Die Verhörmethoden der CIA
US-Geheimdienst hat ein großes Repertoire an Mitteln - einige davon sind umstritten
Die sogenannten "verschärften Verhörmethoden" der CIA bestehen aus sechs im Frühjahr 2002 genehmigten Maßnahmen, die nur durch 14 dafür ausgebildete Vernehmer angewandt werden dürfen. Ärzte müssen die Anwendung überwachen, und diese Anwendung muß für jeden Internierten vorher vom stellvertretenden CIA-Direktor gebilligt werden. Die Methoden sind gegenüber elf Internierten angewandt worden. In mindestens einem Fall ist dabei ein Internierter gestorben. Sein Tod wird auf unsachgemäße Anwendung der Maßnahme zurückgeführt, nicht auf die Methode selbst. Die Spezialmethoden scheinen in eine raffinierte Kulisse aus verhörpsychologischen Maßnahmen eingebettet zu sein. Dieses Bild ergibt sich aus Recherchen des TV-Senders ABC unter aktiven und früheren CIA-Angehörigen und aus anderen Quellen.
Die Methoden bestehen im einzelnen aus folgenden Schritten:
- Schütteln mit hartem Griff an die Kleidung.
- Schlag mit der offenen Handfläche ins Gesicht.
- Schlag mit offener Handfläche in die Magengrube.
- Langzeitstehen bis zu 40 Stunden, die Füße an den Boden gekettet
- Kaltzelle: Die Temperatur wird auf 50 Grad Fahrenheit gesenkt (das entspricht zehn Grad Celsius). Zusätzlich darf der Internierte dabei dauernd oder zeitweilig mit Kaltwasser übergossen werden.
- Das "Wasserbrett": Eine Person wird ausgestreckt auf ein schräges Brett geschnallt, Gesicht nach oben, das Kopfende niedriger als das Fußende. Der Kopf wird mit Zellophan umwickelt, Wasser wird dosiert in die Nase gegossen.
Das "Wasserbrett" gilt neben der Kaltzelle als die wirkungsvollste Methode, um schweigsame Internierte zum Sprechen zu bringen. Es kommt der völkerrechtlich verbotenen Scheinhinrichtung sehr nahe. CIA-Angehörige haben im Selbstversuch im Schnitt nur 14 Sekunden diese Behandlung ausgehalten. US-Elitesoldaten werden ihr während ihres Trainings routinemäßig ausgesetzt.
Der Todesfall trat in Afghanistan ein, als ein Internierter im Winter in einer Kaltzelle an Unterkühlung verstarb. Der verantwortliche Offizier, ein neuentsandter jüngerer Mann, habe die Wirkung der Außentemperatur nicht in Betracht gezogen, so die CIA-Quellen. Ein zweiter Todesfall sei im Irak ohne Beteiligung der CIA eingetreten. Das läßt darauf schließen, daß verschärfte Methoden nicht nur durch die 14 CIA-Sondervernehmer verwendet werden - ein Aspekt, der bei dem Vorstoß des republikanischen Senators John McCain eine Rolle spielt, solche Maßnahmen engstmöglich zu begrenzen.
Über deren Wirkung gehen die Auffassungen weniger auseinander als über ihre moralische Qualität. Es scheint Konsens darüber zu geben, daß das Ziel, Aussageverweigerer zum Sprechen zu bewegen, überwiegend erreicht wird. Der Chefplaner des 11. September 2001, Khaled Mohammed, habe sich den widerwilligen Respekt der Vernehmer erworben, weil er das "Wasserbrett" bis zu zweieinhalb Minuten ausgehalten habe. Doch schließlich sei auch er kooperationswillig geworden. Es ist offenbar in keinem Fall zu einer Notlüge gekommen. Ein Al-Qaida-Mann habe zwar falsche Angaben über den Irak gemacht, doch habe er dies nach bestem Wissen getan. Psychologische Tests hätten ergeben, daß der Betreffende glaubte, mit der Wahrheit herauszurücken.
Die sechs "verschärften Methoden" sind Teil einer ausgeklügelten psychologischen Strategie, deren Elemente vom Mossad stammen, von der Royal Ulster Constabulary Force oder der New Yorker Polizei. Die Dauerbeschallung mit Musik zählt dazu (in Afghanistan machte ein Song des Rap-Sängers Eminem Internierte nervös, das war auch der Zweck). In Afghanistan haben sich vorgetäuschte Besuche aus den Heimatstaaten der Internierten als wirkungsvoll erwiesen. Als Polizisten jener Länder verkleidete Afghanen gingen schweigend durch das Lager. Ohne Worte wurde so die Auslieferung angedroht - ein Umstand, der offenbar viele zum Reden brachte. Denn viele Internierte haben sich entlocken lassen, lieber nach Guantánamo als nach Riad oder Rabat verbracht werden zu wollen - Amerika foltert nicht, lautete der Grund. Wenn Folter darin besteht, Glieder zu brechen oder Elektroschocks zu verabreichen, stimmt das auch.
Manchmal werden Verdächtige auch andersherum zur Wahrheit verführt: Einem hochrangigen Al-Qaida-Mann, der seine Identität leugnete, aber zur Zeit des Moskauer Afghanistankriegs mit Riad Kontakt gepflegt hatte, wurde der Besuch von Saudis vorgespiegelt. Hocherfreut bat er diese um einen Anruf bei einer Nummer, die er aus dem Kopf angab. Es war die Nummer Prinz al-Turkis, damals Riads Geheimdienstchef. Jener bestätigte die Identität des Mannes, die "Saudis" legten ihre Burnusse ab, verwandelten sich wieder in Amerikaner, und der Häftling gestand.
In den Geheimlagern für hochrangige Al-Qaida-Mitglieder wird die Methode verfeinert. Das Lager mag in Osteuropa liegen oder in Algerien, doch ist es wie ein Theater ausstaffierbar. Mit Uniformen, Essen, Befehlssprache, Radiomusik wird vorgetäuscht, man befinde sich in Frankreich, Spanien oder Pakistan. Hollywood-Amerika hat mit solchen Kulissen Erfahrung. Die Gebäude sind luftdicht isoliert, damit Häftlinge kein klimatisches Indiz über den Ort erhalten. Aussageunwillige werden mit verbundenen Augen und ohne Atemkontakt zur Außenwelt in ein Flugzeug gebracht, die Maschine kreist mehrere Stunden. Nach der Rückkehr ist das Lager oder ein Zellentrakt in eine marokkanische Umgebung umgewandelt worden. Die Häftlinge glauben, ausgeliefert worden zu sein. Taucht dann ein US-Vernehmer auf und eröffnet ihnen eine letzte Chance, bevor Ortskräfte zum Zuge kämen, kann das Wirkung entfalten.
Erst wenn solche Mittel nicht mehr weiterhelfen, sagen die Befürworter der CIA-Zwangsmethoden, kommen die Kaltzelle oder das "Wasserbrett" zum Einsatz - ausgenommen solche Häftlinge, bei denen angenommen wird, sie verfügten über zeitkritische Informationen zu unmittelbar bevorstehenden Anschlägen.
Kritiker meinen, solche Methoden kommen allgemein und meistens viel zu früh zum Einsatz. Um diesen Konflikt wogt der Streit in der CIA und im amerikanischen Kongreß.
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