Aufruf zur Versöhnung
Papst bittet um Vergebung für Verbrechen von Kroaten
Berlin Online, 23.06.2003
Politik - Seite 06
Thomas Götz
BANJA LUKA, 22. Juni. Nur ein Staatsoberhaupt hat vor Papst Johannes Paul II. die bosnische Serbenrepublik und ihre Hauptstadt Banja Luka eines Besuchs gewürdigt: der serbische Präsident Vojislav Kostunica. Wer in die zweigeteilte Republik Bosnien-Herzegovina kam, zog den neutralen Boden der gemeinsamen Hauptstadt beider Staatsteile vor, also Sarajevo.
Der Boden, den Johannes Paul II. betrat, ist in mehrfacher Hinsicht explosiv. Vor dem Kloster Petricevac, wo der Altar stehen sollte, gruben Entminungskommandos noch Wochen vor seiner Ankunft Fliegerbomben und Granaten aus dem Zweiten Weltkrieg aus. Sie stammten aus einem Lager der Wehrmacht, das hier untergebracht war.
Gefährlicher noch sind die immateriellen Altlasten, die mit dem Ort verbunden sind. Serbische Zeitungen erinnerten kurz vor dem Papstbesuch daran, dass in dem Franziskanerkonvent "Bruder Satan" gelebt habe. Den Spitznamen hatte sich der Mönch Tomislav Filipovic als Leiter des Konzentrationslagers Jasenovac verdient. Dass die Mönche ihn verstießen und die Kirche ihm das Priesteramt entzog, konnte nicht verhindern, dass der Mann nach dem Krieg im Talar gehenkt wurde. Am Gemetzel in Banja Luka, bei dem 1942 Kämpfer der mit den Nazis verbündeten kroatischen Ustascha rund 2 300 Serben töteten, hatte er noch als Mönch teilgenommen.
"Ich bitte den Allmächtigen um Erbarmen für die Schuld, die auch Söhne der katholischen Kirche auf sich geladen haben", sagte Johannes Paul II. , und die Anwesenden wussten, was gemeint war, obwohl der Ortsbischof zuvor vermieden hatte, davon zu sprechen. Die kroatischen Katholiken erinnern lieber daran, wie Ratko Mladic und seine paramilitärischen serbischen Einheiten das Kloster 1995 dem Erdboden gleichmachten. Gleich hinter dem Papstaltar zeugt der kahle Betonkeller für die neue Kirche von der Zerstörung der alten.
Ein paar Hügel von Banja Luka entfernt, in Drakulic, sitzen ein paar Serben um das Denkmal für ihre ermordeten Landsleute. Sie haben Brot und Salz mitgebracht, zum Gedenken. Was sie vom Papstbesuch halten, steht auf dem offiziell verbotenen T-Shirt eines jungen Mannes: "pa-paa", also ciao, darunter die Gestalt des Papstes. Auf der Brust prangt ein bluttriefendes Messer und das Datum des Gemetzels.
Der Pensionär Nedeljko Glamocanin, der 1942 elf Halbgeschwister verloren hat, hält die vom Papst geforderte Versöhnung trotz allem für möglich. Die Begründung für seine Zuversicht lässt jedoch kaum hoffen: "Das Schlimmste ist, dass die Christen nicht vereint sind gegen den Islam. "
BLZ/LUKAS PUSCH Karte Bosnien Herzegowina
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/archiv/.bin/dump.fcgi/2003/0623/politik/0051/index.html