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Krystian Woznicki 05.10.2001

Lateinamerikanische Popkultur erobert die Welt: Mariah Carey erfindet sich in "Glitter" neu, "Spy Kids" ist James Bond auf mexikanisch und Mike Davis findet, dass Latinos die besseren Urbanisten sind


Mit wem ist Jennifer Lopez zur Zeit eigentlich zusammen? Ist Ricky Martin wirklich schwul? Fragen, die Kids von L.A. bis Hildesheim beschäftigen. Niemand will indes ernsthaft wissen, ob diese Stars lateinamerikanisches Blut in den Adern haben und inwieweit ihre Generation mit Rassismus in ihrem Heimatland konfrontiert ist. Was zählt, ist die slicke Oberfläche, exotisch, feurig und temperamentvoll soll sie sein. Genau wie die Chips, die meine minderjährigen Freunde am liebsten essen, oder die Autos, die sie irgendwann mal gerne hätten. Und während ortslose Latino-Exotik zum selbstverständlichen Bestandteil der globalen Popkultur geworden ist, zeichnet sich ein Trend ab, den man fast schon als Geschichts-Revisionismus bezeichnen könnte. Mariah Carey spielt sich selbst in einem biographischen Film, der sie als 80er Jahre Disco-Queen feiert ("Glitter - der Glanz eines Stars"). Roberto Rodriguez hat vielleicht die größte aller westlichen Globalisierungsmythen auf latein-amerikanische Verhältnisse übersetzt: "Spy Kids" ist James Bond auf mexikanisch. Und Mike Davis, u.a. Kritiker der US-amerikanischen Stadt, hat mit "Magical Urbanism" ein Buch geschrieben, das die Latin-Americanization predigt.
 
Mariah Carey spricht gerne immer wieder mal über ihre schwierige Kindheit, wenn sie auf ihrer sündhaft teuren Barbie-Ranch sitzt. Und weil sie immer wieder so gerne darüber redet, dass sie in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen ist und durch rassistische Ausgrenzungsmechanismen und ewig alkoholisierte Eltern traumatisiert wurde, spielt sie diese Rolle nun endlich in einem Hollywood-Spielfilm. Quasi, um die traumatischen Stationen ihres Lebens via re-enactment, wie der Amerikaner sagen würde, auszuleben und sich von den sie plagenden Geistern loszusagen. "Glitter" wirkt jedoch streckenweise so, als würde sie nicht nur ihre ach so schlimme Kindheit kompensieren müssen, sondern vor allem die Tatsache, dass sie als Star der 90er irgendwie immer ein Idol aus der Konserve bleiben wird und nicht das Talent eines Michael Jackson oder Prince hat. Auch wenn sie noch so viele Platten verkauft und Geld verdient, ihr größtes Problem bleibt ein Manko. Sie hat weder Aura noch Diven-Status. Mariah Carey bleibt postmodernes Plastik.

"Glitter" darf an dieser Stelle entscheidende Korrekturen vornehmen. Entdeckt wird sie, als ein New Yorker Produzent merkt, dass eine für ihre fehlende Begabung bekannte Sängerin plötzlich mit einer grandiosen Stimme aufwartet - und mit drei heißen BG-Girls. Von der Ghost-Singer-Existenz auf die Bühnen pumpender Dancefloors ist es dann nur noch ein kurzer Weg, der von vielen musikalischen Retro-Versatzstücken begleitet wird. Anfang der 80er gilt sie bereits als Stimmwunder und wird bei allen Plattenbossen sehr bald sehr hoch gehandelt. Sie wird von ihrem Entdecker in die funky Disco-Ära der 80er hineininszeniert und darf ihre Stimme zu coolen eighties Disco-Beats erheben und ihren von Sony-Chef Motolla einst so gehüteten Körper in Glitzerkostüme hüllen. Als einsame Prinzessin fährt sie dann am Ende ihrer Mutter in einer Limousine entgegen. Nach langer Trennung sind sie dann glücklich miteinander vereint. Ein zeitgenössisches Märchen?
 
Das fragt man sich auch bei "Spy Kids". Schließlich ist der Film nicht nur für Kinder gemacht (absolutes Neuland für Rodriguez), die Hauptdarsteller sind Kinder. Zumindest rücken sie schnell in die Position ihrer Eltern, die lange Zeit gemeinsam als Geheimagenten gearbeitet haben und sich nun in den Ruhestand setzen wollen. Noch einen letzten Auftrag sollen sie erfüllen. Unversehens werden ihre zwei Kinder in diese Welt hineingezogen und avancieren zu den Helden der Action-Komödie, in der es gilt, dem Märchenonkel-Bösewicht Floops das Handwerk zu legen. Der hat nämlich vor, mit geklonten Super-Kids ("ja, auch die Kinder des Präsidenten können wir reproduzieren") die Welt auf den Kopf zu stellen.

Mit viel Sinn für Klamauk nimmt "Spy Kids" alles, was schon bei Bond nicht frei von Komik war, aufs Korn. Ob das so witzig ist, muss jeder für sich selbst entscheiden. Jedenfalls ist die Gadget-Parade zu keinem Zeitpunkt wirklich daran interessiert, utopische Standards in Sachen High-Tech zu setzen. Die Stoßrichtung ist eine andere: Ist James Bond der Allround-Connoisseur, der es blind versteht mit hochkomplizierten Maschinen umzugehen (Vgl. Novalis trifft auf 007, so führt die Berührung mit der Technik in "Spy Kids" nicht in die Erwachsenenwelt, sondern in eine infantilisierte Spion-Gadget-Shopping-Mall, in der es alles in der runden, bunten und weichen Version gibt. Kinder hier als Protagonisten in den Kampf ziehen zu lassen, hat natürlich im Endeffekt doch etwas Utopisches. Sie sind Repräsentanten der Zukunft - und die ist nun mal latino.

In allen Winkeln der Welt angesiedelt, wurde der Film fast vollständig in Rodriguez' Wohnort Austin, Texas, gedreht, wo er auch schon "The Faculty" inszeniert hatte. Nur für eine Woche soll Rodriguez für Außenaufnahmen nach Chile verschwunden sein, um Hintergrund-Bilder für die Flugszenen und Floops Schloss zu drehen, während die Unterwasseraufnahmen in den Bahamas komplettiert wurden. Kurz: der mit mexikanischem Flavor ausgestattete Film wurde nicht in Mexico gedreht.
 
Wäre auch nicht nötig gewesen, würde jetzt vermutlich Mike Davis sagen. Schließlich ist nicht nur die Grenze zwischen Mexiko und Amerika überflüssig geworden. Längst dominieren Latinos die amerikanische Stadt. Dafür rechnet Davis uns alles in Ruhe einmal vor. Im ersten Kapitel "Spicing the City" kommt er gleich zur Sache und präsentiert harte Fakten: Irgendwann im Jahre 1996 sollen Latinos zunächst die afro-amerikanische Bevölkerung zahlenmäßig überstiegen haben - ein historisches Ereignis, das vergleichbar sei mit der Zunahme von Iren um 1860 oder von Schwarzen ein hundert Jahre später. Nur vier Jahre danach feierte Kalifornien das Millenium als zweiter Staat in der Geschichte, der zur so genannten Mehrheit-Minderheit-Gesellschaft wurde. Wesentlich früher als prophezeit wurde die weiße Nicht-Latino-Bevölkerung (1970 mit 80% noch die Mehrheit) zu diesem Zeitpunkt zur Minderheit. In 40 Jahren, so Davis weiter, werden eine geschätzte Zahl von 13-15 Millionen Latinos die Mehrheit im gesamten Raum südlich von Tehachapis sein.

Davis, der sich bislang einen Namen gemacht hat mit Büchern, die auf kritische Art die urbane Apokalypse heraufbeschwören, hätte dieses Machwerk demnach "Sie sind unter uns!!!" nennen können. Doch hat der mittlerweile in Papa'aloa, Hawaii, Lebende gar kein Interesse, seine Latino-Vision als mit Alien-Metaphorik vollgestopften Endzeit-Rap vorzutragen. Sein Buch heißt nicht umsonst "Magical Urbanism". Mit Zwischentiteln wie "Tropicalizing Cold Urban Space" stimmt er auf eine fröhliche Latino-Future ein. Ein Szenario, in dem Latinos die Vorreiter eines besseren Urbanismus sind. Muss Davis derart generalisieren? Doch wohl nicht umsonst hieß es schon vor Jahren bei ihm "Lernen von Tijuana".

Und selbst die Berliner Zeitung berichtet mittlerweile davon, dass Latinos jetzt auch die ländlichen Regionen der Staaten in Beschlag genommen haben:

"Für die meisten meisten Amerikaner vollkommen unerwartet war [...], dass ein Zustrom neuer Einwanderer plötzlich und gerade "the heartland" verändert, die konservative und bislang sehr weiße Mitte Amerikas. [In Iowa zum Beispiel] hat nur noch jeder dritte Neubürger des Staates europäische Vorfahren. [...] Ebenso wie die Hispanics vor zehn, zwanzig Jahren in den Quad Cities eine Vorreiter-Rolle gespielt haben, so tun dies die neuen Einwanderer in den Dörfern."



Verödete Gegenden, ausgestorbene Geisterstädte und brachliegende Industriegegenden werden von Latinos genauso wie die Städte mit neuem Leben erfüllt. Dies wäre nicht nur die Kehrseite zur Disneyfizierung urbaner Räume. Das ist auch der in den Medien fehlende Subtext in der Welt von Jennifer Lopez und Ricky Martin; die Gesichter einer neuen Masse, der brodelnde Unruhepool unter den glatten Oberflächen globaler Popkultur. Schließlich hat niemand gesagt, dass die Latein-Amerikanisierung reibungslos vonstatten geht.

Roberto Rodriguez "Spy Kids", Deutscher Kinostart: 4. Oktober

Curtis Hall "Glitter: Glanz eines Stars", Deutscher Kinostart: 15. November

Mike Davis "Magical Urbanism: Latinos Reinvent the US City" ist bereits im Verso Verlag erschienen.
 
Das Problem der heutigen Zeit ist der liegt der Globalisierungsprozess,vor welchem auch andere Völker Angst haben wenn es um ihre Identität geht.
Tatsache ist, dass sich global nur eine Kultur ausbreitet:

Die US-amerikanische MC-Donald´s-Müllkultur!
 
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