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Serbisch- montenegrinischer Minister Ljajic im STANDARD-Interview: Nicht möglich "serbische Helden" zu verhaften
Rasim Ljajic, Minister Serbien-MontenegrosZur Person
Rasim Ljajic (40) studierte Medizin in Sarajewo und ist Mitglied der Partei "Demokratische Opposition Serbiens" (ODS).
Mit dem für die Zusammenarbeit mit dem Haager UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen zuständigen Minister Serbiens und Montenegros, Rasim Ljajic, sprach Andrej Ivanji in Belgrad.
STANDARD: Warum werden die mutmaßlichen Kriegsverbrecher nicht endlich verhaftet?
Ljajic: Die serbische Regierung versucht, die Angeklagten zu überreden, sich freiwillig zu stellen.
STANDARD: Würde die Verhaftung die Sicherheitslage tatsächlich gefährden, wie die serbische Regierung behauptet?
Ljajic: Das glaube ich nicht. Die Verhaftung der Angeklagten würde aber die serbische Minderheitsregierung zu Fall bringen, die ja von den Sozialisten Slobodan Milosevic' unterstützt wird. Eine zwangsweise Auslieferung würde zu Neuwahlen führen und die Verabschiedung der neuen Verfassung und die politischen und wirtschaftlichen Reformen für mehrere Monate lahm legen. Im Wahlkampf würde aber niemand die Angeklagten verhaften.
STANDARD: Warum nicht?
Ljajic: Weil die überragende Mehrheit der serbischen Bevölkerung leider immer noch gegen die Zusammenarbeit mit dem Tribunal ist. Kein Politiker kann es sich leisten, im Wahlkampf die "serbischen Helden" verhaften zu lassen. Und in Serbien finden dauernd Wahlen statt, vierzehn seit 1990. Seit der Wende im Oktober 2000 hat sich niemand in Serbien systematisch mit der bitter nötigen Vergangenheitsbewältigung befasst.
STANDARD: Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?
Ljajic: Wenn drei wegen Kriegsverbrechen angeklagte serbische Generäle frei in Belgrad leben, öffentlich auftreten und sogar Drohungen äußern, dann verliert die Regierung natürlich an Glaubwürdigkeit. Wer wird uns denn glauben, dass wir keine Ahnung haben wo sich der bosnisch-serbische General Ratko Mladic und dreizehn andere Angeklagte aufhalten, wenn wir die international steckbrieflich gesuchten Personen, die sich gar nicht verstecken, nicht verhaften?
STANDARD: Hat das Folgen für Serbien und Montenegro?
Ljajic: Gewaltige. Die Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal ist die wichtigste Bedingung der internationalen Gemeinschaft für weitere europäische Integrationsprozesse. Wenn Serbien nicht bald die Angeklagten verhaftet, dann können wir Verhandlungen über den Beitritt zur EU und der Partnerschaft für den Frieden für lange Zeit vergessen. Auch die sonst positiven Ergebnisse der wirtschaftlichen und politischen Reformen werden wir dann nicht verwerten können. Wir alle hier sind Geiseln von einigen Menschen, denen früher oder später der Prozess wegen Kriegsverbrechen vor dem UNO-Tribunal gemacht werden wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.1.2005)
www.derstandard.at
Rasim Ljajic, Minister Serbien-MontenegrosZur Person
Rasim Ljajic (40) studierte Medizin in Sarajewo und ist Mitglied der Partei "Demokratische Opposition Serbiens" (ODS).
Mit dem für die Zusammenarbeit mit dem Haager UNO-Tribunal für Kriegsverbrechen zuständigen Minister Serbiens und Montenegros, Rasim Ljajic, sprach Andrej Ivanji in Belgrad.
STANDARD: Warum werden die mutmaßlichen Kriegsverbrecher nicht endlich verhaftet?
Ljajic: Die serbische Regierung versucht, die Angeklagten zu überreden, sich freiwillig zu stellen.
STANDARD: Würde die Verhaftung die Sicherheitslage tatsächlich gefährden, wie die serbische Regierung behauptet?
Ljajic: Das glaube ich nicht. Die Verhaftung der Angeklagten würde aber die serbische Minderheitsregierung zu Fall bringen, die ja von den Sozialisten Slobodan Milosevic' unterstützt wird. Eine zwangsweise Auslieferung würde zu Neuwahlen führen und die Verabschiedung der neuen Verfassung und die politischen und wirtschaftlichen Reformen für mehrere Monate lahm legen. Im Wahlkampf würde aber niemand die Angeklagten verhaften.
STANDARD: Warum nicht?
Ljajic: Weil die überragende Mehrheit der serbischen Bevölkerung leider immer noch gegen die Zusammenarbeit mit dem Tribunal ist. Kein Politiker kann es sich leisten, im Wahlkampf die "serbischen Helden" verhaften zu lassen. Und in Serbien finden dauernd Wahlen statt, vierzehn seit 1990. Seit der Wende im Oktober 2000 hat sich niemand in Serbien systematisch mit der bitter nötigen Vergangenheitsbewältigung befasst.
STANDARD: Wie reagiert die internationale Gemeinschaft?
Ljajic: Wenn drei wegen Kriegsverbrechen angeklagte serbische Generäle frei in Belgrad leben, öffentlich auftreten und sogar Drohungen äußern, dann verliert die Regierung natürlich an Glaubwürdigkeit. Wer wird uns denn glauben, dass wir keine Ahnung haben wo sich der bosnisch-serbische General Ratko Mladic und dreizehn andere Angeklagte aufhalten, wenn wir die international steckbrieflich gesuchten Personen, die sich gar nicht verstecken, nicht verhaften?
STANDARD: Hat das Folgen für Serbien und Montenegro?
Ljajic: Gewaltige. Die Zusammenarbeit mit dem UNO-Tribunal ist die wichtigste Bedingung der internationalen Gemeinschaft für weitere europäische Integrationsprozesse. Wenn Serbien nicht bald die Angeklagten verhaftet, dann können wir Verhandlungen über den Beitritt zur EU und der Partnerschaft für den Frieden für lange Zeit vergessen. Auch die sonst positiven Ergebnisse der wirtschaftlichen und politischen Reformen werden wir dann nicht verwerten können. Wir alle hier sind Geiseln von einigen Menschen, denen früher oder später der Prozess wegen Kriegsverbrechen vor dem UNO-Tribunal gemacht werden wird. (DER STANDARD, Printausgabe, 3.1.2005)
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