C
cro_Kralj_Zvonimir
Guest
Kleines Leningrad am Schwarzen Berg
Montenegro, Europas jüngster Staat, übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf russische Touristen aus. Vielen gefällt es so gut, dass sie sich dauerhaft einrichten
"Ausgezeichneter frischer Fisch", lockt ein braun gebranntes Mädchen in russischer Sprache vor einem Restaurant an der Strandpromenade bei der mittelalterlichen Küstenstadt Budva die Passanten an. Die Verkäuferin in einem Laden mit Markenkleidung spricht ebenfalls Russisch. Es seien nun einmal die besten Kunden, sagt sie. Ein wenig weiter verspricht ein Immobilienmakler auf Russisch schnelle Geschäfte.An der montenegrinischen Küste hat man sich ganz auf die Russen eingestellt. Die russischen Touristen kommen, um in der kristallklaren Adria zu baden – und manche, um ganz nebenbei auch Häuser und Grundstücke zu kaufen.
Nörgelnd spricht mancher Einheimische von "russischer Invasion". Im Gebirge über dem zu einer luxuriösen Hotelinsel umgebauten alten Fischerdorf Sveti Stefan entsteht ein ganzes russisches Dorf mit prachtvollem Meerblick – "kleines Leningra" nennt man die Villensiedlung mit dutzenden Swimmingpools.
Über Nacht Millionär
Die österreichische Geschäftsfrau Elisabeth Mayer von der Firma "Eco Beach Resorts" spricht von einer "Goldgräberstimmung" auf dem Immobilienmarkt in Montenegro. Sie habe vor einem Jahr zwei Liegenschaften an der Küste erworben und dank der "eklatanten Nachfrage durch Russen" praktisch schon das Doppelte verdient. Wer Land an der Küste zu verkaufen hatte, wurde über Nacht Millionär. Rund 200 sollen es allein in der Gemeinde Budva sein.
Montenegro (zu Deutsch: Schwarzer Berg) hat große Entwicklungspotenziale im Tourismus, und nicht nur an der Küste. Riesige Naturschutzgebiete in den Bergen, zahlreiche unberührte Schluchten, Flüsse und Binnenseen sind ein richtiger Tip für ausländische Investoren. Der Wintertourismus ist noch völlig unentwickelt. An der Küste ist die Infrastruktur den Unterkunftskapazitäten allerdings nicht angepasst: Es gibt große Probleme mit der Wasser- und Stromversorgung, die erst durch massive Investitionen gelöst werden müssen. Bei Raiffeisen, der einzigen österreichischen Bank auf dem kleinen montenegrinischen Markt, ist man zufrieden mit dem Geschäft und spricht von "einem ganz und gar kalkulierbaren" Investitionsrisiko.
Bevorzugte Zahlungsart in Montenegro sei Cash, und woher das Geld komme, frage niemand, sagt Vanja Caloviæ, Leiterin der MANS (Netz für die Förderung des Nichtregierungssektors). Nach Landesgesetz könnten Ausländer nur Objekte, doch keine Grundstücke kaufen, womit verhindert werden soll, dass das kleine Land (600.000 Einwohner) ausverkauft wird. In der Praxis funktioniere das aber so, dass eine ausländische Firma mit 200 Euro Gründungskapital in Montenegro registriert wird und dann für Bargeld 20.000 Quadratmeter Land kauft, sagt Caloviæ. Im Kataster herrsche völliges Chaos, niemand wisse genau, was und an wen verkauft worden sei.
Einer der größten Landbesitzer an der montenegrinischen Küste sei der Bürgermeister von Moskau, Juri Luschkow, der einen Teil der streng bewachten Halbinsel Lustica besitze und hinter dem Kauf so mancher Hotels stehe, behauptet das regimekritische politische Magazin Monitor. Auch Oligarch Roman Abramowitsch nennt eine Prachtvilla im Süden des Landes sein Eigen.
Ob die Russen allein die hinreißende Schönheit der von hohen Bergen gesäumten Küste mit kilometerlangen Sandstränden nach Montenegro zieht, sei dahingestellt. Hinter vorgehaltener Hand sprechen ausländische Diplomaten und Geschäftsleute von gut organisierter Geldwäsche. Laut und deutlich behauptet das Nebojša Medojevic, Vorsitzender der aus einer Gruppe von Wirtschaftsexperten entstandenen oppositionellen "Bewegung für Veränderungen" (PZP). In der Praxis soll das so funktionieren: Ein de facto leeres Hotel gebe an, 365 Tage im Jahr ausgebucht zu sein, und schon habe man Millionen Euro sauber gekriegt. Montenegro sei ideal dafür, weil der Euro Landeswährung ist und die lokalen Tycoons laut Medojeviæ ins Geschäft mit den orthodoxen slawischen Brüdern einsteigen.
Allein der russische Milliardär Oleg Deripaska kontrolliert über das Aluminiumwerk Podgorica schon an die 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und soll in Kürze auch den strategisch wichtigen Stromproduzenten Termoelektrane und die Bauxitmine in Pljevlja kaufen. Die wichtigsten Rohstoffe und ein Drittel der Stromerzeugung wären damit unter seiner Kontrolle. Podgorica, das den EU- und Nato-Beitritt anstrebt, versucht unterdessen zu balancieren. Als Gegengewicht zur russischen Präsenz in der Wirtschaft hat Montenegro mit den USA ein Abkommen über mögliche militärische Zusammenarbeit unterzeichnet. Und Werbung in CNN soll westliche Touristen anziehen.
http://derstandard.at/?url=/?id=2906190
Montenegro, Europas jüngster Staat, übt eine unwiderstehliche Anziehungskraft auf russische Touristen aus. Vielen gefällt es so gut, dass sie sich dauerhaft einrichten
"Ausgezeichneter frischer Fisch", lockt ein braun gebranntes Mädchen in russischer Sprache vor einem Restaurant an der Strandpromenade bei der mittelalterlichen Küstenstadt Budva die Passanten an. Die Verkäuferin in einem Laden mit Markenkleidung spricht ebenfalls Russisch. Es seien nun einmal die besten Kunden, sagt sie. Ein wenig weiter verspricht ein Immobilienmakler auf Russisch schnelle Geschäfte.An der montenegrinischen Küste hat man sich ganz auf die Russen eingestellt. Die russischen Touristen kommen, um in der kristallklaren Adria zu baden – und manche, um ganz nebenbei auch Häuser und Grundstücke zu kaufen.
Nörgelnd spricht mancher Einheimische von "russischer Invasion". Im Gebirge über dem zu einer luxuriösen Hotelinsel umgebauten alten Fischerdorf Sveti Stefan entsteht ein ganzes russisches Dorf mit prachtvollem Meerblick – "kleines Leningra" nennt man die Villensiedlung mit dutzenden Swimmingpools.
Über Nacht Millionär
Die österreichische Geschäftsfrau Elisabeth Mayer von der Firma "Eco Beach Resorts" spricht von einer "Goldgräberstimmung" auf dem Immobilienmarkt in Montenegro. Sie habe vor einem Jahr zwei Liegenschaften an der Küste erworben und dank der "eklatanten Nachfrage durch Russen" praktisch schon das Doppelte verdient. Wer Land an der Küste zu verkaufen hatte, wurde über Nacht Millionär. Rund 200 sollen es allein in der Gemeinde Budva sein.
Montenegro (zu Deutsch: Schwarzer Berg) hat große Entwicklungspotenziale im Tourismus, und nicht nur an der Küste. Riesige Naturschutzgebiete in den Bergen, zahlreiche unberührte Schluchten, Flüsse und Binnenseen sind ein richtiger Tip für ausländische Investoren. Der Wintertourismus ist noch völlig unentwickelt. An der Küste ist die Infrastruktur den Unterkunftskapazitäten allerdings nicht angepasst: Es gibt große Probleme mit der Wasser- und Stromversorgung, die erst durch massive Investitionen gelöst werden müssen. Bei Raiffeisen, der einzigen österreichischen Bank auf dem kleinen montenegrinischen Markt, ist man zufrieden mit dem Geschäft und spricht von "einem ganz und gar kalkulierbaren" Investitionsrisiko.
Bevorzugte Zahlungsart in Montenegro sei Cash, und woher das Geld komme, frage niemand, sagt Vanja Caloviæ, Leiterin der MANS (Netz für die Förderung des Nichtregierungssektors). Nach Landesgesetz könnten Ausländer nur Objekte, doch keine Grundstücke kaufen, womit verhindert werden soll, dass das kleine Land (600.000 Einwohner) ausverkauft wird. In der Praxis funktioniere das aber so, dass eine ausländische Firma mit 200 Euro Gründungskapital in Montenegro registriert wird und dann für Bargeld 20.000 Quadratmeter Land kauft, sagt Caloviæ. Im Kataster herrsche völliges Chaos, niemand wisse genau, was und an wen verkauft worden sei.
Einer der größten Landbesitzer an der montenegrinischen Küste sei der Bürgermeister von Moskau, Juri Luschkow, der einen Teil der streng bewachten Halbinsel Lustica besitze und hinter dem Kauf so mancher Hotels stehe, behauptet das regimekritische politische Magazin Monitor. Auch Oligarch Roman Abramowitsch nennt eine Prachtvilla im Süden des Landes sein Eigen.
Ob die Russen allein die hinreißende Schönheit der von hohen Bergen gesäumten Küste mit kilometerlangen Sandstränden nach Montenegro zieht, sei dahingestellt. Hinter vorgehaltener Hand sprechen ausländische Diplomaten und Geschäftsleute von gut organisierter Geldwäsche. Laut und deutlich behauptet das Nebojša Medojevic, Vorsitzender der aus einer Gruppe von Wirtschaftsexperten entstandenen oppositionellen "Bewegung für Veränderungen" (PZP). In der Praxis soll das so funktionieren: Ein de facto leeres Hotel gebe an, 365 Tage im Jahr ausgebucht zu sein, und schon habe man Millionen Euro sauber gekriegt. Montenegro sei ideal dafür, weil der Euro Landeswährung ist und die lokalen Tycoons laut Medojeviæ ins Geschäft mit den orthodoxen slawischen Brüdern einsteigen.
Allein der russische Milliardär Oleg Deripaska kontrolliert über das Aluminiumwerk Podgorica schon an die 20 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und soll in Kürze auch den strategisch wichtigen Stromproduzenten Termoelektrane und die Bauxitmine in Pljevlja kaufen. Die wichtigsten Rohstoffe und ein Drittel der Stromerzeugung wären damit unter seiner Kontrolle. Podgorica, das den EU- und Nato-Beitritt anstrebt, versucht unterdessen zu balancieren. Als Gegengewicht zur russischen Präsenz in der Wirtschaft hat Montenegro mit den USA ein Abkommen über mögliche militärische Zusammenarbeit unterzeichnet. Und Werbung in CNN soll westliche Touristen anziehen.
http://derstandard.at/?url=/?id=2906190