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Saudiarabien: Dialog in Wien, geschlagene Christen daheim
Im Land der heiligen Stätten des Islam ist für Andersgläubige kein Platz. Während etwa in Katar und Bahrain bereits Kirchen gebaut wurden, ist dies in Saudiarabien weiter undenkbar.
Kairo/Riad. Die drei Dutzend äthiopische Christe hatten sich in der saudischen Hafenstadt Jidda gerade zum Gottesdienst versammelt, als die Polizei die Wohnung stürmte. Alle 35 Betenden wurden verhaftet. Auf der Polizeiwache mussten sich die Frauen nackt ausziehen und wurden an ihren Genitalien durchsucht, die Männer verprügelt und als „Ungläubige“ beschimpft. „Während König Abdullah in Wien ein internationales Zentrum für interreligiösen Dialog einrichtet, trampelt seine Polizei auf den Rechten von Gläubigen anderer Religionen herum“, kritisierte Christoph Wilcke von „Human Rights Watch“. „Die Regierung sollte erst einmal daheim ihre intoleranten Methoden ändern, bevor sie draußen religiösen Dialog fördert.“
"Wir werden es spätestens 2013 schon immer gewusst haben."
Mit Religionsfreiheit und Toleranz ist es in Saudiarabien, der historischen Heimat des Propheten Mohammed, in der Tat nicht gut bestellt. Der Bau von Kirchen ist verboten, Kreuze und andere christliche Symbole dürfen nicht offen gezeigt werden, Gottesdienste aller anderen Religionen sind untersagt. Wer vom Islam zum Christentum konvertiert, dem droht offiziell die Todesstrafe.
Scharia-Körperstrafen sind an der Tagesordnung. Erst kürzlich wurde in Mekka einem Dieb im Namen Allahs die Hand abgehackt. In Riad auf dem al-Adl-Platz ließ die fromme Justiz nach dem Freitagsgebet einen Sudanesen öffentlich enthaupten und seine Leiche anschließend ans Kreuz schlagen – einer von zahlreichen Fällen. Und die wenigen saudischen Menschenrechtsaktivisten sehen sich in den vergangenen Monaten „einer besorgniserregenden Kette von Gerichtsfällen“ ausgesetzt, wie Amnesty International beklagte.
Joggen nur im Sperrbezirk
Das Königreich stellt sich gern extrem fromm dar: Fünfmal am Tag während der Gebetszeiten werden alle Einrichtungen geschlossen, von Supermärkten über Behörden bis zu Cafés und Tankstellen. Kinos, Konzerte und Theater gibt es nicht, die Lebenssphären von Frauen und Männern sind strikt getrennt. Auch nicht muslimische Frauen sind gezwungen, körperlange schwarze Abbayas zu tragen, dürfen weder Sport treiben noch Auto fahren. Nur im streng abgeschirmten Diplomatenviertel von Riad sieht man gelegentlich am frühen Morgen weibliche Joggerinnen in ihrem teuren Ghetto durch die Straßen laufen.
Die ganze Golfregion ist muslimisch, unter den schätzungsweise 15 Millionen Gastarbeitern aus asiatischen und arabischen Ländern jedoch sind hunderttausende Christen – meist von den Philippinen, aus Indien oder Ägypten. In Katar ließ der Emir für sie aus eigener Tasche ein großes Gotteshaus bauen. In Bahrain darf der Vatikan eine Kathedrale mit pastoralem Zentrum errichten, das sich künftig um die rund zwei Millionen Katholiken in Kuwait, Bahrain, Saudiarabien und Katar kümmern soll. Einzig in Saudiarabien, wo mit neun Millionen Menschen der Löwenanteil der ausländischen Arbeitskräfte lebt, herrscht absolute Blockade.
Grund ist ein vormodernes Toleranzverständnis, das die Praxis nicht muslimischer Religionen nur auf anderen Territorien akzeptiert. Fremde Glaubensgemeinschaften auf dem eigenen Boden dagegen werden als Beschmutzung begriffen, als Störung zwischen der menschlichen und göttlichen Sphäre, als eine Provokation Allahs, die Unglück oder Strafen für die Rechtgläubigen heraufbeschwören könnte.
Strenge Kleriker plädieren sogar dafür, dass Andersgläubige die Arabische Halbinsel überhaupt nicht betreten dürften. Al-Qaida-Chef Osama bin Laden warf dem saudischen Königshaus einst vor, mit der Stationierung von US-Truppen im Kuwait-Krieg gegen Saddam Hussein das Land entweiht zu haben. Offiziell untersagt ist allen Nichtmuslimen der Besuch von Mekka und Medina, wo rote Warnschilder auf der Autobahn sie von den heiligen Städten wegdirigieren. Wer innerhalb der Stadtgrenzen aufgegriffen wird, muss damit rechnen, verhaftet und des Landes verwiesen zu werden.
Ein Paar Zügel für Religonspolizei
Seit seiner Thronbesteigung 2005 allerdings versucht König Abdullah, diese klerikale Engstirnigkeit etwas zu lockern – „nichts Schnelles und Mutiges, aber die Richtung stimmt“, sagt ein Diplomat. Die zwei Millionen Schiiten im Osten des Landes etwa dürfen ihre religiösen Feste wieder offen feiern und eigene Moscheen bauen. Trotzdem fühlen sie sich weiter als Bürger zweiter Klasse – zu wenige gute Jobs, zu wenige staatliche Investitionen in ihrer Heimat. Zuletzt entschloss sich der 88-jährige Monarch sogar, der Religionspolizei ein paar Zügel anzulegen. So dürfen sich die Sittenwächter künftig nicht mehr an den Türen von Einkaufszentren postieren und Frauen den Zutritt verweigern, die sich ihre Fingernägel rot lackiert haben.
Im Land der heiligen Stätten des Islam ist für Andersgläubige kein Platz. Während etwa in Katar und Bahrain bereits Kirchen gebaut wurden, ist dies in Saudiarabien weiter undenkbar.
Kairo/Riad. Die drei Dutzend äthiopische Christe hatten sich in der saudischen Hafenstadt Jidda gerade zum Gottesdienst versammelt, als die Polizei die Wohnung stürmte. Alle 35 Betenden wurden verhaftet. Auf der Polizeiwache mussten sich die Frauen nackt ausziehen und wurden an ihren Genitalien durchsucht, die Männer verprügelt und als „Ungläubige“ beschimpft. „Während König Abdullah in Wien ein internationales Zentrum für interreligiösen Dialog einrichtet, trampelt seine Polizei auf den Rechten von Gläubigen anderer Religionen herum“, kritisierte Christoph Wilcke von „Human Rights Watch“. „Die Regierung sollte erst einmal daheim ihre intoleranten Methoden ändern, bevor sie draußen religiösen Dialog fördert.“
"Wir werden es spätestens 2013 schon immer gewusst haben."
Mit Religionsfreiheit und Toleranz ist es in Saudiarabien, der historischen Heimat des Propheten Mohammed, in der Tat nicht gut bestellt. Der Bau von Kirchen ist verboten, Kreuze und andere christliche Symbole dürfen nicht offen gezeigt werden, Gottesdienste aller anderen Religionen sind untersagt. Wer vom Islam zum Christentum konvertiert, dem droht offiziell die Todesstrafe.
Scharia-Körperstrafen sind an der Tagesordnung. Erst kürzlich wurde in Mekka einem Dieb im Namen Allahs die Hand abgehackt. In Riad auf dem al-Adl-Platz ließ die fromme Justiz nach dem Freitagsgebet einen Sudanesen öffentlich enthaupten und seine Leiche anschließend ans Kreuz schlagen – einer von zahlreichen Fällen. Und die wenigen saudischen Menschenrechtsaktivisten sehen sich in den vergangenen Monaten „einer besorgniserregenden Kette von Gerichtsfällen“ ausgesetzt, wie Amnesty International beklagte.
Joggen nur im Sperrbezirk
Das Königreich stellt sich gern extrem fromm dar: Fünfmal am Tag während der Gebetszeiten werden alle Einrichtungen geschlossen, von Supermärkten über Behörden bis zu Cafés und Tankstellen. Kinos, Konzerte und Theater gibt es nicht, die Lebenssphären von Frauen und Männern sind strikt getrennt. Auch nicht muslimische Frauen sind gezwungen, körperlange schwarze Abbayas zu tragen, dürfen weder Sport treiben noch Auto fahren. Nur im streng abgeschirmten Diplomatenviertel von Riad sieht man gelegentlich am frühen Morgen weibliche Joggerinnen in ihrem teuren Ghetto durch die Straßen laufen.
Die ganze Golfregion ist muslimisch, unter den schätzungsweise 15 Millionen Gastarbeitern aus asiatischen und arabischen Ländern jedoch sind hunderttausende Christen – meist von den Philippinen, aus Indien oder Ägypten. In Katar ließ der Emir für sie aus eigener Tasche ein großes Gotteshaus bauen. In Bahrain darf der Vatikan eine Kathedrale mit pastoralem Zentrum errichten, das sich künftig um die rund zwei Millionen Katholiken in Kuwait, Bahrain, Saudiarabien und Katar kümmern soll. Einzig in Saudiarabien, wo mit neun Millionen Menschen der Löwenanteil der ausländischen Arbeitskräfte lebt, herrscht absolute Blockade.
Grund ist ein vormodernes Toleranzverständnis, das die Praxis nicht muslimischer Religionen nur auf anderen Territorien akzeptiert. Fremde Glaubensgemeinschaften auf dem eigenen Boden dagegen werden als Beschmutzung begriffen, als Störung zwischen der menschlichen und göttlichen Sphäre, als eine Provokation Allahs, die Unglück oder Strafen für die Rechtgläubigen heraufbeschwören könnte.
Strenge Kleriker plädieren sogar dafür, dass Andersgläubige die Arabische Halbinsel überhaupt nicht betreten dürften. Al-Qaida-Chef Osama bin Laden warf dem saudischen Königshaus einst vor, mit der Stationierung von US-Truppen im Kuwait-Krieg gegen Saddam Hussein das Land entweiht zu haben. Offiziell untersagt ist allen Nichtmuslimen der Besuch von Mekka und Medina, wo rote Warnschilder auf der Autobahn sie von den heiligen Städten wegdirigieren. Wer innerhalb der Stadtgrenzen aufgegriffen wird, muss damit rechnen, verhaftet und des Landes verwiesen zu werden.
Ein Paar Zügel für Religonspolizei
Seit seiner Thronbesteigung 2005 allerdings versucht König Abdullah, diese klerikale Engstirnigkeit etwas zu lockern – „nichts Schnelles und Mutiges, aber die Richtung stimmt“, sagt ein Diplomat. Die zwei Millionen Schiiten im Osten des Landes etwa dürfen ihre religiösen Feste wieder offen feiern und eigene Moscheen bauen. Trotzdem fühlen sie sich weiter als Bürger zweiter Klasse – zu wenige gute Jobs, zu wenige staatliche Investitionen in ihrer Heimat. Zuletzt entschloss sich der 88-jährige Monarch sogar, der Religionspolizei ein paar Zügel anzulegen. So dürfen sich die Sittenwächter künftig nicht mehr an den Türen von Einkaufszentren postieren und Frauen den Zutritt verweigern, die sich ihre Fingernägel rot lackiert haben.