Grizzly
Problembär
Plötzlich erregen sich alle: Auch westdeutsche Spitzensportler waren gedopt. Wer lesen konnte, hätte das spätestens im Jahr 2001 wissen können.
Es ist das große sportpolitische Thema dieses Spätsommers. In der alten Bundesrepublik wurde mit Wissen und Billigung von Sportfunktionären und Politikern gedopt. Auch der gute, alte Papa BRD hatte seine Finger mit im Spiel, indem er Forschungsprojekte finanziert hat, in denen die Wirksamkeit von Dopingmitteln getestet wurde.
Eine unangenehme Wahrheit, die ein Forscherteam der Berliner Humboldt-Universität da formuliert und anhand von noch nie zuvor ausgewerteten Quellen hergeleitet hat. So unangenehm ist diese Wahrheit, dass immer noch herumgedruckst wird. Von den gut 800 Seiten des Schlussberichts hat der Auftraggeber der Studie, das beim Bundesinnenministerium angesiedelte Bundesinstitut für Sportwissenschaft, gerade einmal 117 veröffentlicht – und auch das nur auf massiven Druck der Medien hin.
Die haben sich mit einem nie gekannten Eifer auf das Thema West-Doping gestürzt, nachdem die Süddeutsche Zeitung am Samstag mit Ergebnissen der Studie aufgemacht hat. Über diesen Eifer wundern sich all diejenigen, die sich seit Jahren darum bemühen, den Dopingalltag in der Vorwende-Bundesrepublik zu beschreiben. Denn die Wahrheit, die in der besagten Studie beschrieben wird, sie mag spektakulär sein, neu ist sie nicht.
„Doping im Spitzensport“ heißt ein Buch, das Andreas Singler und Gerhard Treutlein 2001 herausgebracht haben, das aber nicht viel mehr Menschen erreicht hat als die Abonnenten der Reihe „Sportentwicklung in Deutschland“, als dessen 12. Band es in einem Fachverlag erschienen ist. Schon hier wird der Dopingalltag in der BRD präzise beschrieben.
Auch das Schicksal der Siebenkämpferin Birgit Dressel, die 1987 vollgepumpt mit Medikamenten an einem Multiorganversagen gestorben ist, oder der Herztod des mit Anabolika hochgezüchteten Kugelstoßers Ralf Reichenbach haben keine nachhaltige öffentliche Diskussion über die Methoden der Leistungsoptimierung in Westdeutschland ausgelöst.
Und als Manfred Ommer, der Europameisterschaftszweite von 1974, nur drei Jahre nach seinem großen Erfolg zugab, gedopt zu haben, da wollte niemand so recht aufs Große und Ganze schließen. Es scheint so, als wäre jetzt erst die Zeit gekommen, das Bild vom guten West-Athleten zu zertrümmern, der sich als lupenreiner Amateur ehrlich abmüht, um eine Chance gegen die hochgezüchteten Staatsprofis aus dem Osten zu haben.
Plötzlich wird ganz genau zugehört, wenn Ommer sich an seine Zeit als Leistungssportler erinnert und über die Freiburger Uniklinik sagt, sie sei für Doper „ein Paradies“ gewesen.
taz.de, ganzer Text: Spitzensport in Westdeutschland: Für Doper
Es ist das große sportpolitische Thema dieses Spätsommers. In der alten Bundesrepublik wurde mit Wissen und Billigung von Sportfunktionären und Politikern gedopt. Auch der gute, alte Papa BRD hatte seine Finger mit im Spiel, indem er Forschungsprojekte finanziert hat, in denen die Wirksamkeit von Dopingmitteln getestet wurde.
Eine unangenehme Wahrheit, die ein Forscherteam der Berliner Humboldt-Universität da formuliert und anhand von noch nie zuvor ausgewerteten Quellen hergeleitet hat. So unangenehm ist diese Wahrheit, dass immer noch herumgedruckst wird. Von den gut 800 Seiten des Schlussberichts hat der Auftraggeber der Studie, das beim Bundesinnenministerium angesiedelte Bundesinstitut für Sportwissenschaft, gerade einmal 117 veröffentlicht – und auch das nur auf massiven Druck der Medien hin.
Die haben sich mit einem nie gekannten Eifer auf das Thema West-Doping gestürzt, nachdem die Süddeutsche Zeitung am Samstag mit Ergebnissen der Studie aufgemacht hat. Über diesen Eifer wundern sich all diejenigen, die sich seit Jahren darum bemühen, den Dopingalltag in der Vorwende-Bundesrepublik zu beschreiben. Denn die Wahrheit, die in der besagten Studie beschrieben wird, sie mag spektakulär sein, neu ist sie nicht.
„Doping im Spitzensport“ heißt ein Buch, das Andreas Singler und Gerhard Treutlein 2001 herausgebracht haben, das aber nicht viel mehr Menschen erreicht hat als die Abonnenten der Reihe „Sportentwicklung in Deutschland“, als dessen 12. Band es in einem Fachverlag erschienen ist. Schon hier wird der Dopingalltag in der BRD präzise beschrieben.
Auch das Schicksal der Siebenkämpferin Birgit Dressel, die 1987 vollgepumpt mit Medikamenten an einem Multiorganversagen gestorben ist, oder der Herztod des mit Anabolika hochgezüchteten Kugelstoßers Ralf Reichenbach haben keine nachhaltige öffentliche Diskussion über die Methoden der Leistungsoptimierung in Westdeutschland ausgelöst.
Und als Manfred Ommer, der Europameisterschaftszweite von 1974, nur drei Jahre nach seinem großen Erfolg zugab, gedopt zu haben, da wollte niemand so recht aufs Große und Ganze schließen. Es scheint so, als wäre jetzt erst die Zeit gekommen, das Bild vom guten West-Athleten zu zertrümmern, der sich als lupenreiner Amateur ehrlich abmüht, um eine Chance gegen die hochgezüchteten Staatsprofis aus dem Osten zu haben.
Plötzlich wird ganz genau zugehört, wenn Ommer sich an seine Zeit als Leistungssportler erinnert und über die Freiburger Uniklinik sagt, sie sei für Doper „ein Paradies“ gewesen.
taz.de, ganzer Text: Spitzensport in Westdeutschland: Für Doper