danijel.danilovic
Danijel.Danilovic
Langeweile, Hass und Schweigen
Dort sollte die Leiche verschwinden: die einen Quadratmeter große Grube im Hinterhof | Foto: DPA Das Loch, in dem die Leiche verschwinden sollte, lässt an Schweiß denken, an unterdrückte Flüche und eine funkenschlagende Spitzhacke. Daneben liegt, sorgsam aufgeschichtet, immer noch der Aushub, der kaum Erde enthält, nur Bauschutt und graue Findlinge. In diesem düsteren Innenhof, der von schmutzigen Hausfronten aus der Nachkriegszeit eingefasst wird, hat der 15-jährige Florim S. gegraben, wenn er glaubte, unbeobachtet zu sein. Bad Buchau, die 4000 Einwohner zählende Kurstadt im sonst so heiteren und wohlhabenden Oberschwaben, zeigt sich an dieser Stelle von ihrer hässlichsten Seite.
Florim S. kannte sein Opfer gut, er konnte die Frau jeden Tag von seinem Fenster aus sehen, wenn sie auf ihren mit Eternitplatten verkleideten Balkon trat. Und die 26-Jährige, Mutter einer einjährigen Tochter, konnte ihn sehen und die Grube. Vielleicht hat sie sich gefragt, wofür das Loch gedacht war.
Anwohner hatten Florim S. beobachtet, als er am 15. April gegen 14 Uhr hastig das Mehrfamilienhaus der jungen Familie verließ, in dessen Erdgeschoss eine Dönerbude untergebracht ist. Florim, der schlaksige Hobbyfußballer, der sonst immer freundlich grüßte und den fast jeder kannte.
Handybilder mit Masken: Florim S. Foto: dpa
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Florim S. hat zwei Schwestern und einen Bruder. Sein Vater, der wie die Mutter aus dem Kosovo stammt, arbeitet in einem örtlichen Metallbetrieb. Die Nachbarn dachten sich zunächst nicht viel.
Erst als am Nachmittag der 45 Jahre alte Ehemann nach Hause kam, seine kleine Tochter allein in der Wohnung fand, das Blut sah und die Leiche seiner gefesselten und geknebelten Frau schließlich in einem Kellerraum entdeckte, erst als die Kripobeamten eintrafen und die Spuren sicherten, erinnerten sich die Zeugen wieder.
Noch am Abend des 15. April wurde Florim S. befragt und kurz darauf verhaftet. Er gestand, die Nachbarin mit einem Brecheisen erschlagen zu haben, nachdem sie ihn bei einem Einbruch überrascht und trotz einer übergezogenen Wollmaske erkannt hatte.
Mittlerweile hat sich die Geschichte vom Totschlag im Affekt als Mär erwiesen. Es gibt die Aussage von Martin K., einem 16 Jahre alten Freund von Florim und Nachbarn der Getöteten. Demnach habe ihn Florim S. an den Tatort gerufen, nachdem er die Frau überwältigt, gefesselt und geknebelt hatte. Er sollte sich ansehen, was gleich geschehen sollte. "Aber der 16-Jährige hat sich dann distanziert und die Wohnung wieder verlassen", sagt der Ravensburger Staatsanwalt Karl-Josef Diehl. Danach habe Florim S. den Mord begangen und die Leiche allein in den Keller gebracht.
Martin K. sei in sein Zimmer zurück geeilt, wo sechs weitere mutmaßliche Mitwisser, zwei Mädchen und vier Jungen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren, gewartet hätten. Atemlos habe der 16-Jährige der Clique von Florim S. und der gefesselten Frau berichtet, und "dass der das Ding jetzt durchzieht", so Staatsanwalt Diehl.
Der 16-jährige Martin K. sitzt nun ebenfalls in Untersuchungshaft, ihm wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Ermittlungen laufen auch gegen die sechs Jugendlichen, Haupt- und Realschüler aus Bad Buchau und dem benachbarten Dürmentingen. Wussten sie von dem Mordplan, können sie wegen Vorbereitung eines Verbrechens angeklagt werden. Erfuhren sie von der Tat erst im Jugendzimmer am 15. April, wären sie immer noch der unterlassenen Hilfeleistung schuldig, heißt es bei der Staatsanwaltschaft.
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Der Fall ist weitgehend aufgeklärt. Doch woher kommt die Wut von Florim S., der erst kurz vor der Tat 15 Jahre alt geworden war? Dass es eine Wut war, die sich speziell gegen die Nachbarin richtete, dafür gibt es Anzeichen: Da ist die Mördergrube, die wie zum Hohn unter den Augen des Opfers gegraben wurde. Da ist die Brutalität: Mit seinem Brecheisen hat Florim S. immer und immer wieder zugeschlagen, bestätigt die Staatsanwaltschaft, sogar dann noch, als die gefesselte Frau längst leblos war. Die Wohnung will der Täter angeblich mit dem Plan betreten haben, Elektrogeräte und Bargeld zu stehlen, mit denen er einen Motorroller finanzieren wollte. Als am Abend die Polizei eintraf, fehlte kein einziges Stück.
Anfang der Woche präsentierte die Sonderkommission "Klebeband" zwei Fotos, die auf dem Handy des 15-Jährigen gespeichert waren. Sie zeigen ihn und seinen Freund Martin K. unter schwarzen Masken. Auf Höhe der Augen sind Löcher in die Mützen geschnitten. Für die Polizei ist das ein weiteres Indiz für ein geplantes Verbrechen. Musste die junge Frau dafür büßen, dass Florim S. seinen besten Freund verlor? Es war Ron, der 15 Jahre alte Stiefsohn der Nachbarin. Fast täglich, erzählt ein Anwohner, seien Ron und Florim S. auf der Straße zusammen zu sehen gewesen.
Doch dann habe es Konflikte gegeben. Ron sei nicht mehr zurecht gekommen mit dem neuen Glück der Stiefmutter und des Vaters, der nun eine kleine Tochter hatte, die alle Liebe abzubekommen schien. Ron sei zwei Wochen vor der Tat von Bad Buchau nach Bayern gezogen. Florim S. blieb allein zurück. In dieser Zeit habe der gut 1,80 Meter große Junge in der Aula der Bad Buchauer Hauptschule im Streit einen Mitschüler niedergeschlagen und schwer verletzt. Die Schulleitung bestrafte ihn mit zwei Wochen Schulverweis.
Drehte Florim S.
durch, weil sein
bester Freund wegzog?
Rolf Preißing, stellvertretender Leiter der Bad Buchauer Hauptschule und derzeit, in Vertretung des erkrankten Amtschefs, Bürgermeister der Stadt, sitzt in seinem Wohnzimmer und sucht nach Erklärungen. Auch er hat von der inneren Wandlung des Schülers, der den Mord gestanden hat, nichts mitbekommen. Die Jugendclique stamme nicht aus der Hauptschule, sagt der Deutschlehrer, seiner Kenntnis nach hat sie sich erst in jüngster Zeit gebildet. Es sei "erschreckend, wie wenig Gespräche in einigen Familien stattfinden". Im aktuellen Fall, glaubt Preißing, müsse "das Internet gewürdigt werden". Nachdenklich reibt er die Innenflächen seiner Hände aneinander. Tatsächlich hat die Polizei auf einem beschlagnahmten Computer ein Gewaltspiel gefunden. Die Auswertung der Festplatten ist noch nicht beendet.
Florim S. hätte nach Ende der Osterferien ein Praktikum an der Arbeitsstelle seines Vaters antreten sollen. Doch das Staatliche Schulamt Biberach teilte dem Schüler mit, das Schulverbot erstrecke sich auch auf das Praktikum. Florim blieb daheim. Kein Mensch, keine Behörde hat sich dafür interessiert, was der Schüler in dieser Zeit getrieben hat. Es waren Osterferien, als Florim S. sich mit dem Brecheisen in die Wohnung seiner Nachbarin schlich. Sein Vater war einige Tage vorher in das Kosovo gefahren. Ihm sei oft langweilig gewesen, hat der Junge in Vernehmungen erzählt.
Die Ermordete ist in ihrer Heimat in Ostdeutschland beerdigt worden. Ihr Mann will rasch fortziehen von Bad Buchau. Dem Vater von Florim S. ist therapeutische Hilfe angeboten worden. Er hat abgelehnt.
Südwest: Langeweile, Hass und Schweigen - Badische-Zeitung.de
Dort sollte die Leiche verschwinden: die einen Quadratmeter große Grube im Hinterhof | Foto: DPA Das Loch, in dem die Leiche verschwinden sollte, lässt an Schweiß denken, an unterdrückte Flüche und eine funkenschlagende Spitzhacke. Daneben liegt, sorgsam aufgeschichtet, immer noch der Aushub, der kaum Erde enthält, nur Bauschutt und graue Findlinge. In diesem düsteren Innenhof, der von schmutzigen Hausfronten aus der Nachkriegszeit eingefasst wird, hat der 15-jährige Florim S. gegraben, wenn er glaubte, unbeobachtet zu sein. Bad Buchau, die 4000 Einwohner zählende Kurstadt im sonst so heiteren und wohlhabenden Oberschwaben, zeigt sich an dieser Stelle von ihrer hässlichsten Seite.
Florim S. kannte sein Opfer gut, er konnte die Frau jeden Tag von seinem Fenster aus sehen, wenn sie auf ihren mit Eternitplatten verkleideten Balkon trat. Und die 26-Jährige, Mutter einer einjährigen Tochter, konnte ihn sehen und die Grube. Vielleicht hat sie sich gefragt, wofür das Loch gedacht war.
Anwohner hatten Florim S. beobachtet, als er am 15. April gegen 14 Uhr hastig das Mehrfamilienhaus der jungen Familie verließ, in dessen Erdgeschoss eine Dönerbude untergebracht ist. Florim, der schlaksige Hobbyfußballer, der sonst immer freundlich grüßte und den fast jeder kannte.
Handybilder mit Masken: Florim S. Foto: dpa
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Florim S. hat zwei Schwestern und einen Bruder. Sein Vater, der wie die Mutter aus dem Kosovo stammt, arbeitet in einem örtlichen Metallbetrieb. Die Nachbarn dachten sich zunächst nicht viel.
Erst als am Nachmittag der 45 Jahre alte Ehemann nach Hause kam, seine kleine Tochter allein in der Wohnung fand, das Blut sah und die Leiche seiner gefesselten und geknebelten Frau schließlich in einem Kellerraum entdeckte, erst als die Kripobeamten eintrafen und die Spuren sicherten, erinnerten sich die Zeugen wieder.
Noch am Abend des 15. April wurde Florim S. befragt und kurz darauf verhaftet. Er gestand, die Nachbarin mit einem Brecheisen erschlagen zu haben, nachdem sie ihn bei einem Einbruch überrascht und trotz einer übergezogenen Wollmaske erkannt hatte.
Mittlerweile hat sich die Geschichte vom Totschlag im Affekt als Mär erwiesen. Es gibt die Aussage von Martin K., einem 16 Jahre alten Freund von Florim und Nachbarn der Getöteten. Demnach habe ihn Florim S. an den Tatort gerufen, nachdem er die Frau überwältigt, gefesselt und geknebelt hatte. Er sollte sich ansehen, was gleich geschehen sollte. "Aber der 16-Jährige hat sich dann distanziert und die Wohnung wieder verlassen", sagt der Ravensburger Staatsanwalt Karl-Josef Diehl. Danach habe Florim S. den Mord begangen und die Leiche allein in den Keller gebracht.
Martin K. sei in sein Zimmer zurück geeilt, wo sechs weitere mutmaßliche Mitwisser, zwei Mädchen und vier Jungen im Alter zwischen 14 und 16 Jahren, gewartet hätten. Atemlos habe der 16-Jährige der Clique von Florim S. und der gefesselten Frau berichtet, und "dass der das Ding jetzt durchzieht", so Staatsanwalt Diehl.
Der 16-jährige Martin K. sitzt nun ebenfalls in Untersuchungshaft, ihm wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Ermittlungen laufen auch gegen die sechs Jugendlichen, Haupt- und Realschüler aus Bad Buchau und dem benachbarten Dürmentingen. Wussten sie von dem Mordplan, können sie wegen Vorbereitung eines Verbrechens angeklagt werden. Erfuhren sie von der Tat erst im Jugendzimmer am 15. April, wären sie immer noch der unterlassenen Hilfeleistung schuldig, heißt es bei der Staatsanwaltschaft.
Der Fall ist weitgehend aufgeklärt. Doch woher kommt die Wut von Florim S., der erst kurz vor der Tat 15 Jahre alt geworden war? Dass es eine Wut war, die sich speziell gegen die Nachbarin richtete, dafür gibt es Anzeichen: Da ist die Mördergrube, die wie zum Hohn unter den Augen des Opfers gegraben wurde. Da ist die Brutalität: Mit seinem Brecheisen hat Florim S. immer und immer wieder zugeschlagen, bestätigt die Staatsanwaltschaft, sogar dann noch, als die gefesselte Frau längst leblos war. Die Wohnung will der Täter angeblich mit dem Plan betreten haben, Elektrogeräte und Bargeld zu stehlen, mit denen er einen Motorroller finanzieren wollte. Als am Abend die Polizei eintraf, fehlte kein einziges Stück.
Anfang der Woche präsentierte die Sonderkommission "Klebeband" zwei Fotos, die auf dem Handy des 15-Jährigen gespeichert waren. Sie zeigen ihn und seinen Freund Martin K. unter schwarzen Masken. Auf Höhe der Augen sind Löcher in die Mützen geschnitten. Für die Polizei ist das ein weiteres Indiz für ein geplantes Verbrechen. Musste die junge Frau dafür büßen, dass Florim S. seinen besten Freund verlor? Es war Ron, der 15 Jahre alte Stiefsohn der Nachbarin. Fast täglich, erzählt ein Anwohner, seien Ron und Florim S. auf der Straße zusammen zu sehen gewesen.
Doch dann habe es Konflikte gegeben. Ron sei nicht mehr zurecht gekommen mit dem neuen Glück der Stiefmutter und des Vaters, der nun eine kleine Tochter hatte, die alle Liebe abzubekommen schien. Ron sei zwei Wochen vor der Tat von Bad Buchau nach Bayern gezogen. Florim S. blieb allein zurück. In dieser Zeit habe der gut 1,80 Meter große Junge in der Aula der Bad Buchauer Hauptschule im Streit einen Mitschüler niedergeschlagen und schwer verletzt. Die Schulleitung bestrafte ihn mit zwei Wochen Schulverweis.
Drehte Florim S.
durch, weil sein
bester Freund wegzog?
Rolf Preißing, stellvertretender Leiter der Bad Buchauer Hauptschule und derzeit, in Vertretung des erkrankten Amtschefs, Bürgermeister der Stadt, sitzt in seinem Wohnzimmer und sucht nach Erklärungen. Auch er hat von der inneren Wandlung des Schülers, der den Mord gestanden hat, nichts mitbekommen. Die Jugendclique stamme nicht aus der Hauptschule, sagt der Deutschlehrer, seiner Kenntnis nach hat sie sich erst in jüngster Zeit gebildet. Es sei "erschreckend, wie wenig Gespräche in einigen Familien stattfinden". Im aktuellen Fall, glaubt Preißing, müsse "das Internet gewürdigt werden". Nachdenklich reibt er die Innenflächen seiner Hände aneinander. Tatsächlich hat die Polizei auf einem beschlagnahmten Computer ein Gewaltspiel gefunden. Die Auswertung der Festplatten ist noch nicht beendet.
Florim S. hätte nach Ende der Osterferien ein Praktikum an der Arbeitsstelle seines Vaters antreten sollen. Doch das Staatliche Schulamt Biberach teilte dem Schüler mit, das Schulverbot erstrecke sich auch auf das Praktikum. Florim blieb daheim. Kein Mensch, keine Behörde hat sich dafür interessiert, was der Schüler in dieser Zeit getrieben hat. Es waren Osterferien, als Florim S. sich mit dem Brecheisen in die Wohnung seiner Nachbarin schlich. Sein Vater war einige Tage vorher in das Kosovo gefahren. Ihm sei oft langweilig gewesen, hat der Junge in Vernehmungen erzählt.
Die Ermordete ist in ihrer Heimat in Ostdeutschland beerdigt worden. Ihr Mann will rasch fortziehen von Bad Buchau. Dem Vater von Florim S. ist therapeutische Hilfe angeboten worden. Er hat abgelehnt.
Südwest: Langeweile, Hass und Schweigen - Badische-Zeitung.de
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