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Taubenzucht im Kosovo

Albanesi

Gesperrt
http://www.hochflugtaubensport.de/Artikel/kosovo-art.html

Taubenzucht im Kosovo!
von Dr. Berthold Traxler, Wien.
Es mag ignorant erscheinen von einem Land, in dem so viel Leid geschah und wo auch heute noch viele Menschen vor schier unlösbaren Problemen stehen, über ein so banales Thema wie das der Taubenzucht zu berichten. Bei allen ethnischen Spannungen und Gräueltaten, die einem beim Wort Kosovo in den Sinn kommen: Die Taubenzucht ist ein völkerverbindendes Hobby. Außerdem ist gerade in Ländern wie dem Kosovo, die so wenig erfreuliches für ihre Bewohner bieten, ein bescheidenes Hobby wie die Taubenzucht auch eine Möglichkeit - zumindest zeitweise - dem tristen Alltag zu entfliehen. Haben es nicht auch unsere Großväter in den Jahren nach dem Weltkrieg durch die Beschäftigung mit den Tauben verstanden, die harte Zeit besser zu bewältigen?


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Tümmler unbekannter Rasse mit Spitzhaube im Kosovo




Ich habe beinahe ein Jahr im Südkosovo gearbeitet. Als Veterinär hatte ich bei den österreichischen KFOR Truppen die Funktion des Hygieneoffziers inne. Mein Auftrag bestand unter anderem, im Rahmen von Hilfsprojekten die Wasserqualität von Hausbrunnen zu analysieren und die Brunnen erforderlichenfalls zu reinigen und zu desinfizieren. Durch diese Arbeit hatte ich die Chance, in unmittelbaren Kontakt mit der zivilen Bevölkerung zu treten, hauptsächlich mit Kosovo-Albanern, Türken und Kosovo-Serben. Dabei war immer wieder Zeit für Gespräche und für die Besichtigung von Taubenschlägen. Dieser Bericht will keine Bestandsaufnahme sein, sondern soll anhand dreier Fotos ein Stimmungsbild über die Zucht von Flugtauben unter einfachsten Bedingungen zeichnen. Das Kosovo ist wie viele Länder des Balkans hauptsächlich ein „Tümmlerland“. Bei keinem Züchter sah ich Schaurassen, dafür aber viele Varianten von Flugtümmlern - Dreher, Roller und Hochflieger. Die meisten Züchter konnten mir außer bei ihren Dunek Sturzflugdrehtauben keine Rassenamen nennen. Die Tauben waren oft auch recht uneinheitlich, meist mittelgroß und mittel- bis kurzschnäbelig. Alle möglichen Farben werden gezüchtet, besonders beliebt sind Schimmel, Gansel oder Weißschwingen. Auffällig ist, dass kaum auf exakte Abgrenzung der Farbmuster geachtet wird. Manche Züchter legen jedoch Wert auf die Kopfform, Schnabellänge oder ein möglichst buntes Federkleid. Die Taube wird vor allem wegen ihrem Verhalten und ihrer schönen Gestalt verehrt. Kein Züchter würde eine Taube schlachten, um sie zu essen (wie ich es selber bei meinen Wiener Hochfliegern praktiziere, wenn sie sich als „flugfaul“ erweisen). Es gibt keine Taubenschauen, jedoch gab es früher regelmäßig Flugwettbewerbe. Die Männer treffen sich auch heute wieder nach der Arbeit, um ihre Flugstiche vorzuführen, oder um die Jungtauben zu begutachten. Die Haltung ist meist sehr einfach in Kleinschlägen oder Hängekästen. Mindestens einmal täglich wird Freiflug gewährt. Die Fütterung erfolgt außerhalb des Schlages per Hand. Dadurch werden die Tauben sehr zahm.


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Kosovo-Albaner in seinem Kleinschlag


Zu den Fotos: Das erste zeigt einen Kosovo-Albaner in seinem Kleinschlag, einer kleinen Hütte von gerade eineinhalb Meter Höhe. Ein kleines Fenster gibt den Tauben Licht. Die ganze Einrichtung besteht aus gestapelten Blechkanistern, bei denen der Boden herausgeschnitten wurde. Jedes Fass dient einem Paar Tümmler als Nistzelle. Am Abend werden die Tauben herausgelassen und mit der Hand gefüttert. Zum Fliegen werden ausgewählte Tiere im Schlag gefangen und mit der Hand gestartet. Der Großteil der Tiere sind Hochflieger, die im Trupp ihre Kreise ziehen, einige rollen auch. Bei diesem Züchter zählen weder Flugzeit noch Flughöhe. Der Mann meint nur bescheiden, seine ganze Freude sei es, die Tiere einfach nur anzusehen und zu betreuen. Im Flug beobachtet er sie besonders gern.



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Kosovo-Serbe mit Enkel


Auf dem zweiten Bild ist ein Kosovo-Serbe mit seinem Enkel zu sehen. Die beiden leben in einem der letzten Serbendörfer in einem sonst rein albanischen Gebiet im Südkosovo. In einem winzigen Hängekasten in der Größe eines Kaninchenstalles, der am Ziegenstall befestigt ist, leben zwei Paar Flugtümmler. Ein Paar Schecken mit Spitzhaube und ein Paar Schwarze mit schönen roten Augenringen. Rassenamen kennt der Taubenliebhaber nicht, seine Schützlinge werden einfach „Flieger“ genannt. Die Taubenzucht ist für den alten Mann eine der wenigen Freuden, die er bereits auf den Enkel übertragen konnte. Der Bub startet gerade einen Tauber mit der Hand.


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Kosovo-Türke und seine Sturzflugtauben

Auf dem dritten Foto ist ein Kosovo-Türke zu sehen. Er lebt, wie seine drei Brüder im türkischen Teil der alten Stadt Prizren. Alle männlichen Verwandten sind seit Generationen Taubenzüchter. Der Himmel über Prizren ist in den Abendstunden voll mit Taubenschwärmen. Der Türke, von Beruf Metzger, züchtet Dunek Sturzflugdrehtauben in allen Farben. Im einfachen Schlag leben rund 60 Tauben. In einer noch kleineren Hütte leben zehn junge Tippler. Sie sind ein Geschenk seines Sohnes, der seit Jahren in der Schweiz arbeitet. Wenn der Züchter die Schlagtüre öffnet, fliegen die Tauben heraus, landen aber sofort auf dem Boden zu seinen Füßen. Dort wird mit der Hand gefüttert. Anschließend werden fast alle Tiere mit einem Stock in die Hütte zurückgetrieben. Ein paar ausgewählte Tauben werden mit dem Stock abgesondert und durch klatschen hochgejagt. Nachdem sie hochgestiegen und einige Kreise gezogen haben, werden sie mit weißen Dropper-Tauben zum Sturzflug heruntergelockt. In rasantem Sturzflug drehen einige Tiere mit offenen Flügeln schöne Mühlräder um ihre eigene Körperachse. Zum Flugschauspiel sind auch einige Nachbarn gekommen, es gibt Kaffee. Mich als Züchter von Wiener Hochflugtauben mit ihrem doch eher scheuen Wesen, beeindruckt vor allem die Zahmheit der Tiere. Vor allem finde ich toll, wie der Züchter die Tippler und Duneks spielend mit dem Stock in die zugewiesenen Schläge dirigiert. Der türkische Metzger bedauert, dass sein serbischer Nachbar vor eineinhalb Jahren seine Heimatstadt Hals über Kopf in Richtung Nordkosovo verlassen musste. Wehmütig erinnert sich der Türke, dass dieser Kosovo-Serbe die besten Sturzflugtauben hatte und sie jeden Abend gemeinsam die Tauben fliegen ließen.
 
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