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Computerspiele sind des Teufels! Sie machen süchtig und asozial – und sind ohnehin kindisch. So weit die Klischees. Doch Tatsache ist: Die Nicht-Gamer sind viel schlimmer. Eine Analyse.
Gamer sind schwabbelige, pickelige und halbverfaulte Couch-Potatos. So ähnlich hatte ich es mal mit einem Augenzwinkern in einem Artikel angedeutet – und dafür heftige verbale Prügel von der Gamer-Community eingesteckt. Weils so schön war, setze ich noch einen obendrauf: Gamer stinken und können bisweilen tierisch nerven. Bevor Sie nun gleich mit Mord drohen und sich an den Presserat wenden: Lesen Sie weiter.
Im Gameuniversum tummeln sich - wie in jeder Szene - Menschen von unterschiedlichstem Schlag: hochgeschossene und zu kurz geratene, dünne und dicke, solche mit netten Frisuren und jene mit fettigem Zopf. Und auch solche, auf welche die eingangs erwähnten Provokationen wie die Faust aufs Auge passen. Ich sehe sie an der Gamescom in Köln, der E3-Gameshow in Los Angeles und an jedem anderen Treffen, an dem das Zocken zelebriert wird. Ja, geschätzte Frauen und Herren Gamer, sie existieren wirklich.
Vorurteile sind vermessen
Doch sie sind eine Minderheit in der grossen und vielfältigen Gamer-Gemeinschaft. Wenn ein Sender wie RTL Gamer ausschliesslich als komische Gestalten darstellt, ist dies ebenso vermessen, wie wenn man behaupten würde, jeder mit einem motorisierten Untersatz unter dem Hintern sei ein Raser. Oder jede Frau sei eine Schuhfetischistin.
Woher kommt das Vorurteil, Gamer seien bewegungsfaule Asoziale, die vor dem Bildschirm vor sich hinsaften, sich ständig eine Pizza reinschieben und während Stunden «Counter Strike» zocken? Wieso hält sich dieses Bild so unverrückbar in den Köpfen? Auf jeden Fall nicht weil Game-Abstinenzler tatsächlich glauben, dass alle Zocker so wären.
Spielen befremdet
Games sind für Nichtspieler etwas Befremdendes. Games sind eine latente Gefahr, denn sie drohen einen einerseits mit der Technologie zu überfordern und man fürchtet andererseits den Kontrollverlust. Man könnte herausfinden, dass man Spass daran findet. Am Ende könnte man sich gar darin verlieren – und dann selbst von Nicht-Gamern schief angeschaut werden.
Dies weckt Ängste: Was liegt also näher als Games und jene, die solche lieben, ins Lächerliche zu ziehen? Spiele werden als Kinderkram hingestellt. Notabene werden Games nur dann bitter ernst genommen, wenn sich ein Amokläufer als Ego-Shooter-Zocker entpuppt. Kurz: Nichtgamer suchen tausend Gründe, um sich nicht mit Spielen auseinanderzusetzen, und einer der befriedigendsten ist das Bild des verfetteten, asozialen Sofazockers.
Community glaubt ans falsche Bild
Am falschen Selbstverständnis krankt aber auch die Game-Community. Sobald die Worte «faul», «fett» und «asozial» im Zusammenhang mit Videospielen fallen, geht ein Aufschrei durch die eigenen Reihen, als hätte man einem Kind sein Lieblingsspielzeug geklaut. Glaubt die Game-Community etwa insgeheim selbst an das stereotype Bild, das so oft von ihr gezeichnet wird?
Sie wollen nun von mir eine Lösung hören? Ganz einfach: Werden wir erwachsen! Hören wir auf, uns wie Kinder zu benehmen und jedes Mal hyperventilierend Zeter und Mordio zu schreiben, sobald ein Boulevard-Sender wieder Quote mit billigen Gamer-Vorurteilen machen will. Lernen wir Selbstironie und lassen die Kritiker in ihr eigenes Messer laufen. Lehnen wir uns entspannt zurück und geniessen die Vielfalt von Menschen, die die Game-Community auszeichnet.
Seien wir stolz darauf und erkennen wir, was wir sind: den Nicht-Gamern einen gewaltigen Schritt voraus. Letztere klammern sich immer noch an längst überholte Bilder. Wir können die Klischees getrost hinter uns lassen und spielerisch mit ihnen umgehen. Indem wir uns hin und wieder selbst wie schwabbelige, faule, sich kindisch über explodierende Monster freuende Couch-Potatos fühlen.
20 Minuten Online - Seid stolz, ihr stinkenden, faulen Zocker! - Games