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Paris: Kalinka-Mordprozess hat begonnen

Grizzly

Problembär
In Paris steht seit gestern der deutsche Kardiologe Dieter Kromberg vor Gericht, wegen des Vorwurfs, 1982 seine Stieftochter Kalinka vergewaltigt und ermordet zu haben. Er steht dort, weil in Deutschland nicht vernünftig ermittelt und das Verfahren eingestellt worden ist - der Vater der Toten, Andre Bamberski, hat ihn nach Frankreich entführen lassen.

Mehr hier:
Fall Kalinka: Mordprozess in Paris kann doch starten - Panorama | STERN.DE
Association Justice pour Kalinka



Anmerkung:
Zu diesem Fall hat es bereits einen ähnlichen Thread mit einem Beitrag gegeben, den ich nachfolgend zitiere:


http://www.balkanforum.info/f26/raecher-kalinka-14-spricht-87048/


André Bamberski, der den deutschen Arzt Dieter K., den er für den Mörder seiner Tochter Kalinka hält, entführen ließ, ging am Sonntag ans Grab seines Kindes und erzählt uns seine Geschichte aus 27 Jahren Leid und Hass

Es liegt kein Triumph in der Stimme von André Bamberski (72). Aber Genugtuung strahlt der elegant gekleidete Mann aus, der uns im Wohnzimmer seines Landhauses bei Toulouse gegenübersitzt. Seit 1982, als seine Tochter starb, scheint hier die Zeit stehen geblieben zu sein: Alle Möbel sind von damals, auch Kalinkas Kinderstuhl ist niemals weggeräumt worden.

Monsieur Bamberski hat in dieser Woche kaum geschlafen, musste der Polizei Rede und Antwort stehen. Auf seinem Handy: 150 Anrufe in Abwesenheit. Er ist erschöpft, aber zufrieden: Die „Jagd“, wie er es nennt, war erfolgreich. „Die Arbeit ist getan.“
Diese Woche ist der Franzose seinem letzten Lebensziel so nah gekommen wie nie in den 27 Jahren zuvor: Sühne für den Tod von Kalinka († 14). Der Preis dafür war, dass er wohl selbst straffällig geworden ist: Der Katholik, an dessen Wänden gerahmte Bibelsprüche hängen, hat den Mann, den er für Kalinkas Mörder hält, nach Frankreich entführen und vor einem Polizeigebäude aussetzen lassen. Damit Dieter K. (74) endlich vor Gericht kommt.

Dass sein Widersacher von den Kidnappern krankenhausreif geprügelt wurde, hat Bamberski „nicht gewollt“. Aber Mitleid mit dem Ex-Mediziner aus Lindau am Bodensee, der in französischer U-Haft sitzt? „Es geht ihm nicht so schlecht, er kann noch Tennis spielen“, behauptet der pensionierte Steuerberater.

„Selbstjustiz“ schrieben die Zeitungen weltweit über den hollywoodreifen Fall. Bamberski mag das Wort nicht. Er sieht sich wohl eher als Helfer der französischen Justiz, nachdem das deutsche Rechtssystem in seinen Augen versagt hat. „Ich habe keine Angst vor dem Gefängnis“, behauptet der Rächer. Hauptsache, die Ereignisse in der Nacht vom 9. auf den 10. Juli 1982 kommen endlich ans Licht. Bamberski spricht von Mord, für seinen Verdacht hat er etliche Anhaltspunkte. Und Akten, Aktenberge, zwei Zimmer und eine Garage voll.

Sommer 1982: Kalinka verbringt die Ferien bei Bamberskis geschiedener Frau und deren neuem Mann Dieter K. in Lindau – obwohl der Vater in Toulouse das Sorgerecht hat. Alle vier kennen sich aus ihrer gemeinsamen Zeit in Marokko, wo Kalinka und ihr jüngerer Bruder geboren wurden.

Es ist der Tag nach dem spektakulären WM-Halbfinale, an das sich bis heute jeder Fußballfan erinnert: Ausgerechnet Deutschland gegen Frankreich. Kalinka sieht das Spiel. Und regt sich beim letzten Telefonat mit ihrem Vater „furchtbar über das Foul des deutschen Torwarts auf“, erinnert sich der 72-Jährige.

Das Wesen seiner Tochter zu schildern, fällt ihm schwer. Als Bamberski ein Foto von Kalinkas Erstkommunion zeigt, zittern seine Hände. „Da war sie neun“, sagt er. „Ein wunderbares Mädchen. Sie war so glücklich hier. Unten am Bach hat sie mit ihrem Bruder eine Holzhütte gebaut. Und sie war sportlich, liebte Skifahren.“

Mit Sport verbringt Kalinka auch den letzten Tag ihres Lebens: Sie geht schwimmen, surft auf dem See. Abends, so wird Dieter K. später aussagen, beklagt sich das Mädchen, dass es nicht richtig braun werde. Er habe ihr daraufhin ein Eisenpräparat gespritzt. Als sie am Morgen tot in ihrem Bett liegt, habe er sie mit dem Spritzen vier weiterer Präparate zu reanimieren versucht. Als Todesursache vermutet der Mediziner einen Sonnenstich.

Bamberski wird sich später nur bruchstückhaft an den Anruf erinnern können, in dem ihn seine Ex-Frau mit dem Tod seiner Tochter konfrontiert: „Ich war wie betäubt.“ Erst Monate später hält er den Obduktionsbericht in Händen und schöpft aufgrund von Ungereimtheiten Verdacht. Von einer kleinen frischen Wunde in Kalinkas Intimbereich ist die Rede. Die Pathologen entnehmen ihre Geschlechtsorgane, untersuchen sie jedoch nicht auf Sperma. Als Bamberskis Anwälte Nachuntersuchungen erzwingen, sind die Geschlechtsorgane verschwunden.

Zu dieser Zeit hat der Vater Albträume, in denen er „sieht“, was in der Nacht seiner Meinung nach passiert ist. Kalinka habe in warmen Nächten stets nackt geschlafen. Für ihre knapp 15 Jahre wirkte sie relativ reif und erwachsen. Er ist überzeugt davon, dass Dieter K. seine Stieftochter vergewaltigen wollte – und hinterher totgespritzt hat, um die Tat zu vertuschen.

Die Staatsanwaltschaft in Deutschland sieht nicht genügend Anhaltspunkte für ein Verfahren und stellt die Ermittlungen ein. Ein französisches Gericht beurteilt die Aktenlage anders und verurteilt Dieter K. 1995 in Abwesenheit zu 15 Jahren Haft. Deutschland lehnt alle Auslieferungsanträge ab, der Lindauer Arzt darf weiter praktizieren. Bis er 1997 wegen eines anderen Verbrechens in Kempten vor Gericht landet. Er gesteht, einer 16-jährigen Patientin Narkosemittel gespritzt zu haben, um das Mädchen zu vergewaltigen. Das Urteil: zwei Jahre auf Bewährung. Hinterher verhöhnt der Horror-Arzt sein Opfer öffentlich: „Sie hat nicht Ja gesagt, aber sie hat auch nicht Nein gesagt (. . .) Wer schweigt, scheint zuzustimmen, hat man im alten Rom gesagt.“

Als sich weitere junge Frauen mit ähnlichen Anschuldigungen melden, lässt sich Bamberskis Ex-Frau Danielle (heute 64) von Dieter K. scheiden und zieht sich nach Südfrankreich zurück. „Wir hatten zuletzt keinen Kontakt“, erzählt Bamberski. Kalinkas Mutter später am Telefon: „Ich will das alles nicht kommentieren.“
Bamberski möchte noch an Kalinkas Grab, er hat nichts dagegen, dass ihn die Reporter begleiten. Das Gotteslob seiner Tochter hat er aufbewahrt, daraus liest er an ihrem Grab vor. Dem Mann stehen Tränen in den Augen: „Hier habe ich meiner Chérie vor all den Jahren Gerechtigkeit versprochen“, sagt er.

Bis heute leidet er unter den Selbstvorwürfen, die alle verwaisten Eltern plagen: Im entscheidenden Moment konnte er seine Tochter nicht beschützen. Umso verbissener kämpft Bamberski seit 27 Jahren um Rache. Er selbst meidet diesen Begriff. „Kreuzzug für Gerechtigkeit“, das findet er passender.
 
Und heute das Urteil:

"Kalinka-Prozess" - 15 Jahre Haft für deutschen Arzt
Der deutsche Arzt Dieter K. ist in Paris wegen des Todes der 14-jährigen Kalinka Bamberski vor fast 30 Jahren zu 15 Jahren Haft verurteilt worden. Ein Geschworenengericht befand den 76-Jährigen am Samstag der vorsätzlichen Körperverletzung mit Todesfolge für schuldig.


Verurteilt: Dieter K. (Archivbild)

Er habe seiner Stieftochter vorsätzlich Gewalt angetan und so unbeabsichtigt ihren Tod verursacht. Als erschwerende Umstände sah das Gericht die Minderjährigkeit von Kalinka und ihr Abhängigkeitsverhältnis zu Dieter K. an.
Neben der Haftstrafe soll er insgesamt 400.000 Euro an Hinterbliebene zahlen. Die leiblichen Eltern sollen jeweils 100.000 Euro für die moralischen Schmerzen durch den Tod ihrer Tochter erhalten. Zusätzlich soll der Vater etwa 200.000 Euro wegen des Einkommensausfalls bekommen, den er erlitten habe, um den Fall vor Gericht zu bringen.
Der Anwalt von Dieter K. kündigte an, in Berufung zu gehen. Er hatte Freispruch für den Arzt gefordert, der aus dem Kreis Lindau am Bodensee stammt. Die drei Richter und neun Geschworenen folgten mit dem Urteil im Wesentlichen der Staatsanwaltschaft, die 15 Jahre Haft für Dieter K. gefordert hatte.
Kalinka war im Juli 1982 tot in ihrem Bett im Haus von K. am Bodensee entdeckt worden. Die Anklage hatte dem heute 76-jährigen vorgeworfen, dass er geplant habe, seine Stieftochter zu vergewaltigen. Um sie gefügig zu machen, habe er ihr Beruhigungsmittel gespritzt - die Medikamente hätten das Mädchen jedoch getötet.

Verurteilter beteuert seine Unschuld

Nach dem Urteil sagte Dieter K.: "Ich möchte nochmals beteuern, dass ich total unschuldig bin und ich finde die Forderung nach dem Geld unakzeptabel." Weder er noch seine Familie würden den Betrag zahlen.
Der leibliche Vater von Kalinka, der heute 74 Jahre alte Franzose André Bamberski, hatte Dieter K. vorgeworfen, seine Tochter 1982 vergewaltigt und mit einer Spritze getötet zu haben. Das Mädchen aus Toulouse wohnte zum Tatzeitpunkt gemeinsam mit Geschwistern und ihrer Mutter bei dem Arzt und dessen Kindern. Nachdem in Deutschland ein Ermittlungsverfahren gegen Dieter K. eingestellt worden war und die Bundesrepublik den Arzt nicht an Frankreich auslieferte, hatte Bamberski den Arzt 2009 nach Frankreich entführen lassen, wo ihm nun der Prozess gemacht wurde.



Die 1982 in Lindau gestorbene 14-jährige Kalinka

Die Verteidigung von Dieter K. hatte im Vorfeld des Prozesses vergeblich argumentiert, dass er widerrechtlich im Land sei und dort nicht für etwas verurteilt werden könne, für das er in seiner Heimat nicht belangt werde. Doch Kalinka war französische Staatsbürgerin - und damit sah sich Frankreichs Justiz zuständig.
Bamberski fand es nach eigenen Worten etwas frustrierend, dass Dieter K. nicht wegen Mordes verurteilt worden sei. Er wolle die Entscheidung aber nicht kritisieren. In dem dreiwöchigen Prozess waren mehrere Frauen aufgetreten, die von sexueller Gewalt durch den Arzt berichteten. In Deutschland war er 1997 wegen der Vergewaltigung einer 16-Jährigen, die er vorher betäubt hatte, zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt worden.
Unglaublich...

Bereits schon einmal in Abwesenheit verurteilt


Der Kläger (M.) mit seinen Anwälten

Ein französisches Gericht hatte den Mediziner 1995 in Abwesenheit zu 15 Jahren Gefängnis verurteilt. Die Bundesrepublik lieferte Dieter K. aber nie aus, weil die deutsche Justiz zuvor ein Ermittlungsverfahren aus Mangel an Beweisen eingestellt hatte. Im Jahr 2001 entschied zudem der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, dass der französische Prozess in Abwesenheit des Angeklagten und ohne anwaltliche Verteidigung rechtswidrig gewesen sei.

Quelle: Paris/Lindau: "Kalinka-Prozess" - 15 Jahre Haft für deutschen Arzt - Nachrichten :: Baden-Württemberg | SWR.de
 
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