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Prognose: "Die ganze Welt wird reich sein"

Perun

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Prognose: "Die ganze Welt wird reich sein"



Ökonomen einer Bank erregen Aufsehen. Sie verheißen bis mindestens 2030 den dritten "Superzyklus", sein Wachstum wird höher sein als in der Gründerzeit und goldene Jahrzehnte für die Weltwirtschaft bringen.


Die Wahrheit ist das Ganze, heißt es bei Hegel. Die dunklen Staatsschuldenwolken, die über der westlichen Welt aufziehen, sind nur die halbe Wahrheit, sagen die Ökonomen der Standard Chartered Bank. Denn die Welt, so verkünden sie, ist seit der Jahrtausendwende in einen „Superzyklus“ eingetreten, eine mehrere Generationen dauernde Phase starken Wachstums.

In einer solchen Epoche erweisen sich eine platzende Dotcom-Blase, die Terrorattacken von 9/11 und selbst die schärfste Rezession seit Menschengedenken nur als rasch verheilende Schnittwunden. Und griechische Tragödien, bankrotte US-Kommunen, japanische Rekordverschuldung? Kleine Kratzer, so schmerzhaft man sie vor Ort auch empfindet. Sie werfen Weltgegenden im Wettbewerb zurück, aber nicht die ganze Welt – zumal, wenn die Schwellenländer weiter Reserven kumulieren.

Das Ganze ist eine globale Wirtschaft, deren Fundamentaldaten günstiger kaum sein könnten. China und Indien, die beiden bevölkerungsreichsten Staaten mit enormem Aufholbedarf, haben ihr Potenzial entfesselt. Weil noch nie in der Geschichte offener und intensiver gehandelt wurde, ziehen sie die anderen aufstrebenden Märkte der südlichen Hemisphäre mit: den Rest Asiens, Lateinamerika und Afrika.

Nur der Westen ist durch Reichtum träge geworden. Aber wenn er nicht alles falsch macht, profitiert auch er vom Langfrist-Boom – wenn auch mit weit weniger spektakulären Wachstumsraten. Global wird sich die Wirtschaftsleistung in den kommenden zwei Jahrzehnten mehr als verdoppeln. So einfach, suggeriert die Studie, können die Zusammenhänge sein, wenn man den Blick auf das große Ganze richtet. So einfach – und so ermutigend.


Gründerzeit und Nachkriegszeit

Ein „Superzyklus“ setzt die Konjunktur nicht außer Kraft. Aber im Schnitt über die Spitzen und Wellentäler ist das Wachstum in einem solchen Zeitraum deutlich höher als davor und danach. Seit dem Mittelalter hat es erst zwei solche Goldenen Zeitalter gegeben: die Gründerzeit von 1870 bis 1913 und die Nachkriegszeit von 1946 bis zur Ölkrise 1973.

Der dritte, aktuelle Zyklus sollte mindestens bis zum Jahr 2030 dauern, vielleicht sogar bis 2050. Sein Wachstum wird höher sein als in der Gründerzeit, aber deutlich niedriger als im zweiten Superzyklus. Da aber die Weltbevölkerung nicht mehr so stark wächst, sind die Zugewinne pro Erdenbürger fast so hoch wie in der Zeit des Wirtschaftswunders – jedoch nicht mehr auf den Westen konzentriert. Auch wenn sich die politische Szenerie völlig verwandelt, haben die Zyklen doch auffällige Gemeinsamkeiten. Wie aus dem Nichts taucht jeweils eine neue wirtschaftliche Großmacht auf, die als Wachstumsmotor für alle anderen dient: Amerika, Japan und heute China.

Schon ältere Erfindungen verbreiten sich und werden damit weltweit ökonomisch relevant. In der Gründerzeit waren das die Dampfmaschine, die Gasbeleuchtung und die Textilverarbeitung. In der Nachkriegszeit setzten sich Autos, Flugzeuge und Kunststoffverarbeitung allerorten durch. Heute sind es Handy und Internet, die zudem die Welt zum Dorfplatz zusammenrücken lassen.

Vor allem aber werden Handelsbarrieren abgebaut. Ende des 19. Jahrhunderts war das britische Imperium der Treiber der Globalisierung, in der Wirtschaftswunderzeit das Gatt-Abkommen zum Abbau von Zollschranken. Heute erreicht die Offenheit ein bisher nicht bekanntes Niveau – weniger durch neue weltweite Vorgaben, die in der Doha-Runde stecken bleiben, als vielmehr durch bilaterale und regionale Abkommen sonder Zahl. Das wohl wichtigste: der Beitritt Chinas zur Welthandelsorganisation (WTO).


„Hedging“ gegen Kursturbulenzen

Damit der Welthandel blüht, darf den Händlern nicht das Auf und Ab der Währungskurse den Schlaf rauben. Im ersten Zyklus garantierte das der Goldstandard, im zweiten das Bretton-Woods-System mit dem Dollar als Anker. Heute können sich zwar die Kurse der meisten Währungen frei auf dem Markt bilden. Aber dafür haben die Händler weit mehr Möglichkeiten als früher, sich durch „Hedging“ vor Kursturbulenzen zu versichern.

In einer Hinsicht freilich wird das Muster des Erfolgs diesmal ganz neu gestrickt: Die frühere Peripherie wächst so schnell, dass sie zum neuen Zentrum wird. Plötzlich sind die Massen in den Schwellen- und Entwicklungsländern die großen Profiteure eines Superzyklus. Die ersten beiden Male feierte eine westliche Minderheit die Party allein. Im Jahr 2000 sorgten die EU, Japan und die USA mit nur 15 Prozent der Weltbevölkerung für 72 Prozent der Weltwirtschaftsleistung, 2030 werden es nach den Projektionen der Ökonomen nur noch 29 Prozent sein – die Verhältnisse kehren sich um.

Dahinter stehen keineswegs kühne, fantasievolle Spekulationen. Im Gegenteil: Die Studienautoren schreiben nur fort, was sich heute tatsächlich absehen lässt. Für China erwartet Standard Chartered sogar, dass sich das Wachstum bis 2030 von zehn auf fünf Prozent abflachen wird.

Das Aufholpotenzial bleibt enorm: Der durchschnittliche Chinese verdient weniger als ein Zehntel von dem, was ein mittlerer Amerikaner nach Hause bringt. Damit steht China auf dem Niveau der USA von 1878 – einer Zeit, als im Wilden Westen noch die Colts und an der Wall Street noch nicht die Köpfe rauchten.


Alphabetisierung der Massen

Indien hingegen sollte an Dynamik noch zulegen und schon 2012 zur wachstumsstärksten der großen Volkswirtschaften aufsteigen. Auch das erscheint gut begründet: Die Alphabetisierung der Massen schafft jene Basis, die auch in China den rasanten Aufholprozess in Gang gesetzt hat.

Für Historiker ist das keine Überraschung. Zwei Jahrtausende lang waren China und Indien die führenden Volkswirtschaften. Erst seit sich das Reich der Mitte im 16. Jahrhundert abschottete, verlor es langsam an Kraft, blieb aber Nummer eins, bis es die industrielle Revolution verpasste. Der Rückfall in die Bedeutungslosigkeit erweist sich nun als überstandenes Intermezzo.

Natürlich wird Europa zu den „relativen Verlierern“ in diesen Umbrüchen zählen. Aber auch für das müde Abendland erwarten die Experten ein höheres Wachstum als in den schwachen Dekaden vor der Jahrtausendwende. Voraussetzung ist, dass der Westen die Kreativität wach hält. Sie wird zu seiner wichtigsten Ressource, wenn es darum geht, einen technologischen Vorsprung zu wahren. Dass die kaufkräftigen Mittelschichten in den Schwellenländern um hunderte Millionen Menschen anwachsen, beschert auch Europa eine Ernte, die es nie gesät hat.

Ein Boom in den Armenhäusern der Erde ist freilich ein schmutziges Geschäft. Auch wenn sich Wirtschaftswachstum und Ressourcenverbrauch seit den Siebzigerjahren entkoppelt haben, wird der Wachstumsschub im asiatischen Epizentrum des Zyklus massive ökologische Folgen haben. Unvermeidlich führt ein angeheiztes Wachstum auch zu einem aufgeheizten Planeten.

Da müssen wir durch, ist das nüchterne Fazit der Autoren. Ihr Argument: Erst starkes Wachstum setzt Mittel für den Umweltschutz frei und weckt ökologische Bedürfnisse bei Menschen, deren Eltern oder Großeltern noch ums nackte Überleben gekämpft haben. Vor allem aber dämpft Wohlstand die Gebärfreudigkeit. Und auf Dauer hängt die nachhaltige Nutzung des Planeten von nichts mehr ab als von der Zahl der Menschen, die ihn bewohnen.


USA verlieren ihre ökonomische Dominanz

Mehr Sorgen macht den Forschern, was ihre These gefährdet. Weil so viel vom Handel abhängt, wird der Protektionismus zum größten Risiko für das verheißene Superwachstum. Die USA verlieren ihre ökonomische Dominanz. China, Brasilien, Russland zeigen Muskeln in einer „multipolaren“ Welt.

Früher hätte das zu Kriegen geführt, künftig könnten es Wirtschaftskriege sein. Die eingesetzten Waffen: hohe Zölle, Exportstopp für Rohstoffe, gesteuerte Kapitalströme und manipulierte Währungen. Der Kollateralschaden: ein abgewürgtes Wachstum, unter dem alle leiden.

Dennoch: Ein Zusammenbruch des Welthandels wie in den 1930er-Jahren bleibt unwahrscheinlich. Zu vieles hat sich geändert: Die Regeln der WTO sind tief verwurzelt, multinationale Konzerne bilden eine starke Lobby. Jedes Land weiß, wie viel es durch offene Märkte gewinnen kann – und wie viel auf dem Spiel steht, wenn alle die Regeln brechen.


Prominente Unterstützer

Somit erweist sich die These vom Superzyklus als weniger spekulativ, als sie auf den ersten Blick erscheinen mag. Sie hat bereits prominente Unterstützer. Auch Experten von Goldman Sachs, McKinsey und PricewaterhouseCoopers erwarten Dekaden mit „historischen“ Wachstumsraten. Und für Wirtschaftsnobelpreisträger Edward Prescott lautet die frohe Botschaft schlicht: „Am Ende dieses Jahrhunderts wird die ganze Welt reich sein.“
 
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