Albanesi2
Gesperrt
Kinofilm: Inside Man
http://www.jungewelt.de/2006/03-25/032.php
Enver Hoxha in New York
In Spike Lees neuem Film »The Inside Man« wird beim Banküberfall sensationellerweise Albanisch gesprochen
Bankräuber, Geiseln, Ordnungskräfte. Eine hervorragend organisierte Bande hält eine altehrwürdige Bank im New Yorker Financial District rund um die Wall Street besetzt (kurz ist auch ein Straßenschild zu sehen: »exchange plc«/Ecke irgendwas: gefilmt wurde tatsächlich an Ort und Stelle). Kunden und Belegschaft werden zu Geiseln. Denzel Washington leitet den vor Ort fälligen Polizeieinsatz und verhandelt mit den Geiselnehmern.
Spike Lee hat mit »The Inside Man« seinen ersten waschechten Genrefilm gedreht, natürlich nicht, ohne mit dem Thrillergenre ein angemessen falsches Spiel zu treiben. Zum Schein ganz beiläufig geht es in dem Film immer wieder um einige typische Post-9/11-Debatten nicht nur in den USA – »clash of civilizations« oder doch besser Multikulturalismus, Zivilgesellschaft oder Barbarei, staatliche Ordnung oder Terrorismus?
Das Branchenblatt Hollywood Reporter sah in »Inside Man« sogar explizit einen Gegenentwurf zum Oscargewinner »L.A. Crash«: »Nicht daß in ›Inside Man‹ nicht auch rassische Spannungen vorkämen oder gelegentlich Vorurteile aufblitzten, letztlich aber vor allem feiert der Film die enorme ethnische und kulturelle Vielfalt von New York und weitergehend von ganz Amerika. Zu einer Schlüsselstelle gehört sogar, daß, sobald auf einer beliebigen Straße Manhattans irgendeine halbwegs unverständliche Sprache über Lautsprecher zu hören ist, man sich darauf verlassen kann, auch jemanden zu finden, der genau diese Sprache versteht.«
Die Sequenz, auf die der Hollywood Reporter hier anspielt, gibt in der Tat einige wichtige Hinweise zum Thema Sprachverwirrung und Vorurteil: Denzel Washington und seine Kollegen bekommen beim Abhören des Funkverkehrs der Geiselnehmer eine Sprache zu hören, die sie nicht verstehen. Zunächst denken sie, es sei Russisch (klar, die Russen-Mafia aus Little Odessa). Ist es aber nicht. Washington weiß, daß es auf den Straßen Manhattans Hunderttausende von Fremdsprachenkundigen geben muß, die meisten davon Taxifahrer. Mit der Lautsprecheranlage des Polizeiwagens überträgt er die Botschaft in der unidentifizierbaren Sprache auf die Straße. Prompt meldet sich auch jemand: Ein Taxifahrer behauptet, die Botschaft sei in Albanisch. Der Typ selbst kann kein Albanisch. Seine Exfrau aber komme aus Albanien, und die rede quasi ununterbrochen, die Sprache sei definitiv Albanisch. Washington läßt beim albanischen Konsulat anrufen, die sollen mal schnell einen Dolmetscher rüberschicken. Das Konsulat antwortet: Nicht mit uns und vor allem nicht ohne Honorar. Also muß die besagte Exfrau ran. Deren Auftritt wird dann als der einer toughen Vorortschlampe stilisiert, der man nichts groß mehr erzählen kann, weil sie selber ununterbrochen zynischen Quatsch redet. Albanisch kann sie tatsächlich. Sie hört die Botschaft und lacht sehr laut: Das ist Enver Hoxha. Wer? Enver Hoxha, Gründer der Partei der Arbeit Albaniens und Landesvater des ausdrücklich ersten offiziell atheistischen Staates der Welt. Jedes Kind in Albanien kenne diese Stimme. Der Mann sei übrigens bereits verstorben. Und was redet der da? Es gehe um den soundsovielten Jahrestag von irgendwas, Albanien ist das fortschrittlichste und beste Land der Welt, die Revolution hat gesiegt etc pp.
Mit der von den Geiselnehmern übermittelten Botschaft der Partei der Arbeit Albaniens dürfte »Inside Man« der erste US-amerikanische Spielfilm sein, in dem eine Rede Enver Hoxhas in der Originalsprache zu hören ist. Ein Zeichen sowohl für die gute Laune der Geiselnehmer als für den Verfremdungshumor von Spike Lee. Er nimmt das Banküberfall-Thema eher auf die leichte Schulter. Ebenso die Verschwörungsgeschichte im Hintergrund des Plots. Die läuft darauf hinaus, daß das Gründungskapital der Bank aus den blutigen Geschäften von Nazikollaborateuren stammt. Das weiß doch sowieso jeder: Sobald's ums Geld geht, kennt die herrschende Klasse keine Verwandten mehr. Ihr Motto: »When there's blood on the streets, buy property« (Sind die Straßen voll Blut, kaufe Grundbestitz).
Tatsächlich geht es Lee eher darum, Bilder einer anderen (und vor allem aktuell gewichtigeren) Ordnung als der des Genrethrillers in seinen Film zu schmuggeln: Bilder aus einem (fiktiven) Computerspiel, mit dem eine der Geiseln, ein kleiner schwarzer Junge (»Hast du Angst?«; »Quatsch, ich bin aus Brooklyn«) sich die Zeit vertreibt. Das Spiel heißt »Kill that Nigger« und simuliert, in tödlicher Manier affirmativ, schwarze Gewaltkriminalität. Man sieht Videobilder von der Exekution einer Geisel, die sich später als Simulation herausstellt. Die Bilder erinnern fatal an neuere Entwicklungen in der Abteilung des Snuff-Film-Genres, die allgemein als TV-Nachrichten bekannt ist. Und schließlich – als dramaturgischer Trick wiederholt in die Handlung eingeschnitten – Bilder vom nachträglichen Verhör der Geiseln, unter denen man auch die Geiselnehmer vermutet. Die Verhöre arbeiten mit mildem psychologischem Terror und sind dennoch unergiebig. Die Ununterscheidbarkeit zwischen Geiseln und Geiselnehmern (»im Overall sind alle gleich« Berliner Zeitung) ist vielleicht die böseste Wahrheit des Films. Und das nicht nur, weil jedes Verhör zwangsläufig Verdächtige/Schuldige produziert. Man muß in diesem Zusammenhang nur an die jüngsten Debatten um die Nützlichkeit von sogenannter milder Folter zur Terrorprävention denken und es wird einem ziemlich mulmig. Die Hinweise auf Debatten solcher Art gehören jedenfalls zur interessanteren Schmuggelware in Lees ansonsten schon fast zu lässigem Film.
http://movies.uip.de/insideman/
http://www.jungewelt.de/2006/03-25/032.php
Enver Hoxha in New York
In Spike Lees neuem Film »The Inside Man« wird beim Banküberfall sensationellerweise Albanisch gesprochen
Bankräuber, Geiseln, Ordnungskräfte. Eine hervorragend organisierte Bande hält eine altehrwürdige Bank im New Yorker Financial District rund um die Wall Street besetzt (kurz ist auch ein Straßenschild zu sehen: »exchange plc«/Ecke irgendwas: gefilmt wurde tatsächlich an Ort und Stelle). Kunden und Belegschaft werden zu Geiseln. Denzel Washington leitet den vor Ort fälligen Polizeieinsatz und verhandelt mit den Geiselnehmern.
Spike Lee hat mit »The Inside Man« seinen ersten waschechten Genrefilm gedreht, natürlich nicht, ohne mit dem Thrillergenre ein angemessen falsches Spiel zu treiben. Zum Schein ganz beiläufig geht es in dem Film immer wieder um einige typische Post-9/11-Debatten nicht nur in den USA – »clash of civilizations« oder doch besser Multikulturalismus, Zivilgesellschaft oder Barbarei, staatliche Ordnung oder Terrorismus?
Das Branchenblatt Hollywood Reporter sah in »Inside Man« sogar explizit einen Gegenentwurf zum Oscargewinner »L.A. Crash«: »Nicht daß in ›Inside Man‹ nicht auch rassische Spannungen vorkämen oder gelegentlich Vorurteile aufblitzten, letztlich aber vor allem feiert der Film die enorme ethnische und kulturelle Vielfalt von New York und weitergehend von ganz Amerika. Zu einer Schlüsselstelle gehört sogar, daß, sobald auf einer beliebigen Straße Manhattans irgendeine halbwegs unverständliche Sprache über Lautsprecher zu hören ist, man sich darauf verlassen kann, auch jemanden zu finden, der genau diese Sprache versteht.«
Die Sequenz, auf die der Hollywood Reporter hier anspielt, gibt in der Tat einige wichtige Hinweise zum Thema Sprachverwirrung und Vorurteil: Denzel Washington und seine Kollegen bekommen beim Abhören des Funkverkehrs der Geiselnehmer eine Sprache zu hören, die sie nicht verstehen. Zunächst denken sie, es sei Russisch (klar, die Russen-Mafia aus Little Odessa). Ist es aber nicht. Washington weiß, daß es auf den Straßen Manhattans Hunderttausende von Fremdsprachenkundigen geben muß, die meisten davon Taxifahrer. Mit der Lautsprecheranlage des Polizeiwagens überträgt er die Botschaft in der unidentifizierbaren Sprache auf die Straße. Prompt meldet sich auch jemand: Ein Taxifahrer behauptet, die Botschaft sei in Albanisch. Der Typ selbst kann kein Albanisch. Seine Exfrau aber komme aus Albanien, und die rede quasi ununterbrochen, die Sprache sei definitiv Albanisch. Washington läßt beim albanischen Konsulat anrufen, die sollen mal schnell einen Dolmetscher rüberschicken. Das Konsulat antwortet: Nicht mit uns und vor allem nicht ohne Honorar. Also muß die besagte Exfrau ran. Deren Auftritt wird dann als der einer toughen Vorortschlampe stilisiert, der man nichts groß mehr erzählen kann, weil sie selber ununterbrochen zynischen Quatsch redet. Albanisch kann sie tatsächlich. Sie hört die Botschaft und lacht sehr laut: Das ist Enver Hoxha. Wer? Enver Hoxha, Gründer der Partei der Arbeit Albaniens und Landesvater des ausdrücklich ersten offiziell atheistischen Staates der Welt. Jedes Kind in Albanien kenne diese Stimme. Der Mann sei übrigens bereits verstorben. Und was redet der da? Es gehe um den soundsovielten Jahrestag von irgendwas, Albanien ist das fortschrittlichste und beste Land der Welt, die Revolution hat gesiegt etc pp.
Mit der von den Geiselnehmern übermittelten Botschaft der Partei der Arbeit Albaniens dürfte »Inside Man« der erste US-amerikanische Spielfilm sein, in dem eine Rede Enver Hoxhas in der Originalsprache zu hören ist. Ein Zeichen sowohl für die gute Laune der Geiselnehmer als für den Verfremdungshumor von Spike Lee. Er nimmt das Banküberfall-Thema eher auf die leichte Schulter. Ebenso die Verschwörungsgeschichte im Hintergrund des Plots. Die läuft darauf hinaus, daß das Gründungskapital der Bank aus den blutigen Geschäften von Nazikollaborateuren stammt. Das weiß doch sowieso jeder: Sobald's ums Geld geht, kennt die herrschende Klasse keine Verwandten mehr. Ihr Motto: »When there's blood on the streets, buy property« (Sind die Straßen voll Blut, kaufe Grundbestitz).
Tatsächlich geht es Lee eher darum, Bilder einer anderen (und vor allem aktuell gewichtigeren) Ordnung als der des Genrethrillers in seinen Film zu schmuggeln: Bilder aus einem (fiktiven) Computerspiel, mit dem eine der Geiseln, ein kleiner schwarzer Junge (»Hast du Angst?«; »Quatsch, ich bin aus Brooklyn«) sich die Zeit vertreibt. Das Spiel heißt »Kill that Nigger« und simuliert, in tödlicher Manier affirmativ, schwarze Gewaltkriminalität. Man sieht Videobilder von der Exekution einer Geisel, die sich später als Simulation herausstellt. Die Bilder erinnern fatal an neuere Entwicklungen in der Abteilung des Snuff-Film-Genres, die allgemein als TV-Nachrichten bekannt ist. Und schließlich – als dramaturgischer Trick wiederholt in die Handlung eingeschnitten – Bilder vom nachträglichen Verhör der Geiseln, unter denen man auch die Geiselnehmer vermutet. Die Verhöre arbeiten mit mildem psychologischem Terror und sind dennoch unergiebig. Die Ununterscheidbarkeit zwischen Geiseln und Geiselnehmern (»im Overall sind alle gleich« Berliner Zeitung) ist vielleicht die böseste Wahrheit des Films. Und das nicht nur, weil jedes Verhör zwangsläufig Verdächtige/Schuldige produziert. Man muß in diesem Zusammenhang nur an die jüngsten Debatten um die Nützlichkeit von sogenannter milder Folter zur Terrorprävention denken und es wird einem ziemlich mulmig. Die Hinweise auf Debatten solcher Art gehören jedenfalls zur interessanteren Schmuggelware in Lees ansonsten schon fast zu lässigem Film.
http://movies.uip.de/insideman/