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Popeye
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[h1]Südossetien ist nicht Kosovo[/h1]
[h5]Nach der Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens durch Moskau werden Parallelen zum Vorgehen des Westens in Kosovo gezogen. Ein Blick in die Vorgeschichte zeigt die grossen Unterschiede. [/h5]
Der Krieg in Georgien sowie die Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens durch Moskau verleiten dazu, Parallelen zu ziehen. Die Nato hatte im Jahre 1999 in Serbien interveniert, und 46 Staaten, unter ihnen die meisten EU-Länder und die USA, haben bisher die im Februar einseitig ausgerufene Eigenstaatlichkeit Kosovos anerkannt. In beiden Fällen sind Vielvölkerstaaten, nämlich die Sowjetunion und Jugoslawien, zerfallen; in beiden Fällen lehnten ethnische Minderheiten ein Verbleiben im neuen, unabhängig gewordenen Staat ab. Die Kosovo-Albaner wollten nicht mehr in Serbien leben, die Osseten und die Abchasen nicht mehr in Georgien. Wenn sich westliche Staaten das Recht herausgenommen haben, so wird der Faden weitergesponnen, die Unabhängigkeit Kosovos anzuerkennen, dann stehe dies auch Russland im Falle Abchasiens und Südossetiens zu, auch wenn diese de iure Teil Georgiens sind. In den internationalen Beziehungen gebe es nicht eine Regel für die einen und eine andere Regel für die andern, erklärte der russische Präsident Medwedew. Doch eignet sich Kosovo wirklich als Präzedenzfall?
[h4]Nationalistische Agitation[/h4]
Alle drei Regionen führten Unabhängigkeitsreferenden durch, mit denen die einseitig proklamierte Eigenstaatlichkeit legitimiert wurde: Kosovo 1991, als der Zerfall Jugoslawiens einsetzte; Südossetien 1992 und 2006, Abchasien 1999. In Kosovo herrschten zu jener Zeit die Serben; das Referendum wurde von der kosovo-albanischen Parallelregierung ausgeschrieben. Nach der Militärintervention der Nato 1999 wurde Kosovo von der Uno verwaltet, die nun von einer EU-Mission abgelöst werden soll. Für die Sicherheit sorgten Truppen der Nato. In Abchasien und Südossetien überwachten nach den Bürgerkriegen 1991/92 mehrheitlich russische «Friedenstruppen» den Waffenstillstand. Der 1991 zum ersten Präsidenten des unabhängigen Georgien gewählte Swiad Gamsachurdia verfolgte eine nationalistische Politik und heizte so die sezessionistischen Bestrebungen unter den Minderheiten an. «Georgien den Georgiern» lautete seine Losung. Die Unabhängigkeitserklärung der Kosovo-Albaner von 1991 war – und dies ist durchaus eine Parallele – eine Reaktion auf die Aufhebung der Autonomie durch das Regime Milosevics und auf die antialbanische serbisch-nationalistische Politik.
Das Referendum der Kosovo-Albaner wurde von der serbischen Minderheit boykottiert. Die Georgier, die vor den Bürgerkriegen in den beiden ethnisch gemischten Regionen Abchasien und Südossetien gelebt hatten, konnten sich zur Zukunft der Region gar nicht äussern. Die grosse Mehrheit der Georgier war bereits vertrieben worden oder geflohen. Anders als in Kosovo, wo der Anteil der Albaner im Jahre 1991 an der Gesamtbevölkerung bei fast 90 Prozent lag, waren die Abchasen in Abchasien in der Sowjetzeit nur eine kleine Minderheit. Das Problem der rund 200 000 georgischen Flüchtlinge aus Abchasien ist noch heute ungelöst.
[h4]Prinzipien und Machtpolitik[/h4]
Die russischen Politiker sind bemüht, den militärischen Vorstoss nach Südossetien und Georgien auf die gleiche Stufe zu stellen wie die Militärintervention der Nato in Serbien und Kosovo. So begründete Moskau den Einmarsch mit den gleichen Worten, mit denen westliche Politiker die Luftangriffe der Nato auf Serbien gerechtfertigt hatten, nämlich als eine humanitäre Intervention zum Schutz der Zivilbevölkerung. Ging es in Kosovo um die albanische Bevölkerung, sprach Moskau im Falle Südossetiens von der Pflicht, russische Staatsbürger vor der georgischen Aggression zu schützen. Sogar von Genozid war die Rede. Im Gegensatz zu den Albanern Kosovos, die nach 1999 mit Uno-Reisedokumenten ausgestattet wurden, erhielten viele Osseten und Abchasen von Moskau russische Pässe – und dies, obschon sie de iure Bürger eines andern Staates waren. Auch Belgrad stellt den in Kosovo lebenden Serben, und dies ist eine weitere Parallele, Pässe der Republik Serbien aus.
Der Anspruch Georgiens auf die Souveränität über die beiden abtrünnigen Gebiete wird in Moskau mit den gleichen Argumenten zurückgewiesen, deren sich auch westlicher Politiker im Falle Kosovos bedient hatten. Diese vertraten die Auffassung, Belgrad habe mit seiner Unterdrückungs- und Vertreibungspolitik das Recht auf die politische Herrschaft in Kosovo verwirkt. Nach russischer Lesart hat auch Tbilissi mit dem – wie in Moskau immer wieder betont wird – brutalen militärischen Vorgehen gegen die Osseten in Südossetien das Recht auf die Souveränität über dieses Territorium verloren.
Mit dem Rückgriff auf Kosovo schneidet sich Russland jedoch ins eigene Fleisch. Moskau hatte noch vor kurzem die Unabhängigkeit Kosovos mit der Begründung abgelehnt, diese verstosse gegen das völkerrechtliche Prinzip der staatlichen Souveränität und der territorialen Integrität. Nun hat Russland im Falle Südossetiens und Abchasiens seine zuvor vielbeschworenen Grundsätze über Bord geworfen und dasselbe getan wie der Westen in Kosovo. Die Führung in Moskau begründete die offizielle Anerkennung der beiden abtrünnigen georgischen Provinzen mit dem in der Uno-Charta verankerten Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Moskau misst diesem Recht, zumindest im Falle Abchasiens und Südossetiens, also mehr Bedeutung bei als der territorialen Integrität eines souveränen Staates, in diesem Fall Georgiens. Was Moskau im Falle Kosovos noch als völkerrechtswidrig verdammte, steht nun, wenn es ins eigene politische Konzept passt, plötzlich im Einklang mit dem Völkerrecht. Konsequenterweise müsste Moskau nun die Unabhängigkeit Kosovos anerkennen. Bei allen oberflächlichen Parallelen gibt es weitere sehr gewichtige Unterschiede. So hat Russland, anders als die westlichen Staaten im Falle Kosovos, die Loslösung Südossetiens und Abchasiens aus dem georgischen Staatsverband von Anfang an unterstützt und betrieben. Die EU und die USA haben sich nach dem Unabhängigkeitsreferendum von 1991 kaum um das Schicksal der Kosovo-Albaner gekümmert. Sie liessen die Provinz nach dem Abkommen von Dayton Ende 1995, das den Bosnien-Krieg beendete, links liegen. Das änderte sich schlagartig, als es 1998 zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam.
[h4]Gescheiterte Verhandlungen[/h4]
Während in Kosovo nach der Intervention der Nato und der Errichtung der Uno-Mission fast neun Jahre bis zur Anerkennung der Eigenstaatlichkeit verstrichen, erfolgte in Russland dieser diplomatische Schritt nur wenige Tage nach dem militärischen Vorstoss nach Südossetien und erst noch im Alleingang. Im Falle Kosovos gab es den Plan des Uno-Vermittlers Ahtisaari, der eine weitgehende Autonomie für die serbische Minderheit und eine von der EU überwachte Eigenstaatlichkeit vorsah. Er wurde von Serbien und Russland torpediert. Damit war der Uno-Sicherheitsrat – wie schon vor der militärischen Intervention der Nato im Jahre 1999 – lahmgelegt. Eine neue Resolution zur Abstützung der im Ahtisaari-Plan vorgesehenen EU-Mission konnte nicht verabschiedet werden.
Die USA und die EU sahen nach den vielen gescheiterten Verhandlungen und angesichts der serbischen und russischen Obstruktionspolitik schliesslich keinen andern Ausweg mehr aus der verfahrenen Situation, als die einseitige Proklamation der Unabhängigkeit Kosovos zuzulassen. Der Westen hatte zuvor lange versucht, dies zu verhindern. Im Falle Südossetiens und Abchasiens gab es zwar auch einige Anläufe zu Gesprächen, teilweise unter der Vermittlung der Uno. Doch von international abgestützten Verhandlungen über eine einvernehmliche politische Lösung wie im Falle Kosovos konnte keine Rede sein. So etwas wie der umfassende Ahtisaari-Plan, der eine Lösung im Rahmen eines multiethnischen Staates vorsieht, gab es im Falle Abchasiens und Südossetiens nicht einmal in Ansätzen. Daran hatte Russland kein Interesse. Autonomieangebote des georgischen Präsidenten Saakaschwili wurden in Südossetien und Abchasien abgelehnt.
[h4]Ohne Mandat der Uno[/h4]
Die Intervention der Nato in Kosovo, auch wenn sie – anders als in Bosnien – ohne Mandat der Uno erfolgte, kann kaum mit dem Vorgehen Russlands in Südossetien gleichgesetzt werden. Anfang 1999 gab es für Serbien nämlich eine letzte Chance zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts. Nach dem Muster von Dayton sollte Belgrad und den Kosovo-Albanern bei den Verhandlungen im Februar 1999 in Rambouillet und Mitte März in Paris ein Friedensplan aufgezwungen werden, der eine substanzielle Autonomie Kosovos innerhalb der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien vorsah. Belgrad lehnte jedoch die geplante Stationierung von Nato-Truppen in Kosovo zur Überwachung des Abkommens strikte ab und verweigerte die Unterschrift. Serbien hätte die Intervention also durch ein Einlenken noch abwenden können.
Nach einer serbischen Offensive im Sommer 1998 in Kosovo und den dadurch ausgelösten Flüchtlingsströmen sprach der Uno-Sicherheitsrat von einer Bedrohung des Friedens in der gesamten Region. Er verlangte ein Ende der Kämpfe und die Aufnahme von Verhandlungen. Die Uno drohte andernfalls mit weiteren Massnahmen. Um welche es sich handeln sollte, wurde nicht gesagt. Russland hat diese Resolution mitgetragen. Kurz darauf, im Oktober 1998, kündigte die Nato den begrenzten Einsatz der Luftwaffe an, sollte Belgrad nicht einlenken. Damit aber gab es für die Nato kein Zurück mehr, wollte sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren. Zwar wurden bei den Luftangriffen auch Zivilisten getötet. Doch konnten mit dem Eingreifen der Nato wohl ein längerer Krieg wie in Bosnien und weiteres Blutvergiessen verhindert werden.
Sdossetien ist nicht Kosovo (Zrich , NZZ Online)
[h5]Nach der Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens durch Moskau werden Parallelen zum Vorgehen des Westens in Kosovo gezogen. Ein Blick in die Vorgeschichte zeigt die grossen Unterschiede. [/h5]
Der Krieg in Georgien sowie die Anerkennung der Unabhängigkeit Südossetiens und Abchasiens durch Moskau verleiten dazu, Parallelen zu ziehen. Die Nato hatte im Jahre 1999 in Serbien interveniert, und 46 Staaten, unter ihnen die meisten EU-Länder und die USA, haben bisher die im Februar einseitig ausgerufene Eigenstaatlichkeit Kosovos anerkannt. In beiden Fällen sind Vielvölkerstaaten, nämlich die Sowjetunion und Jugoslawien, zerfallen; in beiden Fällen lehnten ethnische Minderheiten ein Verbleiben im neuen, unabhängig gewordenen Staat ab. Die Kosovo-Albaner wollten nicht mehr in Serbien leben, die Osseten und die Abchasen nicht mehr in Georgien. Wenn sich westliche Staaten das Recht herausgenommen haben, so wird der Faden weitergesponnen, die Unabhängigkeit Kosovos anzuerkennen, dann stehe dies auch Russland im Falle Abchasiens und Südossetiens zu, auch wenn diese de iure Teil Georgiens sind. In den internationalen Beziehungen gebe es nicht eine Regel für die einen und eine andere Regel für die andern, erklärte der russische Präsident Medwedew. Doch eignet sich Kosovo wirklich als Präzedenzfall?
[h4]Nationalistische Agitation[/h4]
Alle drei Regionen führten Unabhängigkeitsreferenden durch, mit denen die einseitig proklamierte Eigenstaatlichkeit legitimiert wurde: Kosovo 1991, als der Zerfall Jugoslawiens einsetzte; Südossetien 1992 und 2006, Abchasien 1999. In Kosovo herrschten zu jener Zeit die Serben; das Referendum wurde von der kosovo-albanischen Parallelregierung ausgeschrieben. Nach der Militärintervention der Nato 1999 wurde Kosovo von der Uno verwaltet, die nun von einer EU-Mission abgelöst werden soll. Für die Sicherheit sorgten Truppen der Nato. In Abchasien und Südossetien überwachten nach den Bürgerkriegen 1991/92 mehrheitlich russische «Friedenstruppen» den Waffenstillstand. Der 1991 zum ersten Präsidenten des unabhängigen Georgien gewählte Swiad Gamsachurdia verfolgte eine nationalistische Politik und heizte so die sezessionistischen Bestrebungen unter den Minderheiten an. «Georgien den Georgiern» lautete seine Losung. Die Unabhängigkeitserklärung der Kosovo-Albaner von 1991 war – und dies ist durchaus eine Parallele – eine Reaktion auf die Aufhebung der Autonomie durch das Regime Milosevics und auf die antialbanische serbisch-nationalistische Politik.
Das Referendum der Kosovo-Albaner wurde von der serbischen Minderheit boykottiert. Die Georgier, die vor den Bürgerkriegen in den beiden ethnisch gemischten Regionen Abchasien und Südossetien gelebt hatten, konnten sich zur Zukunft der Region gar nicht äussern. Die grosse Mehrheit der Georgier war bereits vertrieben worden oder geflohen. Anders als in Kosovo, wo der Anteil der Albaner im Jahre 1991 an der Gesamtbevölkerung bei fast 90 Prozent lag, waren die Abchasen in Abchasien in der Sowjetzeit nur eine kleine Minderheit. Das Problem der rund 200 000 georgischen Flüchtlinge aus Abchasien ist noch heute ungelöst.
[h4]Prinzipien und Machtpolitik[/h4]
Die russischen Politiker sind bemüht, den militärischen Vorstoss nach Südossetien und Georgien auf die gleiche Stufe zu stellen wie die Militärintervention der Nato in Serbien und Kosovo. So begründete Moskau den Einmarsch mit den gleichen Worten, mit denen westliche Politiker die Luftangriffe der Nato auf Serbien gerechtfertigt hatten, nämlich als eine humanitäre Intervention zum Schutz der Zivilbevölkerung. Ging es in Kosovo um die albanische Bevölkerung, sprach Moskau im Falle Südossetiens von der Pflicht, russische Staatsbürger vor der georgischen Aggression zu schützen. Sogar von Genozid war die Rede. Im Gegensatz zu den Albanern Kosovos, die nach 1999 mit Uno-Reisedokumenten ausgestattet wurden, erhielten viele Osseten und Abchasen von Moskau russische Pässe – und dies, obschon sie de iure Bürger eines andern Staates waren. Auch Belgrad stellt den in Kosovo lebenden Serben, und dies ist eine weitere Parallele, Pässe der Republik Serbien aus.
Der Anspruch Georgiens auf die Souveränität über die beiden abtrünnigen Gebiete wird in Moskau mit den gleichen Argumenten zurückgewiesen, deren sich auch westlicher Politiker im Falle Kosovos bedient hatten. Diese vertraten die Auffassung, Belgrad habe mit seiner Unterdrückungs- und Vertreibungspolitik das Recht auf die politische Herrschaft in Kosovo verwirkt. Nach russischer Lesart hat auch Tbilissi mit dem – wie in Moskau immer wieder betont wird – brutalen militärischen Vorgehen gegen die Osseten in Südossetien das Recht auf die Souveränität über dieses Territorium verloren.
Mit dem Rückgriff auf Kosovo schneidet sich Russland jedoch ins eigene Fleisch. Moskau hatte noch vor kurzem die Unabhängigkeit Kosovos mit der Begründung abgelehnt, diese verstosse gegen das völkerrechtliche Prinzip der staatlichen Souveränität und der territorialen Integrität. Nun hat Russland im Falle Südossetiens und Abchasiens seine zuvor vielbeschworenen Grundsätze über Bord geworfen und dasselbe getan wie der Westen in Kosovo. Die Führung in Moskau begründete die offizielle Anerkennung der beiden abtrünnigen georgischen Provinzen mit dem in der Uno-Charta verankerten Prinzip des Selbstbestimmungsrechts der Völker. Moskau misst diesem Recht, zumindest im Falle Abchasiens und Südossetiens, also mehr Bedeutung bei als der territorialen Integrität eines souveränen Staates, in diesem Fall Georgiens. Was Moskau im Falle Kosovos noch als völkerrechtswidrig verdammte, steht nun, wenn es ins eigene politische Konzept passt, plötzlich im Einklang mit dem Völkerrecht. Konsequenterweise müsste Moskau nun die Unabhängigkeit Kosovos anerkennen. Bei allen oberflächlichen Parallelen gibt es weitere sehr gewichtige Unterschiede. So hat Russland, anders als die westlichen Staaten im Falle Kosovos, die Loslösung Südossetiens und Abchasiens aus dem georgischen Staatsverband von Anfang an unterstützt und betrieben. Die EU und die USA haben sich nach dem Unabhängigkeitsreferendum von 1991 kaum um das Schicksal der Kosovo-Albaner gekümmert. Sie liessen die Provinz nach dem Abkommen von Dayton Ende 1995, das den Bosnien-Krieg beendete, links liegen. Das änderte sich schlagartig, als es 1998 zu bewaffneten Auseinandersetzungen kam.
[h4]Gescheiterte Verhandlungen[/h4]
Während in Kosovo nach der Intervention der Nato und der Errichtung der Uno-Mission fast neun Jahre bis zur Anerkennung der Eigenstaatlichkeit verstrichen, erfolgte in Russland dieser diplomatische Schritt nur wenige Tage nach dem militärischen Vorstoss nach Südossetien und erst noch im Alleingang. Im Falle Kosovos gab es den Plan des Uno-Vermittlers Ahtisaari, der eine weitgehende Autonomie für die serbische Minderheit und eine von der EU überwachte Eigenstaatlichkeit vorsah. Er wurde von Serbien und Russland torpediert. Damit war der Uno-Sicherheitsrat – wie schon vor der militärischen Intervention der Nato im Jahre 1999 – lahmgelegt. Eine neue Resolution zur Abstützung der im Ahtisaari-Plan vorgesehenen EU-Mission konnte nicht verabschiedet werden.
Die USA und die EU sahen nach den vielen gescheiterten Verhandlungen und angesichts der serbischen und russischen Obstruktionspolitik schliesslich keinen andern Ausweg mehr aus der verfahrenen Situation, als die einseitige Proklamation der Unabhängigkeit Kosovos zuzulassen. Der Westen hatte zuvor lange versucht, dies zu verhindern. Im Falle Südossetiens und Abchasiens gab es zwar auch einige Anläufe zu Gesprächen, teilweise unter der Vermittlung der Uno. Doch von international abgestützten Verhandlungen über eine einvernehmliche politische Lösung wie im Falle Kosovos konnte keine Rede sein. So etwas wie der umfassende Ahtisaari-Plan, der eine Lösung im Rahmen eines multiethnischen Staates vorsieht, gab es im Falle Abchasiens und Südossetiens nicht einmal in Ansätzen. Daran hatte Russland kein Interesse. Autonomieangebote des georgischen Präsidenten Saakaschwili wurden in Südossetien und Abchasien abgelehnt.
[h4]Ohne Mandat der Uno[/h4]
Die Intervention der Nato in Kosovo, auch wenn sie – anders als in Bosnien – ohne Mandat der Uno erfolgte, kann kaum mit dem Vorgehen Russlands in Südossetien gleichgesetzt werden. Anfang 1999 gab es für Serbien nämlich eine letzte Chance zu einer friedlichen Beilegung des Konflikts. Nach dem Muster von Dayton sollte Belgrad und den Kosovo-Albanern bei den Verhandlungen im Februar 1999 in Rambouillet und Mitte März in Paris ein Friedensplan aufgezwungen werden, der eine substanzielle Autonomie Kosovos innerhalb der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien vorsah. Belgrad lehnte jedoch die geplante Stationierung von Nato-Truppen in Kosovo zur Überwachung des Abkommens strikte ab und verweigerte die Unterschrift. Serbien hätte die Intervention also durch ein Einlenken noch abwenden können.
Nach einer serbischen Offensive im Sommer 1998 in Kosovo und den dadurch ausgelösten Flüchtlingsströmen sprach der Uno-Sicherheitsrat von einer Bedrohung des Friedens in der gesamten Region. Er verlangte ein Ende der Kämpfe und die Aufnahme von Verhandlungen. Die Uno drohte andernfalls mit weiteren Massnahmen. Um welche es sich handeln sollte, wurde nicht gesagt. Russland hat diese Resolution mitgetragen. Kurz darauf, im Oktober 1998, kündigte die Nato den begrenzten Einsatz der Luftwaffe an, sollte Belgrad nicht einlenken. Damit aber gab es für die Nato kein Zurück mehr, wollte sie ihre Glaubwürdigkeit nicht verlieren. Zwar wurden bei den Luftangriffen auch Zivilisten getötet. Doch konnten mit dem Eingreifen der Nato wohl ein längerer Krieg wie in Bosnien und weiteres Blutvergiessen verhindert werden.
Sdossetien ist nicht Kosovo (Zrich , NZZ Online)