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"Serbiens Platz ist in Westeuropa"

Yutaka

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Die Belgrader Bürgerrechtsaktivistin Borka Pavicevic erklärt im STANDARD-Gespräch, warum sie für die Zukunft des Landes trotz allem optimistisch ist, und spart dabei auch nicht mit Kritik an der EU


STANDARD: Wie steht es heute mit der Gesellschaft in Serbien?

Pavicevic: Ich nenne ein Beispiel. In dem Belgrader Nobelviertel Dedinje befindet sich eine riesige, luxuriöse Wohnsiedlung, gebaut unmittelbar nachdem vor acht Jahren die Nato Serbien bombardiert hatte. Sie wirkt mit ihren fantastischen Pforten und Säulen pompös. Viele schöne, alte Bäume wurden gefällt, um den Boden mit Marmor zu pflastern und mit Blumentöpfen zu schmücken. Auf der anderen Seite der Straße befinden sich Militärkasernen, in denen heute noch Flüchtlingsfamilien leben. An derselben Adresse wohnen also die Kriegsgewinnler mit ihren Maybachs und Mercedes und die Opfer der Kriege und des Übergangs, die an Serbentum und Patriotismus geglaubt hatten. In dieser Straße stößt man auf das ganze Paradoxon der serbischen Gesellschaft.




STANDARD: Wie kann die Staatsmacht diese Polarisierung der Gesellschaft überwinden?



Pavicevic: Die politische Elite wirkt, als ob sie von der Gesellschaft durch eine Mauer getrennt wäre. Die Parlamentsdebatte anlässlich der Regierungsbildung vergangene Woche, Flüche und Beleidigungen, die dort ausgesprochen worden sind, das unzivilisierte Benehmen der Parlamentarier, all das ist für die meisten Menschen schlicht fürchterlich und inakzeptabel. Das Problem liegt in der Verfassung, die vorschreibt, dass die Parteien und nicht die Abgeordneten über die Mandate verfügen, wodurch der kritische Faktor innerhalb der Parteien praktisch ausgelöscht wird. Wenn man sich diese politische Elite anschaut, bezweifelt man, ob sie den Herausforderungen der Zeit gewachsen ist. Wenn man sich anhört, wie im Parlament über Russland und den Westen gesprochen wird, gewinnt man den Eindruck, dass diese Menschen immer noch in einer bipolaren Welt des Kalten Krieges leben.
Die Welt hat sich geändert, aber das jahrelang international isolierte Serbien hat es zum Teil nicht mitbekommen. Ich glaube aber, dass die Gesellschaft stärker als der Staat ist, sie ist viel lebendiger. Wegen des Zusammenbruchs der Institutionen und des Sturzes von Slobodan Milosevic und ungenügenden Aufbaus der Institutionen nach der Wende ist ein riesiges Vakuum entstanden, in dem die zivile Gesellschaft noch mehr an Bedeutung gewonnen hat.




STANDARD: Wie ist dieses Problem zu bewältigen?



Pavicevic: Es besteht ein Teufelskreis des Populismus, in dem die politische Elite sagt, was sie glaubt, dass das Volk hören möchte, und sich nicht mit der Analyse der Tatsachen beschäftigt. Die intellektuellen, mentalen und historischen Ressourcen, junge, europäisch denkende Menschen sind aber da. Serbien ist einer der sechs paranoiden Staaten, die aus dem ehemaligen Jugoslawien entstanden sind. Diese Länder müssen erst noch geformt werden. Sie können in dieser Phase gar nicht besonders liberal sein. Mit kleinen Unterschieden ist es das gleiche Schema. Eine neue Identität sucht man im Bruch mit der vorherigen. In diesen Staaten, in denen sich alles um die Nationalität dreht, ist jeder zweite Nachbar ein Feind. Man kämpft gegen Andersdenkende, gegen Angehörige einer anderen Volksgruppe oder Religion oder das andere Geschlecht.



STANDARD: Welche Ursachen hat das?



Pavicevic: Serbien ist schwer durch seine Vergangenheit belastet. Verbrecher wurden nicht verurteilt, Kriegsgewinnler verwalten alle Reichtümer. Das bestimmt das Verständnis von Recht und Gerechtigkeit.



STANDARD: Warum ist der Nationalismus in Serbien so stark?


Pavicevic: Die ultranationalistischen Kräfte in Serbien sind immer noch so stark, weil die Parteien des so genannten demokratischen Blocks agieren, als befänden sie sich allein auf der politischen Bühne. Nach der Wende am 5. Oktober 2000 hat man versäumt, Milosevics Mitläufer und ihre Parteien durch Gerichtsprozesse und eine historischen Analyse zu entlarven. Solche Bewegungen schöpfen ihre Kraft aus der Angst, die sie selbst schüren, und werden gefährlich, wenn man sie nicht im Keim erstickt.




STANDARD: Was kann die EU tun?


Pavicevic: Die Verschlossenheit der EU ist ein katastrophaler Fehler. Man nimmt den Menschen hier eine jede Möglichkeit zum Vergleich, indem man sie wie in einen Pferch zwängt. Mit jemandem, der nie am Meer war, diskutiere ich vergeblich über die Schönheit der See.





STANDARD: Haben die bürgerlichen Ideen gesiegt?


Pavicevic: Na, wenn Sie so fragen, dann nicht. Die alten Wertvorstellungen sind immer noch vorhanden. Aber das System, das wir von Milosevic geerbt haben, wird nie mehr stark genug sein, um Terror auszuüben zu können. Terror gibt es nur noch vereinzelt.


Pavicevic: Man braucht einen gewissen Selbstrespekt, um sich aufzulehnen und nicht immer nur anzupassen. Wir befinden uns kulturell irgendwo zwischen dem ehemaligen Regime, nationaler Politik und einem postkolonialen Bewusstsein. Die EU kommt nicht mit Beethoven oder Hegel zu uns, sondern mit der Konsumgesellschaft, mit BMWs und Hugo-Boss-Anzügen. Der natürliche Platz Serbiens ist sicher in Westeuropa, die Mehrheit der Bürger Serbiens ist proeuropäisch orientiert. Die versäumte Vergangenheitsbewältigung ist die Bremse, die vor allem zu lösen ist. (Andrej Ivanji, DER STANDARD, Print-Ausgabe, 23.5.2007)
 
Die sollten die Verangenheit endlich ruhen lassen, den nationalistischen Parteien einen Tritt in den Allerwertesten geben, und nach vorne blicken!
 
und schon wieder ne menge nicht serben die ums wohl serbiens besorgt sind :rolleyes:
 
Was Serbiens Platz in Westeuropa betrifft scheint das auch Janes Jansa zu meinen.
Wie ich grad im kroatischen Fernsehn gesehn hab hat er sich wohl dafuer ausgesprochen das die EU Serbien schnellstmoeglichst den Eintritt in die EU gewaehrt.
 
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