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'Türkisch Baden' in Deutschland - Das türkische Dampfbad

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Popeye

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TÜRKISCHES DAMPFBAD
Waschen, Reiben, Hinlegen

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Von Julia Kloft

Zwei Stunden in einem Hamam wirken wie ein Kurzurlaub. Der Körper wird gereinigt, die Muskeln entspannen.
Den Hamburgern scheint es zu gefallen: Am Hafen haben Selma und Coskun Costur nun den größten Hamam Deutschlands eröffnet - ein Besuch im Marmorpalast.

Noch ist vom Dampf nichts zu merken. Der Eingangsbereich gleicht dem eines gediegenen Hotels. Ein Springbrunnen plätschert, von den Decken hängen Kronleuchter, die Schnörkelmuster auf den Sitzgelegenheiten verbreiten Aladin-Atmosphäre, im Hintergrund dudelt orientalische Musik.

Doch auf dem Weg zum Umkleideraum weist immer mehr darauf hin, dass ich mich in einem Hamam befinde: Bilder an den Wänden zeigen alte türkische Bäder, in Schränken liegen Handtücher, Kernseife und Körperöle. Das Symbol der Medizin, die Schlange um den Äskulapstab, ziert eine Tür und erinnert an das ehemalige Hafenkrankenhaus. In den einstigen Verwaltungs- und Operationsräumen haben Selma und Coskun Costur den "Hamam Hafen Hamburg" errichtet. Weil sie sich häutet, symbolisiert die Schlange Erneuerung, Verjüngung und Heilung - und passt damit auch zum türkischen Dampfbad. Beim Reinigungsritual wird der Körper nicht nur gewaschen, sondern auch gepeelt und massiert. Das lockert die Muskeln, fördert die Durchblutung und verbessert das Hautbild.


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Der Hamam am Hafen ist bereits das zweite türkische Badehaus in der Hansestadt. Für den Vorgänger in der Feldstraße erhielt das Ehepaar Costur 2004 den Hamburger Gründerpreis. Den jährlich über 10.000 Besuchern konnte er bald nicht mehr gerecht werden. Der neue Hamam gleicht einem Marmorpalast: Mit 700 Quadratmetern ist er mehr als doppelt so groß, die gesamte Inneneinrichtung wurde aus der Türkei importiert und von Selma Costur selbst entworfen.

"Wir wollten ein Stück Hochkultur unseres Heimatlandes nach Hamburg bringen", sagt sie. Seit Hunderten von Jahren gehört der Hamam zur türkischen Badekultur. Das strenge Reinlichkeitsgebot des Islam schreibt tägliche Waschungen vor. 1584 wurde das erste öffentliche Badehaus in Istanbul gebaut. "Die Errichtung eines Hamams war früher den Sultanen vorbehalten", berichtet Coskun Costur. "Er diente neben der Reinigung auch dem sozialen Austausch. Die Religion schreibt jedoch eine strenge Trennung der Geschlechter vor."

Das ist in Hamburg nicht der Fall: Nur dienstags und mittwochs ist der Hamambesuch den Damen vorbehalten und das Personal ausschließlich weiblich. An den restlichen Tagen ist das Publikum gemischt - so auch heute. Ismael Costur reicht mir einen Bademantel und etwas, das aussieht wie ein kariertes Geschirrtuch. "Das ist ein Pestemal", erklärt er, "darin wickelst du dich ein, bevor du in den Hamam kommst." Ismael ist der Bruder des Chefs und heute mein Tellak, eine Mischung aus Bademeister und Masseur. Eine spezielle Ausbildung hat er nicht. "Das Gefühl in den Händen kann man nicht lernen, das hat man, oder man hat es nicht", sagt er.

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Hamam bedeutet 'wohlige Wärme'

Nur mit einem Bikinislip, Badelatschen und Pestemal, einem Minihandtuch, bekleidet betrete ich den marmornen Baderaum: Es ist feuchtwarm, das Licht ist gedimmt, einer der Masseure singt auf Türkisch vor sich hin. Auf einem großen Marmorsockel in der Mitte des Raumes, dem Nabelstein, liegt ein junges Pärchen. Nebenan lassen sich einige Männer auf Marmortischen von den Tellaks waschen, abreiben und massieren. Badewannen sind nirgends in Sicht, aber Ismael teilt mir eines der vielen Waschbecken zu. Er zeigt mir, wie ich mit einer Bronzeschale warmes Wasser über mich gießen soll. Das Küchentuch rutscht etwas. In ein paar Minuten werde ich aber ohnehin nur noch im Bikinislip auf einem der Massagetische liegen.

Nachdem ich mich begossen habe, strecke ich mich auf dem beheizten Nabelstein aus und betrachte die Lichtkuppel über mir. "Wohlige Wärme" bedeutet das Wort Hamam. Sie öffnet die Poren und weicht die Haut auf, um sie auf das nachfolgende Peeling vorzubereiten. Nach kurzer Zeit sind meine Hände und Füße schrumpelig wie eine Rosine. Ismael bearbeitet einen kräftig gebauten Mann mittleren Alters. Er ballt seine Hände zu Fäusten und pflügt sie mit aller Kraft durch die Schulterblätter. Der Mann gibt keinen Laut von sich. Ich döse ein.


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Ein Wasserschwall klatscht gegen meine Füße. "Das ist der Weckruf", sagt Ismael. Ich bin an der Reihe. Ismael weist mich an, das Pestemal abzunehmen und mich mit dem Rücken auf den Marmortisch zu legen. Dieser ist etwas hart, aber angenehm warm. Ismael übergießt mich mit einer Schale Wasser, dann zieht er einen Handschuh aus Wildseide, die Kese, über und nimmt sich mein linkes Bein vor. Nach und nach wird mein ganzer Körper mit gleichmäßigen Bewegungen gestriegelt, bis meine obere Hautschicht nur noch in kleinen Fetzen an mir klebt. Ismael spült sie mit Wasser ab. Dann bekomme ich ein Gesichtspeeling. Ich hätte mich abschminken sollen.

Ismael biegt meine Arme und Beine in alle Himmelsrichtungen

Nun soll ich mich auf den Bauch drehen. Es riecht zitronig, ich spüre einen Berg von Schaum auf meinem Körper, den Ismael in langen Streichbewegungen verteilt und in meine Haut einarbeitet. Ich flutsche auf der Marmorfläche herum wie ein Stück Seife. Nachdem der Schaum abgewaschen ist, kommt der krönende Abschluss: die Massage. Ismael ölt mich ein und streicht über meinen Rücken. Ich soll mich entspannen, die Arme locker baumeln lassen. Ich denke daran, wie Ismael meinen Vorgänger bearbeitet hat. Er reckt und drückt meine Muskeln, biegt meine Arme und Beine in alle Himmelsrichtungen. Es knackt. Wenn irgendein Knochen meiner Gliedmaßen nicht dort war, wo er sein sollte, ist er jetzt wieder eingerenkt. Schmerzhaft ist es nicht, im Gegenteil.

Nachdem ich mich abgetrocknet habe, gehe ich im Bademantel in den Ruheraum. Drei der Männer, die vor mir massiert wurden, liegen wie die Paschas auf den Seidenkissen und genießen türkische Speisen. Ich bekomme einen sehr süßen Granatapfeltee serviert, das junge Pärchen raucht Kirschtabak in einer Wasserpfeife. Zwei bis drei Stunden sollte man sich für den Besuch Zeit nehmen, raten die Costurs, und den Körper im Ruheraum langsam abkühlen lassen. So viel Zeit habe ich leider nicht. Draußen bläst mir ein kühler Wind entgegen, es regnet. Hamburg bietet ideale Voraussetzungen für Hamambesitzer. Aufgeheizt vom Dampfbad verzichte ich auf meinen Schal - und liege zwei Tage später mit Halsschmerzen im Bett. Ich hätte den Rat ernst nehmen sollen.
 
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