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Neues Deutschland

John Wayne

Keyboard Turner
[h2]11 von 23 Spielern gelten als Secondos. Ihre Geschichten unterscheiden sich stark. [/h2]

[h5] Die Spieler der deutschen Nationalmannschaft haben ihre Wurzeln in der Türkei, Brasilien ode Bosnien. Das Phänomen multiethnischer Teams ist nicht neu. Erleichtert der Fussball auch die Integration tatsächlich?[/h5]

Es war eine bemerkenswerte Szene, damals, 1998 im Wahlkampf. Zwei Politiker standen sich im TV-Duell gegenüber: Manfred Kanther, der CDU-Innenminister, und Otto Schily, der bald darauf für die SPD das Amt übernehmen sollte.

Schily warb für eine Reform des Staatsbürgerschaftsrechtes, die die Einbürgerung erleichtern sollte. Er beschied Kanther: «Wenn Sie das tun, dann können wir auch wieder Fussballweltmeister werden.»

Ein paar Monate zuvor war Frankreich Weltmeister geworden, mit einer multiethnischen Equipe um Zinedine Zidane. Und weil das Schily damals ins Konzept passte, nahm er den Pass aus dem Fussball an.

Nun scheint es sogar, als hätten die Deutschen den Franzosen tüchtig nachgeeifert: 11 von 23 Nationalspielern, so ist es an der WM in Südafrika oft zu hören, hätten einen sogenannten Migrationshintergrund.

[h4]Türkei als Konkurrent[/h4]
Es ist kein Zufall, dass der Deutsche Fussballbund (DFB) über ein WM-Kader verfügt, das dem französischen von 1998 ähnlicher ist als dem deutschen Team von 2006.

Als an der WM 2002 die türkische Mannschaft mit Spielern reüssierte, die in Deutschland aufgewachsen waren, wurde der DFB auf die Secondos aufmerksam. Diese waren von einer Dépendance des türkischen Verbandes für das Herkunftsland ihrer Eltern gewonnen worden. Auf Geheiss des Präsidenten Theo Zwanziger begann nun auch der DFB um die Secondos zu werben. Beispielsweise um Mesut Özil, für den sich der türkische Verband ebenfalls sehr interessiert hatte.

Das neue Staatsbürgerschaftsrecht war dem DFB hilfreich, Barrieren abzubauen. Und mittlerweile ist die Nationalmannschaft fast schon mehr als bloss ein Fussballteam. Denn manchmal klingen die erfreuten Kommentare über das neue Antlitz des DFB-Aushängeschildes gerade so, als sei der Fussball ein Beleg dafür, dass die Integration nicht nur im Sport, sondern auch in anderen Bereichen der Gesellschaft problemlos gelungen sei.

Als im letzten Jahr die U-21-Mannschaft mit einer noch höheren Anzahl an Einwanderer-Kindern Europameister geworden ist, war deren Herkunft freilich bloss eine Randnotiz. Jérôme Boateng, Mesut Özil, und Sami Khedira, die am Mittwoch alle gegen Ghana in der Startformation standen, wurden 2009 bloss als deutsche Junioren-Nationalspieler betrachtet. Wieso aber ist der Migrationshintergrund der Spieler ausgerechnet jetzt ein Thema?

Für den Integrations-Experten Mark Terkessidis ist das keine Überraschung: «Die meisten Länder tun sich ziemlich schwer damit, ihre Nationalmannschaft nicht mehr als homogenes Gebilde zu betrachten. Jetzt blicken wir zwar zurück und sehen eine britische Nationalmannschaft, die immer schon durchmischt war, wir sehen eine französische und eine niederländische Nationalmannschaft. Tatsächlich aber ist das erst eine Entwicklung der letzten zwanzig Jahre.

Gemäss dem Experten ist Deutschland in diesem Punkt einfach etwas später dran. Das hat wohl auch damit zu tun, dass der Ausländeranteil in Deutschland mit 9 Prozent tief ist, deutlich tiefer jedenfalls als etwa jener in der Schweiz (20 Prozent). Und in Deutschland wird auch erst seit einem Jahrzehnt in grösserem Umfang eingebürgert.

Insofern verrät das derzeit so erfreute Erstaunen auch etwas über den tatsächlichen Stand der Integration. Der kürzlich erschienene Sammelband «Der Ball ist bunt – Fussball und Integration» beleuchtet das Phänomen multiethnischer Teams. Die Autoren gehen auch der Frage nach, ob der Fussball die Integration tatsächlich erleichtert. Die Antwort ist zwiespältig. So erklärt der Soziologe Gerd Dembowski: «Fussball ist die Integrations-Maschine, das impliziert so ein bisschen, wir werfen da einen Ball rein, und alles ist gut. Aber so ist es nicht, weil jeder Mensch eine andere Geschichte mit an den Ball bringt.» Dembowskis Kritik trifft den Kern. Denn die deutschen Spieler haben Geschichten, wie sie unterschiedlicher kaum sein können. Einzig zwei stammen tatsächlich aus Gastarbeiterfamilien: Die Eltern des Abwehrspielers Serdar Tasci stammen aus der Türkei, bei Mesut Özil kamen schon die Grosseltern nach Deutschland.

[h4]Unterschiedliche Motive[/h4]
Piotr Trochowski, Miroslav Klose und Lukas Podolski haben ihre Wurzeln dagegen in Polen; ihre Eltern hatten früh die deutsche Staatsbürgerschaft erworben. Marko Marin kommt aus Bosnien, seine Eltern flohen vor dem Bürgerkrieg. Sowohl bei Sami Khedira, Dennis Aogo wie Mario Gomez stammt ein Elternteil aus Deutschland. Cacau kommt aus Brasilien, er hat erst vor einem Jahr die deutsche Staatsbürgerschaft erworben. Jérôme Boateng, dessen Vater aus Ghana stammt, durchlief die DFB-Juniorenteams. Er hatte nie erwogen, für Ghana zu spielen. Dass sein Bruder Kevin sich für Ghana entschied, lag auch daran, dass er im deutschen U-21-Team angeeckt hatte und suspendiert worden war.

Der Entscheid für oder gegen Deutschland ist oft – ganz ähnlich wie es bei den Schweizern war – von pragmatischen Dingen geleitet. So hat der 21-jährige Özil die Chance, eine tragende Rolle im deutschen WM-Team zu spielen. Und Cacau wäre in der Seleção nie Nationalspieler geworden.
 
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