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Makedonien
Makedonien bzw. bedeutungsgleich Mazedonien bezeichnet die Landschaft, die sich über Nordgriechenland („Ägäis-Makedonien"), Südwestbulgarien („Pirin-Makedonien") und die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Makedonien („Vardar-Makedonien", seit 1991 unabhängig) zieht. Der aus der Antike stammende Name „Makedonien" wurde erst ab dem 19. Jh. wieder gebräuchlich, zur Zeit der osmanischen Herrschaft ist er nicht verwendet worden.
Makedonien trat in der europäischen Geschichte vor allem unter dem Stichwort der „makedonischen Frage" auf; je nach dem Stand des Betrachters und der betreffenden Zeit ist darunter eine unterschiedlich gelagerte Problematik zu verstehen. Erstmals tauchte eine „makedonische Frage" auf, als das osmanische Gebiet auf dem Balkan im 19. Jh. in das Blickfeld der europäischen Großmächte geriet, die dessen politische Neuordnung forderten. Als Anlaß dazu wurden Reformen zugunsten der Balkanchristen postuliert, die sich auch auf die Landschaft Makedonien beziehen sollten. Die „makedonische Frage", wie sie besonders ab dem späten 19. Jh. formuliert wurde, zielt ab auf die Ethnogenese der Makedonen bzw. auf die Entwicklung der makedonischen Nation, ein Prozeß, der am treffendsten als „Oppositionsnationalismus" charakterisiert werden kann. Denn während sich ab Ende des 19. Jh. nur vereinzelt Makedonen als zu einem makedonischen Volk gehörig bezeichneten -- dazu gehörten auch diejenigen Makedonen, die vor allem im Russischen Reich, in ->Griechenland und ->Bulgarien Kolonien gebildet hatten -, stieg das Volksbewußtsein der Makedonen innerhalb Makedoniens erst als Reaktion auf den serbischen, bulgarischen und griechischen Nationalisierungsdruck, der auf die Angliederung des noch osmanisch besetzten Gebietes an ->Serbien, Griechenland bzw. Bulgarien abzielte. Die Nationswerdung der Makedonen wurde in-nerhalb der jugoslawischen Föderationsrepublik Makedonien ab dem Zweiten Weltkrieg durch staatliche Maßnahmen gestützt.
Historische Grundzüge
Makedonien im Mittelalter
Unter Zar Simeon erreichte das erste bulgarische Reich im Mittelalter zwischen Adria und Schwarzem Meer bis vor Saloniki und Konstantinopel seine größte Ausdehnung. In dieser Zeit wurde der makedonische Raum als Heimat der „Slawenapostel" Kyrill und Method bedeutsam. Durch ihre Missionstätigkeit unter den Slawen in Südost- und Ostmitteleuropa erfuhr das Christentum hier Verbreitung (->Religionen und Konfessionen). Das erste bulgarische Reich verfiel, geschwächt durch innere Aufstände und Auseinandersetzungen mit /Byzanz. Zwar verschaffte Zar Samuil im „Westbulgarischen" bzw. „Makedonischen Reich" der bulgarischen Kirche im Patriarchat von Ohrid noch einmal inen neuen Mittelpunkt, 1014 unterlag er jedoch dem „Bulgarenschlächter" Basileios II., der 1018 in Ohrid einzog. Nach der Restauration des bulgarischen Staates führte ihn Ivan Asen II. auf den Höhepunkt seiner territorialen Expansion, die abermals Makedonien einschloß.
Der Untergang des zweiten bulgarischen Reiches liegt nicht zuletzt im Aufstieg Serbiens zur Führungsmacht auf dem Balkan begründet. Auch das serbische Großreich Stefan Dušans, der über Dalmatien, den größten Teil -> Albaniens, den Epiros sowie über Teile Mittelgriechenlands, im Norden bis zur Drina und Donau herrschte, umfaßte Makedonien, allerdings mit Ausnahme Thessalonikis, das unter byzantinischer Herrschaft verblieb. Stefan Dušan ließ sich 1346 in der heutigen makedonischen Hauptstadt Skopje zum „Zaren der Serben und Griechen" krönen.
Mit der Eroberung Südosteuropas durch das ->Osmanische Reich verloren die Staaten auf dem Balkan ihre Eigenständigkeit. Nach dem Sieg an der Marica 1371 besetzte Sultan Murad I. Makedonien, 1387 fiel Thessaloniki. Mit der Schlacht auf dem Amselfeld 1389 stand den Osmanen endgültig der Weg nach Westen offen. Unter der Herrschaft der *Hohen Pforte vollzogen sich tiefgreifende Veränderungen durch Islamisierung und Orientalisierung (->Muslime), die sich in Makedonien noch nachhaltiger als in anderen von den Osmanen eroberten Gebieten manifestierten: Städte und Märkte erhielten einen orientalischen Charakter; Türken und Turkvölker zogen als Grundherren, als bäuerliche Siedler und als Gewerbetreibende zu; ->Griechen, ->Armenier und ->Juden bestimmten zunehmend den Handel; vor allem in den Städten und im Westen Makedoniens stieg der albanische Bevölkerungsanteil.
Die „makedonische Frage" ab dem 19. Jh.
Nach der Emanzipation vom Osmanischen Reich im 19. Jh. stellte sich für Serbien, Bulgarien und Griechenland erneut die Frage nach dem makedonischen Territorium. Bulgarien schien sich nach dem osmanisch-russischen Krieg 1877/78 durch den Frieden von San Stefano (3. März 1878) bereits durchgesetzt zu haben, da dieser die Bildung eines Großbulgarien vorsah, das sich auch über Teile Thrakiens und über ganz Makedonien erstrecken sollte. Allerdings wurden diese von Rußland getragenen Vorstellungen auf dem *Berliner Kongreß wieder rückgängig gemacht und Makedonien kam erneut unter osmanische Verwaltung. Die Idee des „San-Stefanska-Bălgarija" blieb in der bulgarischen Politik eine wichtige Leitlinie. Die weitere Auseinandersetzung um Makedonien geschah nunmehr durch die direkte Beeinflussung der Bevölkerung über die *orthodoxen Kirchen, deren Zugehörigkeit den makedonischen Einwohnern suggeriert bzw. aufgedrängt wurde, sowie über serbische, griechische, bulgarische und auch rumänische Freischärler, die ihre jeweilige Nationalität mit Waffengewalt propagierten. Jetzt entstand auch erstmals eine national-makedonische Bewegung, die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation", IMRO (mak. Vnatrešna makedonska revolucionarna organizacija, VMRO). Sie wurde 1893 als Geheimorganisation mit dem Ziel gegründet, die Unabhängigkeit Makedoniens gegen die osmanische Herrschaft durchzusetzen. Die Bewegung spaltete sich jedoch nach einiger Zeit in einen Bulgarien-orientierten Teil, der den Anschluß Makedoniens an Bulgarien favorisierte, während ein anderer Teil weiterhin für ein freies Makedonien agierte. Ein vergeblicher Versuch wurde 1903 im sog. Ilinden-Aufstand (benannt nach dem Elias-Tag) unternommen. Im *Vilajet Monastir rief die IMRO eine „Republik von Kruševo" aus, die aber bereits nach einigen Wochen von osmanischen Truppen zerschlagen wurde. Dies zog die Internationalisierung des Streites um Makedonien nach sich. Die vom russischen Zaren Nikolaus II. und dem österreichischen Kaiser Franz Joseph I. geforderten Reformen bewirkten aber nur teilweise eine Beruhigung. (->Magocsi: Karte 26b)
Die heute bestehende Dreiteilung des makedonischen Gebietes geht auf die Grenzziehungen nach den beiden *Balkankriegen 1912/13 zurück. Makedonien war neben Thrakien und Albanien das Kriegsziel Serbiens, ->Montenegros, Griechenlands und Bulgariens. Im Ersten Balkankrieg wurden die Osmanen aus Makedonien vertrieben, im Zweiten Balkankrieg stritten sich Bulgarien einerseits sowie Serbien, Griechenland und Montenegro andererseits um die Aufteilung. Die im Friedensvertrag von Bukarest 1913 festgelegten Grenzführungen wurden mit einer geringfügigen Ausnahme bis heute beibehalten: Während Bulgarien in Makedonien nur einen schmalen Streifen bis zur Wasserscheide zwischen Struma und Vardar bekam, gingen Thessaloniki und Südmakedonien an Griechenland; den restlichen Teil Makedoniens erhielt Serbien. (->Magocsi: Karte 27c)
Die Angliederung der neuen Gebiete an Serbien, Bulgarien und Griechenland erfolgte überall unter der ähnlichen Zielsetzung der ethnischen Homogenisierung, sichtbar an der Vertreibung - nicht selten auch unter Gewaltanwendung - der jeweils andersnationalen Bevölkerung (hiervon waren vor allem türkische Bauern betroffen), in der Schließung ihrer religiösen Einrichtungen und Schulen sowie im Verbot ihrer Sprachen.
Bulgarien unternahm im Ersten Weltkrieg auf der Seite der Mittelmächte einen weiteren Versuch, sich Makedonien vollständig anzueignen. Allerdings wurde ihm das 1915-1918 besetzte Vardar-Makedonien im Frieden von Neuilly 1919 wieder abgesprochen. Die Friedenskonferenzen von Paris bestätigten insofern die Grenzbestimmungen von Bukarest 1913, als Vardar-Makedonien weiterhin bei Serbien bzw. dem 1918 proklamierten Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen verblieb, Griechenland sein makedonisches Territorium behielt, Bulgarien aber die Stadt Strumica und Umgebung an das SHS-Königreich abgeben mußte. In „Südserbien", wie der serbische Teil Makedoniens nun bezeichnet wurde, setzte man die Serbisierung der Bevölkerung - analog zu einer Gräzisierung in Griechisch-Makedonien - fort. Mit der Auflösung der *Tsiflikgüter wurden die letzten Reste der osmanischen Herrschaft beseitigt. Frieden kehrte aber nicht ein, da die aus Bulgarien gesteuerte IMRO weiterhin bewaffnete Übergriffe auf das serbische und griechische Makedonien durchführte. Den Höhepunkt ihrer Aktivitäten stellte 1934 der Anschlag auf den serbischen König Aleksandar I. und den französischen Außenminister Barthou in Marseille dar, den Anhänger der IMRO zusammen mit der kroatischen Ustaša durchgeführt hatten. (->Magocsi: Karte 41c)
Makedonisches „nation-building" nach 1945
Der entscheidende Schritt zur makedonischen Nationswerdung wurde nach 1945 eingeleitet, als Makedonien als Republik in den jugoslawischen Staatsverband aufgenommen wurde. Während des Weltkrieges war dies bereits projektiert worden. Das im Westen italienisch kontrollierte, im Ostteil bulgarisch besetzte Land wurde Ende November 1944 von den kommunistischen Tito-Partisanen übernommen. Tito hatte bereits auf der ersten Sitzung seiner provisorischen Regierung (AVNOJ) im November 1942 in Bihać die Makedonen als eine der fünf konstituierenden Nationen ->Jugoslawiens benannt sowie im November 1943 in Jajce das neue Jugoslawien in seinen Kriegsgrenzen zur föderativen Republik mit sechs Einheiten - darunter Makedonien - erklärt. Richtungweisend war ferner die erste Sitzung des höchsten legislativen und exekutiven Organs einer makedonischen Republik, „Antifašisticko Sobranje na Narodnoto osloboduvanje na Makedonija" (ASNOM; Antifaschistischer Rat der Volksbefreiung Makedoniens), im (heute südserbischen) Kloster Prohor Pčinjski am 2. August 1944. Hier wurde Makedonien als gleichberechtigte föderale Einheit im Rahmen des zu gründenden Jugoslawien proklamiert. Die ersten Gemeindewahlen in der jugoslawischen Republik Makedonien fanden im März 1945 statt. Eine gewählte verfassunggebende Versammlung rief am 31. Dezember 1946 eine Landesverfassung aus. Die Makedonen erhielten damit als jugoslawische Staatsangehörige im Rahmen ihrer Republik eine eigene „staatliche" Identität, die im weiteren „von oben" gefördert wurde.
Die Republiksführung begann nach 1945 mit der systematischen Indoktrinierung der Bevölkerung, deren makedonisches Nationalgefühl weiterentwickelt werden sollte. Belgrad förderte dies, um bulgarischen territorialen Aspirationen entgegenzutreten. Skopje erhielt nun eine Universität, eine Akademie der Wissenschaften, eine Nationalbibliothek und ein Nationaltheater. Grundlegend für das nationale Selbstverständnis wurde auch die Kodifizierung und Propagierung der makedonischen Schriftsprache. Ferner hatte die Historiographie für eine nationale Geschichtsschreibung zu sorgen, die - ungeachtet der historischen Wirklichkeit - bereits in der Zeit der slawischen Landnahme beginnen sollte. Ein weiteres Attribut der makedonischen nationalen Identität konstituierte sich durch die Trennung der makedonischen orthodoxen Kirche von der serbischen Orthodoxie. Auf der Synode 1958 wurde die Neugründung des Erzbistums Ohrid und damit die kirchliche Autonomie beschlossen. 1967 erklärte eine Synode makedonischer Kirchenvertreter in Ohrid trotz des vehementen Widerstandes der serbischen Bischofsversammlung die *Autokephalie der makedonischen orthodoxen Kirche, die bisher jedoch von keiner anderen orthodoxen Kirche anerkannt worden ist.
Makedonien spielte auch in der Vorgeschichte des Bruches zwischen Tito und Stalin eine Rolle. Das Territorium sollte ein Bestandteil der zwischen Tito und dem bulgarischen Präsidenten Dimitrov diskutierten Balkanföderation werden. Nach dem Ausschluß Jugoslawiens aus der Kominform wurden diese Pläne aber fallengelassen, wenngleich danach der Streit um Makedonien zwischen Belgrad und Sofia immer wieder aufflackerte. Ähnlich verhielt es sich zwischen Jugoslawien und Griechenland, wo ebenfalls Ansprüche auf das jeweilige makedonische Gebiet des anderen geäußert wurden: Athen betrachtet Makedonien als Mittelpunkt des antiken Reiches von Alexander dem Großen. Auf die Beziehungen zwischen beiden Staaten hatte sich ebenfalls negativ ausgewirkt, daß die slawische Minderheit in Nordgriechenland während des griechischen Bürgerkriegs Verbindungen zu den kommunistischen griechischen Aufständischen unterhielt, die von den Regierungen Albaniens und Jugoslawiens unterstützt wurden. Offizieller griechischer Haltung zufolge gab es auf griechischem Staatsgebiet keine slawische Minderheit, sondern nur „slavophone Griechen", die infolge der slawischen Überlagerung ihre griechische Muttersprache aufgegeben hätten.
Innerhalb Jugoslawiens war Makedonien als Obst- und Gemüseanbaugebiet die wirtschaftlich am schwächsten entwickelte Republik. Dies lag in erster Linie an der kaum vorhandenen Infrastruktur und an der unbedeutenden Industrie, was schon in der Zwischenkriegszeit viele Makedonen zur Auswanderung veranlaßt hatte, an der hohen Arbeitslosenquote und am geringen Bildungsniveau. Export und Import waren unbedeutend. Zu ethnischen Spannungen mit der albanischen Bevölkerung kam es Ende der 60er und in den 80er Jahren.
Die wirtschaftliche Förderung Makedoniens innerhalb der jugoslawischen Föderation trug auch dazu bei, daß Skopje den Weg zur staatlichen Unabhängigkeit nur zögerlich beschritt. Erst nach der Separation -> Sloweniens und ->Kroatiens wurden der politische Umbau und die Ablösung des sozialistischen Systems vorangetrieben. Bei den ersten freien makedonischen Wahlen vom 9. November 1990 wurden zum ersten Mal mehrere Parteien zugelassen. Im Januar 1991 kam es zur Einigung auf die Einsetzung einer Republiksführung unter dem Reformkommunisten Kiro Gligorov. Am 21. November 1991 erklärte Makedonien seine staatliche Unabhängigkeit.
Makedonien wurde, da hier kaum Serben leben, anders als Slowenien, Kroatien und ->Bosnien-Herzegowina, von keinen direkten Kriegshandlungen in Mitleidenschaft gezogen; die jugoslawische Armee zog im Frühjahr 1992 ab. Allerdings erheben nationalistische Kreise in Serbien noch immer Ansprüche auf das makedonische Territorium. Auch die griechische Haltung gegenüber Skopje ist wenig freundlich: So scheiterte die völkerrechtliche Anerkennung Makedoniens lange am Veto Athens, das sich wegen seiner gleichnamigen Provinz nicht mit dem Staatsnamen Makedonien zufrieden zeigte und dahinter territoriale Ambitionen vermutete. Bulgarien verfolgt eine ähnliche Politik. Es bestätigte zwar die Unabhängigkeit der Republik Makedonien, bestreitet aber die Eigenständigkeit der makedonischen Nation. Albanien gegenüber konnten die Beziehungen auf eine freundschaftliche Grundlage gestellt werden, allerdings fühlen sich die albanischen Einwohner Makedoniens - rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung - von der Politik Skopjes zunehmend benachteiligt. Die Innenpolitik muß darauf bedacht sein, ausgleichend zwischen den vielen ethnischen Minderheiten zu wirken: Der Zensus des Jahres 1994 erbrachte eine Gesamtzahl von 1.936.877 Einwohnern, davon 66,5 % Makedonen, 22,9 % Albaner, 4 % Türken, 2,3 % Roma (->Sinti und Roma), 2 % Serben, 0,8 % Muslime, 0,4 % *Walachen (->Aromunen) und 1,2 % andere Nationalitäten. Unter der vorläufigen Bezeichnung „Former Yugoslav Republic of Macedonia" (FYROM) wurde der Staat am 8. April 1993 von den Vereinten Nationen aufgenommen.
Forschungsfragen
Tiefergehende Gesamtdarstellungen der makedonischen Nationalgeschichte in westlichen Sprachen fehlen bislang. Die makedonischen Historiker haben sich bisher kaum von der wenig überzeugenden Vorstellung gelöst, daß eine makedonische Staatlichkeit im Mittelalter als Begründung für die Existenz des neuen Staates Makedonien zu propagieren ist. Auch wegen dieser historischen Determiniertheit konzentrierten sich viele makedonische Darstellungen auf Fragen der Volks- und Nationswerdung. Der IMRO gewidmete Abhandlungen sind in großer Zahl vorhanden. Griechische und bulgarische Darstellungen gehen oftmals davon aus, daß Makedonien bzw. die makedonische Nation eine Fiktion darstellen. An Forschungseinrichtungen sind die Makedonische Akademie der Wissenschaften und das Institut für Nationale Geschichte in Skopje sowie die beiden Staatsarchive in Skopje und Ohrid zu nennen.
Auswahlbibliographie
->Bulgarien, ->Griechenland, ->Jugoslawien, ->Serbien
Bibliographien, Hilfsmittel
1. Arhivski fondovi i zbirke u arhivima i arhivskim odeljenjima u SFRJ. [Band 5:] SR Makedonija [Archivfonds und Sammlungen in den Archiven und Archivabteilungen in der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien. Band 5: Makedonien]. Beograd 1982.
2. Dimik, Netalja: Bibliografija na statti i knigi za NOB vo Makedonija [Bibliographie der Aufsätze und Bücher zum Volksbefreiungskampf in Makedonien]. Skopje 1953.
3. Historiographie de Macédoine (19454970). 2 Bde. Skopje 1970-1972.
4. Makedonska Bibliografija [Makedonische Bibliographie]. Skopje 1960.
5. Troebst, Stefan: Neue Veröffentlichungen aus und über Makedonien. In: SOE 43 (1994), S. 85-90.
Quellen
6. Austro-Hungarian Documents Relating to the Macedonian Struggle, 1896-1912. Hg. F. R. Bridge. Thessaloniki 1976.
7. Avstriski dokumenti za istorijata na makedonskiot narod. Les documents autrichiens sur l'histoire du peuple macédonien. Bearb. Dančo Zografski. 2 Bde. [1905-1908]. Skopje 1977-1981.
8. Dokumenti za borbata na makedonskiot narod za samostojnost i za nacionalna država [Dokumente zum Kampf des makedonischen Volkes für die Unabhängigkeit und den Nationalstaat]. 2 Bde. Skopje 1981.
9. Gradja za istorija makedonskog naroda iz Arhiva Srbije. Graģa za istorijata na makedonskiot narod od Arhivot na Srbija [Materialien für die Geschichte des makedonischen Volkes aus dem serbischen Archiv]. Bearb. Kliment Džambazovski. 11 Teilbde. [1820-1891]. Beograd 1979-1991.
10. Makedonija. Sbornik ot dokumenti i materiali [Makedonien. Sammelband von Dokumenten und Materialien]. Sofija 1978. Engl. und dt. Übers. Sofia 1982. Belegt die als bulgarisch bezeichnete Besiedlung Makedoniens seit dem Mittelalter.
11. Turski dokumenti za istorijata na makedonskiot narod. Opširni popisni defteri [...]. Documents turcs sur l'histoire du peuple macédonien. Bd. lff. Skopje 1971ff.
Gesamtdarstellungen
12. Istorija na makedonskiot narod [Geschichte des makedonischen Volkes]. Hgg. Mihailo Apostolski u.a. 3 Bde. Skopje 1969.
13. Istorija na makedonskiot narod [Geschichte des makedonischen Volkes]. Hgg. Mihailo Apostolski u.a. Skopje 1972.
14. Makedonien. Geographie, Ethnische Struktur, Geschichte, Sprache und Kultur, Politik, Wirtschaft, Recht. Hgg. Walter Lukan, Peter Jordan. Wien u.a. 1998 (= ÖOH 40 [1998] 1/2).
15. Stojanovski, Aleksandar: Istorija na makedonskiot narod [Geschichte des make-donischen Volkes]. Skopje 1988.
16. Weigand, Gustav: Ethnographie von Makedonien. 2 Bde. Leipzig 1924.
Grundlegende Monographien und Aufsätze
17. Adanir, Fikret: Die Makedonische Frage, ihre Entstehung und Entwicklung bis 1908. Wiesbaden 1979.
18. Barker, Elizabeth: Macedonia: Its Place in Balkan Power Politics. London 1950, Ndr. Westwood/Ct. 1980.
19. Bernath, Mathias: Das mazedonische Problem in der Sicht der komparativen Nationalismusforschung. In: SOF 29 (1970), S. 237-248.
20. Božić, Jure Zečević: Die Autokephalieerklärung der Makedonischen Orthodoxen Kirche. Würzburg 1994 (= Das östliche Christentum NF 42).
21. Danforth, Loring M.: The Macedonian Conflict. Ethnic Nationalism in a Transnational World. Princeton 1995.
22. Egejska Makedonija vo NOB [Ägäis-Makedonien im Volksbefreiungskampf]. Skopje 1971-1985.
23. Jong, Jutta de: Der nationale Kern des makedonischen Problems. Ansätze und Grundlagen einer makedonischen Nationalbewegung (1890-1903). Ein Beitrag zur komparativen Nationalismusforschung. Frankfurt/M., Bern 1982.
24. Katardžiev, Ivan: Vreme na zreenje. Makedonskoto nacionalno prašanje meģu dvete svetski vojni [Zeit zum Reifen. Die makedonische nationale Frage zwischen den zwei Weltkriegen] (1919-1930). 2 Bde. Skopje 1977.
25. Kofos, Evangelos: The Impact of the Macedonian Question on Civil Conflict in Greece (1943-1949). Athens 1989.
26. Kofos, Evangelos: Nationalism and Communism in Macedonia. Thessaloniki 1964.
27. Kondis, B.: The „Macedonian Question" as a Balkan Problem in the 1940s. In: Balkan Studies 28 (1987), S. 151-160.
28. Palmer, Stephen; King, Robert: Yugoslav Communism and the Macedonian Question. Hamden/Ct. 1971.
29. Pandev, Konstantin: Nacionalno-osvoboditelnoto dviženie v Makedonija i Odrins-ko [Die nationale Befreiungsbewegung in Makedonien und Adrianopel] 1878-1903. Sofija 1979.
30. Perry, Duncan M.: The Politics of Terror. The Macedonian Revolutionary Mo-vements, 1893-1903. Durham/NC 1988.
31. Sowards, Steven Wesley: Austria-Hungary and the Macedonian Reforms, 1902-1908. Ph. D. thesis, Ann Arbor/Mi. 1981.
32. Troebst, Stefan: Die bulgarisch-jugoslawische Kontroverse um Makedonien 1967-1982. München 1983.
33. Troebst, Stefan: Mussolini, Makedonien und die Mächte 1922-1930. Die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation" in der Südosteuropapolitik des faschistischen Italien. Köln, Wien 1987 (= Dissertationen zur Neueren Geschichte 19).
34. Wilkinson, H. R.: Maps and Politics. A Review of the Ethnographie Cartography of Macedonia. Liverpool 1951.
Zeitschriften
35. Glasnik na Institutot za nacionalna istorija (Skopje) 1957ff.
36. Godišen zbornik (Skopje) 1948ff.
37. Balkan-Forum (Skopje) 1993ff.
38. Macedonian Review (Skopje) 1970ff.
39. Macedonian Studies (Wien) 1928ff.
40. Makedonski nasledstvo. Macedonian Heritage (Skopje) 1995ff.
Katrin Boeckh, in: Studienhandbuch Östliches Europa, H. Roth (Hg.), Köln/Weimar/Wien 1999, 259-266.
Makedonien bzw. bedeutungsgleich Mazedonien bezeichnet die Landschaft, die sich über Nordgriechenland („Ägäis-Makedonien"), Südwestbulgarien („Pirin-Makedonien") und die ehemalige jugoslawische Teilrepublik Makedonien („Vardar-Makedonien", seit 1991 unabhängig) zieht. Der aus der Antike stammende Name „Makedonien" wurde erst ab dem 19. Jh. wieder gebräuchlich, zur Zeit der osmanischen Herrschaft ist er nicht verwendet worden.
Makedonien trat in der europäischen Geschichte vor allem unter dem Stichwort der „makedonischen Frage" auf; je nach dem Stand des Betrachters und der betreffenden Zeit ist darunter eine unterschiedlich gelagerte Problematik zu verstehen. Erstmals tauchte eine „makedonische Frage" auf, als das osmanische Gebiet auf dem Balkan im 19. Jh. in das Blickfeld der europäischen Großmächte geriet, die dessen politische Neuordnung forderten. Als Anlaß dazu wurden Reformen zugunsten der Balkanchristen postuliert, die sich auch auf die Landschaft Makedonien beziehen sollten. Die „makedonische Frage", wie sie besonders ab dem späten 19. Jh. formuliert wurde, zielt ab auf die Ethnogenese der Makedonen bzw. auf die Entwicklung der makedonischen Nation, ein Prozeß, der am treffendsten als „Oppositionsnationalismus" charakterisiert werden kann. Denn während sich ab Ende des 19. Jh. nur vereinzelt Makedonen als zu einem makedonischen Volk gehörig bezeichneten -- dazu gehörten auch diejenigen Makedonen, die vor allem im Russischen Reich, in ->Griechenland und ->Bulgarien Kolonien gebildet hatten -, stieg das Volksbewußtsein der Makedonen innerhalb Makedoniens erst als Reaktion auf den serbischen, bulgarischen und griechischen Nationalisierungsdruck, der auf die Angliederung des noch osmanisch besetzten Gebietes an ->Serbien, Griechenland bzw. Bulgarien abzielte. Die Nationswerdung der Makedonen wurde in-nerhalb der jugoslawischen Föderationsrepublik Makedonien ab dem Zweiten Weltkrieg durch staatliche Maßnahmen gestützt.
Historische Grundzüge
Makedonien im Mittelalter
Unter Zar Simeon erreichte das erste bulgarische Reich im Mittelalter zwischen Adria und Schwarzem Meer bis vor Saloniki und Konstantinopel seine größte Ausdehnung. In dieser Zeit wurde der makedonische Raum als Heimat der „Slawenapostel" Kyrill und Method bedeutsam. Durch ihre Missionstätigkeit unter den Slawen in Südost- und Ostmitteleuropa erfuhr das Christentum hier Verbreitung (->Religionen und Konfessionen). Das erste bulgarische Reich verfiel, geschwächt durch innere Aufstände und Auseinandersetzungen mit /Byzanz. Zwar verschaffte Zar Samuil im „Westbulgarischen" bzw. „Makedonischen Reich" der bulgarischen Kirche im Patriarchat von Ohrid noch einmal inen neuen Mittelpunkt, 1014 unterlag er jedoch dem „Bulgarenschlächter" Basileios II., der 1018 in Ohrid einzog. Nach der Restauration des bulgarischen Staates führte ihn Ivan Asen II. auf den Höhepunkt seiner territorialen Expansion, die abermals Makedonien einschloß.
Der Untergang des zweiten bulgarischen Reiches liegt nicht zuletzt im Aufstieg Serbiens zur Führungsmacht auf dem Balkan begründet. Auch das serbische Großreich Stefan Dušans, der über Dalmatien, den größten Teil -> Albaniens, den Epiros sowie über Teile Mittelgriechenlands, im Norden bis zur Drina und Donau herrschte, umfaßte Makedonien, allerdings mit Ausnahme Thessalonikis, das unter byzantinischer Herrschaft verblieb. Stefan Dušan ließ sich 1346 in der heutigen makedonischen Hauptstadt Skopje zum „Zaren der Serben und Griechen" krönen.
Mit der Eroberung Südosteuropas durch das ->Osmanische Reich verloren die Staaten auf dem Balkan ihre Eigenständigkeit. Nach dem Sieg an der Marica 1371 besetzte Sultan Murad I. Makedonien, 1387 fiel Thessaloniki. Mit der Schlacht auf dem Amselfeld 1389 stand den Osmanen endgültig der Weg nach Westen offen. Unter der Herrschaft der *Hohen Pforte vollzogen sich tiefgreifende Veränderungen durch Islamisierung und Orientalisierung (->Muslime), die sich in Makedonien noch nachhaltiger als in anderen von den Osmanen eroberten Gebieten manifestierten: Städte und Märkte erhielten einen orientalischen Charakter; Türken und Turkvölker zogen als Grundherren, als bäuerliche Siedler und als Gewerbetreibende zu; ->Griechen, ->Armenier und ->Juden bestimmten zunehmend den Handel; vor allem in den Städten und im Westen Makedoniens stieg der albanische Bevölkerungsanteil.
Die „makedonische Frage" ab dem 19. Jh.
Nach der Emanzipation vom Osmanischen Reich im 19. Jh. stellte sich für Serbien, Bulgarien und Griechenland erneut die Frage nach dem makedonischen Territorium. Bulgarien schien sich nach dem osmanisch-russischen Krieg 1877/78 durch den Frieden von San Stefano (3. März 1878) bereits durchgesetzt zu haben, da dieser die Bildung eines Großbulgarien vorsah, das sich auch über Teile Thrakiens und über ganz Makedonien erstrecken sollte. Allerdings wurden diese von Rußland getragenen Vorstellungen auf dem *Berliner Kongreß wieder rückgängig gemacht und Makedonien kam erneut unter osmanische Verwaltung. Die Idee des „San-Stefanska-Bălgarija" blieb in der bulgarischen Politik eine wichtige Leitlinie. Die weitere Auseinandersetzung um Makedonien geschah nunmehr durch die direkte Beeinflussung der Bevölkerung über die *orthodoxen Kirchen, deren Zugehörigkeit den makedonischen Einwohnern suggeriert bzw. aufgedrängt wurde, sowie über serbische, griechische, bulgarische und auch rumänische Freischärler, die ihre jeweilige Nationalität mit Waffengewalt propagierten. Jetzt entstand auch erstmals eine national-makedonische Bewegung, die „Innere Makedonische Revolutionäre Organisation", IMRO (mak. Vnatrešna makedonska revolucionarna organizacija, VMRO). Sie wurde 1893 als Geheimorganisation mit dem Ziel gegründet, die Unabhängigkeit Makedoniens gegen die osmanische Herrschaft durchzusetzen. Die Bewegung spaltete sich jedoch nach einiger Zeit in einen Bulgarien-orientierten Teil, der den Anschluß Makedoniens an Bulgarien favorisierte, während ein anderer Teil weiterhin für ein freies Makedonien agierte. Ein vergeblicher Versuch wurde 1903 im sog. Ilinden-Aufstand (benannt nach dem Elias-Tag) unternommen. Im *Vilajet Monastir rief die IMRO eine „Republik von Kruševo" aus, die aber bereits nach einigen Wochen von osmanischen Truppen zerschlagen wurde. Dies zog die Internationalisierung des Streites um Makedonien nach sich. Die vom russischen Zaren Nikolaus II. und dem österreichischen Kaiser Franz Joseph I. geforderten Reformen bewirkten aber nur teilweise eine Beruhigung. (->Magocsi: Karte 26b)
Die heute bestehende Dreiteilung des makedonischen Gebietes geht auf die Grenzziehungen nach den beiden *Balkankriegen 1912/13 zurück. Makedonien war neben Thrakien und Albanien das Kriegsziel Serbiens, ->Montenegros, Griechenlands und Bulgariens. Im Ersten Balkankrieg wurden die Osmanen aus Makedonien vertrieben, im Zweiten Balkankrieg stritten sich Bulgarien einerseits sowie Serbien, Griechenland und Montenegro andererseits um die Aufteilung. Die im Friedensvertrag von Bukarest 1913 festgelegten Grenzführungen wurden mit einer geringfügigen Ausnahme bis heute beibehalten: Während Bulgarien in Makedonien nur einen schmalen Streifen bis zur Wasserscheide zwischen Struma und Vardar bekam, gingen Thessaloniki und Südmakedonien an Griechenland; den restlichen Teil Makedoniens erhielt Serbien. (->Magocsi: Karte 27c)
Die Angliederung der neuen Gebiete an Serbien, Bulgarien und Griechenland erfolgte überall unter der ähnlichen Zielsetzung der ethnischen Homogenisierung, sichtbar an der Vertreibung - nicht selten auch unter Gewaltanwendung - der jeweils andersnationalen Bevölkerung (hiervon waren vor allem türkische Bauern betroffen), in der Schließung ihrer religiösen Einrichtungen und Schulen sowie im Verbot ihrer Sprachen.
Bulgarien unternahm im Ersten Weltkrieg auf der Seite der Mittelmächte einen weiteren Versuch, sich Makedonien vollständig anzueignen. Allerdings wurde ihm das 1915-1918 besetzte Vardar-Makedonien im Frieden von Neuilly 1919 wieder abgesprochen. Die Friedenskonferenzen von Paris bestätigten insofern die Grenzbestimmungen von Bukarest 1913, als Vardar-Makedonien weiterhin bei Serbien bzw. dem 1918 proklamierten Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen verblieb, Griechenland sein makedonisches Territorium behielt, Bulgarien aber die Stadt Strumica und Umgebung an das SHS-Königreich abgeben mußte. In „Südserbien", wie der serbische Teil Makedoniens nun bezeichnet wurde, setzte man die Serbisierung der Bevölkerung - analog zu einer Gräzisierung in Griechisch-Makedonien - fort. Mit der Auflösung der *Tsiflikgüter wurden die letzten Reste der osmanischen Herrschaft beseitigt. Frieden kehrte aber nicht ein, da die aus Bulgarien gesteuerte IMRO weiterhin bewaffnete Übergriffe auf das serbische und griechische Makedonien durchführte. Den Höhepunkt ihrer Aktivitäten stellte 1934 der Anschlag auf den serbischen König Aleksandar I. und den französischen Außenminister Barthou in Marseille dar, den Anhänger der IMRO zusammen mit der kroatischen Ustaša durchgeführt hatten. (->Magocsi: Karte 41c)
Makedonisches „nation-building" nach 1945
Der entscheidende Schritt zur makedonischen Nationswerdung wurde nach 1945 eingeleitet, als Makedonien als Republik in den jugoslawischen Staatsverband aufgenommen wurde. Während des Weltkrieges war dies bereits projektiert worden. Das im Westen italienisch kontrollierte, im Ostteil bulgarisch besetzte Land wurde Ende November 1944 von den kommunistischen Tito-Partisanen übernommen. Tito hatte bereits auf der ersten Sitzung seiner provisorischen Regierung (AVNOJ) im November 1942 in Bihać die Makedonen als eine der fünf konstituierenden Nationen ->Jugoslawiens benannt sowie im November 1943 in Jajce das neue Jugoslawien in seinen Kriegsgrenzen zur föderativen Republik mit sechs Einheiten - darunter Makedonien - erklärt. Richtungweisend war ferner die erste Sitzung des höchsten legislativen und exekutiven Organs einer makedonischen Republik, „Antifašisticko Sobranje na Narodnoto osloboduvanje na Makedonija" (ASNOM; Antifaschistischer Rat der Volksbefreiung Makedoniens), im (heute südserbischen) Kloster Prohor Pčinjski am 2. August 1944. Hier wurde Makedonien als gleichberechtigte föderale Einheit im Rahmen des zu gründenden Jugoslawien proklamiert. Die ersten Gemeindewahlen in der jugoslawischen Republik Makedonien fanden im März 1945 statt. Eine gewählte verfassunggebende Versammlung rief am 31. Dezember 1946 eine Landesverfassung aus. Die Makedonen erhielten damit als jugoslawische Staatsangehörige im Rahmen ihrer Republik eine eigene „staatliche" Identität, die im weiteren „von oben" gefördert wurde.
Die Republiksführung begann nach 1945 mit der systematischen Indoktrinierung der Bevölkerung, deren makedonisches Nationalgefühl weiterentwickelt werden sollte. Belgrad förderte dies, um bulgarischen territorialen Aspirationen entgegenzutreten. Skopje erhielt nun eine Universität, eine Akademie der Wissenschaften, eine Nationalbibliothek und ein Nationaltheater. Grundlegend für das nationale Selbstverständnis wurde auch die Kodifizierung und Propagierung der makedonischen Schriftsprache. Ferner hatte die Historiographie für eine nationale Geschichtsschreibung zu sorgen, die - ungeachtet der historischen Wirklichkeit - bereits in der Zeit der slawischen Landnahme beginnen sollte. Ein weiteres Attribut der makedonischen nationalen Identität konstituierte sich durch die Trennung der makedonischen orthodoxen Kirche von der serbischen Orthodoxie. Auf der Synode 1958 wurde die Neugründung des Erzbistums Ohrid und damit die kirchliche Autonomie beschlossen. 1967 erklärte eine Synode makedonischer Kirchenvertreter in Ohrid trotz des vehementen Widerstandes der serbischen Bischofsversammlung die *Autokephalie der makedonischen orthodoxen Kirche, die bisher jedoch von keiner anderen orthodoxen Kirche anerkannt worden ist.
Makedonien spielte auch in der Vorgeschichte des Bruches zwischen Tito und Stalin eine Rolle. Das Territorium sollte ein Bestandteil der zwischen Tito und dem bulgarischen Präsidenten Dimitrov diskutierten Balkanföderation werden. Nach dem Ausschluß Jugoslawiens aus der Kominform wurden diese Pläne aber fallengelassen, wenngleich danach der Streit um Makedonien zwischen Belgrad und Sofia immer wieder aufflackerte. Ähnlich verhielt es sich zwischen Jugoslawien und Griechenland, wo ebenfalls Ansprüche auf das jeweilige makedonische Gebiet des anderen geäußert wurden: Athen betrachtet Makedonien als Mittelpunkt des antiken Reiches von Alexander dem Großen. Auf die Beziehungen zwischen beiden Staaten hatte sich ebenfalls negativ ausgewirkt, daß die slawische Minderheit in Nordgriechenland während des griechischen Bürgerkriegs Verbindungen zu den kommunistischen griechischen Aufständischen unterhielt, die von den Regierungen Albaniens und Jugoslawiens unterstützt wurden. Offizieller griechischer Haltung zufolge gab es auf griechischem Staatsgebiet keine slawische Minderheit, sondern nur „slavophone Griechen", die infolge der slawischen Überlagerung ihre griechische Muttersprache aufgegeben hätten.
Innerhalb Jugoslawiens war Makedonien als Obst- und Gemüseanbaugebiet die wirtschaftlich am schwächsten entwickelte Republik. Dies lag in erster Linie an der kaum vorhandenen Infrastruktur und an der unbedeutenden Industrie, was schon in der Zwischenkriegszeit viele Makedonen zur Auswanderung veranlaßt hatte, an der hohen Arbeitslosenquote und am geringen Bildungsniveau. Export und Import waren unbedeutend. Zu ethnischen Spannungen mit der albanischen Bevölkerung kam es Ende der 60er und in den 80er Jahren.
Die wirtschaftliche Förderung Makedoniens innerhalb der jugoslawischen Föderation trug auch dazu bei, daß Skopje den Weg zur staatlichen Unabhängigkeit nur zögerlich beschritt. Erst nach der Separation -> Sloweniens und ->Kroatiens wurden der politische Umbau und die Ablösung des sozialistischen Systems vorangetrieben. Bei den ersten freien makedonischen Wahlen vom 9. November 1990 wurden zum ersten Mal mehrere Parteien zugelassen. Im Januar 1991 kam es zur Einigung auf die Einsetzung einer Republiksführung unter dem Reformkommunisten Kiro Gligorov. Am 21. November 1991 erklärte Makedonien seine staatliche Unabhängigkeit.
Makedonien wurde, da hier kaum Serben leben, anders als Slowenien, Kroatien und ->Bosnien-Herzegowina, von keinen direkten Kriegshandlungen in Mitleidenschaft gezogen; die jugoslawische Armee zog im Frühjahr 1992 ab. Allerdings erheben nationalistische Kreise in Serbien noch immer Ansprüche auf das makedonische Territorium. Auch die griechische Haltung gegenüber Skopje ist wenig freundlich: So scheiterte die völkerrechtliche Anerkennung Makedoniens lange am Veto Athens, das sich wegen seiner gleichnamigen Provinz nicht mit dem Staatsnamen Makedonien zufrieden zeigte und dahinter territoriale Ambitionen vermutete. Bulgarien verfolgt eine ähnliche Politik. Es bestätigte zwar die Unabhängigkeit der Republik Makedonien, bestreitet aber die Eigenständigkeit der makedonischen Nation. Albanien gegenüber konnten die Beziehungen auf eine freundschaftliche Grundlage gestellt werden, allerdings fühlen sich die albanischen Einwohner Makedoniens - rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung - von der Politik Skopjes zunehmend benachteiligt. Die Innenpolitik muß darauf bedacht sein, ausgleichend zwischen den vielen ethnischen Minderheiten zu wirken: Der Zensus des Jahres 1994 erbrachte eine Gesamtzahl von 1.936.877 Einwohnern, davon 66,5 % Makedonen, 22,9 % Albaner, 4 % Türken, 2,3 % Roma (->Sinti und Roma), 2 % Serben, 0,8 % Muslime, 0,4 % *Walachen (->Aromunen) und 1,2 % andere Nationalitäten. Unter der vorläufigen Bezeichnung „Former Yugoslav Republic of Macedonia" (FYROM) wurde der Staat am 8. April 1993 von den Vereinten Nationen aufgenommen.
Forschungsfragen
Tiefergehende Gesamtdarstellungen der makedonischen Nationalgeschichte in westlichen Sprachen fehlen bislang. Die makedonischen Historiker haben sich bisher kaum von der wenig überzeugenden Vorstellung gelöst, daß eine makedonische Staatlichkeit im Mittelalter als Begründung für die Existenz des neuen Staates Makedonien zu propagieren ist. Auch wegen dieser historischen Determiniertheit konzentrierten sich viele makedonische Darstellungen auf Fragen der Volks- und Nationswerdung. Der IMRO gewidmete Abhandlungen sind in großer Zahl vorhanden. Griechische und bulgarische Darstellungen gehen oftmals davon aus, daß Makedonien bzw. die makedonische Nation eine Fiktion darstellen. An Forschungseinrichtungen sind die Makedonische Akademie der Wissenschaften und das Institut für Nationale Geschichte in Skopje sowie die beiden Staatsarchive in Skopje und Ohrid zu nennen.
Auswahlbibliographie
->Bulgarien, ->Griechenland, ->Jugoslawien, ->Serbien
Bibliographien, Hilfsmittel
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