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Nazijäger Simon Wiesenthal

Styria

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Simon Wiesenthal

Ein Leben für Recht, nicht Rache

"Es gibt keine größere Sünde, als zu vergessen", hat Simon Wiesenthal einmal gesagt. Sein Leben läßt nur erahnen, was dieser Grundsatz bedeutet.

1908 wurde er in Galizien geboren, studierte Architektur und träumte davon, einmal schöne Häuser zu bauen, wurde aber 1941 verhaftet.
Vier Jahre verbrachte er in zwölf verschiedenen Konzentrationslagern, zeichnete heimlich Folter- und Erschießungsszenen und übergab diese später den amerikanischen Befreiern. Ein US-Offizier sagte zu ihm: "So ein Gedächnis wie Sie hätten wir wohl alle gern." Darauf Wiesenthal: "Das glaube ich nicht." Er hat keines der Foltergesichter je vergessen.
Nach dem Krieg fand Wiesenthal zwar seine Frau Cyla wieder, aber sämtliche Verwandte der Familie - 89 Menschen - waren von den Nazis ermordet worden. Ihnen und den anderen sechs Millionen Opfern des Holocaust hat Wiesenthal die unermüdliche Arbeit von 49 Jahren gewidmet. Was es heißt, Qual, Schmerz, Entsetzen, Verzweiflung täglich neu wiederauferstehen zu lassen beim Zuhören, beim Erinnern und beim Aufnehmen von Zeugenaussagen, hat Wiesenthal selbst am prägnantesten beschrieben: "Ich habe mir das Konzentrationslager um vier Jahrzehnte verlängert." Eine junge Frau hatte noch in dem Augenblick, als die Schritte der SS-Schergen bereits im Gang hallten, in ihr Buch geschrieben: "Vergeßt uns nicht, und vergeßt unsere Mörder nicht." Wiesenthal hat diese Abschiedszeilen gelesen und das Testament vollstreckt.
6.000 Akte umfaßt die von ihm aufgebaute Dokumentation, mit der er mehr wollte als Gerechtigkeit wiederherstellen: Ihm ging es stets um die Warnung und niemals um Rache. "Recht, nicht Rache" nannte er dann auch seine Memoiren (1988), die mit Ben Kingsley ("Ghandi") in der Hauptrolle ein Jahr später verfilmt wurden. Kingsley zeigte, daß das Klischee vom "Nazi-Jäger" an Wiesenthal vorbei geht. Er spielte einen bescheidenen und besonnenen Mann, der sich der Ernsthaftigkeit seiner Mission stets bewußt ist. Wiesenthal spielt ihn nicht, er ist so. Bei gesellschaftlichen Ereignissen ist er höchst selten und wenn dann nur kurz, irgendwo im Hintergrund anzutreffen.
Adolf Eichmann
Das kleine "Jüdischen Dokumenta- tionszentrum", das Wiesenthal seit 1975 leitet, ist in der Wiener Innenstadt eben dort lociiert, wo einst das Gestapo-Hauptquartier, das Hotel "Metropol", stand. Sein Herzstück ist die komplette SS-Führerliste, etwa 90.000 Namen. Rund 3.000 Fällen ist er nachgegangen. Mit seiner Hilfe wurde 1960 SS-Obersturmbannführer Adolf Eichmann in Argentinien vom israelischen Geheimdienst aufgespürt, nach Israel entführt und dort 1962 nach einem spektakulären Prozeß hingerichtet.
Den schwersten Fall hat ihm jedoch seine Tochter Paulina 1958 beschert. Sie kam eines Tages von der Schule nach Hause und erzählte ihrem Vater, daß ihre Klassenkollegen behaupten, das "Tagebuch der Anne Frank" sei eine Fälschung. Das seien alles Lügen der Juden, schließlich habe man den Mann, der Anne Frank verhaftet hat, nie gefunden. Also machte sich Wiesenthal auf die Suche nach dem unbedeutenden, kleinen Gestapobeamten, der im August 1944 eine jüdische Familie namens Frank in einem Amsterdamer Hinterhaus festgenommen hatte. Er wußte nur, daß der SS-Mann vermutlich Wiener war und irgendwie "Silber..." hieß. Endlich, 1963, fand er ihn schließlich: Karl Silberbauer, einst SS-Mann in Amsterdam, mittlerweile Polizist in Wien. Wiesenthal ging es nicht darum, den Mann für den Tod der Anne Frank verantwortlich zu machen. Er wollte seiner Tochter und dem Rest der Welt beweisen, daß es Anne Frank wirklich gegeben hatte und er nicht gelogen hat. Ihm, dem Juden Wiesenthal, hatte man nicht geglaubt, er brauchte den SS-Mann als historischen Zeugen. Ihm glaubte man.
Internationale Ehren
International wurde Wiesenthal mit Ehrungen übersät. Er galt schon lange als Weltgewissen, ehe ihm auch Österreich Respekt und Anerkennung zollte. Ein moderner Bürokomplex repräsentiert seit 1977 in Los Angeles das von 380.000 Mitgliedern finanzierte "Simon Wiesenthal Center", 1993 wurde das "Museum of Tolerance" daran angebaut.
In Österreich geriet Wiesenthal in die Fallstricke der Innenpolitik, als er 1975 die Mitgliedschaft des FPÖ-Obmannes Friedrich Peter bei einer SS-Mordbrigade ans Licht der Öffentlichkeit brachte. Die damals mit absoluter Mehrheit regierenden Sozialisten reagierten darauf geradezu hysterisch. Sie wußten, daß sie Peter für eine mögliche Koalition brauchen würden: Wiesenthals Tätigkeit sei "mafios" sagte Bruno Kreisky und schimpfte ihn einen "unnützen Moralisten".
Jüdischer Konflikt
Die beiden berühmtesten in Wien lebenden Juden gerieten in Konflikt: Der stolze und bewußte Jude Wiesenthal und der Prototyp des assimilierten Juden, Kreisky. SPÖ-Klubobmann Heinz Fischer kündigte einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß gegen Wiesenthal an, man wollte ein Verfahren zur Aberkennung seiner Staatsbürgerschaft einleiten. Eine Peinlichkeit, an die die Sozialdemokraten heute nicht gerne erinnert werden.
Sein später Ruhm in Österreich hat viel mit der Affäre Waldheim zu tun. Simon Wiesenthal vertrat auch gegenüber dem "World Jewish Congress" (WJC) seine Auffassung, daß man Beweise haben müsse und erst dann anklagen könne. Bei einer Kampagne mache er nicht mit. Jahrelange Versöhnungsarbeit würde zerstört, erregte sich Wiesenthal, als fanatische Vertreter des WJC Österreich global attackierten. Er schlug schießlich die Historikerkommission vor, "um die Sache von den Juden wegzubekommen" Den Rücktritt forderte er von Waldheim nicht, weil er ein Kriegsverbrecher gewesen sei, sondern, weil ein Staatsoberhaupt die Wahrhaftigkeit personifizieren müsse. Seitdem wird Wiesenthal als moralische Autoriät auch in unserem Land gehört, und wann immer er Anzeichen in eine gefährliche, intolerante und menschenverachtende Richtung sieht, meldet er sich zu Wort, denn er ist überzeugt: "Wenn wir vergessen, dann wird es sich wiederholen."
Elisabeth Welzig
 
Ich finde diese Geschichte mit Anne Frank so faszinierend. Um in erster Linie seiner Tochter zu beweisen dass es sie wirklich gab macht er sich auf diesen Mann zu finden. Ein wahrer Held
Ja absolut. Ich hatte das Buch von Anne Frank meiner Tochter im gleichem Alter geschenkt. Vorher habe ich es noch schnell selbst gelesen.

Sehr berührend :(
 
Vielen Dank Styria dass du an Simon Wiesenthal und sein wichtiges Wirken erinnerst.

Ich habe mal einige Ausschnitte vom Prozess gegen Eichmann in Jerusalem gesehen, er sah wie ein kleiner Beamter aus, als könne er keiner Fliege was antun ... das Schlimmste aus meiner Sicht war, dass er sich wirklich für unschuldig hielt, bis zuletzt, und das war nicht gespielt um seinen Hals zu retten ...
 
Ich finde diese Geschichte mit Anne Frank so faszinierend. Um in erster Linie seiner Tochter zu beweisen dass es sie wirklich gab macht er sich auf diesen Mann zu finden. Ein wahrer Held
Die Geschichte der Anne Frank ist eine wichtige Geschichte. Nach so langer Zeit des Versteckens und der Entbehrungen verraten und gefasst zu werden ... als ich es das erste mal als Schülerin gelesen hatte war ich erschüttert und habe viel geweint ... man kann nur hoffen, dass sich das in der Welt nicht so oft wiederholt
 
Vielen Dank Styria dass du an Simon Wiesenthal und sein wichtiges Wirken erinnerst.

Ich habe mal einige Ausschnitte vom Prozess gegen Eichmann in Jerusalem gesehen, er sah wie ein kleiner Beamter aus, als könne er keiner Fliege was antun ... das Schlimmste aus meiner Sicht war, dass er sich wirklich für unschuldig hielt, bis zuletzt, und das war nicht gespielt um seinen Hals zu retten ...

Ich habe oft mit meinen Eltern(damals 17+14 Jahre) darüber gesprochen, wie das alles passieren konnte. Warum Leute nichts dagegen gemacht haben? Sie wurden einfach durch ein politisches System verführt, in Jugendlager auf abenteurlicherweise fanatisiert. Für sie ist keine Welt zusammengebrochen, als sie später die Wahrheit erkannt haben. Aber ich habe leicht reden, hat mich doch die Gunst der Geburt davor bewahrt.

Ganz anders waren meine Gespräche mit Soldaten, Heimkehrer und auch einigen politischen Funktionären.

Während die einfachen Soldaten ihren Glauben ganz schnell im Krieg verloren haben und nur mehr für sich und ihre Kameraden gekämpf haben, habe ich festgestellt, dass gerade jene, welche nicht an der Front waren die übelsten Faschisten waren. Diese Leute würden heute noch absolut überzeugt sein.

Gerade deswegen ist es wichtig, einen der wichtigsten Zeitzeugen, S. Wiesenthal, einen ehrenvollen Platz in unserer Geschichte zu geben.
Im übrigen durfte ich Wiesenthal noch persönlich kennen lernen.
 
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