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VaLeNtInA
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Hab was intressantes entdeckt.
Das -Kryptochristentum- in Kosova
Sonntag, 27. Mai 2007 Der serbische Nationalismus behauptet, dass die Albaner "nur Moslems" seien und das Christentum speziell in seiner orthodoxen Gestalt, eine exklusiv serbische Angelegenheit ist. Diese nationalistische Position findet im Ahtisaari Plan ihren Niederschlag. Rund 9% Kosovas werden unter dem Begriff „ Sonderzonen“ dem serbischem Klerus unterstellt. Dies stellt einen ungeheuerlichen Kunst und Kulturraub dar. Die Religion und die dazugehörigen Bauwerke sind keine nationale serbische Sache. Es gibt und gab auch viele albanische Christen. Sogar Menschen mit doppeltem Glauben die sogenannten Kryptochristen. Dazu dokumentieren wir in Auszügen einen Artikel aus der Zeitung „Tagblatt“ vom 26. Mai. Der Artikel beschäftigt sich speziell mit dieser Frage und mit der Arbeit des in der Schweiz lebenden albanischen Theologen und Philosophen Albert Ramaj.
Dokumentation
Verborgene Christen
Christ und Moslem zugleich: Die Doppelexistenz der «Kryptochristen» in Kosovo
Daniel Klingenberg
Als Überlebensstrategie greifen kosovo-albanische Christen zu einem doppelten Bekenntnis. Sie besuchen die Moschee und taufen ihre Kinder auf den christlichen Gott. Mit der politischen Öffnung wagen sie sich an die Öffentlichkeit.
Innen Christen, aussen Moslems: Seit Jahrhunderten gibt es in Kosovo ganze Familien, die im Verborgenen christliche Rituale pflegen, sich aber öffentlich zum Islam bekennen. In der Fachwelt wird das Phänomen als «Kryptochristentum» bezeichnet, was so viel wie «verborgenes Christentum» bedeutet. Es gibt nicht viele Theologen, welche sich der Erforschung der Mitglieder dieser «innerseelischen Untergrundkirche» widmen: Die Literatur ist spärlich. Einer von ihnen ist Albert Ramaj, der in St. Gallen ein Albanisches Institut gegründet hat und sich auf die Erforschung des Christentums im Balkan spezialisiert hat.
Mit Tod bedroht
Dass Kryptochristen kein gängiges Forschungsthema sind, hängt damit zusammen, dass sie nicht ganz einfach ausfindig zu machen sind. Im Albanischen werden sie als «Laramanen» bezeichnet, was auf Deutsch «die Bunten» oder «die Gescheckten» bedeutet: ein farbliches Religions-Patchwork.
Die «Zweigläubigkeit» der Kryptochristen geht auf die sowohl militärisch als auch religiös erfolgreiche islamische Offensive der Osmanen im 14. Jahrhundert zurück. Der Islam breitete sich rasch aus, was vor allem ökonomische Gründe hatte. Das hatte auch Konsequenzen für die Christen in Albanien: Übertritt zum Islam war gleichbedeutend mit Aufstieg in die politische Oberschicht. Die nichtislamische Unterschicht hingegen hatte wenig Rechte und musste eine hohe Kopfsteuer bezahlen.
Pragmatische Konversion
Viele Christen griffen deshalb zu einer Überlebensstrategie: Sie traten äusserlich zum Islam über, nahmen einen türkischen Namen an und besuchten regelmässig die Moschee. Dieser Lösung kam entgegen, dass nur das Familienoberhaupt konvertieren musste, um der Kopfsteuer zu entgehen. Innerhalb der Familie hielt man aber am Christentum fest: Man besuchte weiter den christlichen Gottesdienst, Priester trauten Paare, und die christlichen Festtage wurden begangen. In einer Gemeinde im Süden von Kosovo wurden gar spezielle «Taufbücher» gefunden: Darin sind über 3000 auf den christlichen Gott getaufte Moslems eingetragen.
Das erste schriftliche Zeugnis für das Kryptochristentum belegt diese mit einem Verbot: Das albanische Nationalkonzil beschloss 1703, die «Gescheckten» von den Sakramenten auszuschliessen. Papst Benedikt XIV. bestätigte 1754 diese Entscheidung und verbot ihnen auch, türkische Namen anzunehmen. In Albanien zeigte man sich verständnisvoller: Den Kryptochristen wurde «nur» auferlegt, sich im Kontakt mit Ämtern als Katholiken zu bekennen. Auch wenn sie dadurch in Todesgefahr kamen.
Verkleidungskünste
Die Geheimhaltung des Glaubens erforderte oft Verkleidungskünste. So berichtet Ramaj von einem Fall Anfang des 20. Jahrhunderts, in dem sich ein Priester für einen Hausbesuch bei Lamaranen als Jäger ausgab: «Er nahm ein Gewehr, einen Rucksack – und manchmal einen toten Vogel mit.»
In Fachartikeln hat Albert Ramaj eine Summe von Material zum Kryptochristentum zusammengetragen. Da er in Kosovo aufgewachsen ist, wo die Bevölkerung zu 90 Prozent aus Albanern besteht, steht er in direktem Kontakt mit «Gescheckten». Rund 20 000 Kryptochristen, so schätzt er, leben in der Nähe seines Heimatortes Stublla auf einer Fläche von der Grösse des Kantons St. Gallen. In Interviews hat Ramaj die Lebenssituation von Kryptochristen erhoben und plant eine Buchherausgabe.
Friedliches Nebeneinander
Neben Zeugnissen über Folter und Gefangenschaft von Kryptochristen gibt es auch Belege über ein friedliches Nebeneinander von Moslems und Christen. So berichtet Ramaj vom gemeinsam vollzogenen Brauch der Flursegnung: «Im Sommer lesen Christen und Moslems nach alter Sitte auf den Friedhöfen die Messe und begehen danach gemeinsam den Brauch, die Felder zu segnen.» Und je nachdem tanzen Kryptochristen auch auf beiden Religions-Hochzeiten: Mit den Moslems feiern sie das Opferfest Bayram, mit den Christen Ostern.
PERSON
Der 35-jährige Albert Ramaj stammt aus Stublla im Süden von Kosovo. Er hat in der Vojvodina die Mittelschule besucht und in Graz und Luzern Theologie und Philosophie studiert. Seit 2001 lebt er in St. Gallen und hat hier das Albanische Institut gegründet. Er ist Mitherausgeber des Buches «Die Albaner in der Republik Makedonien», aus der Reihe «Wiener Osteuropa Studien». Wissenschafter, Politiker und Schriftsteller äussern sich darin zur Koexistenz von Albanern und Makedoniern. Zudem publiziert Ramaj in der Zeitschrift «Glaube in der zweiten Welt», die über Religion und Kirche im ehemaligen Osten Europas informiert. (kl)
Tagblatt, 26 Mai 2007, S. 27, online:e
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Das -Kryptochristentum- in Kosova
Sonntag, 27. Mai 2007 Der serbische Nationalismus behauptet, dass die Albaner "nur Moslems" seien und das Christentum speziell in seiner orthodoxen Gestalt, eine exklusiv serbische Angelegenheit ist. Diese nationalistische Position findet im Ahtisaari Plan ihren Niederschlag. Rund 9% Kosovas werden unter dem Begriff „ Sonderzonen“ dem serbischem Klerus unterstellt. Dies stellt einen ungeheuerlichen Kunst und Kulturraub dar. Die Religion und die dazugehörigen Bauwerke sind keine nationale serbische Sache. Es gibt und gab auch viele albanische Christen. Sogar Menschen mit doppeltem Glauben die sogenannten Kryptochristen. Dazu dokumentieren wir in Auszügen einen Artikel aus der Zeitung „Tagblatt“ vom 26. Mai. Der Artikel beschäftigt sich speziell mit dieser Frage und mit der Arbeit des in der Schweiz lebenden albanischen Theologen und Philosophen Albert Ramaj.
Dokumentation
Verborgene Christen
Christ und Moslem zugleich: Die Doppelexistenz der «Kryptochristen» in Kosovo
Daniel Klingenberg
Als Überlebensstrategie greifen kosovo-albanische Christen zu einem doppelten Bekenntnis. Sie besuchen die Moschee und taufen ihre Kinder auf den christlichen Gott. Mit der politischen Öffnung wagen sie sich an die Öffentlichkeit.
Innen Christen, aussen Moslems: Seit Jahrhunderten gibt es in Kosovo ganze Familien, die im Verborgenen christliche Rituale pflegen, sich aber öffentlich zum Islam bekennen. In der Fachwelt wird das Phänomen als «Kryptochristentum» bezeichnet, was so viel wie «verborgenes Christentum» bedeutet. Es gibt nicht viele Theologen, welche sich der Erforschung der Mitglieder dieser «innerseelischen Untergrundkirche» widmen: Die Literatur ist spärlich. Einer von ihnen ist Albert Ramaj, der in St. Gallen ein Albanisches Institut gegründet hat und sich auf die Erforschung des Christentums im Balkan spezialisiert hat.
Mit Tod bedroht
Dass Kryptochristen kein gängiges Forschungsthema sind, hängt damit zusammen, dass sie nicht ganz einfach ausfindig zu machen sind. Im Albanischen werden sie als «Laramanen» bezeichnet, was auf Deutsch «die Bunten» oder «die Gescheckten» bedeutet: ein farbliches Religions-Patchwork.
Die «Zweigläubigkeit» der Kryptochristen geht auf die sowohl militärisch als auch religiös erfolgreiche islamische Offensive der Osmanen im 14. Jahrhundert zurück. Der Islam breitete sich rasch aus, was vor allem ökonomische Gründe hatte. Das hatte auch Konsequenzen für die Christen in Albanien: Übertritt zum Islam war gleichbedeutend mit Aufstieg in die politische Oberschicht. Die nichtislamische Unterschicht hingegen hatte wenig Rechte und musste eine hohe Kopfsteuer bezahlen.
Pragmatische Konversion
Viele Christen griffen deshalb zu einer Überlebensstrategie: Sie traten äusserlich zum Islam über, nahmen einen türkischen Namen an und besuchten regelmässig die Moschee. Dieser Lösung kam entgegen, dass nur das Familienoberhaupt konvertieren musste, um der Kopfsteuer zu entgehen. Innerhalb der Familie hielt man aber am Christentum fest: Man besuchte weiter den christlichen Gottesdienst, Priester trauten Paare, und die christlichen Festtage wurden begangen. In einer Gemeinde im Süden von Kosovo wurden gar spezielle «Taufbücher» gefunden: Darin sind über 3000 auf den christlichen Gott getaufte Moslems eingetragen.
Das erste schriftliche Zeugnis für das Kryptochristentum belegt diese mit einem Verbot: Das albanische Nationalkonzil beschloss 1703, die «Gescheckten» von den Sakramenten auszuschliessen. Papst Benedikt XIV. bestätigte 1754 diese Entscheidung und verbot ihnen auch, türkische Namen anzunehmen. In Albanien zeigte man sich verständnisvoller: Den Kryptochristen wurde «nur» auferlegt, sich im Kontakt mit Ämtern als Katholiken zu bekennen. Auch wenn sie dadurch in Todesgefahr kamen.
Verkleidungskünste
Die Geheimhaltung des Glaubens erforderte oft Verkleidungskünste. So berichtet Ramaj von einem Fall Anfang des 20. Jahrhunderts, in dem sich ein Priester für einen Hausbesuch bei Lamaranen als Jäger ausgab: «Er nahm ein Gewehr, einen Rucksack – und manchmal einen toten Vogel mit.»
In Fachartikeln hat Albert Ramaj eine Summe von Material zum Kryptochristentum zusammengetragen. Da er in Kosovo aufgewachsen ist, wo die Bevölkerung zu 90 Prozent aus Albanern besteht, steht er in direktem Kontakt mit «Gescheckten». Rund 20 000 Kryptochristen, so schätzt er, leben in der Nähe seines Heimatortes Stublla auf einer Fläche von der Grösse des Kantons St. Gallen. In Interviews hat Ramaj die Lebenssituation von Kryptochristen erhoben und plant eine Buchherausgabe.
Friedliches Nebeneinander
Neben Zeugnissen über Folter und Gefangenschaft von Kryptochristen gibt es auch Belege über ein friedliches Nebeneinander von Moslems und Christen. So berichtet Ramaj vom gemeinsam vollzogenen Brauch der Flursegnung: «Im Sommer lesen Christen und Moslems nach alter Sitte auf den Friedhöfen die Messe und begehen danach gemeinsam den Brauch, die Felder zu segnen.» Und je nachdem tanzen Kryptochristen auch auf beiden Religions-Hochzeiten: Mit den Moslems feiern sie das Opferfest Bayram, mit den Christen Ostern.
PERSON
Der 35-jährige Albert Ramaj stammt aus Stublla im Süden von Kosovo. Er hat in der Vojvodina die Mittelschule besucht und in Graz und Luzern Theologie und Philosophie studiert. Seit 2001 lebt er in St. Gallen und hat hier das Albanische Institut gegründet. Er ist Mitherausgeber des Buches «Die Albaner in der Republik Makedonien», aus der Reihe «Wiener Osteuropa Studien». Wissenschafter, Politiker und Schriftsteller äussern sich darin zur Koexistenz von Albanern und Makedoniern. Zudem publiziert Ramaj in der Zeitschrift «Glaube in der zweiten Welt», die über Religion und Kirche im ehemaligen Osten Europas informiert. (kl)
Tagblatt, 26 Mai 2007, S. 27, online:e
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