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Fenster nach Osten: Osteuropa punktet bei der Berlinale | rbb Rundfunk Berlin-Brandenburg
Festival-Fazit
Fenster nach Osten: Osteuropa punktet bei der Berlinale
Die Berlinale ist wieder ein Fenster nach Osteuropa. Sie hat mit ihrem diesjährigen Programm viel dafür getan, um die weitverbreitete westliche Ignoranz, für die Europa an der Oder aufhört, zu überwinden. Mit sehenswerten Produktionen im Wettbewerb aus Russland, Polen, Rumänien, Bosnien-Herzegowina und Kasachstan weitete sie den filmischen Horizont, verwies nachdrücklich auf große Talente und setzte ein deutliches Zeichen.
Diese Filme erhielten die verdiente Aufmerksamkeit. Auch die anderen Reihen des Festivals präsentierten eindrucksvolle Arbeiten aus dem Osten, etwa im Forum das grandiose Debüt des Regieduos Ekvtimishvili/Groß "In Bloom" aus Georgien, das in die Zeit von 1992 führt, als die nationalen Konflikte noch nicht offen ausgebrochen, die Spannungen aber schon deutlich spürbar waren. Für das Festival des Osteuropäischen Films in Cottbus, das sich seit vielen Jahren intensiv um diese Länder kümmert, muss diese 63. Berlinale wie eine späte Bestätigung und Genugtuung erscheinen.
Vielschichtiges Drama aus Rumänien
In seltenem Gleichklang mit den Intentionen des Festivals griff die Jury unter Wong Kar Wai die Vorlage auf und prämierte vorrangig diese Filme mit ihren wichtigsten Bären. Der Hauptpreis der Berlinale, der Goldene Bär, ging erwartungsgemäß an den Rumänen Calin Peter Netzer für "Child's Pose".
...
Dramatisch, aber wahr: "An Episode in the Life of an Iron Picker"
Auch der zweite große Sieger der Berlinale reflektiert gesellschaftliche Verrohrung anhand einer dramatischen, in diesem Fall einer wahren Geschichte. In "An Episode in the Life of an Iron Picker" des bosnischen Oscarpreisträgers Danis Tanovic ("No Man's Land") spielt uns die echte Roma-Familie Mujic sehr überzeugend vor, was ihr widerfahren ist. Das Baby im Leib der Mutter war gestorben, die Frau litt unter starken Schmerzen. Obwohl akute Lebensgefahr bestand, wurde sie in allen Krankenhäusern abgewiesen, weil sie nicht versichert war. Wir teilen als Zuschauer ihre Erfahrung des allgegenwärtigen, empörenden Rassismus.
Zudem zeigt der erstaunliche Film das schwere Leben der Familie auf, den täglichen Überlebenskampf. Der Vater Nazif Mujic, der wie alle anderen zum ersten Mal vor einer Kamera stand, erhielt den Silbernen Bären als bester Darsteller, Regisseur Danis Tanovic wurde mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet.
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Berlinale-Debüt für Kasachstan
Mit "Harmony Lessons" lief zum ersten Mal ein Film aus Kasachstan im Berliner Wettbewerb, das Debüt des jungen Regisseurs Emir Baigazin. In ausgeklügelter Bildsprache, die bewusst eine kühle Distanz zum Geschehen herstellt, erzählt er von einem eigenwilligen, zwanghaften Schuljungen, der von seinen Mitschülern drangsaliert wird. Dier Handlung brutalisiert sich immer mehr und verweist auf den Zustand einer Gesellschaft, die keine Werte, keine Moral mehr hat. Baigazins hochbegabter Kameramann Aziz Zhambakiyev erhielt den Silbernen Bären für eine herausragende künstlerische Einzelleistung.
Schade nur, dass Malgoska Szumowskas mutiges Drama um einen schwulen Priester "In the Name of..." aus Polen von der Jury nicht bedacht wurde. Immerhin wurde der Film mit dem überragenden Andrzej Chyra in der Rolle des in immer tiefere Nöte geratenen Geistlichen, mit dem schwul-lesbischen Filmpreis, dem Teddy geehrt.
Die Filme aus dem Osten ließen mit ihrer oft geradezu dokumentarischen Genauigkeit, mit ihrer erzählerischen Direktheit und visuellen Experimentierlust manche westlichen, beliebigen oder artifiziellen Beiträge sehr blass aussehen.
Festival-Fazit
Fenster nach Osten: Osteuropa punktet bei der Berlinale
Die Berlinale ist wieder ein Fenster nach Osteuropa. Sie hat mit ihrem diesjährigen Programm viel dafür getan, um die weitverbreitete westliche Ignoranz, für die Europa an der Oder aufhört, zu überwinden. Mit sehenswerten Produktionen im Wettbewerb aus Russland, Polen, Rumänien, Bosnien-Herzegowina und Kasachstan weitete sie den filmischen Horizont, verwies nachdrücklich auf große Talente und setzte ein deutliches Zeichen.
Diese Filme erhielten die verdiente Aufmerksamkeit. Auch die anderen Reihen des Festivals präsentierten eindrucksvolle Arbeiten aus dem Osten, etwa im Forum das grandiose Debüt des Regieduos Ekvtimishvili/Groß "In Bloom" aus Georgien, das in die Zeit von 1992 führt, als die nationalen Konflikte noch nicht offen ausgebrochen, die Spannungen aber schon deutlich spürbar waren. Für das Festival des Osteuropäischen Films in Cottbus, das sich seit vielen Jahren intensiv um diese Länder kümmert, muss diese 63. Berlinale wie eine späte Bestätigung und Genugtuung erscheinen.
Vielschichtiges Drama aus Rumänien
In seltenem Gleichklang mit den Intentionen des Festivals griff die Jury unter Wong Kar Wai die Vorlage auf und prämierte vorrangig diese Filme mit ihren wichtigsten Bären. Der Hauptpreis der Berlinale, der Goldene Bär, ging erwartungsgemäß an den Rumänen Calin Peter Netzer für "Child's Pose".
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Dramatisch, aber wahr: "An Episode in the Life of an Iron Picker"
Auch der zweite große Sieger der Berlinale reflektiert gesellschaftliche Verrohrung anhand einer dramatischen, in diesem Fall einer wahren Geschichte. In "An Episode in the Life of an Iron Picker" des bosnischen Oscarpreisträgers Danis Tanovic ("No Man's Land") spielt uns die echte Roma-Familie Mujic sehr überzeugend vor, was ihr widerfahren ist. Das Baby im Leib der Mutter war gestorben, die Frau litt unter starken Schmerzen. Obwohl akute Lebensgefahr bestand, wurde sie in allen Krankenhäusern abgewiesen, weil sie nicht versichert war. Wir teilen als Zuschauer ihre Erfahrung des allgegenwärtigen, empörenden Rassismus.
Zudem zeigt der erstaunliche Film das schwere Leben der Familie auf, den täglichen Überlebenskampf. Der Vater Nazif Mujic, der wie alle anderen zum ersten Mal vor einer Kamera stand, erhielt den Silbernen Bären als bester Darsteller, Regisseur Danis Tanovic wurde mit dem Großen Preis der Jury ausgezeichnet.
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Berlinale-Debüt für Kasachstan
Mit "Harmony Lessons" lief zum ersten Mal ein Film aus Kasachstan im Berliner Wettbewerb, das Debüt des jungen Regisseurs Emir Baigazin. In ausgeklügelter Bildsprache, die bewusst eine kühle Distanz zum Geschehen herstellt, erzählt er von einem eigenwilligen, zwanghaften Schuljungen, der von seinen Mitschülern drangsaliert wird. Dier Handlung brutalisiert sich immer mehr und verweist auf den Zustand einer Gesellschaft, die keine Werte, keine Moral mehr hat. Baigazins hochbegabter Kameramann Aziz Zhambakiyev erhielt den Silbernen Bären für eine herausragende künstlerische Einzelleistung.
Schade nur, dass Malgoska Szumowskas mutiges Drama um einen schwulen Priester "In the Name of..." aus Polen von der Jury nicht bedacht wurde. Immerhin wurde der Film mit dem überragenden Andrzej Chyra in der Rolle des in immer tiefere Nöte geratenen Geistlichen, mit dem schwul-lesbischen Filmpreis, dem Teddy geehrt.
Die Filme aus dem Osten ließen mit ihrer oft geradezu dokumentarischen Genauigkeit, mit ihrer erzählerischen Direktheit und visuellen Experimentierlust manche westlichen, beliebigen oder artifiziellen Beiträge sehr blass aussehen.