L
Lance Uppercut
Guest
Warum hat der Papst zum Holocaust geschwiegen?
Seit Rolf Hochhuts Schauspiel "Der Stellvertreter" wird diese Frage diskutiert. Die Antwort ist vielschichtig.
Der Fürst-Erzbischof von Krakau hatte bereits einen auf den 28. Februar 1942 datierten Brief an Pius XII. verfasst, in dem er den ganzen Schrecken der nationalsozialistischen Besatzung Polens beschreibt und um ein deutliches Wort des Papstes bittet. Diesen Brief gab der Krakauer Erzbischof Sapieha dem Kaplan Scavizzi mit auf den Weg. Der Geheimkurier sollte das Schreiben an den Papst weiterleiten. Dann aber überkam Sapieha die Angst, der Brief könnte den Deutschen in die Hände fallen. Er schickte einen Boten zu Scavizzi, um in aufzufordern, den gefährlichen Brief zu verbrennen. Scavizzi erfüllte die Bitte, schrieb den Brief aber zuerst ab. Nach seiner Rückkehr nach Rom übergab Scavizzi in der Audienz am 17. Oktober 1942 dem Papst seine Abschrift des Sapieha-Briefs. Er fügte einen mündlichen Kommentar hinzu und berichtete über die NS-Verbrechen in Deutschland, Österreich, Polen und der Ukraine: Die Ausrottung der Juden durch Massentötung sei fast total. Selbst auf Kinder werde keine Rücksicht genommen, nicht einmal auf Säuglinge. Man spreche davon, dass etwa zwei Millionen Juden getötet worden seien.
Erst 1964, kurz vor seinem Tod, enthüllte Scavizzi Einzelheiten dieser Begegnung: »Der Papst stand neben mir und hörte mir bewegt und erschüttert zu; er hob seine Hände zum Himmel und sprach zu mir: >Sagen Sie allen, denen Sie es sagen können, dass der Papst für sie und mit ihnen ringt. Sagen Sie, dass ich mehrmals daran gedacht hatte, den Nationalsozialismus mit dem Bannstrahl zu belegen, vor der zivilen Welt die Bestialität der Massenvernichtung der Juden öffentlich zu denunzieren. Wir haben von den schlimmsten Folterdrohungen gehört, nicht hinsichtlich unserer Person, sondern hinsichtlich jener armen Söhne, die sich unter dem Naziregime befinden. Man hat uns über die verschiedensten Mitteilsleute die Bitte zukommen lassen, der Heilige Stuhl solle nur keine drastische Haltung einnehmen. Nachdem ich viele Tränen vergossen und viel gebetet habe, hielt ich dafür, dass ein Protest meinerseits nicht nur keinem geholfen hätte, sondern vielmehr rasenden Zorn gegen die Juden heraufbeschworen und die Gräueltaten nur noch um ein Vielfaches gemehrt hätte, da diese wehrlos ausgeliefert waren. Vielleicht hätte ich mir durch meinen Protest ein Lob der zivilisierten Welt eingehandelt, aber den armen Juden hätte es nur eine noch unerbittlichere Verfolgung gebracht, als jene, die sie sowieso schon zu erdulden haben.<«
Hatte er Recht? Historiker, die alternative Geschichtsverläufe konstruieren, kommen zur gegenteiligen Behauptung: Mit scharfen Worten gegen die Nazis hätte der Papst die Gegner des Regimes gestärkt und die Naziherrschaft möglicherweise sogar zu Fall gebracht.
Doch Pius XII war nicht der einzige, der wusste, aber nichts sagte. Amerikaner und Briten wussten schon seit dem 20. März 1942 Bescheid. Unter diesem Datum landete ein heimlich beschaffter Bericht auf dem Schreibtisch von David Bruce, dem Leiter Geheimdienst-Abteilung innerhalb des CIO, dem Koordinationsbüro der militärischen Auslands-Aufklärung (Coordinator of Information). Das CIO war der Vorläufer des OSS (Office of Strategic Services), aus dem wiederum nach dem Krieg die zivile CIA (Central Intelligence Agency) hervorging. Der chilenische Konsul Gonzalo Monti Rivas, der in Prag geblieben war, hatte unter dem Datum des 24. November 1941 in einer Depesche an den britischen Geheimdienst über die Absicht der Deutschen berichtet, die Juden zu beseitigen, indem sie ein entsprechendes Lager einrichten. Bruce reichte den Bericht weiter an General Donovan. Was weiter mit der Information geschah, ist unklar. Es gebe keinen Hinweis, ob sie von anderen Amerikanern gesehen wurde als von den beiden erwähnten Geheimdienst-Chefs, heißt es in einer Presse-Erklärung der interministeriellen Arbeitsgruppe (Interagency Working Group), die das Dokument nach Freigabe durch den amerikanischen Kongress im Jahr 2000 (Nazi War Crimes Disclosure Act) veröffentlicht hatte.
Die ehemalige Abgeordnete und zeitweilige Mitarbeiterin der genannten Arbeitsgruppe Elizabeth Holtzman zeigte sich er schüttert: »Das kürzlich deklassifizierte Dokument spitzt die Frage zu, wie viel Offizielle in unserer Regierung über den Holocaust wussten und ab wann sie es wussten. Warum hat unsere Regierung, von der britischen ganz zu schweigen, nicht reagiert? Es ist unerträglich zu meinen, dass Pläne, die jüdische Bevölkerung auszurotten, eine Sache von solcher Bedeutungslosigkeit war.«
Quelle:
PM - Wissensnews - Warum hat der Papst zum Holocaust geschwiegen?
Sowohl der Papst als auch die Amerikaner und Briten wussten von der systematischen Vernichtung der Juden.
Der Papst hatte befürchtet, dass sein Einschreiten den Juden teuer zu stehen kommen würde.
Die Briten und Amerikaner waren der Auffassung, dass man den Juden am besten helfe, indem man das Deutsche Reich schnellstmöglichst militärisch niederkämpft.
Eine Befreiungsoperation der KZ Gefangenen stand nie wirklich zur Debatte.
Der Fürst-Erzbischof von Krakau hatte bereits einen auf den 28. Februar 1942 datierten Brief an Pius XII. verfasst, in dem er den ganzen Schrecken der nationalsozialistischen Besatzung Polens beschreibt und um ein deutliches Wort des Papstes bittet. Diesen Brief gab der Krakauer Erzbischof Sapieha dem Kaplan Scavizzi mit auf den Weg. Der Geheimkurier sollte das Schreiben an den Papst weiterleiten. Dann aber überkam Sapieha die Angst, der Brief könnte den Deutschen in die Hände fallen. Er schickte einen Boten zu Scavizzi, um in aufzufordern, den gefährlichen Brief zu verbrennen. Scavizzi erfüllte die Bitte, schrieb den Brief aber zuerst ab. Nach seiner Rückkehr nach Rom übergab Scavizzi in der Audienz am 17. Oktober 1942 dem Papst seine Abschrift des Sapieha-Briefs. Er fügte einen mündlichen Kommentar hinzu und berichtete über die NS-Verbrechen in Deutschland, Österreich, Polen und der Ukraine: Die Ausrottung der Juden durch Massentötung sei fast total. Selbst auf Kinder werde keine Rücksicht genommen, nicht einmal auf Säuglinge. Man spreche davon, dass etwa zwei Millionen Juden getötet worden seien.
Erst 1964, kurz vor seinem Tod, enthüllte Scavizzi Einzelheiten dieser Begegnung: »Der Papst stand neben mir und hörte mir bewegt und erschüttert zu; er hob seine Hände zum Himmel und sprach zu mir: >Sagen Sie allen, denen Sie es sagen können, dass der Papst für sie und mit ihnen ringt. Sagen Sie, dass ich mehrmals daran gedacht hatte, den Nationalsozialismus mit dem Bannstrahl zu belegen, vor der zivilen Welt die Bestialität der Massenvernichtung der Juden öffentlich zu denunzieren. Wir haben von den schlimmsten Folterdrohungen gehört, nicht hinsichtlich unserer Person, sondern hinsichtlich jener armen Söhne, die sich unter dem Naziregime befinden. Man hat uns über die verschiedensten Mitteilsleute die Bitte zukommen lassen, der Heilige Stuhl solle nur keine drastische Haltung einnehmen. Nachdem ich viele Tränen vergossen und viel gebetet habe, hielt ich dafür, dass ein Protest meinerseits nicht nur keinem geholfen hätte, sondern vielmehr rasenden Zorn gegen die Juden heraufbeschworen und die Gräueltaten nur noch um ein Vielfaches gemehrt hätte, da diese wehrlos ausgeliefert waren. Vielleicht hätte ich mir durch meinen Protest ein Lob der zivilisierten Welt eingehandelt, aber den armen Juden hätte es nur eine noch unerbittlichere Verfolgung gebracht, als jene, die sie sowieso schon zu erdulden haben.<«
Hatte er Recht? Historiker, die alternative Geschichtsverläufe konstruieren, kommen zur gegenteiligen Behauptung: Mit scharfen Worten gegen die Nazis hätte der Papst die Gegner des Regimes gestärkt und die Naziherrschaft möglicherweise sogar zu Fall gebracht.
Doch Pius XII war nicht der einzige, der wusste, aber nichts sagte. Amerikaner und Briten wussten schon seit dem 20. März 1942 Bescheid. Unter diesem Datum landete ein heimlich beschaffter Bericht auf dem Schreibtisch von David Bruce, dem Leiter Geheimdienst-Abteilung innerhalb des CIO, dem Koordinationsbüro der militärischen Auslands-Aufklärung (Coordinator of Information). Das CIO war der Vorläufer des OSS (Office of Strategic Services), aus dem wiederum nach dem Krieg die zivile CIA (Central Intelligence Agency) hervorging. Der chilenische Konsul Gonzalo Monti Rivas, der in Prag geblieben war, hatte unter dem Datum des 24. November 1941 in einer Depesche an den britischen Geheimdienst über die Absicht der Deutschen berichtet, die Juden zu beseitigen, indem sie ein entsprechendes Lager einrichten. Bruce reichte den Bericht weiter an General Donovan. Was weiter mit der Information geschah, ist unklar. Es gebe keinen Hinweis, ob sie von anderen Amerikanern gesehen wurde als von den beiden erwähnten Geheimdienst-Chefs, heißt es in einer Presse-Erklärung der interministeriellen Arbeitsgruppe (Interagency Working Group), die das Dokument nach Freigabe durch den amerikanischen Kongress im Jahr 2000 (Nazi War Crimes Disclosure Act) veröffentlicht hatte.
Die ehemalige Abgeordnete und zeitweilige Mitarbeiterin der genannten Arbeitsgruppe Elizabeth Holtzman zeigte sich er schüttert: »Das kürzlich deklassifizierte Dokument spitzt die Frage zu, wie viel Offizielle in unserer Regierung über den Holocaust wussten und ab wann sie es wussten. Warum hat unsere Regierung, von der britischen ganz zu schweigen, nicht reagiert? Es ist unerträglich zu meinen, dass Pläne, die jüdische Bevölkerung auszurotten, eine Sache von solcher Bedeutungslosigkeit war.«
Quelle:
PM - Wissensnews - Warum hat der Papst zum Holocaust geschwiegen?
Sowohl der Papst als auch die Amerikaner und Briten wussten von der systematischen Vernichtung der Juden.
Der Papst hatte befürchtet, dass sein Einschreiten den Juden teuer zu stehen kommen würde.
Die Briten und Amerikaner waren der Auffassung, dass man den Juden am besten helfe, indem man das Deutsche Reich schnellstmöglichst militärisch niederkämpft.
Eine Befreiungsoperation der KZ Gefangenen stand nie wirklich zur Debatte.