafik).
Wiederholt man das gleiche mit Deuterium, so findet zwar immer noch eine chemische Reaktion während des Befüllens statt, aber nach dieser Reaktion fallen Innen- und Wandtemperatur nicht auf den gleichen Wert sondern es bildet sich eine kleine Temperaturlücke (siehe 2. Grafik) von etwa 0,5 °C, die auch nach vielen Minuten noch deutlich zu erkennen ist (3. Grafik).

(v.l.n.r.) Injektion von Wasserstoff, Injektion von Deuterium und Vergleich der Injektionen nach langen Zeiten.

Und warum erzähle ich jetzt den ganzen Kladderadatsch? Weil dieser Temperaturunterschied auf eine Wärmequelle im Inneren hindeutet und laut Arata auf eine Kernfusion zurückzuführen ist. Demnach katalysiert das ZrO2–Pd irgendwie die Fusionsreaktion (ähnlich wie bei dem Myon weiter oben), so dass 2D + 2D –> 4He + Energie umgesetzt wird. Dem wohl einfachsten Nachweis, nämlich dem der Analyse der vorher und nachher vorhandenen Stoffe kommt er, wenn ich das richtig verstanden habe, auch nach. Ein Massenspektrometer findet demnach nach Deuteriumeinspeisung das Fusionsprodukt Helium im Stahlbehälter, nicht aber bei Wasserstoff [Bild].
Bevor gleich einer anfängt zu meckern, was man denn mit einem so mickrigen Temperaturunterschied (und laut Auswertung von Arata etwa 1 W) anfangen soll: Es handelt sich hier um einen winzigen Versuchsreaktor mit wenigen Gramm “Katalysator” und allgemein sehr kleinen Maßen, der lediglich das Konzept vorstellen soll. Wenn es reproduzierbar ist, kann das ganze natürlich in wesentlich größerem Maßstab und wesentlich effektiver ausgelegt werden.
Zu dem Experiment gibt es noch drei Videos, die ich hier der Vollständigkeit halber erwähnen will, aber ziemlich crappy sind (ich habe nur kurz reingeschaut). 1. Die einleitende Vorlesung, 2. die live-Demonstration und 3. die anschließende Fragerunde.
Ob das ganze nun nur eine einmalig mögliche Demonstration (z.B. aufgrund von Fehlern im Experimentaufbau) ist, oder ob andere Forschergruppen die angebliche Wärmequelle ebenfalls finden können gilt es nun herauszufinden. Sollte auch weiterhin eine deutliche Überschusswärme produziert werden und das eindeutig einer Fusionsreaktion zuzuordnen sein, steht uns eventuell eine bisher schwierige neue Energiequelle - die Fusion - unter relativ einfach zu handhabbaren Bedingungen zur Verfügung
 
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