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Brennende Dörfer, hunderte getötete Frauen und Kinder. Im Südsudan flüchten mehrere Zehntausend Menschen vor den Stammeskämpfen in den Busch.
Wie eine Armee ziehen die etwa 6000 jungen Krieger durch die Provinz Jonglei im Südsudan. Sie brennen ganze Dörfer nieder und stehlen das Vieh. Mehrere Zehntausend Menschen sollen auf der Flucht sein, viele haben sich im Busch versteckt. Genaue Zahlen von Toten und Verletzten gibt es nicht. Aber allein in den vergangenen zwei Tagen seien 150 Menschen, vor allem Frauen und Kinder, getötet worden, erzählt John Boloch von der Südsudanesischen Friedens- und Versöhnungskommission.
Aus einem Jungen wird erst dann ein Mann, wenn er einem Clan einer anderen ethnischen Gruppe Rinder gestohlen hat. Die braucht er als Mitgift, sonst bekommt er keine Frau. „Das war schon immer so“, sagt Thorsten Benner, stellvertretender Direktor des Global Public Policy Institute in Berlin und Afrika-Experte.
„Allerdings wurde das damals ‚von Hand‘ gemacht – heute strotzt das Land vor Waffen aus den Jahren des Bürgerkriegs, und die jungen Männer benutzen Kalaschnikows für ihre Überfälle.“ Gingen früher die Männer mit Speeren aufeinander los, reicht heute das Durchziehen des Zeigefingers – und plötzlich gehören auch Alte, Frauen und Kinder zu den Feinden.
Weder Armee noch Polizei noch die Vereinten Nationen konnten die Murle schützen. Der UN-Mission im Südsudan gehören derzeit 4900 Soldaten sowie gut 600 Militärbeobachter und Polizisten an. Boloch wirft Armee und UN vor, Regierungsgebäude in Pibor geschützt zu haben, aber nicht die Menschen. Inzwischen ist Verstärkung eingetroffen, die die Lou Nuer nach und nach aus der Stadt vertreiben.
Aber die südsudanesischen Sicherheitskräfte sind ein Teil des Problems. Auch sie sind von ethnischen Spannungen belastet, sie werden nicht als unparteiisch akzeptiert. „Die Sicherheitskräfte werden traditionell von den Dinka dominiert“, sagt Benner. „Die Regierung bemüht sich zwar um mehr Integration anderer Ethnien, aber das ist langwierig und schwierig.“
Noch immer sind Zehntausende auf der Flucht. Die medizinische Versorgung ist zusammengebrochen, weil die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ihre drei Gesundheitseinrichtungen in der Region aus Sicherheitsgründen schließen musste – die einzigen für die 160.000 Einwohner im Bezirk. Zwei Kliniken wurden geplündert und zerstört. Parthesarathy Rajendran, Landeskoordinator von Ärze ohne Grenzen im Südsudan, sorgt sich um die Vertriebenen: „Sie sind in größter Eile geflohen und haben weder Lebensmittel noch Wasser bei sich. Einige sind sicher verletzt. Jetzt sind sie ganz ohne Hilfe auf sich allein gestellt.“
Anhaltender Konflikt mit dem arabischen Norden
Aber selbst wenn die Sicherheitskräfte die marodierenden Lou Nuer in ihr angestammtes Gebiet zurückdrängen, die Regierung hat Ansehen und Vertrauen verloren. Wie groß die politische Sprengkraft des aktuellen Konflikts ist, sei schwer zu beurteilen, sagt Benner – erst einmal sei die Bevölkerung betroffen. „Aber der anhaltende Fokus auf das Thema Sicherheit bremst den nötigen Aufbau in einem der ärmsten Länder der Welt zum Beispiel eines Gesundheits- und eines Bildungssystems.“
Hinzu kommt der anhaltende Konflikt mit dem arabischen Norden, dem Sudan. Khartum hatte zwar im vergangenen Juli letztlich der Abspaltung und Unabhängigkeit des überwiegend christlichen Südsudans zugestimmt, will sich aber offenbar nicht mit dem Verlust großer Ölfelder, die vorwiegend im Süden liegen, abfinden.
Versuch der Destabilisierung
Immer wieder versucht Khartum, den neuen Staat zu destabilisieren. Dazu gehören auch Angriffe auf mutmaßliche Sympathisanten oder Rebellen unter der eigenen Bevölkerung. So schreckt die sudanesische Luftwaffe nach Angaben von Einwohnern und Menschenrechtsorganisationen nicht davor zurück, Dörfer und Flüchtlingslager in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil zu bombardieren – beide gehören zum eigenen Staatsgebiet.
„Eines unserer Probleme ist, dass wir zu wenig wissen über die Prozesse im Südsudan und im Grenzgebiet, über die Konflikte, die Waffen, die Bewegungen bewaffneter Gruppen und so weiter“, sagt Benner. Die internationale Präsenz sei zu gering und nicht effizient. „George Clooney mit seinem Satelliten-Projekt ‚Sentinel‘ und dessen systematischen Aufnahmen ist wahrscheinlich besser informiert als die UN.“
http://www.welt.de/politik/ausland/...cher-Rachefeldzug-um-Land-Macht-und-Vieh.html
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Im Südsudan leben vorwiegend Christen.
Wie eine Armee ziehen die etwa 6000 jungen Krieger durch die Provinz Jonglei im Südsudan. Sie brennen ganze Dörfer nieder und stehlen das Vieh. Mehrere Zehntausend Menschen sollen auf der Flucht sein, viele haben sich im Busch versteckt. Genaue Zahlen von Toten und Verletzten gibt es nicht. Aber allein in den vergangenen zwei Tagen seien 150 Menschen, vor allem Frauen und Kinder, getötet worden, erzählt John Boloch von der Südsudanesischen Friedens- und Versöhnungskommission.
Aus einem Jungen wird erst dann ein Mann, wenn er einem Clan einer anderen ethnischen Gruppe Rinder gestohlen hat. Die braucht er als Mitgift, sonst bekommt er keine Frau. „Das war schon immer so“, sagt Thorsten Benner, stellvertretender Direktor des Global Public Policy Institute in Berlin und Afrika-Experte.
„Allerdings wurde das damals ‚von Hand‘ gemacht – heute strotzt das Land vor Waffen aus den Jahren des Bürgerkriegs, und die jungen Männer benutzen Kalaschnikows für ihre Überfälle.“ Gingen früher die Männer mit Speeren aufeinander los, reicht heute das Durchziehen des Zeigefingers – und plötzlich gehören auch Alte, Frauen und Kinder zu den Feinden.
Weder Armee noch Polizei noch die Vereinten Nationen konnten die Murle schützen. Der UN-Mission im Südsudan gehören derzeit 4900 Soldaten sowie gut 600 Militärbeobachter und Polizisten an. Boloch wirft Armee und UN vor, Regierungsgebäude in Pibor geschützt zu haben, aber nicht die Menschen. Inzwischen ist Verstärkung eingetroffen, die die Lou Nuer nach und nach aus der Stadt vertreiben.
Aber die südsudanesischen Sicherheitskräfte sind ein Teil des Problems. Auch sie sind von ethnischen Spannungen belastet, sie werden nicht als unparteiisch akzeptiert. „Die Sicherheitskräfte werden traditionell von den Dinka dominiert“, sagt Benner. „Die Regierung bemüht sich zwar um mehr Integration anderer Ethnien, aber das ist langwierig und schwierig.“
Noch immer sind Zehntausende auf der Flucht. Die medizinische Versorgung ist zusammengebrochen, weil die Hilfsorganisation Ärzte ohne Grenzen ihre drei Gesundheitseinrichtungen in der Region aus Sicherheitsgründen schließen musste – die einzigen für die 160.000 Einwohner im Bezirk. Zwei Kliniken wurden geplündert und zerstört. Parthesarathy Rajendran, Landeskoordinator von Ärze ohne Grenzen im Südsudan, sorgt sich um die Vertriebenen: „Sie sind in größter Eile geflohen und haben weder Lebensmittel noch Wasser bei sich. Einige sind sicher verletzt. Jetzt sind sie ganz ohne Hilfe auf sich allein gestellt.“
Anhaltender Konflikt mit dem arabischen Norden
Aber selbst wenn die Sicherheitskräfte die marodierenden Lou Nuer in ihr angestammtes Gebiet zurückdrängen, die Regierung hat Ansehen und Vertrauen verloren. Wie groß die politische Sprengkraft des aktuellen Konflikts ist, sei schwer zu beurteilen, sagt Benner – erst einmal sei die Bevölkerung betroffen. „Aber der anhaltende Fokus auf das Thema Sicherheit bremst den nötigen Aufbau in einem der ärmsten Länder der Welt zum Beispiel eines Gesundheits- und eines Bildungssystems.“
Hinzu kommt der anhaltende Konflikt mit dem arabischen Norden, dem Sudan. Khartum hatte zwar im vergangenen Juli letztlich der Abspaltung und Unabhängigkeit des überwiegend christlichen Südsudans zugestimmt, will sich aber offenbar nicht mit dem Verlust großer Ölfelder, die vorwiegend im Süden liegen, abfinden.
Versuch der Destabilisierung
Immer wieder versucht Khartum, den neuen Staat zu destabilisieren. Dazu gehören auch Angriffe auf mutmaßliche Sympathisanten oder Rebellen unter der eigenen Bevölkerung. So schreckt die sudanesische Luftwaffe nach Angaben von Einwohnern und Menschenrechtsorganisationen nicht davor zurück, Dörfer und Flüchtlingslager in den Provinzen Südkordofan und Blauer Nil zu bombardieren – beide gehören zum eigenen Staatsgebiet.
„Eines unserer Probleme ist, dass wir zu wenig wissen über die Prozesse im Südsudan und im Grenzgebiet, über die Konflikte, die Waffen, die Bewegungen bewaffneter Gruppen und so weiter“, sagt Benner. Die internationale Präsenz sei zu gering und nicht effizient. „George Clooney mit seinem Satelliten-Projekt ‚Sentinel‘ und dessen systematischen Aufnahmen ist wahrscheinlich besser informiert als die UN.“
http://www.welt.de/politik/ausland/...cher-Rachefeldzug-um-Land-Macht-und-Vieh.html
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Im Südsudan leben vorwiegend Christen.