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Ungarn als Störfall für das schöne, neue, korrekte Europa

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Land Of Eagles
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Orbáns Regierung schlägt im übrigen Europa Feindseligkeit entgegen, weil sie eine geistig-politische-moralische Wende anstrebt.

Völlig unbemerkt ist Ende Juni die ungarische EU-Präsidentschaft zu Ende gegangen. Dass es sie überhaupt gegeben hat, daran wurde man erst kurz vor dem Ende aufmerksam, als auf einem Jubelfoto zum Beschluss der Regierungschefs über die Aufnahme Kroatiens in die Gemeinschaft neben dem EU-Präsidenten, dem Kommissionspräsidenten und der kroatischen Regierungschefin auch der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán zu sehen war.

Was tut der eigentlich da, dürfte sich mancher gefragt haben, obwohl sich Ungarn in den sechs Monaten seines Vorsitzes nach Kräften für Kroatiens Beitritt eingesetzt hatte. Bei der Gelegenheit wurde man wieder daran erinnert, dass es das System der wechselnden Präsidentschaften immer noch gibt, obwohl es sich längst überlebt hat: Seit es einen ständigen EU-Präsidenten und einen Hohen Beauftragten für die Außenpolitik gibt, braucht man den teuren und strapaziösen Reisezirkus von Politikern und Beamten zu irgendwelchen Räten ins jeweilige Vorsitzland nicht mehr.

Roma-Initiative ohne Resonanz

Keinem Land gelingt es noch, seinem Turnus den eigenen Stempel aufzudrücken oder eine eigene Initiative durchzubringen. Kein Mensch hat sich für ein europäisches Programm zur Lösung des Roma-Problems interessiert, das die Ungarn voranbringen wollten. Die EU hat ganz andere, existenzielle Sorgen.
Dabei hatte die ungarische Präsidentschaft mit hoher Aufmerksamkeit für das Land und einer sorgfältig inszenierten Panikmache begonnen. Am liebsten, so schien es, hätte Europa ja Sanktionen gegen Ungarn verhängt. Das traute man sich eingedenk der Erfahrungen mit Österreich im Jahr 2000 aber dann doch nicht. Tatsächlich brachte der Haupttreiber gegen Ungarn, der Vorsitzende der SP-Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz, den ominösen Artikel7 des EU-Vertrags ins Spiel, nach dem ein Land mit Sanktionen bis zum Entzug des Stimmrechts in den EU-Gremien belegt werden kann, wenn es „gegen demokratische Grundsätze verstößt“.
Was aber waren die demokratischen Grundsätze, gegen die Ungarn verstoßen hat? Die Mitte-rechts-Regierung unter Ministerpräsident Orbán wurde verdächtigt, mit einem neuen Mediengesetz die Medien gängeln und unter die Kontrolle der Regierung bringen zu wollen.
Tatsächlich hat Ungarn nur eine dringende Regulierung seiner seit der Wende (auch durch Mitschuld ausländischer Medienkonzerne) völlig aus dem Ruder gelaufenen Medienlandschaft nach dem Vorbild westlicher Gebräuche unternommen. Korrekturen, die die EU angeregt hat, sind unterdessen am Gesetz angebracht worden.
Die westlichen Kritiker schweigen jetzt betreten, denn wie wenig Berechtigung sie haben, über ein „neues“ (Beitrittsgruppe 2005) EU-Mitglied zu Gericht zu sitzen, hat sich in den letzten Tagen gezeigt. Neben dem Medienskandal in Großbritannien, in den beide großen Parteien involviert sind, nimmt sich der Fall Ungarn harmlos aus. Auch die Monopolisierung der Medien in Italien und Österreich ist nicht gerade demokratiepolitisch vorbildhaft.

Künstliche Aufregung

Hierzulande kann sich eine Regierungspartei sogar das Wohlwollen dreier Boulevardzeitungen mit einem Dauerfluss von Inseraten erkaufen und verspricht ihnen dazu auch noch politisches Wohlverhalten. Im Rückblick erweist sich die ganze Aufregung um Ungarns Mediengesetz als künstlich und absichtsvoll inszeniert.
Was waren dann die Ursachen für die Maßregelung Ungarns? Das Land hat sich eine falsche Regierung gewählt. Da die Fidesz-Partei von Orbán allein die Zweidrittel-mehrheit im Parlament hat, braucht sie zur Regierung nicht die Unterstützung der Rechtsextremen. Das ist für westliche Kritiker ärgerlich, denn es nimmt ihnen das Argument, man müsse auch in Ungarn gegen das Vordringen des Rechtsextremismus kämpfen, was ja der Vorwand für die Sanktionen gegen Österreich gewesen war.
Wie ein Land heutzutage überhaupt noch dazu kommt, eine Partei mit einer Zweidrittelmehrheit zu wählen, hat Paul Lendvai, ein scharfer Kritiker Orbáns, in unübertrefflicher Eindeutigkeit erklärt: „In den Jahren zwischen 2002 und 2010 bot das sozialistisch-liberale Lager ein jämmerliches, ja zuweilen ekelerregendes Bild von Filz, Vetternwirtschaft und politischer Verkommenheit.“

„Nationalpatriotismus“ als Übel?

Wundert sich angesichts dieses vernichtenden Urteils noch jemand, dass die Ungarn eine Regierung haben wollten, die eine geistig-politische-moralische Wende versprach? Das ist auch der eigentliche Grund für die westliche Erregung und Feindseligkeit gegenüber einem EU-Mitglied. Orbán wird von seinen Gegnern im eigenen Land, deren Kritik im Ausland gern übernommen wird, vorgeworfen, er sei „nationalpatriotisch“. Ein eigenartiger Vorwurf in einer Gemeinschaft von souveränen Staaten mit je eigener Identität und Sprache sowie den dazugehörigen Symbolen. Gegen Frankreich, wo eine solche Haltung gerade auch unter der Linken selbstverständlich ist, hat das noch nie jemand ins Treffen geführt.
Die Definition einer ungarischen Kulturnation über die Grenzen des klein gewordenen Staates hinaus, der zwei Drittel seines früheren Territoriums verloren hat und der für große Minderheiten in mehreren Nachbarstaaten verantwortlich ist, wird man nicht als antieuropäisch brandmarken dürfen, zumal die Grenzen innerhalb Europas seit den jugoslawischen Nachfolgekriegen feststehen. Serbien muss sich daher nicht fürchten, nach dem Kosovo auch die Vojvodina zu verlieren, dort sind die Ungarn nur eine Minderheit.
Ungarn versucht, sich dem Trend zu einer Art europäischer Zivilreligion zu widersetzen, die unter dem Diktat der politischen Korrektheit steht und deren wichtigstes Postulat die Nichtdiskriminierung ist. In einer absurden Dialektik wird jede explizite religiöse Äußerung als Diskriminierung der Nichtgläubigen verstanden und sogar gerichtlich geahndet.

Gottesbezug in der Verfassung

Dass Ungarn in seiner neuen Verfassung, die Orbáns Regierung eingebracht hat, den Segen Gottes herabruft, wird in dieser Perspektive natürlich als Provokation verstanden, obwohl die Formulierung wörtlich aus der Nationalhymne übernommen wurde, an der bisher noch niemand aus der EU Anstoß genommen hatte. Ungarn gehört damit zur Minderheit jener Länder in Europa, die einen Gottesbezug in der Verfassung haben.
Missfallen erregt im europäischen Ausland auch das eindeutige Bekenntnis zur Familie, das implizit eine Gleichstellung prinzipiell reproduktionsfähiger Gemeinschaften von Mann und Frau mit gleichgeschlechtlichen ausschließt. Auch damit fordert Ungarn einen wichtigen Teil des zum europäischen Maß erhobenen und nebenbei ziemlich intoleranten Zeitgeists heraus und setzt ihm einen anderen, christlich inspirierten Wertekanon entgegen.
Ungarn wird den Gang der Dinge in Europa nicht ändern, ja nicht einmal beeinflussen. Dennoch setzt es ein Zeichen, das man registrieren sollte.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.07.2011)
 
Missfallen erregt im europäischen Ausland auch das eindeutige Bekenntnis zur Familie

Naja, in Europa ist eben Familienfeindlich und wundert sich gleichzeitig darüber, dass es keine Kinder mehr gibt.

:facepalm:
 
Naja, in Europa ist eben Familienfeindlich und wundert sich gleichzeitig darüber, dass es keine Kinder mehr gibt.

Immer wieder toll, wenn man Aussagen aus ihrem Zusammenhang reißt.

"Missfallen erregt im europäischen Ausland auch das eindeutige Bekenntnis zur Familie, das implizit eine Gleichstellung prinzipiell reproduktionsfähiger Gemeinschaften von Mann und Frau mit gleichgeschlechtlichen ausschließt"

Das war die ganze Aussage. Klingt schon wieder ein wenig anders, als wenn man nur den ersten Halbsatz zitiert.

Ja, ja, wir hier im bösen Europa hassen alle Familien und Kinder, greif noch ein wenig tiefer in die Mottenkisten diverser Stammtische, findest bestimmt noch ein paar Klischees.

McWei
 
Seit 21 Jahren ist das nicht mehr mein Ungarn welches ich so abgöttisch liebte.
 
freue mich schon auf Balaton und lange Spaziergänge mit meinem Hund im somogyer Hügelland

und meine 2m Satschüssel
 
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