Albanesi
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Als Krisenherd ist Mazedonien in die Schlagzeilen geraten. Die Wahrnehmung der Region als "europäischer Hinterhof" wird ihrem kulturellen Reichtum jedoch nicht gerecht. Die "andere Seite" Mazedoniens ist jetzt in einer Münchner Ausstellung zu sehen.
Von Peter Schütt
Es wäre sicher keine schlechte Idee gewesen, wenn die deutschen Soldaten, die in Mazedonien den Streit zwischen der slawisch-mazedonischen Mehrheit und der albanischen Minderheit schlichten sollen, vorher in München Station gemacht hätten. Dort, im Museum für Völkerkunde, hätten sie Gelegenheit gehabt, sich im Rahmen einer umfassenden kulturgeschichtlichen Ausstellung über "Reichtum und Vielfalt alter Kulturen zwischen Kreuz und Halbmond" in Albanien, dem Kosovo und Mazedonien zu informieren. Rund eintausend Exponate aus mehr als drei Jahrtausenden machen deutlich, dass das "Herz des Balkans" schon immer umstritten und hin und her gerissen war – zwischen Griechen und Römern, zwischen Rom und Byzanz, zwischen Katholiken und Orthodoxen, zwischen Albanern und Slawen. Dabei wechselten ausgesprochen kriegerische Perioden mit langen Epochen friedlicher Koexistenz zwischen unterschiedlichen Völkern, Kulturen und Religionen. Die Fülle der Münchner Exponate macht deutlich, dass die Wahrnehmung der Balkanregion als europäischer "Hinterhof" oder gar als "Vorhof zur Dritten Welt" viel mit zentraleuropäischer Verblendung zu tun hat. Der Balkan hat Jahrtausende lang nicht am Rande Europas gelegen, sondern in seiner kulturellen Mitte – jedenfalls solange man den Kontinent nicht auf seine atlantische Küsten begrenzte, sondern als Brücke zwischen Abend- und Morgenland begriffen hat. Da werden in München antike Amphoren, Grabmäler und Meilensteine mit griechischen, lateinischen und illyrischen Inschriften gezeigt, die von alten Hochkulturen Zeugnis ablegen. Frühchristliche Buchmalereien und mittelalterliche Ikonen dokumentieren die künstlerische Produktivität der orthodoxen Klöster, die auch unter den Osmanen fortbestanden. Thorarollen, rituelle Leuchter und frühe hebräische Buchdrucke zeigen die Bedeutung der sephardisch-jüdischen Gemeinden für den gesamten Kulturraum des Balkans. Farbenprächtige Gebetsteppiche, Mosaiken, Fresken und Arabesken kennzeichnen die kulturelle Vielfalt der mehr als fünfhundertjährigen islamischen Epoche. Dabei fällt ins Auge, welchen enormen Einfluss die Bektaschi-Derwische gerade in Mazedonien ausgeübt haben. Ihr Orden steht für einen toleranten, ursprünglich schiitischen Volksislam mit eigenen, von der Orthodoxie abweichenden Bräuchen. Im mazedonischen "Herzen des Balkans" unterhielten die Bektaschi-Mystiker zahlreiche verborgene Klöster, in denen unter anderem die Feldgeistlichen der balkanischen Janitscharen, der Elitetruppen des Sultans, ausgebildet wurden. Diese "Tekke" waren über Jahrhunderte Zentren der religiösen Volkskunst, aber auch der Poesie und der Malerei. Um dem Druck der Sultane auszuweichen, verlegte der Groß-Dede, der Ordensmeister der Bektaschi-Derwische, zeitweise seinen Sitz aus dem anatolischen Hadschibektasch in das von Karl May nach gründlichem Quellenstudium anschaulich beschriebene "Land der Skipetaren". Karl Mays Buch blieb nicht ohne Folgen. Die Münchner Ausstellung zeigt, dass die Trivialliteratur mit ihren Räubergeschichten und ihrer realitätsfremden Sinti und Romaromantik den Balkan bald zum "wilden Osten" Europas machte.
Von Peter Schütt
Es wäre sicher keine schlechte Idee gewesen, wenn die deutschen Soldaten, die in Mazedonien den Streit zwischen der slawisch-mazedonischen Mehrheit und der albanischen Minderheit schlichten sollen, vorher in München Station gemacht hätten. Dort, im Museum für Völkerkunde, hätten sie Gelegenheit gehabt, sich im Rahmen einer umfassenden kulturgeschichtlichen Ausstellung über "Reichtum und Vielfalt alter Kulturen zwischen Kreuz und Halbmond" in Albanien, dem Kosovo und Mazedonien zu informieren. Rund eintausend Exponate aus mehr als drei Jahrtausenden machen deutlich, dass das "Herz des Balkans" schon immer umstritten und hin und her gerissen war – zwischen Griechen und Römern, zwischen Rom und Byzanz, zwischen Katholiken und Orthodoxen, zwischen Albanern und Slawen. Dabei wechselten ausgesprochen kriegerische Perioden mit langen Epochen friedlicher Koexistenz zwischen unterschiedlichen Völkern, Kulturen und Religionen. Die Fülle der Münchner Exponate macht deutlich, dass die Wahrnehmung der Balkanregion als europäischer "Hinterhof" oder gar als "Vorhof zur Dritten Welt" viel mit zentraleuropäischer Verblendung zu tun hat. Der Balkan hat Jahrtausende lang nicht am Rande Europas gelegen, sondern in seiner kulturellen Mitte – jedenfalls solange man den Kontinent nicht auf seine atlantische Küsten begrenzte, sondern als Brücke zwischen Abend- und Morgenland begriffen hat. Da werden in München antike Amphoren, Grabmäler und Meilensteine mit griechischen, lateinischen und illyrischen Inschriften gezeigt, die von alten Hochkulturen Zeugnis ablegen. Frühchristliche Buchmalereien und mittelalterliche Ikonen dokumentieren die künstlerische Produktivität der orthodoxen Klöster, die auch unter den Osmanen fortbestanden. Thorarollen, rituelle Leuchter und frühe hebräische Buchdrucke zeigen die Bedeutung der sephardisch-jüdischen Gemeinden für den gesamten Kulturraum des Balkans. Farbenprächtige Gebetsteppiche, Mosaiken, Fresken und Arabesken kennzeichnen die kulturelle Vielfalt der mehr als fünfhundertjährigen islamischen Epoche. Dabei fällt ins Auge, welchen enormen Einfluss die Bektaschi-Derwische gerade in Mazedonien ausgeübt haben. Ihr Orden steht für einen toleranten, ursprünglich schiitischen Volksislam mit eigenen, von der Orthodoxie abweichenden Bräuchen. Im mazedonischen "Herzen des Balkans" unterhielten die Bektaschi-Mystiker zahlreiche verborgene Klöster, in denen unter anderem die Feldgeistlichen der balkanischen Janitscharen, der Elitetruppen des Sultans, ausgebildet wurden. Diese "Tekke" waren über Jahrhunderte Zentren der religiösen Volkskunst, aber auch der Poesie und der Malerei. Um dem Druck der Sultane auszuweichen, verlegte der Groß-Dede, der Ordensmeister der Bektaschi-Derwische, zeitweise seinen Sitz aus dem anatolischen Hadschibektasch in das von Karl May nach gründlichem Quellenstudium anschaulich beschriebene "Land der Skipetaren". Karl Mays Buch blieb nicht ohne Folgen. Die Münchner Ausstellung zeigt, dass die Trivialliteratur mit ihren Räubergeschichten und ihrer realitätsfremden Sinti und Romaromantik den Balkan bald zum "wilden Osten" Europas machte.