So sah Titos geheimer Bunker aus
Wäre der Kalte Krieg zu einem heissen geworden, dann hätte die jugoslawische Führung um Staatschef Josip Broz Tito einen Atombunker gehabt. 6500 Quadratmeter gross ist der Komplex, ein Denkmal des atomaren Irrsinns im 20. Jahrhundert. Mit Hilfe des Europarats soll dort bald eine Kunstgalerie einziehen.
«Wir haben uns überlegt, dass dieser Ort ein neuer Hotspot auf einer kulturellen Karte der Region werden könnte», sagt der Künstler Edo Hozic. Gemeinsam mit anderen Künstlern aus der Stadt Sarajevo entwickelte Hozic 2007 die Idee, dem 1979 fertiggestellten Schutzkomplex einen neuen, friedlichen Sinn zu geben.
Sie wussten, dass der Bunker den bosnischen Streitkräften ein Klotz am Bein war. Seit dem Ende des Jugoslawienkriegs 1995 sind die Räume ganz offiziell im Besitz der Bosnier, doch sie haben keinen militärischen Wert mehr und produzieren nur Kosten für den Unterhalt. Hozic sagt, die Streitkräfte hätten keine Idee gehabt, was sie damit machen könnten, «ausser vielleicht, Pilze darin zu züchten».
Mehr als 100 Zimmer 280 Meter unter der Erde
Der Eingang befindet sich hinter dem unscheinbaren Garagentor eines abgelegenen Hauses am Ende einer einsamen Strasse in der Stadt Konjic, 40 Kilometer östlich von Sarajevo. Innen führt ein Korridor zu einem 280 Meter tiefen U-förmigen Gangsystem, das in einen Berg hinter dem Haus gegraben wurde. Auf der linken Seite des Korridors liegen die Wirtschaftsräume: ein Behälter für Frischwasser und ein Generatorraum, in dem sich zwei grosse Öltanks und ein Belüftungssystem befinden. Damit wird die Temperatur im Bunker durchgehend bei angenehmen 21 Grad gehalten.
Auf der rechten Seite des Flures gehen Türen zu mehr als 100 kleinen Schlafzimmern, Büros und Konferenzräumen ab. Diese sind mit einfachen Holzmöbeln und einem Porträt des 1980 verstorbenen Tito ausgestattet. Darauf ist der ehemalige Präsident Jugoslawiens mit dem gewohnt visionären Blick zu sehen. Im tiefsten Teil des Bunkers befinden sich die Geschäfts- und Wohnräume des Exstaatschefs. Nicht nur die Ausstattung - unter anderem ein grosses Doppelbett - ist hier von höherer Qualität, sondern auch die Tapete.
350 Menschen könnten sechs Monate im Bunker überleben
Umgerechnet knapp 3,8 Milliarden Euro kostete Titos Bunker, der in einem Zeitraum von 26 Jahren errichtet wurde. Wenn die Schutzräume mit ausreichend Vorräten aufgefüllt sind, können 350 Menschen dort bis zu sechs Monate abgeschieden vom Rest der Welt leben und arbeiten. Später bauten die jugoslawischen Ingenieure das gleiche Modell noch fünf Mal im Irak. Saddam Hussein, ein Freund Titos, wollte im Fall der Fälle unter der Erde verschwinden. In Bagdad, Mossul, Kirkuk, Basra und Nassirija stehen die Abbilder des Bunkers von Konjic.
Der Soldat, der derzeit noch den Komplex in Bosnien bewacht, wird dort nächstes Jahr wohl nicht mehr stehen. Dann soll Titos Bunker als Kunstgalerie eingeweiht werden. Wenn es genug Interesse an den unterirdischen Ausstellungen gibt, soll der Kunstbunker zur dauerhaften Einrichtung werden, vom Denkmal des Kalten Kriegs zum «Hotspot» eben.