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Gelöschtes Mitglied 8317
Guest
Robert Prosinecki konnte wie kaum ein anderer für Überraschungsmomente sorgen. Man muss nur den niederländischen Verteidiger Arthur Numan fragen, der bei der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Frankreich 1998™ im Spiel um Platz drei vom kroatischen Spielmacher ausgetanzt wurde und tatenlos mit ansehen musste, wie dieser nach einer schönen Körperdrehung den Ball in die Maschen setzte.
Auf Vereinsebene hat Prosinecki das Kunststück fertiggebracht, weder mit Real Madrid noch mit dem FC Barcelona Meister zu werden. Der Gewinn des europäischen Landesmeisterwettbewerbs mit Roter Stern Belgrad dürfte allerdings dafür entschädigen.
Besonders verwundert über seine Bilderbuchkarriere als Regisseur der kroatischen Nationalmannschaft war wohl sein erster Trainer bei Dinamo Zagreb, Miroslav Blazevic, der damals auf seine Dienste verzichtet und angekündigt hatte, sein Trainerdiplom zu verspeisen, falls sein Schützling eines Tages Profi werden würde.
Der geniale Blondschopf hat es seinem Trainer bewiesen, sowohl 1990 für Jugoslawien als auch 1998 für Kroatien WM-Luft geschnuppert und sich dabei auch noch in die Torschützenliste eingetragen. Zudem wurde er nicht nur zum besten Spieler der FIFA Junioren-Weltmeisterschaft 1987 in Chile, sondern auch zum besten Nachwuchsspieler der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Italien 1990™ gewählt.
Es ist nicht bekannt, welches Schicksal dem Diplom seines ehemaligen Trainers Blazevic widerfahren ist. Prosinecki, der zweifelfrei einer der größten Spieler des Balkans war, hat es indes selbst auf die Bank geschafft und betreut seit 2010 die Mannschaft von Roter Stern Belgrad.
FIFA.com hat ihn zu einem sehr unterhaltsamen Exklusiv-Gespräch getroffen.
Rohdiamanten gibt es in Serbien, Kroatien und Bosnien zuhauf. Davon zeugt alleine die Tatsache, dass sich die Nationalmannschaften für die großen Turniere qualifizieren.
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Herr Prosinecki, wie fühlt es sich nach anderthalb Jahren auf der Trainerbank an?
Sehr gut! Der Beruf an sich war zwar neu, aber ich kannte das Umfeld ja bereits. Ich habe als Spieler große Momente in diesem Verein erlebt. Folglich war es für mich naheliegend, zu versuchen, das als Trainer zu wiederholen. Dieses Jahr haben wir den Pokal gewonnen. Das nächste Ziel ist der Gewinn der Meisterschaft und die Qualifikation für die UEFA Champions League. Natürlich kann ich meine Sache noch besser machen, aber eigentlich kann ich ganz zufrieden sein.
Welche Spielweise versuchen Sie vorzugeben?
Es ist schwierig, eine bestimmte Spielweise vorzugeben und sich zu sagen, dass man so spielen will, wenn man nicht die Spieler dafür hat. Um eine bestimmte Spielweise durchsetzen zu können, muss man Spieler in seinen Reihen haben, die zu den Besten der Welt gehören. Das hier ist "lediglich" die serbische Liga. Wir versuchen ein 4-3-3 mit einem technisch versierten Fussball zu spielen, was diesen Verein schon immer ausgezeichnet hat. Spiele zu gewinnen ist wichtig. Spiele zu gewinnen und gut zu spielen aber noch wichtiger. Das ist meine Philosophie und die des Vereins. Es ist zwar nicht sonderlich originell, aber alle Trainer, die dieses Ziel ausgeben, orientieren sich am FC Barcelona. Natürlich können wir die nicht kopieren, denn das, was die machen, ist einzigartig. Versuchen kann man es aber.
Genießt man automatisch den Respekt der Spieler, wenn man Robert Prosinecki heißt?
Sagen wir es mal so: Mein Name ist den Spielern nicht gänzlich unbekannt. Der Großteil hat mich aber nie spielen sehen [lacht]. Meine aktive Vergangenheit ist eher eine Bürde, da man sehr viel von mir erwartet. Das hat mir aber gleichermaßen die nötige Motivation geschenkt, um den Roten Stern zumindest national wieder an das Niveau heranzuführen, das der Verein zu meiner aktiven Zeit hatte. Ich stelle aber täglich fest, dass einem diese Tätigkeit mehr abverlangt als der Job des Fussballers. Auf dem Platz steht man - unabhängig davon, ob man gewinnt oder verliert - 90 Minuten unter Druck. Danach fällt dieser Druck bis zum Anpfiff der nächsten Begegnung ab. Als Trainer ist man diesem Druck permanent ausgesetzt. Die Woche ist immer hart, egal ob man gewinnt oder verliert. Es gibt immer etwas vorzubereiten und man muss für 30 Spieler mitdenken, schließlich müssen die ihren nächsten Gegner ja auch so gut wie möglich kennen. Ein Trainer macht nachts kein Auge zu, damit seine Spieler in Ruhe schlafen können.
Gibt es immer noch so viel Talent in den Balkanstaaten? Oder war Ihre Generation eine Ausnahme?
Talent gibt es immer noch. Das Problem besteht aber nicht darin, talentierte Spieler zu haben. Es geht vor allem darum, behutsam mit diesen Talenten umzugehen und sie entsprechend zu fördern. Für einen 18- oder 19-jährigen Spieler kommt es nicht darauf an, wo er sein Talent am besten weiterentwickeln kann, sondern darauf, welcher Verein am meisten für dieses Talent zahlt. Das ist ein Problem, das alle Vereine in der Balkanregion haben, da sie genötigt sind, Spieler abzugeben, um zu überleben. Rohdiamanten gibt es aber in Serbien, Kroatien und Bosnien zuhauf. Davon zeugt alleine die Tatsache, dass sich die Nationalmannschaften für die großen Turniere qualifizieren.
Welche Rolle hat in Ihrer Karriere der Sieg im Europapokal der Landesmeister gegen Olympique Marseille 1991 gespielt?
Das war zweifelsohne der schönste Moment unserer Karriere. Wir haben nicht nur den Europapokal gewonnen, sondern dies vor allem mit einer rein jugoslawischen Mannschaft bewerkstelligt. Das war vielleicht nicht gerade das ansehnlichste Spiel (0:0, 5:3 i.E.), aber wer erinnert sich 20 Jahre später noch daran? Keiner spricht mich darauf an, wie ich an diesem Tag gespielt habe oder sagt, dass wir glücklich gewonnen haben. Dass wir den Europapokal gewonnen haben, weiß hingegen jeder. Das hat den jugoslawischen Spielern zudem die Tür ins Ausland geöffnet. Ich habe bei Real Madrid unterschrieben. Sinisa Mihajlovic, Vladimir Jugovic, Darko Pancev und Dejan Savicevic sind nach Italien gewechselt.
Bedauern Sie, dass diese Mannschaft so früh auseinandergebrochen ist?
Wir wussten es zum damaligen Zeitpunkt nicht, aber nur wenige Monate später sollte der Krieg ausbrechen und alles ändern - sowohl in den Beziehungen untereinander als auch hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung dieser Mannschaft. Wir hatten nicht die Zeit, um unseren Erfolg zu genießen und daraus Kapital zu schlagen. Hätte diese Mannschaft noch einige Jahre in dieser Zusammensetzung weitergespielt, hätte sie möglicherweise den europäischen Fussball dominiert. Deshalb betone ich auch immer, wie wichtig es ist, einem Verein langfristig die Treue zu halten.
Wie haben Sie den Beginn des Krieges in Jugoslawien erlebt?
Ich habe das ja nur aus der Distanz miterlebt. Ich spielte damals bei Real Madrid. Ich war jung, so an die 21 oder 22 Jahre alt. Ich war gerade erst angekommen und weit von meiner Familie entfernt. Ich konnte kaum darüber reden, da ich des Spanischen nicht mächtig und von Spielern umgeben war, die keine Ahnung hatten, was sich dort abspielte. Zumal damals niemand geglaubt hätte, dass das dieses Ausmaß annehmen könnte. Damals gab es ja kein Internet oder Handys. Um Neuigkeiten aus meinem Land und von meiner Familie zu erhalten, musste man Nachrichten schauen oder auf einen Telefonanruf warten. Stellen Sie sich vor, was das für ein Gefühl ist, zum Training zu gehen oder ein Spiel zu bestreiten, während im eigenen Land ein Krieg tobt. Ich habe mir immer wieder gesagt, dass ich Profi bin, dass Zagreb nicht so stark betroffen und meine Familie weniger in Gefahr sei. Das war aber dennoch eine sehr schwierige Situation.
Ist es heutzutage normal, als kroatischer Trainer einen serbischen Verein zu betreuen?
Noch immer nicht. Es ist aber viel Zeit vergangen und die Dinge haben sich verbessert. Kroatien bleibt mein Heimatland. Ich lebe aber und fühle mich in Serbien wohl, was vor ungefähr zehn Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Die Zeit und der Sport können viele Wunden heilen. In Belgrad fühle ich mich zuhause. Ich habe hier gespielt, für Roter Stern alles gegeben und den Europapokal gewonnen. Dadurch kann ich hier ganz entspannt leben. Ich bin vor anderthalb Jahren zurückgekehrt und hatte nie auch nur das kleinste Problem oder den geringsten Zweifel. Man hat mir das Gefühl gegeben, zu Hause zu sein. Das hat mir viel Zuversicht gegeben, um in aller Ruhe arbeiten zu können. Ich bin aber eher eine Ausnahme. Außerhalb des Fussballs ist das sicher anders.
Gegen Deutschland ist man niemals in der Favoritenrolle.
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Bei Real Madrid haben Sie zwei Mal den Meistertitel am letzten Spieltag verspielt und waren oft verletzt. Haben Sie dennoch positive Erinnerungen an diese Zeit?
[lacht] Das stimmt, ich werte das aber nicht unbedingt als Pech. Wenn es mal nicht läuft, kann man nicht viel machen! Natürlich hätte meine Karriere in Madrid besser verlaufen können, da für viele nur Titel zählen. Ich bin aber dennoch mit dem Erreichten zufrieden. Ich habe mich zu einer Zeit durchgesetzt, als es nur eine begrenzte Anzahl ausländischer Spieler gab. Ich habe einen anderen Fussball und ein anderes Leben entdeckt. Trotz meiner physischen Probleme und den zwei verspielten Titeln habe ich mich zu keinem Zeitpunkt fehl am Platz gefühlt.
Gilt das auch für Ihre Zeit beim FC Barcelona?
Jeder träumt davon, eines Tages für Real oder Barça zu spielen. Und ich habe sogar für beide auf dem Platz gestanden! Ich habe nur schöne Erinnerungen an diese Zeit. Und ich habe bei beiden einen positiven Eindruck hinterlassen. Ich glaube nicht, dass es allzu viele Spieler gibt, die für beide Klubs gespielt und in beiden Vereinen positiv in Erinnerung geblieben sind. Wenn ich heute sehe, wie ich in Madrid und Barcelona empfangen werde, war meine damalige Entscheidung nicht ganz verkehrt.
Real und Barça sind heute die zwei besten Mannschaften der Welt. In welchem System würde sich der Spieler Robert Prosinecki besser zurechtfinden?
Barça hat die letzten beiden Jahre geradezu phänomenal Fussball gespielt. Sie mögen einige Spiele verloren und weder die spanische Liga noch die Champions League gewonnen haben, aber was sie in diesem Zeitraum geleistet haben, ist einfach überragend. Als ich in Barcelona unter Johan Cruyff spielte, hatten wir eine ähnliche Spielanlage. Folglich denke ich, dass ich mich in der aktuellen Mannschaft sehr wohl fühlen würde. Mein Herz gehört aber Real Madrid! Auch wenn ich die Philosophie und Spielweise Barcelonas schätze, würde ich es doch vorziehen, für Real zu spielen.
Und auf der Bank? Mit welchem Trainer würden Sie sich da am ehesten vergleichen? José Mourinho oder Pep Guardiola?
Mourinho ist ein großartiger Trainer und zweifelsfrei einer der Besten der Welt. Man muss nur einen Blick auf seine bisherigen Erfolge werfen. Er gewinnt Spiele und die Mannschaft entwickelt sich unter ihm weiter. Guardiola steht indes für langfristige Arbeit und Kontinuität. Er legt den Akzent auf das, was auch er einmal war: ein junger Spieler in Reihen des FC Barcelona. Was Spielweise und die Auslegung des Berufs angeht, fühle ich mich eher mit Guardiola verbunden.
Wir hatten die beste kroatische Mannschaft aller Zeiten.
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Sie sind in Deutschland geboren, haben Bayern München 1991 mit Roter Stern Belgrad und die deutsche Nationalmannschaft 1998 bei der WM in Frankreich besiegt? Ist das ein besonders schönes Gefühl, gegen sein Geburtsland zu glänzen?
Ich bin in Deutschland geboren und habe da zehn Jahre gelebt, da meine Eltern dort gearbeitet haben. Ich habe aber zu keinem Zeitpunkt irgendetwas Besonderes empfunden, wenn ich gegen deutsche Mannschaften gespielt habe. In fussballerischer Hinsicht muss man sich aber immer vor Augen führen, welches Potenzial deutsche Mannschaften haben, um unsere Leistung mit weitaus schwächeren Mannschaften richtig einordnen zu können. Wir reden schließlich über Deutschland! Die Mannschaft, die keine Schwächen kennt, die immer als Favorit gehandelt wird und in sämtlichen Wettbewerben immer bis ins Endspiel kommt! Wenn man im Halbfinale gegen den FC Bayern oder im Viertelfinale eines Turniers gegen Deutschland antreten muss, ist das fast immer eine unüberwindbare Hürde. Gegen Deutschland ist man niemals in der Favoritenrolle. Das ist so, als würde sich heutzutage ein kleiner Verein gegen Real Madrid oder Barcelona durchsetzen. Wir haben uns aber im Europapokal-Halbfinale gegen Bayern München durchgesetzt und Deutschland im WM-Viertelfinale besiegt.
Nach diesem Sieg gegen Deutschland hat Kroatien im Halbfinale mit 1:2 gegen Frankreich verloren. Woran hat es an diesem Tag gefehlt?
Wir hatten die beste kroatische Mannschaft aller Zeiten. Wenn Frankreich dieses Spiel und die WM gewonnen hat, gibt es hierfür einen ganz einfachen Grund: Sie hatten eine überragende Mannschaft! Wir hatten unsere Chance. Wir hatten alles, um dieses Spiel zu gewinnen. Dann ist das passiert, was im Fussball manchmal eintritt: das Unmögliche. Wie viele Tore hatte Liliam Thuram vor dieser Begegnung erzielt? Nicht eins. Wie viele hat er danach noch erzielt? Nicht einen einzigen Treffer! Und an diesem Tag sollte er gleich zwei Mal erfolgreich sein. So ist halt der Fussball. Die kroatische Auswahl hatte aber durchaus das Zeug, Weltmeister zu werden. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass sich Brasilien damals nicht gerade in überragender Form präsentierte. Manchmal braucht man halt auch etwas Glück. An diesem Tag hatte das die andere Mannschaft.
War das 1990 in Italien ähnlich, als sie im Viertelfinale nach Elfmeterschießen gegen Argentinien ausgeschieden sind?
Sicher. Auch damals hatten wir eine großartige Mannschaft, die es bis ins Finale hätte schaffen können. Manchmal reicht Talent eben alleine nicht aus, um ein Spiel zu gewinnen. Dieses Quäntchen Glück hat uns eben manchmal gefehlt. Ich habe in zwei Mannschaften gespielt, die Weltmeister hätten werden können. Am Ende stand ich aber trotzdem mit leeren Händen da.
Welchem Spieler würden Sie in Ihrer Mannschaft die Rolle des Robert Prosinecki anvertrauen?
Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Spieler wie Lionel Messi gesehen zu haben. Der Spieler, den ich für meine Mannschaft auswählen würde, weil er das gewisse Extra mitbringt und den Unterschied ausmachen kann, ist aber Andres Iniesta.
Auf Vereinsebene hat Prosinecki das Kunststück fertiggebracht, weder mit Real Madrid noch mit dem FC Barcelona Meister zu werden. Der Gewinn des europäischen Landesmeisterwettbewerbs mit Roter Stern Belgrad dürfte allerdings dafür entschädigen.
Besonders verwundert über seine Bilderbuchkarriere als Regisseur der kroatischen Nationalmannschaft war wohl sein erster Trainer bei Dinamo Zagreb, Miroslav Blazevic, der damals auf seine Dienste verzichtet und angekündigt hatte, sein Trainerdiplom zu verspeisen, falls sein Schützling eines Tages Profi werden würde.
Der geniale Blondschopf hat es seinem Trainer bewiesen, sowohl 1990 für Jugoslawien als auch 1998 für Kroatien WM-Luft geschnuppert und sich dabei auch noch in die Torschützenliste eingetragen. Zudem wurde er nicht nur zum besten Spieler der FIFA Junioren-Weltmeisterschaft 1987 in Chile, sondern auch zum besten Nachwuchsspieler der FIFA Fussball-Weltmeisterschaft Italien 1990™ gewählt.
Es ist nicht bekannt, welches Schicksal dem Diplom seines ehemaligen Trainers Blazevic widerfahren ist. Prosinecki, der zweifelfrei einer der größten Spieler des Balkans war, hat es indes selbst auf die Bank geschafft und betreut seit 2010 die Mannschaft von Roter Stern Belgrad.
FIFA.com hat ihn zu einem sehr unterhaltsamen Exklusiv-Gespräch getroffen.
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Robert Prosinecki
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Herr Prosinecki, wie fühlt es sich nach anderthalb Jahren auf der Trainerbank an?
Sehr gut! Der Beruf an sich war zwar neu, aber ich kannte das Umfeld ja bereits. Ich habe als Spieler große Momente in diesem Verein erlebt. Folglich war es für mich naheliegend, zu versuchen, das als Trainer zu wiederholen. Dieses Jahr haben wir den Pokal gewonnen. Das nächste Ziel ist der Gewinn der Meisterschaft und die Qualifikation für die UEFA Champions League. Natürlich kann ich meine Sache noch besser machen, aber eigentlich kann ich ganz zufrieden sein.
Welche Spielweise versuchen Sie vorzugeben?
Es ist schwierig, eine bestimmte Spielweise vorzugeben und sich zu sagen, dass man so spielen will, wenn man nicht die Spieler dafür hat. Um eine bestimmte Spielweise durchsetzen zu können, muss man Spieler in seinen Reihen haben, die zu den Besten der Welt gehören. Das hier ist "lediglich" die serbische Liga. Wir versuchen ein 4-3-3 mit einem technisch versierten Fussball zu spielen, was diesen Verein schon immer ausgezeichnet hat. Spiele zu gewinnen ist wichtig. Spiele zu gewinnen und gut zu spielen aber noch wichtiger. Das ist meine Philosophie und die des Vereins. Es ist zwar nicht sonderlich originell, aber alle Trainer, die dieses Ziel ausgeben, orientieren sich am FC Barcelona. Natürlich können wir die nicht kopieren, denn das, was die machen, ist einzigartig. Versuchen kann man es aber.
Genießt man automatisch den Respekt der Spieler, wenn man Robert Prosinecki heißt?
Sagen wir es mal so: Mein Name ist den Spielern nicht gänzlich unbekannt. Der Großteil hat mich aber nie spielen sehen [lacht]. Meine aktive Vergangenheit ist eher eine Bürde, da man sehr viel von mir erwartet. Das hat mir aber gleichermaßen die nötige Motivation geschenkt, um den Roten Stern zumindest national wieder an das Niveau heranzuführen, das der Verein zu meiner aktiven Zeit hatte. Ich stelle aber täglich fest, dass einem diese Tätigkeit mehr abverlangt als der Job des Fussballers. Auf dem Platz steht man - unabhängig davon, ob man gewinnt oder verliert - 90 Minuten unter Druck. Danach fällt dieser Druck bis zum Anpfiff der nächsten Begegnung ab. Als Trainer ist man diesem Druck permanent ausgesetzt. Die Woche ist immer hart, egal ob man gewinnt oder verliert. Es gibt immer etwas vorzubereiten und man muss für 30 Spieler mitdenken, schließlich müssen die ihren nächsten Gegner ja auch so gut wie möglich kennen. Ein Trainer macht nachts kein Auge zu, damit seine Spieler in Ruhe schlafen können.
Gibt es immer noch so viel Talent in den Balkanstaaten? Oder war Ihre Generation eine Ausnahme?
Talent gibt es immer noch. Das Problem besteht aber nicht darin, talentierte Spieler zu haben. Es geht vor allem darum, behutsam mit diesen Talenten umzugehen und sie entsprechend zu fördern. Für einen 18- oder 19-jährigen Spieler kommt es nicht darauf an, wo er sein Talent am besten weiterentwickeln kann, sondern darauf, welcher Verein am meisten für dieses Talent zahlt. Das ist ein Problem, das alle Vereine in der Balkanregion haben, da sie genötigt sind, Spieler abzugeben, um zu überleben. Rohdiamanten gibt es aber in Serbien, Kroatien und Bosnien zuhauf. Davon zeugt alleine die Tatsache, dass sich die Nationalmannschaften für die großen Turniere qualifizieren.
Welche Rolle hat in Ihrer Karriere der Sieg im Europapokal der Landesmeister gegen Olympique Marseille 1991 gespielt?
Das war zweifelsohne der schönste Moment unserer Karriere. Wir haben nicht nur den Europapokal gewonnen, sondern dies vor allem mit einer rein jugoslawischen Mannschaft bewerkstelligt. Das war vielleicht nicht gerade das ansehnlichste Spiel (0:0, 5:3 i.E.), aber wer erinnert sich 20 Jahre später noch daran? Keiner spricht mich darauf an, wie ich an diesem Tag gespielt habe oder sagt, dass wir glücklich gewonnen haben. Dass wir den Europapokal gewonnen haben, weiß hingegen jeder. Das hat den jugoslawischen Spielern zudem die Tür ins Ausland geöffnet. Ich habe bei Real Madrid unterschrieben. Sinisa Mihajlovic, Vladimir Jugovic, Darko Pancev und Dejan Savicevic sind nach Italien gewechselt.
Bedauern Sie, dass diese Mannschaft so früh auseinandergebrochen ist?
Wir wussten es zum damaligen Zeitpunkt nicht, aber nur wenige Monate später sollte der Krieg ausbrechen und alles ändern - sowohl in den Beziehungen untereinander als auch hinsichtlich der zukünftigen Entwicklung dieser Mannschaft. Wir hatten nicht die Zeit, um unseren Erfolg zu genießen und daraus Kapital zu schlagen. Hätte diese Mannschaft noch einige Jahre in dieser Zusammensetzung weitergespielt, hätte sie möglicherweise den europäischen Fussball dominiert. Deshalb betone ich auch immer, wie wichtig es ist, einem Verein langfristig die Treue zu halten.
Wie haben Sie den Beginn des Krieges in Jugoslawien erlebt?
Ich habe das ja nur aus der Distanz miterlebt. Ich spielte damals bei Real Madrid. Ich war jung, so an die 21 oder 22 Jahre alt. Ich war gerade erst angekommen und weit von meiner Familie entfernt. Ich konnte kaum darüber reden, da ich des Spanischen nicht mächtig und von Spielern umgeben war, die keine Ahnung hatten, was sich dort abspielte. Zumal damals niemand geglaubt hätte, dass das dieses Ausmaß annehmen könnte. Damals gab es ja kein Internet oder Handys. Um Neuigkeiten aus meinem Land und von meiner Familie zu erhalten, musste man Nachrichten schauen oder auf einen Telefonanruf warten. Stellen Sie sich vor, was das für ein Gefühl ist, zum Training zu gehen oder ein Spiel zu bestreiten, während im eigenen Land ein Krieg tobt. Ich habe mir immer wieder gesagt, dass ich Profi bin, dass Zagreb nicht so stark betroffen und meine Familie weniger in Gefahr sei. Das war aber dennoch eine sehr schwierige Situation.
Ist es heutzutage normal, als kroatischer Trainer einen serbischen Verein zu betreuen?
Noch immer nicht. Es ist aber viel Zeit vergangen und die Dinge haben sich verbessert. Kroatien bleibt mein Heimatland. Ich lebe aber und fühle mich in Serbien wohl, was vor ungefähr zehn Jahren noch undenkbar gewesen wäre. Die Zeit und der Sport können viele Wunden heilen. In Belgrad fühle ich mich zuhause. Ich habe hier gespielt, für Roter Stern alles gegeben und den Europapokal gewonnen. Dadurch kann ich hier ganz entspannt leben. Ich bin vor anderthalb Jahren zurückgekehrt und hatte nie auch nur das kleinste Problem oder den geringsten Zweifel. Man hat mir das Gefühl gegeben, zu Hause zu sein. Das hat mir viel Zuversicht gegeben, um in aller Ruhe arbeiten zu können. Ich bin aber eher eine Ausnahme. Außerhalb des Fussballs ist das sicher anders.
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Bei Real Madrid haben Sie zwei Mal den Meistertitel am letzten Spieltag verspielt und waren oft verletzt. Haben Sie dennoch positive Erinnerungen an diese Zeit?
[lacht] Das stimmt, ich werte das aber nicht unbedingt als Pech. Wenn es mal nicht läuft, kann man nicht viel machen! Natürlich hätte meine Karriere in Madrid besser verlaufen können, da für viele nur Titel zählen. Ich bin aber dennoch mit dem Erreichten zufrieden. Ich habe mich zu einer Zeit durchgesetzt, als es nur eine begrenzte Anzahl ausländischer Spieler gab. Ich habe einen anderen Fussball und ein anderes Leben entdeckt. Trotz meiner physischen Probleme und den zwei verspielten Titeln habe ich mich zu keinem Zeitpunkt fehl am Platz gefühlt.
Gilt das auch für Ihre Zeit beim FC Barcelona?
Jeder träumt davon, eines Tages für Real oder Barça zu spielen. Und ich habe sogar für beide auf dem Platz gestanden! Ich habe nur schöne Erinnerungen an diese Zeit. Und ich habe bei beiden einen positiven Eindruck hinterlassen. Ich glaube nicht, dass es allzu viele Spieler gibt, die für beide Klubs gespielt und in beiden Vereinen positiv in Erinnerung geblieben sind. Wenn ich heute sehe, wie ich in Madrid und Barcelona empfangen werde, war meine damalige Entscheidung nicht ganz verkehrt.
Real und Barça sind heute die zwei besten Mannschaften der Welt. In welchem System würde sich der Spieler Robert Prosinecki besser zurechtfinden?
Barça hat die letzten beiden Jahre geradezu phänomenal Fussball gespielt. Sie mögen einige Spiele verloren und weder die spanische Liga noch die Champions League gewonnen haben, aber was sie in diesem Zeitraum geleistet haben, ist einfach überragend. Als ich in Barcelona unter Johan Cruyff spielte, hatten wir eine ähnliche Spielanlage. Folglich denke ich, dass ich mich in der aktuellen Mannschaft sehr wohl fühlen würde. Mein Herz gehört aber Real Madrid! Auch wenn ich die Philosophie und Spielweise Barcelonas schätze, würde ich es doch vorziehen, für Real zu spielen.
Und auf der Bank? Mit welchem Trainer würden Sie sich da am ehesten vergleichen? José Mourinho oder Pep Guardiola?
Mourinho ist ein großartiger Trainer und zweifelsfrei einer der Besten der Welt. Man muss nur einen Blick auf seine bisherigen Erfolge werfen. Er gewinnt Spiele und die Mannschaft entwickelt sich unter ihm weiter. Guardiola steht indes für langfristige Arbeit und Kontinuität. Er legt den Akzent auf das, was auch er einmal war: ein junger Spieler in Reihen des FC Barcelona. Was Spielweise und die Auslegung des Berufs angeht, fühle ich mich eher mit Guardiola verbunden.
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Sie sind in Deutschland geboren, haben Bayern München 1991 mit Roter Stern Belgrad und die deutsche Nationalmannschaft 1998 bei der WM in Frankreich besiegt? Ist das ein besonders schönes Gefühl, gegen sein Geburtsland zu glänzen?
Ich bin in Deutschland geboren und habe da zehn Jahre gelebt, da meine Eltern dort gearbeitet haben. Ich habe aber zu keinem Zeitpunkt irgendetwas Besonderes empfunden, wenn ich gegen deutsche Mannschaften gespielt habe. In fussballerischer Hinsicht muss man sich aber immer vor Augen führen, welches Potenzial deutsche Mannschaften haben, um unsere Leistung mit weitaus schwächeren Mannschaften richtig einordnen zu können. Wir reden schließlich über Deutschland! Die Mannschaft, die keine Schwächen kennt, die immer als Favorit gehandelt wird und in sämtlichen Wettbewerben immer bis ins Endspiel kommt! Wenn man im Halbfinale gegen den FC Bayern oder im Viertelfinale eines Turniers gegen Deutschland antreten muss, ist das fast immer eine unüberwindbare Hürde. Gegen Deutschland ist man niemals in der Favoritenrolle. Das ist so, als würde sich heutzutage ein kleiner Verein gegen Real Madrid oder Barcelona durchsetzen. Wir haben uns aber im Europapokal-Halbfinale gegen Bayern München durchgesetzt und Deutschland im WM-Viertelfinale besiegt.
Nach diesem Sieg gegen Deutschland hat Kroatien im Halbfinale mit 1:2 gegen Frankreich verloren. Woran hat es an diesem Tag gefehlt?
Wir hatten die beste kroatische Mannschaft aller Zeiten. Wenn Frankreich dieses Spiel und die WM gewonnen hat, gibt es hierfür einen ganz einfachen Grund: Sie hatten eine überragende Mannschaft! Wir hatten unsere Chance. Wir hatten alles, um dieses Spiel zu gewinnen. Dann ist das passiert, was im Fussball manchmal eintritt: das Unmögliche. Wie viele Tore hatte Liliam Thuram vor dieser Begegnung erzielt? Nicht eins. Wie viele hat er danach noch erzielt? Nicht einen einzigen Treffer! Und an diesem Tag sollte er gleich zwei Mal erfolgreich sein. So ist halt der Fussball. Die kroatische Auswahl hatte aber durchaus das Zeug, Weltmeister zu werden. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass sich Brasilien damals nicht gerade in überragender Form präsentierte. Manchmal braucht man halt auch etwas Glück. An diesem Tag hatte das die andere Mannschaft.
War das 1990 in Italien ähnlich, als sie im Viertelfinale nach Elfmeterschießen gegen Argentinien ausgeschieden sind?
Sicher. Auch damals hatten wir eine großartige Mannschaft, die es bis ins Finale hätte schaffen können. Manchmal reicht Talent eben alleine nicht aus, um ein Spiel zu gewinnen. Dieses Quäntchen Glück hat uns eben manchmal gefehlt. Ich habe in zwei Mannschaften gespielt, die Weltmeister hätten werden können. Am Ende stand ich aber trotzdem mit leeren Händen da.
Welchem Spieler würden Sie in Ihrer Mannschaft die Rolle des Robert Prosinecki anvertrauen?
Ich kann mich nicht erinnern, jemals einen Spieler wie Lionel Messi gesehen zu haben. Der Spieler, den ich für meine Mannschaft auswählen würde, weil er das gewisse Extra mitbringt und den Unterschied ausmachen kann, ist aber Andres Iniesta.