G
Gast829627
Guest
Rezension
Nichts ist, wie es scheint! So prägnant lässt sich das Ergebnis dieser hochwichtigen Forschungsarbeit des Autorenduos Jörg Becker und Mira Beham beschreiben. Inkonzisen 87 Seiten mit Anhang wird aufgezeigt, wie der Krieg auf dem Balkan durch die Arbeit von PR-Agenturen wesentlich beeinflusst – ja mit initiiert – wurde, wie klare Feindbilder geschaffen, widersprechende Fakten unterschlagen und per begrifflicher Zuordnung von Recht und Unrecht eingeordnet wurden. Die Untersuchung ist ein Lehrstück für das Medienmanagement allgemein und zeigt eine wichtige Aufgabe der Zukunft auf, nämlich dass Medienmacher selbstkritischer die Herkunftsquellen von»Informationen« hinterfragen und den immer massiver werdenden Instrumentalisierungen mehr kritische Aufmerksamkeit zollen müssen. Die Folgen der bereits eingesetzten Entwicklung hin zu mehr PR-Stellen und weg von gesicherten Arbeitsverhältnissen im Journalismus können für eine Demokratie, die auf öffentliche Meinungsbildungsprozesse angewiesen ist, gar nicht wichtig genug eingeschätzt werden. Eindrücklich war in diesem Zusammenhang die Korrelationsmessung in der französischen Tageszeitung Le Monde mit den subtilen Vorgaben für die Begriffsverwendung bestimmter Agenturen. Natürlich ist es entscheidend, ob etwas als »Massaker« oder »Verteidigungskampf« bezeichnet wird, um ein Empfinden von Legitimität oder Illegitimität zu erzeugen. Besonders der NAZI-Vergleich in Bezug auf»die Serben« ist kein Zufallsprodukt der jahrelangen Propaganda. Durch die geschickte Platzierung von emotional belasteten Bergriffen wie »KZ«, »Völkermord«und »Auschwitz« wurden auch Pazifisten in die Pflicht für den Krieg genommen.
Neben den weitestgehend bekannten Vernetzungen zwischen PR-Akteuren und US-Politikern, ergaben sich auch teilweise kuriose Symbiosen, wie etwa die zwischen NGOs (hochangesehenen Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International, UNICEF u.a.) und den Spins – der gelenkten Kommunikation – durch Agenturen wie die bereits im Irak-Krieg von 1991 berühmt gewordene Hill & Knowlton, aber auch ethisch angeblich integere wie Ruder Finn und viele mehr. Das Register am Ende des Buches gibt einen Überblick über die Aufgaben und die damit betrauten Organisationen. Die gesamte Textlektüre ist noch um ein Vielfaches brisanter, weil interne Verflechtungen ebenso wie die Verflechtung mit privaten Militärunternehmen auf gedeckt werden. Insgesamt konnte die Tendenz zur Privatisierung von Information, Krieg und sogar von Diplomatie nachgewiesen werden, denn es waren wiederum die gleichen Agenturen, die z.B. die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo entwarfen.
Erfolgreich war der antiserbische Spin übrigens vor allem darum, weil alle Gegnerparteien teils die gleichen Agenturen beschäftigt hatten und somit ein einheitliches Auftreten ermöglichten, während gleichzeitig in Serbien widerstreitende Parteien ein uneinheitliches Bild kolportierten, das keiner geschlossenen Meinungsbildung dienlich war. Die Autoren zeigen an einem Schema den Kreisschluss der PR-Aktivitäten anschaulich auf, d.h. wie Argumentationen gezielt platziert, von Intellektuellen aufgenommen und diskutiert wurden, schließlich durch das Bild-material von NGOs vor Ort eine Verstärkung erhielten und dann international über unsere »freien« Medien Verbreitung fanden – ein sich selbst bestätigendes System, das Kohärenz suggeriert –, bis man sich der Kriegsrhetorik einer »humanitären Eingreifnotwendigkeit« kaum noch entziehen konnte. Eine Prokriegsargumentation,die wir in der Zukunft angesichts der Enthüllungen des Weißbuchs der Bundeswehr noch verstärkt erwarten dürften.
Wie zwiespältig die Rolle mancher Organisation – wie etwa die der schweizer Medienhilfe – waren, wird ebenso deutlich. Einerseits kann man Erfolge im Ausbau eines Mediensystems nicht absprechen, andererseits wird ideologisch eingeengt nur ein privates Mediensystem zugelassen. Überhaupt wird deutlich, wie gerade NGOs das System der Privatisierung staatlicher Aufgaben stützen, indem sie die Notwendigkeit ihrer Existenz und vor allem das Fundraising nur durch reale und möglichst eskalierende Krisen sichern können.
Für Deutschland werden die Aktivitäten des Moritz Hunzinger nur exemplarisch erläutert. Da es in Deutschland keine Meldepflicht für PR-Aktivitäten entsprechend dem FARA-Register in den USA gibt, blieben weitere deutsche Aktivitäten ausgeblendet, was eben nicht bedeutet, dass es diese nicht gegeben hätte. Hier wäre etwa die intellektuelle Begleitung diverser Regime-Change-Aktivitäten durch die Bertelsmann-Stiftung untersuchenswert. Man kann sich also noch lange nicht mit der Erkenntnis zufrieden geben, dass wir vor allem von US-Seite aus in die Balkan-Kriege der neunziger Jahre manipuliert wurden. Auch ist der Mythos des reinen NATO-Interesses so nicht haltbar. Hierzu müssten ergänzend Schriften wie die des, Internationalen Vorbereitungskomitees für ein europäisches Tribunal über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien herangezogen werden, die von massiven Interessen Deutschlands in Ex-Jugoslawien ausgehen.
Die Aufarbeitung dessen, was auf dem Balkan und darum herum wirklich geschah,ist die Pflicht eines jeden Staatsbürgers, der Demokratie, Menschen- und Völkerrecht gegenüber verpflichtet ist. Die Entwicklung seither zeigt deutlich, in welche Richtung es gehen soll – und der Vollständigkeit halber sei dies hier aufgeführt, auch wenn es nicht Teil der rezensierten Publikation ist: die NATO-Doktrin von 1999 nennt drei legitime Gründe für sog. »Friedensmissionen«. 1. Humanitäre Gründe, 2. Ressourcensicherung und 3. Migrationsbewegungen. Im EU-Verfassungsentwurf ist Aufrüstung aller Mitgliedsstaaten Programm und das besagte Weißbuch ist bislang der Gipfel der Dreistigkeit, wie akzeptierte Grundrechte ausgehebelt und durch Marktvorteile und dem guten alten Konzept des »White-Man’s-Burden« ersetzt werden. Angesichts der Entwicklung seit den Balkan-Kriegen erhält das Buch von Becker und Beham noch einmal besondere Bedeutung und sollte zur Pflichtlektüre an Journalistenschulen erklärt werden: wir werden noch ganz anders und viel genauer hinschauen müssen, damit wir nicht nach Jahren der Gewöhnung an Orwell’sches»Neusprech« bereit werden der rhetorischen Frage zuzustimmen: »Wollt ihr den globalen Krieg?«. Wenn man uns dann überhaupt noch fragt.
Quelle: IMV - Institut für Medienverantwortung
Nichts ist, wie es scheint! So prägnant lässt sich das Ergebnis dieser hochwichtigen Forschungsarbeit des Autorenduos Jörg Becker und Mira Beham beschreiben. Inkonzisen 87 Seiten mit Anhang wird aufgezeigt, wie der Krieg auf dem Balkan durch die Arbeit von PR-Agenturen wesentlich beeinflusst – ja mit initiiert – wurde, wie klare Feindbilder geschaffen, widersprechende Fakten unterschlagen und per begrifflicher Zuordnung von Recht und Unrecht eingeordnet wurden. Die Untersuchung ist ein Lehrstück für das Medienmanagement allgemein und zeigt eine wichtige Aufgabe der Zukunft auf, nämlich dass Medienmacher selbstkritischer die Herkunftsquellen von»Informationen« hinterfragen und den immer massiver werdenden Instrumentalisierungen mehr kritische Aufmerksamkeit zollen müssen. Die Folgen der bereits eingesetzten Entwicklung hin zu mehr PR-Stellen und weg von gesicherten Arbeitsverhältnissen im Journalismus können für eine Demokratie, die auf öffentliche Meinungsbildungsprozesse angewiesen ist, gar nicht wichtig genug eingeschätzt werden. Eindrücklich war in diesem Zusammenhang die Korrelationsmessung in der französischen Tageszeitung Le Monde mit den subtilen Vorgaben für die Begriffsverwendung bestimmter Agenturen. Natürlich ist es entscheidend, ob etwas als »Massaker« oder »Verteidigungskampf« bezeichnet wird, um ein Empfinden von Legitimität oder Illegitimität zu erzeugen. Besonders der NAZI-Vergleich in Bezug auf»die Serben« ist kein Zufallsprodukt der jahrelangen Propaganda. Durch die geschickte Platzierung von emotional belasteten Bergriffen wie »KZ«, »Völkermord«und »Auschwitz« wurden auch Pazifisten in die Pflicht für den Krieg genommen.
Neben den weitestgehend bekannten Vernetzungen zwischen PR-Akteuren und US-Politikern, ergaben sich auch teilweise kuriose Symbiosen, wie etwa die zwischen NGOs (hochangesehenen Nichtregierungsorganisationen wie Amnesty International, UNICEF u.a.) und den Spins – der gelenkten Kommunikation – durch Agenturen wie die bereits im Irak-Krieg von 1991 berühmt gewordene Hill & Knowlton, aber auch ethisch angeblich integere wie Ruder Finn und viele mehr. Das Register am Ende des Buches gibt einen Überblick über die Aufgaben und die damit betrauten Organisationen. Die gesamte Textlektüre ist noch um ein Vielfaches brisanter, weil interne Verflechtungen ebenso wie die Verflechtung mit privaten Militärunternehmen auf gedeckt werden. Insgesamt konnte die Tendenz zur Privatisierung von Information, Krieg und sogar von Diplomatie nachgewiesen werden, denn es waren wiederum die gleichen Agenturen, die z.B. die Unabhängigkeitserklärung des Kosovo entwarfen.
Erfolgreich war der antiserbische Spin übrigens vor allem darum, weil alle Gegnerparteien teils die gleichen Agenturen beschäftigt hatten und somit ein einheitliches Auftreten ermöglichten, während gleichzeitig in Serbien widerstreitende Parteien ein uneinheitliches Bild kolportierten, das keiner geschlossenen Meinungsbildung dienlich war. Die Autoren zeigen an einem Schema den Kreisschluss der PR-Aktivitäten anschaulich auf, d.h. wie Argumentationen gezielt platziert, von Intellektuellen aufgenommen und diskutiert wurden, schließlich durch das Bild-material von NGOs vor Ort eine Verstärkung erhielten und dann international über unsere »freien« Medien Verbreitung fanden – ein sich selbst bestätigendes System, das Kohärenz suggeriert –, bis man sich der Kriegsrhetorik einer »humanitären Eingreifnotwendigkeit« kaum noch entziehen konnte. Eine Prokriegsargumentation,die wir in der Zukunft angesichts der Enthüllungen des Weißbuchs der Bundeswehr noch verstärkt erwarten dürften.
Wie zwiespältig die Rolle mancher Organisation – wie etwa die der schweizer Medienhilfe – waren, wird ebenso deutlich. Einerseits kann man Erfolge im Ausbau eines Mediensystems nicht absprechen, andererseits wird ideologisch eingeengt nur ein privates Mediensystem zugelassen. Überhaupt wird deutlich, wie gerade NGOs das System der Privatisierung staatlicher Aufgaben stützen, indem sie die Notwendigkeit ihrer Existenz und vor allem das Fundraising nur durch reale und möglichst eskalierende Krisen sichern können.
Für Deutschland werden die Aktivitäten des Moritz Hunzinger nur exemplarisch erläutert. Da es in Deutschland keine Meldepflicht für PR-Aktivitäten entsprechend dem FARA-Register in den USA gibt, blieben weitere deutsche Aktivitäten ausgeblendet, was eben nicht bedeutet, dass es diese nicht gegeben hätte. Hier wäre etwa die intellektuelle Begleitung diverser Regime-Change-Aktivitäten durch die Bertelsmann-Stiftung untersuchenswert. Man kann sich also noch lange nicht mit der Erkenntnis zufrieden geben, dass wir vor allem von US-Seite aus in die Balkan-Kriege der neunziger Jahre manipuliert wurden. Auch ist der Mythos des reinen NATO-Interesses so nicht haltbar. Hierzu müssten ergänzend Schriften wie die des, Internationalen Vorbereitungskomitees für ein europäisches Tribunal über den NATO-Krieg gegen Jugoslawien herangezogen werden, die von massiven Interessen Deutschlands in Ex-Jugoslawien ausgehen.
Die Aufarbeitung dessen, was auf dem Balkan und darum herum wirklich geschah,ist die Pflicht eines jeden Staatsbürgers, der Demokratie, Menschen- und Völkerrecht gegenüber verpflichtet ist. Die Entwicklung seither zeigt deutlich, in welche Richtung es gehen soll – und der Vollständigkeit halber sei dies hier aufgeführt, auch wenn es nicht Teil der rezensierten Publikation ist: die NATO-Doktrin von 1999 nennt drei legitime Gründe für sog. »Friedensmissionen«. 1. Humanitäre Gründe, 2. Ressourcensicherung und 3. Migrationsbewegungen. Im EU-Verfassungsentwurf ist Aufrüstung aller Mitgliedsstaaten Programm und das besagte Weißbuch ist bislang der Gipfel der Dreistigkeit, wie akzeptierte Grundrechte ausgehebelt und durch Marktvorteile und dem guten alten Konzept des »White-Man’s-Burden« ersetzt werden. Angesichts der Entwicklung seit den Balkan-Kriegen erhält das Buch von Becker und Beham noch einmal besondere Bedeutung und sollte zur Pflichtlektüre an Journalistenschulen erklärt werden: wir werden noch ganz anders und viel genauer hinschauen müssen, damit wir nicht nach Jahren der Gewöhnung an Orwell’sches»Neusprech« bereit werden der rhetorischen Frage zuzustimmen: »Wollt ihr den globalen Krieg?«. Wenn man uns dann überhaupt noch fragt.
Quelle: IMV - Institut für Medienverantwortung