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«We are crashing — goodbye everybody»
von Daniel Huber
Vor vierzig Jahren stürzte eine Coronado der Swissair in ein Waldstück bei Würenlingen und explodierte. Alle 47 Menschen an Bord starben. Absturzursache war eine Bombe im Frachtraum.
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Der Absturz von Würenlingen
Am 21. Februar 1970 stürzte eine Coronado der Swissair auf dem Flug von Zürich nach Tel Aviv in einen Wald bei Würenlingen. Alle 47 Menschen an Bord kamen ums Leben.
Die Passagiere wurden später frei gelassen und die Jets gesprengt. Bild: Keystone/str
Interaktiv-Box
Video: Flugzeugabsturz in Würenlingen
Bildstrecke: Attentat auf El-Al-Flugzeug
Infografik: Timeline Nahostkonflikt
Audio
«Doppelpunkt» (DRS 1) Sendung «40 Jahre Flugzeugkatastrophe Würenlingen (AG)» vom Do, 4.2.2010, 20.03 Uhr
Der Swissair-Linienflug 330 nach Tel Aviv war am 21. Februar 1970, einem Samstag, um 13:14 Uhr in Zürich-Kloten gestartet. An Bord der Convair CV-990 Coronado mit dem Namen «Basel Land» und dem Kennzeichen HB-ICD befanden sich 38 Passagiere und neun Besatzungsmitglieder. Sieben Minuten nach dem Start — die Maschine flog gerade in 4300 Meter Höhe über Sattel-Hochstuckli Richtung Gotthard — explodierte im hinteren Frachtraum eine Bombe.
Die Explosion führte nicht unmittelbar zum Absturz der Coronado. Die Crew meldete jedoch Probleme mit dem Kabinendruck und Flugkapitän Karl Berlinger entschied sich, die Maschine nach Zürich zurückzufliegen und dort eine Notlandung einzuleiten. Kurz darauf aber begann an Bord von Flug 330 der Überlebenskampf, der sich im Funkverkehr widerspiegelt: Um 13:26 melden die Piloten erstmals ein Feuer an Bord: «This is an emergency – we have fire on board and request immediate landing – our navigation is not OK – we request police investigation.» Der Rauch verhinderte zusehends die Sicht auf die Instrumente und die Piloten verloren die Orientierung. Die Coronado driftete nach Westen ab und verlor stark an Höhe.
Bild des Grauens
In der Nähe von Baden meldete Berlinger: «Emergency! We have smoke on board. I can't see anything.» Der letzte Funkspruch des Kapitäns erfolgte um 13:33 Uhr: «We are crashing – goodbye everybody – goodbye everybody.» Der Strom fiel aus; die Coronado verschwand vom Radarschirm, schoss über Klingnau aus der Wolkendecke und raste im Sturzflug mit 770 km/h in den Unterwald bei Würenlingen. Mehrere Tonnen Kerosin explodierten in einem gewaltigen Feuerball; die Maschine wurde in kleinste Teile auseinandergerissen, niemand an Bord überlebte.
Den Rettungskräften bot sich ein Bild des Grauens: Überall lagen Trümmer, Kleider und Leichenteile. Allen war sofort klar, dass es hier nichts mehr zu retten gab. Die explodierende Maschine hatte eine enorme Schneise in den Wald gerissen. Heute stehen dort 47 Sequoia-Bäume — für jedes Opfer einer — und ein Gedenkstein erinnert mit allen Namen der Passagiere an den Absturz.
Opfer eines bitteren Zufalls
Die Täterschaft war schnell klar: Noch am gleichen Abend übernahm die palästinensische Terrorgruppe «Volksfront zur Befreiung Palästinas» («Popular Front for the Liberation of Palestine», PFLP) in der jordanischen Hauptstadt Amman die Verantwortung für den Anschlag und zugleich für die Explosion einer weiteren Bombe gleicher Machart an Bord einer Caravelle der österreichischen Fluggesellschaft Austrian Airlines (AUA). Die Insassen der Caravelle hatten allerdings mehr Glück als jene der Coronado; die österreichische Maschine konnte mit einem Loch im Rumpf notlanden.
Die 47 Toten von Würenlingen waren das Opfer eines bitteren Zufalls: Die Bomben der PFLP hatten eigentlich der israelischen Flugzeuggesellschaft El Al gegolten. Da deren Fracht am Samstag jeweils über Zürich und Wien umgeleitet wurde, was den Tätern anscheinend nicht bekannt war, gelangten die Paketsendungen mit den Sprengsätzen an Bord der Swissair- und AUA-Maschinen (nach einer anderen Lesart soll die grosse Verspätung des El-Al-Flugs von München nach Tel Aviv für die Umdisponierung verantwortlich gewesen sein).
Die Terrorgruppe des Kinderarzts
Die PFLP, eine Unterorganisation der «Palästinensischen Befreiungsorganisation» (PLO), war Ende 1967 von dem palästinensischen Kinderarzt Georges Habash gegründet worden, der zeitweise auch am Zürcher Kinderspital tätig gewesen war. Die Terrororganisation hatte bereits einmal einen Terrorakt auf schweizerischem Boden durchgeführt: In der Nacht des 18. Februar 1969 hatten vier Terroristen eine Boeing 720 der El Al auf dem Rollfeld des Flughafens Kloten mit Maschinenpistolen beschossen. Dabei war der Kopilot ums Leben gekommen; ein israelischer Sicherheitsbeamter erschoss zudem einen der Attentäter. Die übrigen drei wurden von einem schweizerischen Gericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, jedoch nur neun Monate später auf freien Fuss gesetzt — sie wurden von der PFLP frei gepresst, die im September 1970 drei Linienmaschinen, darunter eine DC-8 der Swissair, nach Jordanien entführt hatte. Die Passagiere wurden frei gelassen und die Jets gesprengt.
Die Strafuntersuchung zur Täterschaft des Anschlags auf die Coronado wurde von der Bundesanwaltschaft im November 2000 endgültig eingestellt, da die Attentäter nicht identifiziert und verhaftet werden konnten. Im März 2009 kam es deswegen zu einem parlamentarischen Nachspiel: Der Zürcher SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi reichte eine Interpellation ein, in der er Auskunft über den Gang des Verfahrens verlangte. In der Antwort des Bundesrates hiess es dazu:
«Es besteht kaum Hoffnung, die Attentäter vor Gericht zu bringen, da nicht genügend Hinweise zu deren Identifikation und Verhaftung bestehen. Dies war bereits 1970 der Fall, und die seither vergangene Zeit hat die Spuren des Attentates weiter verwischt und die Chancen für eine erfolgreiche Strafverfolgung zusätzlich verringert.»
http://www.20min.ch/wissen/history/story/24711891
von Daniel Huber
Vor vierzig Jahren stürzte eine Coronado der Swissair in ein Waldstück bei Würenlingen und explodierte. Alle 47 Menschen an Bord starben. Absturzursache war eine Bombe im Frachtraum.
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Der Absturz von Würenlingen
Am 21. Februar 1970 stürzte eine Coronado der Swissair auf dem Flug von Zürich nach Tel Aviv in einen Wald bei Würenlingen. Alle 47 Menschen an Bord kamen ums Leben.
Die Passagiere wurden später frei gelassen und die Jets gesprengt. Bild: Keystone/str
Interaktiv-Box
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«Doppelpunkt» (DRS 1) Sendung «40 Jahre Flugzeugkatastrophe Würenlingen (AG)» vom Do, 4.2.2010, 20.03 Uhr
Grafiken ©2010 DigitalGlobe, GeoContent, Cnes/Spot Image, GeoEye, Kartendaten ©2010 Tele A
Der Swissair-Linienflug 330 nach Tel Aviv war am 21. Februar 1970, einem Samstag, um 13:14 Uhr in Zürich-Kloten gestartet. An Bord der Convair CV-990 Coronado mit dem Namen «Basel Land» und dem Kennzeichen HB-ICD befanden sich 38 Passagiere und neun Besatzungsmitglieder. Sieben Minuten nach dem Start — die Maschine flog gerade in 4300 Meter Höhe über Sattel-Hochstuckli Richtung Gotthard — explodierte im hinteren Frachtraum eine Bombe.
Die Explosion führte nicht unmittelbar zum Absturz der Coronado. Die Crew meldete jedoch Probleme mit dem Kabinendruck und Flugkapitän Karl Berlinger entschied sich, die Maschine nach Zürich zurückzufliegen und dort eine Notlandung einzuleiten. Kurz darauf aber begann an Bord von Flug 330 der Überlebenskampf, der sich im Funkverkehr widerspiegelt: Um 13:26 melden die Piloten erstmals ein Feuer an Bord: «This is an emergency – we have fire on board and request immediate landing – our navigation is not OK – we request police investigation.» Der Rauch verhinderte zusehends die Sicht auf die Instrumente und die Piloten verloren die Orientierung. Die Coronado driftete nach Westen ab und verlor stark an Höhe.
Bild des Grauens
In der Nähe von Baden meldete Berlinger: «Emergency! We have smoke on board. I can't see anything.» Der letzte Funkspruch des Kapitäns erfolgte um 13:33 Uhr: «We are crashing – goodbye everybody – goodbye everybody.» Der Strom fiel aus; die Coronado verschwand vom Radarschirm, schoss über Klingnau aus der Wolkendecke und raste im Sturzflug mit 770 km/h in den Unterwald bei Würenlingen. Mehrere Tonnen Kerosin explodierten in einem gewaltigen Feuerball; die Maschine wurde in kleinste Teile auseinandergerissen, niemand an Bord überlebte.
Den Rettungskräften bot sich ein Bild des Grauens: Überall lagen Trümmer, Kleider und Leichenteile. Allen war sofort klar, dass es hier nichts mehr zu retten gab. Die explodierende Maschine hatte eine enorme Schneise in den Wald gerissen. Heute stehen dort 47 Sequoia-Bäume — für jedes Opfer einer — und ein Gedenkstein erinnert mit allen Namen der Passagiere an den Absturz.
Opfer eines bitteren Zufalls
Die Täterschaft war schnell klar: Noch am gleichen Abend übernahm die palästinensische Terrorgruppe «Volksfront zur Befreiung Palästinas» («Popular Front for the Liberation of Palestine», PFLP) in der jordanischen Hauptstadt Amman die Verantwortung für den Anschlag und zugleich für die Explosion einer weiteren Bombe gleicher Machart an Bord einer Caravelle der österreichischen Fluggesellschaft Austrian Airlines (AUA). Die Insassen der Caravelle hatten allerdings mehr Glück als jene der Coronado; die österreichische Maschine konnte mit einem Loch im Rumpf notlanden.
Die 47 Toten von Würenlingen waren das Opfer eines bitteren Zufalls: Die Bomben der PFLP hatten eigentlich der israelischen Flugzeuggesellschaft El Al gegolten. Da deren Fracht am Samstag jeweils über Zürich und Wien umgeleitet wurde, was den Tätern anscheinend nicht bekannt war, gelangten die Paketsendungen mit den Sprengsätzen an Bord der Swissair- und AUA-Maschinen (nach einer anderen Lesart soll die grosse Verspätung des El-Al-Flugs von München nach Tel Aviv für die Umdisponierung verantwortlich gewesen sein).
Die Terrorgruppe des Kinderarzts
Die PFLP, eine Unterorganisation der «Palästinensischen Befreiungsorganisation» (PLO), war Ende 1967 von dem palästinensischen Kinderarzt Georges Habash gegründet worden, der zeitweise auch am Zürcher Kinderspital tätig gewesen war. Die Terrororganisation hatte bereits einmal einen Terrorakt auf schweizerischem Boden durchgeführt: In der Nacht des 18. Februar 1969 hatten vier Terroristen eine Boeing 720 der El Al auf dem Rollfeld des Flughafens Kloten mit Maschinenpistolen beschossen. Dabei war der Kopilot ums Leben gekommen; ein israelischer Sicherheitsbeamter erschoss zudem einen der Attentäter. Die übrigen drei wurden von einem schweizerischen Gericht zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt, jedoch nur neun Monate später auf freien Fuss gesetzt — sie wurden von der PFLP frei gepresst, die im September 1970 drei Linienmaschinen, darunter eine DC-8 der Swissair, nach Jordanien entführt hatte. Die Passagiere wurden frei gelassen und die Jets gesprengt.
Die Strafuntersuchung zur Täterschaft des Anschlags auf die Coronado wurde von der Bundesanwaltschaft im November 2000 endgültig eingestellt, da die Attentäter nicht identifiziert und verhaftet werden konnten. Im März 2009 kam es deswegen zu einem parlamentarischen Nachspiel: Der Zürcher SVP-Nationalrat Toni Bortoluzzi reichte eine Interpellation ein, in der er Auskunft über den Gang des Verfahrens verlangte. In der Antwort des Bundesrates hiess es dazu:
«Es besteht kaum Hoffnung, die Attentäter vor Gericht zu bringen, da nicht genügend Hinweise zu deren Identifikation und Verhaftung bestehen. Dies war bereits 1970 der Fall, und die seither vergangene Zeit hat die Spuren des Attentates weiter verwischt und die Chancen für eine erfolgreiche Strafverfolgung zusätzlich verringert.»
http://www.20min.ch/wissen/history/story/24711891