Schiptar
Geek
Aus Michael W. Weithmanns Buch "Balkan-Chronik": http://www.bsz-bw.de/depot/media/3400000/3421000/3421308/01_0198.html
(...für diejenigen, die auch Bücher lesen können, und nicht nur Internetseiten...)
Kap. "Die nationale Wiedergeburt", S.230f.:
Makedonien
Gibt es auch einen makedonischen Nationalismus? Von Nationalismus zu sprechen, ist hier vielleicht nicht zutreffend, eher von einer „makedonischen Identität". Im Vorkriegs-Jugoslawien bildete Makedonien eine serbische Provinz (Neu- oder Südserbien; ab 1929 Vardar-Departement, der Name Makedonien wurde vermieden). Während des Zweiten Weltkriegs war das Land zum großen Teil von Bulgarien besetzt. Erst unter Tito wurde Makedonien 1945 als eigene Teilrepublik aus der Taufe gehoben und das „Makedo-Slawische" als Amts- und Schriftsprache akzeptiert (mit einem dem Serbischen ähnlichen kyrillischen Alphabet). Tito verfolgte damit ein politisches Ziel: Serbien sollte durch die Abtrennung Makedoniens nicht mehr den dominanten Einfluß in dem neuen jugoslawischen Bundesstaat ausüben, wie vor dem Krieg, und gleichzeitig konnten damit bulgarischen „makedonischen" Ansprüchen der Wind aus den Segeln genommen werden.
Inwieweit die von der Tito-Regierung geförderten Projekte der makedonischen Akademie der Wissenschaften in Skopje, über die Jahrhunderte hinweg, beginnend mit Zar Samuel von Ohrid Ende des 10. Jahrhunderts (s. S. 70), eine eigene makedonische Geschichte (die unabhängig von Bulgarien und Serbien verlaufen sei) zu konstruieren, bei der Bevölkerung ein makedonisches nationales Geschichtsbild hervorgerufen haben, läßt sich noch schwer beurteilen. Eher hat die 1967 erfolgte Trennung einer eigenen makedonischen Kirche vom serbischen Patriarchat (von diesem nie anerkannt!) das makedonische Eigenständigkeitsbewußtsein gefördert. Die makedonische orthodoxe Kirche betrachtet sich seitdem als autokephal. Neue Überlegungen nationalmakedonischer Kirchenkreise gehen dahin, das mittelalterliche Patriarchat Ohrid Wiederaufleben zu lassen. Wir müssen beachten, daß die Republik Makedonien ethnisch nicht homogen ist. Die Makedo-Slawen, heute etwa 67 Prozent, stehen allein 20 Prozent Albanern gegenüber, deren Bevölkerungszahl erst nach dem Krieg hier so sprunghaft angewachsen ist und weiter wächst. Denkbar ist, daß sich in Makedonien eine Art „Abwehr-Nationalismus" gegen den serbischen Druck von außen (das Großserbentum sieht in den Makedoniern kein eigenes Volk, nur von Tito entnationalisierte Serben!) und den wachsenden albanischen Einfluß im Inneren herausbildet.
Mit der Eigenständigkeit der Republik Makedonija (1991) traten auch nationalistische Gruppen auf den Plan, die ein Groß-Makedonien mit Einschluß Salonikis fordern und auf die historische slawische Besiedlung in Griechisch-Makedonien und die dort noch existierende slawische Minderheit hinweisen. Dies, sowie Vereinnahmungen der antiken Make-donen - Alexander den Großen miteingeschlossen - durch die slawischen Makedonier haben zu einer scharfen Konfrontation mit Athen geführt, wobei sich beide Seiten geschichtlicher Argumente bedienen. Griechenland führt seine kleine slawische Minderheit statistisch als „slavophone Griechen". In Bulgarien ist, trotz der raschen Anerkennung Skopjes durch Sofia, weiterhin die Meinung vorherrschend, Makedonien sei ein historischer Teil Bulgariens und das Makedonische ein westbulgarischer Dialekt. Deshalb genießen die im bulgarischen Pirin-Gebiet lebenden Makedonier auch keinen besonderen Minderheitenstatus.
(...für diejenigen, die auch Bücher lesen können, und nicht nur Internetseiten...)
Kap. "Die nationale Wiedergeburt", S.230f.:
Makedonien
Gibt es auch einen makedonischen Nationalismus? Von Nationalismus zu sprechen, ist hier vielleicht nicht zutreffend, eher von einer „makedonischen Identität". Im Vorkriegs-Jugoslawien bildete Makedonien eine serbische Provinz (Neu- oder Südserbien; ab 1929 Vardar-Departement, der Name Makedonien wurde vermieden). Während des Zweiten Weltkriegs war das Land zum großen Teil von Bulgarien besetzt. Erst unter Tito wurde Makedonien 1945 als eigene Teilrepublik aus der Taufe gehoben und das „Makedo-Slawische" als Amts- und Schriftsprache akzeptiert (mit einem dem Serbischen ähnlichen kyrillischen Alphabet). Tito verfolgte damit ein politisches Ziel: Serbien sollte durch die Abtrennung Makedoniens nicht mehr den dominanten Einfluß in dem neuen jugoslawischen Bundesstaat ausüben, wie vor dem Krieg, und gleichzeitig konnten damit bulgarischen „makedonischen" Ansprüchen der Wind aus den Segeln genommen werden.
Inwieweit die von der Tito-Regierung geförderten Projekte der makedonischen Akademie der Wissenschaften in Skopje, über die Jahrhunderte hinweg, beginnend mit Zar Samuel von Ohrid Ende des 10. Jahrhunderts (s. S. 70), eine eigene makedonische Geschichte (die unabhängig von Bulgarien und Serbien verlaufen sei) zu konstruieren, bei der Bevölkerung ein makedonisches nationales Geschichtsbild hervorgerufen haben, läßt sich noch schwer beurteilen. Eher hat die 1967 erfolgte Trennung einer eigenen makedonischen Kirche vom serbischen Patriarchat (von diesem nie anerkannt!) das makedonische Eigenständigkeitsbewußtsein gefördert. Die makedonische orthodoxe Kirche betrachtet sich seitdem als autokephal. Neue Überlegungen nationalmakedonischer Kirchenkreise gehen dahin, das mittelalterliche Patriarchat Ohrid Wiederaufleben zu lassen. Wir müssen beachten, daß die Republik Makedonien ethnisch nicht homogen ist. Die Makedo-Slawen, heute etwa 67 Prozent, stehen allein 20 Prozent Albanern gegenüber, deren Bevölkerungszahl erst nach dem Krieg hier so sprunghaft angewachsen ist und weiter wächst. Denkbar ist, daß sich in Makedonien eine Art „Abwehr-Nationalismus" gegen den serbischen Druck von außen (das Großserbentum sieht in den Makedoniern kein eigenes Volk, nur von Tito entnationalisierte Serben!) und den wachsenden albanischen Einfluß im Inneren herausbildet.
Mit der Eigenständigkeit der Republik Makedonija (1991) traten auch nationalistische Gruppen auf den Plan, die ein Groß-Makedonien mit Einschluß Salonikis fordern und auf die historische slawische Besiedlung in Griechisch-Makedonien und die dort noch existierende slawische Minderheit hinweisen. Dies, sowie Vereinnahmungen der antiken Make-donen - Alexander den Großen miteingeschlossen - durch die slawischen Makedonier haben zu einer scharfen Konfrontation mit Athen geführt, wobei sich beide Seiten geschichtlicher Argumente bedienen. Griechenland führt seine kleine slawische Minderheit statistisch als „slavophone Griechen". In Bulgarien ist, trotz der raschen Anerkennung Skopjes durch Sofia, weiterhin die Meinung vorherrschend, Makedonien sei ein historischer Teil Bulgariens und das Makedonische ein westbulgarischer Dialekt. Deshalb genießen die im bulgarischen Pirin-Gebiet lebenden Makedonier auch keinen besonderen Minderheitenstatus.