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Massaker von Srebrenica: Der unglaubwürdige Kronzeuge
von John Laughland
Völkermord-Urteil ruht allein auf der Aussage eines „pathologischen Lügners“
Im Jahr 1993, ein Jahr nach dem Ausbruch des Krieges in Bosnien, wurde von Bosnien-Herzegovina beim Internationalen Gerichtshof gegen die Bundesrepublik Jugoslawien Anklage wegen Völkermordes erhoben. Die Mühlen internationaler Justiz mahlen langsam, besonders am IGH (ein Schiedsgericht ohne Zwangsmittel und mit geringer Zuständigkeit im internationalen Strafrecht) und das Urteil ließ bis Februar 2007 auf sich warten. In fast allen Einzelfällen, besonders im zentralen Punkt, dass die bosnischen Serben irgendwie unter der Kontrolle Jugoslawiens gestanden hätten, fiel die Entscheidung gegen Bosnien und zugunsten Serbiens.
Auch verwarf die IGH-Entscheidung systematisch die Behauptungen bosnischer Muslime, wonach die Streitkräfte der bosnischen Serben versucht hätten, sie als Nation auszuradieren. Die Bosnier brachten, vom grausigen bis zum lächerlichen, eine riesige Menge an Beweismaterial vor. Einiges davon hat sich inzwischen als unwahr herausgestellt, wie beispielsweise die berühmte Behauptung, dass ein bosnisch-serbischer Wachmann eines Lagers einen Insassen zwang, die Hoden eines anderen Insassen abzubeißen; andere Behauptungen waren schon immer absurd, so zum Beispiel, dass Völkermord begangen wurde, als bosnische Serben Muslime „seelisch verletzten“, indem sie sie zwangen, sich zu bekreuzigen.
Aber selbst dort, wo das Gericht Übergriffe feststellte, wurden sie – mit einer berühmten Ausnahme – von ihm nicht als Völkermord gewertet. Von den 1993 eingereichten hunderten Seiten über von bosnischen Muslimen behaupteten Völkermordhandlungen, die angeblich über mehrere Jahre hinweg begangen wurden (1996 reichten sie neue Behauptungen ein), blieb nur das Massaker von Srebrenica im Juli 1995 übrig. Dieses allein ist vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ISeJ), und folglich vom IGH (welcher einfach den Urteilen des ISeJ folgt), als Völkermord eingestuft worden.
Aber was sind die Beweise für die Feststellung, dass in Srebrenica Völkermord begangen wurde? Ich stelle die Frage nicht in dem nützlichen Sinn, in dem sie von Ermittlern wie Jonathan Rooper gestellt (und beantwortet) worden ist. Ich frage, was die Beweise sind, die im ISeJ vor Gericht zur Unterstützung dieses einmalig erfolgreichen Antrags vorgebracht wurden?
Germinal Civikov ist gebürtiger Bulgare, der in Den Haag und Köln lebt. Sein Buch „Srebrenica: Der Kronzeuge“ (Wien: Promedia 2009) ist in einem klaren und humorvollen Stil geschrieben. Seine Erkenntnisse sind vernichtend. Civikov erklärt, dass das ISeJ-Urteil, dass bei Screbrenica Völkermord begangen wurde, auf die Aussage eines einzigen Zeugen fußt, einem geständigen Täter eines der Massaker, dessen Name Drazen Erdemonic ist. Civikovs Diskussion des „Kronzeugen“ und seiner Beweise liest sich wie ein Detektivroman. Er sollte wirklich verfilmt werden.
Erdemovic tauchte ursprünglich im Jahr 1996 auf, nachdem er in Jugoslawien wegen Kriegsverbrechen festgenommen worden war. Er setzte sich mit dem Ankläger in Den Haag in Verbindung, weil er glaubte, dass ihm gegen die Vorlage von Beweisen Immunität zugesprochen werden würde. Nach Den Haag überführt, wurde er selbst wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, wozu er sich schuldig bekannte, nachdem er zugegeben hatte, am Massaker an 1.200 muslimischen Zivilisten beteiligt gewesen zu sein, von denen er persönlich ungefähr 100 umgebracht hatte. Aufgrund dieses Massenmordes wurde Erdemovic vom ISeJ zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, die nach einer Berufung auf fünf Jahre verkürzt wurde, weil er so gut mit dem Ankläger kooperiert hatte. Aber es gab nie ein Gerichtsverfahren, weil er sich für schuldig erklärt hatte, und so gab es nie ein Kreuzverhör. Kurz nach seiner Verurteilung wurde er aus dem Gefängnis entlassen, weil man seine Strafe für zum großen Teil abgesessen betrachtete, und er lebt nun unter einer geschützten Identität in einem nordwesteuropäischen Land. Dieser Massenmörder könnte sehr wohl Ihr Nachbar sein.
Das Interesse Civikovs an dem Fall wurde geweckt, als er begann, über den Wahrheitsgehalt der Aussage Erdemovics nachzudenken. Die Gefangenen, so hatte er behauptet, wurden in Gruppen zu jeweils zehn erschossen. Sie wurden mit Bussen herbeigefahren, aus den Bussen geholt, zum Exekutionsort auf einem Feld mehrere hundert Meter entfernt geführt, und wurden, nachdem man ihnen ihre Habseligkeiten abgenommen hatte, erschossen. Streitereien brachen zwischen den Henkern und den Opfern aus; die Henker tranken und stritten sich; es gab einige bewegende Szenen, als Erdemovic einen alten Mann zu retten versuchte, ihn schließlich jedoch wie die anderen erschießen musste. Es sei schlechthin unmöglich, argumentierte Civikov, 1.200 Menschen auf diese Weise innerhalb von fünf Stunden zu töten, es sei denn, man geht davon aus, dass jede Gruppe von zehn Männern innerhalb von zweieinhalb Minuten umgebracht wurde. Selbst wenn es zehn Minuten gedauert hätte, jede Gruppe zu töten, und das allein wäre eine Leistung gewesen, hätte es statt dessen 20 Stunden gebraucht, um so viele Menschen zu töten. Wenn Sie nachrechnen, werden Sie feststellen, dass er recht hat.
Im Verlauf der dreizehn Jahre, seit dem Erdemovic seine Geschichte in vier verschiedenen Gerichtsverhandlungen aufgetischt hat, hat nicht einer der ISeJ-Richter jemals diese einfache Rechenoperation durchgeführt oder den Wahrheitsgehalt seiner Darstellung in Frage gestellt. Statt dessen wurde Erdemovic immer wieder aus seinem neuen Leben herbeizitiert, um seine Geschichte zu erzählen. Während einer der ersten Anhörungen wurde der Ankläger von einem der Richter gefragt, ob diese anderen Männer gestellt werden würden und ihm wurde versichert, dass dies geschehen werde. Doch nicht nur hat das Amt des Anklägers nie versucht, diese Männer festzunehmen oder gar zu befragen, einer von ihnen (der Einheitskommandant) lebt in Belgrad und hat der serbischen Presse Interviews gegeben, während ein anderer in den USA wegen einer anderen Angelegenheit festgenommen wurde, ohne dass von Den Haag ein Auslieferungsantrag für ihn gestellt wurde. Es ist, als ob der Ankläger fest entschlossen ist, jeden anderen daran zu hindern, seine Sicht der Ereignisse darzustellen.
Abgesehen vom Zugeständnis über das Massaker ist der entscheidende Punkt in der Aussage Erdemovics seine Behauptung, dass seine Einheit auf Befehl der bosnisch-serbischen Führung handelte. Jedoch, wie Civikov mit intensiver Detailgenauigkeit aufzeigt, sind Erdemovics eigene Aussagen über die Befehlsstruktur seines kleinen Zugs widersprüchlich und unwahr. Er behauptet, dass er zu diesem Massaker gezwungen wurde und dass die Befehle dazu von einem seiner Mittäter, Brano Gojkovic, kamen. Aber, wie Civikov zeigt, und wie selbst die Anklage an einem Punkt zuzugeben gezwungen war, war dieser Gojkovic ein einfacher Soldat, der keinem Befehle erteilen konnte. Statt dessen, wie Civikov ebenfalls zeigt, stellt sich heraus, dass Erdemovic selbst ein Unteroffizier war (vor Gericht behauptete er wahrheitswidrig das Gegenteil, nämlich dass ihm sein Dienstgrad aberkannt worden war), während ein anderer Mittäter ein Leutnant war. Es ist einem einfachen Soldaten offensichtlich unmöglich, zwei Offizieren und anderen Soldaten Befehle zu erteilen, Kriegsverbrechen zu begehen. Wenn aber dieser Beweis fehlerhaft ist, wie wertvoll ist dann Erdemovics Behauptung, dass Gojkovics Befehle aus dem bosnisch-serbischen Hauptquartier in Pale kamen?
Erdemovic hat sich selbst, auch in den Medien, als jämmerliches Opfer des bosnischen Krieges dargestellt. Er tat, was er tat, weil er musste. Sogar eine Art Roman ist über ihn geschrieben worden, wie auch Zeitungsartikel, in dem er in den Status eines heiligen Narren erhoben wird. Civikov kämpft sich durch einen Berg von Beweisen eines ganzen Jahrzehnts, um zu zeigen, dass Erdemovic in Wirklichkeit sowohl ein pathologischer Lügner wie auch ein kaltblütiger Mörder ist. Er wurde nicht zum Soldatendienst eingezogen und zum Kampf gezwungen, sondern war ein Söldner, der im bosnischen Bürgerkrieg auf allen drei Seiten (!) kämpfte. Er wurde nicht unter Androhung der Todesstrafe gezwungen, ein Massaker zu verüben, wie er vor Gericht behauptete. Im Gegenteil, Civikov zeigt, dass seine Einheit auf Urlaub war, als das Massaker stattfand. Er war nicht das Opfer eines späteren versuchten Mordes, womit seine Aussage verhindert werden sollte, sondern statt dessen ein Krimineller und ein Verbrecher, der sich mit seinen Mordgesellen um Geld stritt und der, nach eigenen Angaben, zu blindwütigen Gewalt- und Zornanfällen neigt. Während seiner Zeit in den anderen bosnischen Armeen (der kroatischen und moslemischen) war er offenbar ein skrupelloser Kriegsprofiteur, der Menschen gegen sicheres Geleit Geld abknöpfte.
Civikov hat mich überzeugt, dass in Wirklichkeit folgendes passierte. Erdemovic gehörte einer Söldnereinheit an, die nach dem Fall Srebrenicas auf Urlaub war. Am 15. Juli 1995 gab jemand ihm und einigen anderen im Urlaub befindlichen Söldnern viel Geld (Gold sogar), um ein Kriegsverbrechen zu begehen, in diesem Fall ein Massaker an Gefangenen. Mit anderen Worten, die bosnisch-serbische Führung hatte nichts damit zu tun – und daher die groteske Geschichte des befehlshabenden einfachen Soldaten. (Vielleicht war er derjenige mit dem Geld.) Die Söldner entführten dann Busse mit Gefangenen, die auf dem Weg waren, von der bosnisch-serbischen Führung ausgetauscht zu werden – zum Entsetzen der nichtsahnenden Busfahrer und natürlich der Gefangenen selbst – und ermordeten sie. Einige Tage später fand in einer Bar ein Kampf um das Geld statt, und unter den bisherigen Kameraden kam es zu einer Schießerei: Erdemovic wurde im Bauch getroffen und machte später vor Gericht eine sentimentale Szene, als er sein Hemd hob, die Narbe zeigte und behauptete, dass sie versucht hatten, ihn zu töten, um seine Aussage zu verhindern. Als er der Situation durch Flucht nach Jugoslawien entkam, wurde er unerwartet von den jugoslawischen Behörden festgenommen, denen zu entfliehen ihm gelungen war, indem er sich seine Auslieferung nach Den Haag sicherte, wo ihn sein Selbstinteresse an einer milden Strafe, gekoppelt mit seiner Fähigkeit, Seemannsgarn zu spinnen, zum perfekten Zeugen der Anklage machte. Die Anklage gewann bei diesem Handel, weil sie „Beweise“ sowohl für Völkermord wie für die Befehlsverantwortung erlangte – womit sie in die Lage versetzt wurde, die „großen Fische“ Karadzic und Mladic zu verfolgen – während Erdemovic ebenfalls gewann, weil er nicht nur mit Massenmord davonkam, sondern ihm auch noch ein neues Leben, ein Haus und vermutlich auch irgendeine Art von Einkommen gegeben wurde. Ich wiederhole: Dies ist der Zeuge, auf dessen Aussage allein die ISeJ-Feststellung von Völkermord fußt.
Es bleiben offene Fragen. Wer bot den Söldnern Geld an und warum? Civikovs Buch fußt penibel auf dokumentierten Beweisen und es gibt keinen dokumentierten Beweis, der eine klare Antwort auf diese Frage stützt. Es gibt jedoch Spekulationen und Civikov diskutiert diese. Wie Milosevic während seines eigenen spannenden Kreuzverhörs von Erdemovic sagte – spannend weil, sobald er begann, sich der Wahrheit zu nähern, Richter Richard May intervenierte und ihn daran hinderte, seine Fragereihe fortzusetzen – es gab Berichte in Serbien über eine skrupellose französische Geheimdiensteinheit, die auf dem Territorium des früheren Jugoslawien operierte und später in einer Verschwörung involviert, bekannt als „Operation Spinne“, die seinen Sturz zum Ziel hatte. Es hat außerdem Berichte über die Anwesenheit dieser Leute bei Srebrenica gegeben. Der Westen, so wird angedeutet, „brauchte“ eine große Greueltat bei Srebrenica, und es war tatsächlich unmittelbar nach dem Fall dieser Stadt – hauptsächlich dank des Drucks vom französischen Präsidenten Jacques Chirac, der in der Sache die Führung übernahm – dass die NATO eingriff und den bosnischen Krieg beendete. Während sie bosnisch-serbische Ziele bombardierte, wurde Kroatien von den Amerikanern beim Anstoßen der „Operation Sturm“ unterstützt, in dessen Verlauf über eine Viertelmillionen Serben aus der Krajina vertrieben wurden. Besiegt und als Kriegsverbrecher ausgegrenzt, wurde die bosnisch-serbische Führung von der Teilnahme an der Friedenskonferenz in Dayton, wo die Amerikaner ein Handelsergebnis erzwangen, ausgeschlossen.
Merkwürdigerweise scheinen soeben Beweise aufgetaucht zu sein, dass die kroatischen Behörden einen Vorwand für Operation Sturm fabrizierten. Sind sie wahr? Ist dasselbe in Srebrenica passiert? Eines ist sicher: Das Fabrizieren von Vorwänden für militärische Aktionen ist der älteste aller Tricks. Bitte lesen Sie Civikovs Buch. Es ist brilliant.
von John Laughland
Völkermord-Urteil ruht allein auf der Aussage eines „pathologischen Lügners“
Im Jahr 1993, ein Jahr nach dem Ausbruch des Krieges in Bosnien, wurde von Bosnien-Herzegovina beim Internationalen Gerichtshof gegen die Bundesrepublik Jugoslawien Anklage wegen Völkermordes erhoben. Die Mühlen internationaler Justiz mahlen langsam, besonders am IGH (ein Schiedsgericht ohne Zwangsmittel und mit geringer Zuständigkeit im internationalen Strafrecht) und das Urteil ließ bis Februar 2007 auf sich warten. In fast allen Einzelfällen, besonders im zentralen Punkt, dass die bosnischen Serben irgendwie unter der Kontrolle Jugoslawiens gestanden hätten, fiel die Entscheidung gegen Bosnien und zugunsten Serbiens.
Auch verwarf die IGH-Entscheidung systematisch die Behauptungen bosnischer Muslime, wonach die Streitkräfte der bosnischen Serben versucht hätten, sie als Nation auszuradieren. Die Bosnier brachten, vom grausigen bis zum lächerlichen, eine riesige Menge an Beweismaterial vor. Einiges davon hat sich inzwischen als unwahr herausgestellt, wie beispielsweise die berühmte Behauptung, dass ein bosnisch-serbischer Wachmann eines Lagers einen Insassen zwang, die Hoden eines anderen Insassen abzubeißen; andere Behauptungen waren schon immer absurd, so zum Beispiel, dass Völkermord begangen wurde, als bosnische Serben Muslime „seelisch verletzten“, indem sie sie zwangen, sich zu bekreuzigen.
Aber selbst dort, wo das Gericht Übergriffe feststellte, wurden sie – mit einer berühmten Ausnahme – von ihm nicht als Völkermord gewertet. Von den 1993 eingereichten hunderten Seiten über von bosnischen Muslimen behaupteten Völkermordhandlungen, die angeblich über mehrere Jahre hinweg begangen wurden (1996 reichten sie neue Behauptungen ein), blieb nur das Massaker von Srebrenica im Juli 1995 übrig. Dieses allein ist vom Internationalen Strafgerichtshof für das ehemalige Jugoslawien (ISeJ), und folglich vom IGH (welcher einfach den Urteilen des ISeJ folgt), als Völkermord eingestuft worden.
Aber was sind die Beweise für die Feststellung, dass in Srebrenica Völkermord begangen wurde? Ich stelle die Frage nicht in dem nützlichen Sinn, in dem sie von Ermittlern wie Jonathan Rooper gestellt (und beantwortet) worden ist. Ich frage, was die Beweise sind, die im ISeJ vor Gericht zur Unterstützung dieses einmalig erfolgreichen Antrags vorgebracht wurden?
Germinal Civikov ist gebürtiger Bulgare, der in Den Haag und Köln lebt. Sein Buch „Srebrenica: Der Kronzeuge“ (Wien: Promedia 2009) ist in einem klaren und humorvollen Stil geschrieben. Seine Erkenntnisse sind vernichtend. Civikov erklärt, dass das ISeJ-Urteil, dass bei Screbrenica Völkermord begangen wurde, auf die Aussage eines einzigen Zeugen fußt, einem geständigen Täter eines der Massaker, dessen Name Drazen Erdemonic ist. Civikovs Diskussion des „Kronzeugen“ und seiner Beweise liest sich wie ein Detektivroman. Er sollte wirklich verfilmt werden.
Erdemovic tauchte ursprünglich im Jahr 1996 auf, nachdem er in Jugoslawien wegen Kriegsverbrechen festgenommen worden war. Er setzte sich mit dem Ankläger in Den Haag in Verbindung, weil er glaubte, dass ihm gegen die Vorlage von Beweisen Immunität zugesprochen werden würde. Nach Den Haag überführt, wurde er selbst wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt, wozu er sich schuldig bekannte, nachdem er zugegeben hatte, am Massaker an 1.200 muslimischen Zivilisten beteiligt gewesen zu sein, von denen er persönlich ungefähr 100 umgebracht hatte. Aufgrund dieses Massenmordes wurde Erdemovic vom ISeJ zu einer zehnjährigen Gefängnisstrafe verurteilt, die nach einer Berufung auf fünf Jahre verkürzt wurde, weil er so gut mit dem Ankläger kooperiert hatte. Aber es gab nie ein Gerichtsverfahren, weil er sich für schuldig erklärt hatte, und so gab es nie ein Kreuzverhör. Kurz nach seiner Verurteilung wurde er aus dem Gefängnis entlassen, weil man seine Strafe für zum großen Teil abgesessen betrachtete, und er lebt nun unter einer geschützten Identität in einem nordwesteuropäischen Land. Dieser Massenmörder könnte sehr wohl Ihr Nachbar sein.
Das Interesse Civikovs an dem Fall wurde geweckt, als er begann, über den Wahrheitsgehalt der Aussage Erdemovics nachzudenken. Die Gefangenen, so hatte er behauptet, wurden in Gruppen zu jeweils zehn erschossen. Sie wurden mit Bussen herbeigefahren, aus den Bussen geholt, zum Exekutionsort auf einem Feld mehrere hundert Meter entfernt geführt, und wurden, nachdem man ihnen ihre Habseligkeiten abgenommen hatte, erschossen. Streitereien brachen zwischen den Henkern und den Opfern aus; die Henker tranken und stritten sich; es gab einige bewegende Szenen, als Erdemovic einen alten Mann zu retten versuchte, ihn schließlich jedoch wie die anderen erschießen musste. Es sei schlechthin unmöglich, argumentierte Civikov, 1.200 Menschen auf diese Weise innerhalb von fünf Stunden zu töten, es sei denn, man geht davon aus, dass jede Gruppe von zehn Männern innerhalb von zweieinhalb Minuten umgebracht wurde. Selbst wenn es zehn Minuten gedauert hätte, jede Gruppe zu töten, und das allein wäre eine Leistung gewesen, hätte es statt dessen 20 Stunden gebraucht, um so viele Menschen zu töten. Wenn Sie nachrechnen, werden Sie feststellen, dass er recht hat.
Im Verlauf der dreizehn Jahre, seit dem Erdemovic seine Geschichte in vier verschiedenen Gerichtsverhandlungen aufgetischt hat, hat nicht einer der ISeJ-Richter jemals diese einfache Rechenoperation durchgeführt oder den Wahrheitsgehalt seiner Darstellung in Frage gestellt. Statt dessen wurde Erdemovic immer wieder aus seinem neuen Leben herbeizitiert, um seine Geschichte zu erzählen. Während einer der ersten Anhörungen wurde der Ankläger von einem der Richter gefragt, ob diese anderen Männer gestellt werden würden und ihm wurde versichert, dass dies geschehen werde. Doch nicht nur hat das Amt des Anklägers nie versucht, diese Männer festzunehmen oder gar zu befragen, einer von ihnen (der Einheitskommandant) lebt in Belgrad und hat der serbischen Presse Interviews gegeben, während ein anderer in den USA wegen einer anderen Angelegenheit festgenommen wurde, ohne dass von Den Haag ein Auslieferungsantrag für ihn gestellt wurde. Es ist, als ob der Ankläger fest entschlossen ist, jeden anderen daran zu hindern, seine Sicht der Ereignisse darzustellen.
Abgesehen vom Zugeständnis über das Massaker ist der entscheidende Punkt in der Aussage Erdemovics seine Behauptung, dass seine Einheit auf Befehl der bosnisch-serbischen Führung handelte. Jedoch, wie Civikov mit intensiver Detailgenauigkeit aufzeigt, sind Erdemovics eigene Aussagen über die Befehlsstruktur seines kleinen Zugs widersprüchlich und unwahr. Er behauptet, dass er zu diesem Massaker gezwungen wurde und dass die Befehle dazu von einem seiner Mittäter, Brano Gojkovic, kamen. Aber, wie Civikov zeigt, und wie selbst die Anklage an einem Punkt zuzugeben gezwungen war, war dieser Gojkovic ein einfacher Soldat, der keinem Befehle erteilen konnte. Statt dessen, wie Civikov ebenfalls zeigt, stellt sich heraus, dass Erdemovic selbst ein Unteroffizier war (vor Gericht behauptete er wahrheitswidrig das Gegenteil, nämlich dass ihm sein Dienstgrad aberkannt worden war), während ein anderer Mittäter ein Leutnant war. Es ist einem einfachen Soldaten offensichtlich unmöglich, zwei Offizieren und anderen Soldaten Befehle zu erteilen, Kriegsverbrechen zu begehen. Wenn aber dieser Beweis fehlerhaft ist, wie wertvoll ist dann Erdemovics Behauptung, dass Gojkovics Befehle aus dem bosnisch-serbischen Hauptquartier in Pale kamen?
Erdemovic hat sich selbst, auch in den Medien, als jämmerliches Opfer des bosnischen Krieges dargestellt. Er tat, was er tat, weil er musste. Sogar eine Art Roman ist über ihn geschrieben worden, wie auch Zeitungsartikel, in dem er in den Status eines heiligen Narren erhoben wird. Civikov kämpft sich durch einen Berg von Beweisen eines ganzen Jahrzehnts, um zu zeigen, dass Erdemovic in Wirklichkeit sowohl ein pathologischer Lügner wie auch ein kaltblütiger Mörder ist. Er wurde nicht zum Soldatendienst eingezogen und zum Kampf gezwungen, sondern war ein Söldner, der im bosnischen Bürgerkrieg auf allen drei Seiten (!) kämpfte. Er wurde nicht unter Androhung der Todesstrafe gezwungen, ein Massaker zu verüben, wie er vor Gericht behauptete. Im Gegenteil, Civikov zeigt, dass seine Einheit auf Urlaub war, als das Massaker stattfand. Er war nicht das Opfer eines späteren versuchten Mordes, womit seine Aussage verhindert werden sollte, sondern statt dessen ein Krimineller und ein Verbrecher, der sich mit seinen Mordgesellen um Geld stritt und der, nach eigenen Angaben, zu blindwütigen Gewalt- und Zornanfällen neigt. Während seiner Zeit in den anderen bosnischen Armeen (der kroatischen und moslemischen) war er offenbar ein skrupelloser Kriegsprofiteur, der Menschen gegen sicheres Geleit Geld abknöpfte.
Civikov hat mich überzeugt, dass in Wirklichkeit folgendes passierte. Erdemovic gehörte einer Söldnereinheit an, die nach dem Fall Srebrenicas auf Urlaub war. Am 15. Juli 1995 gab jemand ihm und einigen anderen im Urlaub befindlichen Söldnern viel Geld (Gold sogar), um ein Kriegsverbrechen zu begehen, in diesem Fall ein Massaker an Gefangenen. Mit anderen Worten, die bosnisch-serbische Führung hatte nichts damit zu tun – und daher die groteske Geschichte des befehlshabenden einfachen Soldaten. (Vielleicht war er derjenige mit dem Geld.) Die Söldner entführten dann Busse mit Gefangenen, die auf dem Weg waren, von der bosnisch-serbischen Führung ausgetauscht zu werden – zum Entsetzen der nichtsahnenden Busfahrer und natürlich der Gefangenen selbst – und ermordeten sie. Einige Tage später fand in einer Bar ein Kampf um das Geld statt, und unter den bisherigen Kameraden kam es zu einer Schießerei: Erdemovic wurde im Bauch getroffen und machte später vor Gericht eine sentimentale Szene, als er sein Hemd hob, die Narbe zeigte und behauptete, dass sie versucht hatten, ihn zu töten, um seine Aussage zu verhindern. Als er der Situation durch Flucht nach Jugoslawien entkam, wurde er unerwartet von den jugoslawischen Behörden festgenommen, denen zu entfliehen ihm gelungen war, indem er sich seine Auslieferung nach Den Haag sicherte, wo ihn sein Selbstinteresse an einer milden Strafe, gekoppelt mit seiner Fähigkeit, Seemannsgarn zu spinnen, zum perfekten Zeugen der Anklage machte. Die Anklage gewann bei diesem Handel, weil sie „Beweise“ sowohl für Völkermord wie für die Befehlsverantwortung erlangte – womit sie in die Lage versetzt wurde, die „großen Fische“ Karadzic und Mladic zu verfolgen – während Erdemovic ebenfalls gewann, weil er nicht nur mit Massenmord davonkam, sondern ihm auch noch ein neues Leben, ein Haus und vermutlich auch irgendeine Art von Einkommen gegeben wurde. Ich wiederhole: Dies ist der Zeuge, auf dessen Aussage allein die ISeJ-Feststellung von Völkermord fußt.
Es bleiben offene Fragen. Wer bot den Söldnern Geld an und warum? Civikovs Buch fußt penibel auf dokumentierten Beweisen und es gibt keinen dokumentierten Beweis, der eine klare Antwort auf diese Frage stützt. Es gibt jedoch Spekulationen und Civikov diskutiert diese. Wie Milosevic während seines eigenen spannenden Kreuzverhörs von Erdemovic sagte – spannend weil, sobald er begann, sich der Wahrheit zu nähern, Richter Richard May intervenierte und ihn daran hinderte, seine Fragereihe fortzusetzen – es gab Berichte in Serbien über eine skrupellose französische Geheimdiensteinheit, die auf dem Territorium des früheren Jugoslawien operierte und später in einer Verschwörung involviert, bekannt als „Operation Spinne“, die seinen Sturz zum Ziel hatte. Es hat außerdem Berichte über die Anwesenheit dieser Leute bei Srebrenica gegeben. Der Westen, so wird angedeutet, „brauchte“ eine große Greueltat bei Srebrenica, und es war tatsächlich unmittelbar nach dem Fall dieser Stadt – hauptsächlich dank des Drucks vom französischen Präsidenten Jacques Chirac, der in der Sache die Führung übernahm – dass die NATO eingriff und den bosnischen Krieg beendete. Während sie bosnisch-serbische Ziele bombardierte, wurde Kroatien von den Amerikanern beim Anstoßen der „Operation Sturm“ unterstützt, in dessen Verlauf über eine Viertelmillionen Serben aus der Krajina vertrieben wurden. Besiegt und als Kriegsverbrecher ausgegrenzt, wurde die bosnisch-serbische Führung von der Teilnahme an der Friedenskonferenz in Dayton, wo die Amerikaner ein Handelsergebnis erzwangen, ausgeschlossen.
Merkwürdigerweise scheinen soeben Beweise aufgetaucht zu sein, dass die kroatischen Behörden einen Vorwand für Operation Sturm fabrizierten. Sind sie wahr? Ist dasselbe in Srebrenica passiert? Eines ist sicher: Das Fabrizieren von Vorwänden für militärische Aktionen ist der älteste aller Tricks. Bitte lesen Sie Civikovs Buch. Es ist brilliant.