B
benutzer1
Guest
bin auf einen sehr interessanten artikel über dieses thema gestoßen. hier ein paar auszüge:
"Machen wir Frieden mit den Drogen"
"Vor vierzig Jahren ging los, was Richard Nixon, damals Präsident der Vereinigten Staaten, den „Krieg gegen die Drogen“ nannte - und weil man ein Pfund Heroin nicht erschießen kann, richteten sich die Kampfhandlungen gegen all die Menschen, die mit den Drogen in Berührung kamen: gegen jene, die diese Drogen nahmen, vor allem die Süchtigen in den Slums der großen Städte; gegen alle, die mit den Drogen handelten, gegen die kleinen Dealer und die großen Händler; gegen die Schmuggler, die Kuriere, die Produzenten. Gegen die Leute, die Crystal Meth kochten, gegen die Chemiker, die Rohopium zu Heroin veredelten. Gegen die Mohnpflanzer in Afghanistan und gegen die Cocabauern im südamerikanischen Hochland. Und wenn es schon sinnlos war, auf Drogen zu schießen, so konnte man doch die Mohnfelder und Cocaplantagen aus der Luft zerstören, mit Gift, mit Bomben, mit schwerem militärischem Gerät."
(...)
"Es hat sich aber kaum etwas geändert. Außer vielleicht, dass der Drogenkrieg inzwischen zu einer historischen Erfahrung geworden ist, der Fatalismus, sich damit abfinden zu müssen, zu einer Tugend. Seit zwei bis drei Generationen geht das nun so, wo keine Hoffnung mehr lebt, kriegt man seine Kinder jung. Und die, die glauben, für die Gerechtigkeit zu kämpfen, für Sauberkeit und Ordnung, wissen längst nicht mehr, wie das geht. Sie fahren durch die Straßen West Baltimores wie Soldaten durch ein besetztes Land. Sie sehen keine Bürger mehr, sondern nur Feinde. Sie halten jede Festnahme für einen Erfolg. Sie präsentieren Drogenfunde stolz auf Pressekonferenzen, als wäre nicht die Nachfrage das Problem, sondern das Angebot. Sie gehören längst zum Spiel: die Polizeipräsidenten, die mit ihren Quoten prahlen, und die Politiker, die immer wieder neu versprechen, eine Lösung parat zu haben. Sie sind, so jedenfalls beschreiben es Simon und Burns, „Teil eines Wachstumsmarkts“."
(...)
"Eine Tonne Kokain zu produzieren kostet zurzeit um die 3000 Dollar. Eine Tonne Kokain, an den Endverbraucher gebracht, bringt, je nach Marktlage, dreißig bis fünfzig Millionen Dollar ein. Die Differenz setzt sich zusammen aus Transport- und Vertriebskosten, einerseits. Und andererseits den Gewinnen. Der Anteil der Kosten bemisst sich in Promille.
Das ist die ökonomische Grundbedingung des Drogenhandels, daraus leitet sich alles andere ab. Wenn also die Nachrichten mal wieder melden, dass der Polizei ein schwerer Schlag gegen die Drogenmafia gelungen sei, zweihundert Kilo Kokain seien beschlagnahmt worden: Dann ist das einfach Quatsch. Dieselbe Menge lässt sich jederzeit wiederbeschaffen - und wenn Transport und Vertrieb ein bisschen schwieriger werden, gibt es eben einen kleinen Preisaufschlag für die Konsumenten."
(...)
"Man kann diesen Markt auch so beschreiben: Die Nachfrage ist nicht sehr elastisch - die Steuerberaterin und der Mathelehrer werden nicht anfangen, Heroin zu spritzen, nur weil es die Droge gerade im Sonderangebot gibt. Und der Süchtige wird sich den nächsten Schuss setzen wollen, ganz egal, was die Droge gerade kostet. Eine Gruppe von Ökonomen um den Nobelpreisträger Gary Becker hat daraus schon vor acht Jahren den Schluss gezogen, dass es besser wäre, die Drogen zu legalisieren. Der Aufsatz „The Economic Theory of Illegal Goods“ ist 36 Seiten dick und voll von sehr speziellen Formeln, weshalb er hier nicht in seiner vollen Komplexität referiert werden kann. Er läuft aber auf folgenden Vorschlag hinaus: Man sollte die Drogen legalisieren, den Handel staatlich regulieren - und die Drogen dann so stark besteuern, dass der Preis sehr hoch bleibt und alle Gelegenheitsnutzer, alle Malausprobierer und die Jugendlichen sowieso abschreckte."
(...)
"So umfassend ist der Einfluss der Drogenmafia mittlerweile, so diversifiziert ihr auf künstlicher Knappheit basierendes Geschäftsmodell, dass ihr trauriger Erfolg von Kritikern der Legalisierung sogar als Gegenargument herangezogen wird: Marihuana, sagen sie, sei heute nur noch ein sehr kleiner Teil des kriminellen Portfolios aus Prostitution, Waffenhandel und Korruption. Weshalb ein Zusammenbruch des Drogenmarktes an ihrer Macht nichts ändern würde. Am Ende ist das wohl die traurigste Form der Kapitulation."
(...)
"Was also wäre, wenn? Was wäre, wenn jeder die Drogen seiner Wahl im Fachhandel kaufen könnte, in einem der dreitausend Läden etwa, mit denen der Deutsche Hanfverband alleine für den Verkauf von Cannabis rechnet? Wenn Inspektoren einer Gesundheitsbehörde darauf achten würden, dass Händler keinen gestreckten Stoff mehr anbieten, und wenn auch die Käufer nicht mehr durch deren Monopol gezwungen wären, jeden Dreck zu kaufen? Und wenn ein Kokainkunde, der von seinem Dealer übers Ohr gehauen wurde, ganz einfach vor Gericht ziehen könnte, um ihn zu verklagen, statt ihn mit den Mitteln zur Rechenschaft zu ziehen, die im gesetzfreien Raum für adäquat gehalten werden?
Es gibt, das zumindest ist die Basis eines marktwirtschaftlichen Rechtsstaats, durchaus ein paar sehr effektive legale Instrumente der Kontrolle und Reglementierung. Solange aber Drogen verboten sind, ist alles, was mit ihnen zu tun hat, illegal. Und wo das Gesetz nicht hinkommt, da hat es keine Macht. Zu den eher unbekannten Problemen des Kokains etwa gehört das ökologische Desaster, das seine Herstellung mit sich bringt: Der Anbau zerstört den Regenwald, für die Gewinnung aus den Coca-Blättern benötigt man pro Kilogramm drei Liter Schwefelsäure, bis zu achtzig Liter Kerosin und einen Liter Ammoniak, die Abwässer landen ungefiltert in den Flüssen. Mag sein, dass das ein Schaden ist, den man vernachlässigen kann, solange Menschen sterben. Aber es ist ein ganz gutes Beispiel für die grundsätzliche Ohnmacht politischer Maßnahmen: Wie soll man eine Fabrik kontrollieren, die es nicht geben darf? Es ist gar keine Frage: Drogen verursachen riesige Probleme. Man sollte es nicht Kriminellen überlassen, sie zu lösen."
(...)
"Wie man die Wohlstandsdrogen bekämpft, das haben die Vereinigten Staaten ja erfolgreich vorgeführt. Die Zeit, da man vor dem Mittagessen zwei Martinis trank, ging zu Ende, als man den Suff am frühen Nachmittag gesellschaftlich zu ächten begann. Und genauso könnte es gehen mit Cannabis, Kokain und dem ganzen synthetischen Dreck. Es ist höchste Zeit, etwas zu tun: gegen die Drogen und gegen die Verbrecher, die damit Milliarden verdienen. Entkriminalisierung wäre nur der erste Schritt."
Quelle:
http://www.faz.net/aktuell/feuillet...chen-wir-frieden-mit-den-drogen-11734267.html
ein sehr lesenswerter artikel. was meint ihr zu dieser these? kann man den drogenkonsum durch seine entkriminalisierung bekämpfen bzw. reduzieren?
"Machen wir Frieden mit den Drogen"
"Vor vierzig Jahren ging los, was Richard Nixon, damals Präsident der Vereinigten Staaten, den „Krieg gegen die Drogen“ nannte - und weil man ein Pfund Heroin nicht erschießen kann, richteten sich die Kampfhandlungen gegen all die Menschen, die mit den Drogen in Berührung kamen: gegen jene, die diese Drogen nahmen, vor allem die Süchtigen in den Slums der großen Städte; gegen alle, die mit den Drogen handelten, gegen die kleinen Dealer und die großen Händler; gegen die Schmuggler, die Kuriere, die Produzenten. Gegen die Leute, die Crystal Meth kochten, gegen die Chemiker, die Rohopium zu Heroin veredelten. Gegen die Mohnpflanzer in Afghanistan und gegen die Cocabauern im südamerikanischen Hochland. Und wenn es schon sinnlos war, auf Drogen zu schießen, so konnte man doch die Mohnfelder und Cocaplantagen aus der Luft zerstören, mit Gift, mit Bomben, mit schwerem militärischem Gerät."
(...)
"Es hat sich aber kaum etwas geändert. Außer vielleicht, dass der Drogenkrieg inzwischen zu einer historischen Erfahrung geworden ist, der Fatalismus, sich damit abfinden zu müssen, zu einer Tugend. Seit zwei bis drei Generationen geht das nun so, wo keine Hoffnung mehr lebt, kriegt man seine Kinder jung. Und die, die glauben, für die Gerechtigkeit zu kämpfen, für Sauberkeit und Ordnung, wissen längst nicht mehr, wie das geht. Sie fahren durch die Straßen West Baltimores wie Soldaten durch ein besetztes Land. Sie sehen keine Bürger mehr, sondern nur Feinde. Sie halten jede Festnahme für einen Erfolg. Sie präsentieren Drogenfunde stolz auf Pressekonferenzen, als wäre nicht die Nachfrage das Problem, sondern das Angebot. Sie gehören längst zum Spiel: die Polizeipräsidenten, die mit ihren Quoten prahlen, und die Politiker, die immer wieder neu versprechen, eine Lösung parat zu haben. Sie sind, so jedenfalls beschreiben es Simon und Burns, „Teil eines Wachstumsmarkts“."
(...)
"Eine Tonne Kokain zu produzieren kostet zurzeit um die 3000 Dollar. Eine Tonne Kokain, an den Endverbraucher gebracht, bringt, je nach Marktlage, dreißig bis fünfzig Millionen Dollar ein. Die Differenz setzt sich zusammen aus Transport- und Vertriebskosten, einerseits. Und andererseits den Gewinnen. Der Anteil der Kosten bemisst sich in Promille.
Das ist die ökonomische Grundbedingung des Drogenhandels, daraus leitet sich alles andere ab. Wenn also die Nachrichten mal wieder melden, dass der Polizei ein schwerer Schlag gegen die Drogenmafia gelungen sei, zweihundert Kilo Kokain seien beschlagnahmt worden: Dann ist das einfach Quatsch. Dieselbe Menge lässt sich jederzeit wiederbeschaffen - und wenn Transport und Vertrieb ein bisschen schwieriger werden, gibt es eben einen kleinen Preisaufschlag für die Konsumenten."
(...)
"Man kann diesen Markt auch so beschreiben: Die Nachfrage ist nicht sehr elastisch - die Steuerberaterin und der Mathelehrer werden nicht anfangen, Heroin zu spritzen, nur weil es die Droge gerade im Sonderangebot gibt. Und der Süchtige wird sich den nächsten Schuss setzen wollen, ganz egal, was die Droge gerade kostet. Eine Gruppe von Ökonomen um den Nobelpreisträger Gary Becker hat daraus schon vor acht Jahren den Schluss gezogen, dass es besser wäre, die Drogen zu legalisieren. Der Aufsatz „The Economic Theory of Illegal Goods“ ist 36 Seiten dick und voll von sehr speziellen Formeln, weshalb er hier nicht in seiner vollen Komplexität referiert werden kann. Er läuft aber auf folgenden Vorschlag hinaus: Man sollte die Drogen legalisieren, den Handel staatlich regulieren - und die Drogen dann so stark besteuern, dass der Preis sehr hoch bleibt und alle Gelegenheitsnutzer, alle Malausprobierer und die Jugendlichen sowieso abschreckte."
(...)
"So umfassend ist der Einfluss der Drogenmafia mittlerweile, so diversifiziert ihr auf künstlicher Knappheit basierendes Geschäftsmodell, dass ihr trauriger Erfolg von Kritikern der Legalisierung sogar als Gegenargument herangezogen wird: Marihuana, sagen sie, sei heute nur noch ein sehr kleiner Teil des kriminellen Portfolios aus Prostitution, Waffenhandel und Korruption. Weshalb ein Zusammenbruch des Drogenmarktes an ihrer Macht nichts ändern würde. Am Ende ist das wohl die traurigste Form der Kapitulation."
(...)
"Was also wäre, wenn? Was wäre, wenn jeder die Drogen seiner Wahl im Fachhandel kaufen könnte, in einem der dreitausend Läden etwa, mit denen der Deutsche Hanfverband alleine für den Verkauf von Cannabis rechnet? Wenn Inspektoren einer Gesundheitsbehörde darauf achten würden, dass Händler keinen gestreckten Stoff mehr anbieten, und wenn auch die Käufer nicht mehr durch deren Monopol gezwungen wären, jeden Dreck zu kaufen? Und wenn ein Kokainkunde, der von seinem Dealer übers Ohr gehauen wurde, ganz einfach vor Gericht ziehen könnte, um ihn zu verklagen, statt ihn mit den Mitteln zur Rechenschaft zu ziehen, die im gesetzfreien Raum für adäquat gehalten werden?
Es gibt, das zumindest ist die Basis eines marktwirtschaftlichen Rechtsstaats, durchaus ein paar sehr effektive legale Instrumente der Kontrolle und Reglementierung. Solange aber Drogen verboten sind, ist alles, was mit ihnen zu tun hat, illegal. Und wo das Gesetz nicht hinkommt, da hat es keine Macht. Zu den eher unbekannten Problemen des Kokains etwa gehört das ökologische Desaster, das seine Herstellung mit sich bringt: Der Anbau zerstört den Regenwald, für die Gewinnung aus den Coca-Blättern benötigt man pro Kilogramm drei Liter Schwefelsäure, bis zu achtzig Liter Kerosin und einen Liter Ammoniak, die Abwässer landen ungefiltert in den Flüssen. Mag sein, dass das ein Schaden ist, den man vernachlässigen kann, solange Menschen sterben. Aber es ist ein ganz gutes Beispiel für die grundsätzliche Ohnmacht politischer Maßnahmen: Wie soll man eine Fabrik kontrollieren, die es nicht geben darf? Es ist gar keine Frage: Drogen verursachen riesige Probleme. Man sollte es nicht Kriminellen überlassen, sie zu lösen."
(...)
"Wie man die Wohlstandsdrogen bekämpft, das haben die Vereinigten Staaten ja erfolgreich vorgeführt. Die Zeit, da man vor dem Mittagessen zwei Martinis trank, ging zu Ende, als man den Suff am frühen Nachmittag gesellschaftlich zu ächten begann. Und genauso könnte es gehen mit Cannabis, Kokain und dem ganzen synthetischen Dreck. Es ist höchste Zeit, etwas zu tun: gegen die Drogen und gegen die Verbrecher, die damit Milliarden verdienen. Entkriminalisierung wäre nur der erste Schritt."
Quelle:
http://www.faz.net/aktuell/feuillet...chen-wir-frieden-mit-den-drogen-11734267.html
ein sehr lesenswerter artikel. was meint ihr zu dieser these? kann man den drogenkonsum durch seine entkriminalisierung bekämpfen bzw. reduzieren?