Keine Reue, aber neue Fans
Der ehemalige SS-Offizier Priebke ist für eines der schlimmsten Massaker in Italien verantwortlich. Heute lebt er in Rom, wo er auch seinen 100. Geburtstag begeht - Reue hat er nie gezeigt. Dafür gewinnt er unter italienischen Neonazis neue Fans.
Von Gregor Hoppe, ARD Hörfunkstudio Rom
Am Wochenende haben italienische Neonazis die schwarze Integrations-Ministerin Cecile Kyenge auf einer Parteiveranstaltung der Demokraten mit Bananen beworfen. Der Vorfall zeigt deutlich, dass das Gedankengut des "Herrenmenschen" in Italien weit verbreitet ist. Vor allem in Rom, der Stadt, die erst der Faschismus zur unangefochtenen Hauptstadt Italiens machte.
Da passt ein Mann ins Bild italienischer Rechtsextremer und ausländischer Gesinnungsgenossen, der immer noch in Rom lebt und heute 100 Jahre alt wird: Erich Priebke.
Dass es wieder zu einer halböffentlichen Feier kommt, wie vor zehn Jahren, möchte der neue, linke Bürgermeister verhindern. Sein Vorgänger, von der Nationalen Allianz, war Schwiegersohn eines bekennenden Neofaschisten und trug unter der Krawatte das Keltenkreuz an einem Kettchen.
Opferverbände möchten Feier verhindern
Eine Feier für Priebke möchte aber vor allem die Vereinigung der italienischen Partisanen des Zweiten Weltkriegs verhindern. "Es ist doch klar ersichtlich, wie unwürdig es wäre, einen Menschen zu feiern, der mehr Menschen getötet hat als jeder fiktive Serienkiller im Fernsehen", sagt der Vorsitzende, Francesco Polcaro.
Priebke ist als SS-Mann für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen berüchtigt. Angeblich auf direkte Anordnung Hitlers erschoss die SS im März 1944 mindestens 335 Personen - als Vergeltung für einen Anschlag italienischer Partisanen auf eine SS-Kaserne in Rom, wobei 32 SS-Männer starben. Zehn Italiener für jeden toten Deutschen, so die Anordnung. Tags darauf erschoss die SS 335 ahnungslose italienische Gefangene, der jüngste 15 Jahre alt. 75 der Opfer waren Juden. Priebke führte die Namensliste, zwei der Opfer erschoss er selbst.
Der Fall Priebke - Verfehlte Vergangenheitsbewältigung
G. Hoppe, ARD Rom
29.07.2013 03:19 Uhr
Download der Audiodatei http://media.tagesschau.de/audio/2013/0729/AU-20130729-0318-3401.mp3
Priebke an Folter beteiligt
Zuvor aber, so der Sprecher der Partisanen, war Priebke einer der Haupttäter bei Folterverhören und Morden im römischen SS- und Gestapo-Quartier in der Via Tasso gewesen. Dass es überhaupt Menschen - und Italiener - gibt, die Priebkes Geburtstag feiern wollen, findet Francesco Polcaro höchst bedenklich:
"In Italien sind die Wurzeln des Faschismus noch lebendig, und man muss sehr achtsam sein, auch wenn gewisse Politiker Hand an die Verfassung legen wollen, die aus dem Geiste des Widerstands stammt. Denn die geistigen Haltungen, die die Geburt des Faschismus begünstigten, sind noch nicht getilgt."
Der Fall Priebke zeigt, wie spät die Aufarbeitung der deutschen Kriegsgreuel in Italien überhaupt begann. Jahrzehntelang ging Italiens Westintegration vor: Das Land mit Westeuropas stärkster kommunistischer Partei sollte in den 60er- und 70er-Jahren, anders als Spanien und Griechenland, ein Vorbild der westlichen Demokratie in Südeuropa bleiben. Deutsche Kriegsverbrechen in Italien sollten da nicht zum Thema werden. Die Fälle wurden absichtlich verschleppt - erst die Recherchen zu Priebke brachten die Akten zu Tausenden von Kriegsverbrechen wieder ans Licht.
Zu lebenslanger Haft verurteilt
Priebke lebte bis 1994 unter seinem Namen in Argentinien. Ein US-Journalist entdeckte ihn, Priebke wurde nach Italien ausgeliefert. Erstinstanzlich freigesprochen, erhielt er 1998 lebenslange Haft. Ein Jahr später wurde er in den Hausarrest entlassen. Noch über neunzigjährig arbeitete er in der Kanzlei seines Anwalts. Ab und an spaziert er heute noch durch sein Viertel in Rom, mit zwei Bodyguards und einer Betreuerin. Er soll fast vollständig taub sein und gedächtnisschwach und angefangen haben zu frömmeln. Ein Wort der Reue hat er nie geäußert. Im Gegenteil: Drahtzieher der Inszenierung gegen ihn, sagte er der "Süddeutschen Zeitung" einst, seien die Wiesenth
NS-Verbrecher Priebke: Keine Reue, aber neue Fans | tagesschau.de
Der ehemalige SS-Offizier Priebke ist für eines der schlimmsten Massaker in Italien verantwortlich. Heute lebt er in Rom, wo er auch seinen 100. Geburtstag begeht - Reue hat er nie gezeigt. Dafür gewinnt er unter italienischen Neonazis neue Fans.
Von Gregor Hoppe, ARD Hörfunkstudio Rom
Am Wochenende haben italienische Neonazis die schwarze Integrations-Ministerin Cecile Kyenge auf einer Parteiveranstaltung der Demokraten mit Bananen beworfen. Der Vorfall zeigt deutlich, dass das Gedankengut des "Herrenmenschen" in Italien weit verbreitet ist. Vor allem in Rom, der Stadt, die erst der Faschismus zur unangefochtenen Hauptstadt Italiens machte.
Da passt ein Mann ins Bild italienischer Rechtsextremer und ausländischer Gesinnungsgenossen, der immer noch in Rom lebt und heute 100 Jahre alt wird: Erich Priebke.
Dass es wieder zu einer halböffentlichen Feier kommt, wie vor zehn Jahren, möchte der neue, linke Bürgermeister verhindern. Sein Vorgänger, von der Nationalen Allianz, war Schwiegersohn eines bekennenden Neofaschisten und trug unter der Krawatte das Keltenkreuz an einem Kettchen.
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Opferverbände möchten Feier verhindern
Eine Feier für Priebke möchte aber vor allem die Vereinigung der italienischen Partisanen des Zweiten Weltkriegs verhindern. "Es ist doch klar ersichtlich, wie unwürdig es wäre, einen Menschen zu feiern, der mehr Menschen getötet hat als jeder fiktive Serienkiller im Fernsehen", sagt der Vorsitzende, Francesco Polcaro.
Priebke ist als SS-Mann für das Massaker in den Ardeatinischen Höhlen berüchtigt. Angeblich auf direkte Anordnung Hitlers erschoss die SS im März 1944 mindestens 335 Personen - als Vergeltung für einen Anschlag italienischer Partisanen auf eine SS-Kaserne in Rom, wobei 32 SS-Männer starben. Zehn Italiener für jeden toten Deutschen, so die Anordnung. Tags darauf erschoss die SS 335 ahnungslose italienische Gefangene, der jüngste 15 Jahre alt. 75 der Opfer waren Juden. Priebke führte die Namensliste, zwei der Opfer erschoss er selbst.
Der Fall Priebke - Verfehlte Vergangenheitsbewältigung
G. Hoppe, ARD Rom
29.07.2013 03:19 Uhr
Download der Audiodatei http://media.tagesschau.de/audio/2013/0729/AU-20130729-0318-3401.mp3
Priebke an Folter beteiligt
Zuvor aber, so der Sprecher der Partisanen, war Priebke einer der Haupttäter bei Folterverhören und Morden im römischen SS- und Gestapo-Quartier in der Via Tasso gewesen. Dass es überhaupt Menschen - und Italiener - gibt, die Priebkes Geburtstag feiern wollen, findet Francesco Polcaro höchst bedenklich:
"In Italien sind die Wurzeln des Faschismus noch lebendig, und man muss sehr achtsam sein, auch wenn gewisse Politiker Hand an die Verfassung legen wollen, die aus dem Geiste des Widerstands stammt. Denn die geistigen Haltungen, die die Geburt des Faschismus begünstigten, sind noch nicht getilgt."
Der Fall Priebke zeigt, wie spät die Aufarbeitung der deutschen Kriegsgreuel in Italien überhaupt begann. Jahrzehntelang ging Italiens Westintegration vor: Das Land mit Westeuropas stärkster kommunistischer Partei sollte in den 60er- und 70er-Jahren, anders als Spanien und Griechenland, ein Vorbild der westlichen Demokratie in Südeuropa bleiben. Deutsche Kriegsverbrechen in Italien sollten da nicht zum Thema werden. Die Fälle wurden absichtlich verschleppt - erst die Recherchen zu Priebke brachten die Akten zu Tausenden von Kriegsverbrechen wieder ans Licht.
Zu lebenslanger Haft verurteilt
Priebke lebte bis 1994 unter seinem Namen in Argentinien. Ein US-Journalist entdeckte ihn, Priebke wurde nach Italien ausgeliefert. Erstinstanzlich freigesprochen, erhielt er 1998 lebenslange Haft. Ein Jahr später wurde er in den Hausarrest entlassen. Noch über neunzigjährig arbeitete er in der Kanzlei seines Anwalts. Ab und an spaziert er heute noch durch sein Viertel in Rom, mit zwei Bodyguards und einer Betreuerin. Er soll fast vollständig taub sein und gedächtnisschwach und angefangen haben zu frömmeln. Ein Wort der Reue hat er nie geäußert. Im Gegenteil: Drahtzieher der Inszenierung gegen ihn, sagte er der "Süddeutschen Zeitung" einst, seien die Wiesenth
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